Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einer Parkbank. Eine Frau in schlichter Kleidung, mit neutralem Gesichtsausdruck geht an ihnen vorüber. Einige Minuten später kommt ein junger Mann mit blauen Haaren an Ihnen vorbei. Ob Sie wollen oder nicht – Sie werden beide Personen einschätzen und ein Urteil fällen. Obwohl Ihnen nur einige wenige Informationen zu den Passanten vorliegen, werden Sie kategorisieren, ergänzen und schlussfolgern.
Sie werden hierzu auf eigene Erfahrungen oder bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen, um ein komplettes Bild von den beiden Personen entstehen zu lassen. Dass dieses Bild nicht mit der Realität übereinstimmt ist aufgrund der dürftigen Informationslage sehr wahrscheinlich. Doch nicht nur in unsicheren, auch in Situationen, in denen schnell ein Urteil getroffen werden muss, kürzen wir die Informationsverarbeitung ab, um zu einem hinreichend genauen Urteil zu gelangen. Diese mentalen Shortcuts werden Heuristiken genannt.
Die vorliegende Arbeit wird aufzeigen, dass heuristische Entscheidungsfindungen – wenngleich sie üblicherweise zu einer recht annehmbaren und praktikablen Lösung führen – nicht für den eignungsdiagnostischen Prozess geeignet sind.
Solche Fehlentscheidungen können sowohl für den Bewerber als auch für das Unternehmen weitreichende Konsequenzen haben. Letztgenannte müssen u. a. mit finanziellen Einbußen, Zeit- und Imageverlust rechnen.
Neben der Definition der Heuristik werden im Speziellen die Verfügbarkeitsheuristik und deren Effekte erläutert, die vor allem auf der Leichtigkeit des Informationsabrufes (schnell verfügbare Informationen) basieren. Anschließend soll ein Fallbeispiel die Entstehung verfügbarkeitsheuristischer
Entscheidungsfindungen im Personalauswahlprozess und die weitreichenden Folgen für das Unternehmen und den Bewerber verdeutlichen. Aber wie kann ich als Unternehmer, resp. Personalverantwortlicher, die Gefahr von Fehleinschätzungen im eignungsdiagnostischen Prozess minimieren?
Hierzu sollen Handlungsempfehlungen geeignete Lösungsansätze anbieten. Die Erstellung eines Anforderungsprofils und die Durchführung strukturierter Einstellungsinterviews werden explizit erläutert und sollen das Bewusstsein für professionelle eignungsdiagnostische Maßnahmen schärfen, um zukünftig optimal für die Auswahl der am besten geeigneten Bewerber gerüstet zu sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Heuristik
- Definition und Begriffserklärung Heuristik
- Die Verfügbarkeitsheuristik
- Erkenntnisse aus der Forschung zur Verfügbarkeitsheuristik
- Auffälligkeit (Salienz) & Lebhaftigkeit („vividness“)
- Die stimmungskongruente Erinnerung („mood-congruent recall”)
- Die Unausgewogenheit verfügbarer Informationen
- Fallbeispiel für Fehlurteile bei der Personalauswahl
- Handlungsempfehlungen für die Personalauswahl
- Das Anforderungsprofil
- Das strukturierte Einstellungsinterview
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit heuristischen Entscheidungsfindungen und ihren Folgen für den eignungsdiagnostischen Prozess. Besonderer Fokus liegt auf der Verfügbarkeitsheuristik und ihren Effekten auf die Personalauswahl. Die Arbeit zeigt auf, dass die Verfügbarkeitsheuristik, trotz ihrer Nützlichkeit in komplexen Situationen, zu Fehlurteilen und somit zu negativen Konsequenzen für Unternehmen und Bewerber führen kann. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für eine optimierte Personalauswahl gegeben, wobei das Anforderungsprofil und strukturierte Einstellungsinterviews im Vordergrund stehen.
- Heuristische Entscheidungsfindungen und ihre Relevanz für die Personalauswahl
- Die Verfügbarkeitsheuristik: Definition und Einflussfaktoren
- Fallbeispiele für Fehleinschätzungen im Personalauswahlprozess
- Handlungsempfehlungen zur Vermeidung heuristischer Urteilsbildungen
- Professionelle Personalauswahl: Strukturierte Interviews und Anforderungsprofile
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik der heuristischen Entscheidungsfindungen im Personalauswahlprozess vor. Sie erklärt, dass mentale Shortcuts, obwohl häufig effektiv, im eignungsdiagnostischen Kontext zu Fehlurteilen führen können.
Kapitel 1 beleuchtet die Heuristik im Allgemeinen und erklärt die Verfügbarkeitsheuristik im Detail. Es wird darauf hingewiesen, dass die Verfügbarkeit von Informationen nicht immer mit deren Wahrscheinlichkeit korreliert, und somit zu verzerrten Einschätzungen führen kann.
Kapitel 2 untersucht verschiedene Effekte der Verfügbarkeitsheuristik, wie Häufigkeit, Recency, Auffälligkeit und Stimmungskongruenz.
Kapitel 3 präsentiert ein Fallbeispiel, das verdeutlicht, wie die Verfügbarkeitsheuristik im Personalauswahlprozess zu Fehlentscheidungen führen kann. Es wird ein fiktives Szenario dargestellt, in dem die Personalauswahl von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, die auf die Verfügbarkeitsheuristik zurückzuführen sind.
Kapitel 4 bietet Handlungsempfehlungen zur Minimierung heuristischer Urteilsbildungen. Es wird die Bedeutung des Anforderungsprofils und die Durchführung strukturierter Einstellungsinterviews hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit heuristischen Entscheidungsfindungen, insbesondere mit der Verfügbarkeitsheuristik und ihren Auswirkungen auf den eignungsdiagnostischen Prozess, speziell in der Personalauswahl. Weitere wichtige Begriffe sind: Anforderungsprofil, strukturierte Interviews, Fehleinschätzung, Urteilsbildung, Validität, Objektivität, Relevanz, Unternehmenserwartungen, Bewerberqualifikationen, und Berufserfolg.
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- Jessica Motzer (Author), 2016, Fehleinschätzungen durch die Verfügbarkeitsheuristik in der Personalauswahl, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/450023