Dass die demographische Entwicklung in Deutschland langfristig zu einer überproportionalen Zunahme der älteren Bevölkerungsschichten führen wird, ist keine Neuigkeit mehr. Jedoch hat diese Tendenz nicht nur für die Finanzierung der gesetzlichen Renten, sondern auch für viele andere gesellschaftliche Bereiche nachhaltige Konsequenzen.
So wird das Wachstum der Zahl von alten und hochbetagten Menschen eine verstärkte Nachfrage nach Angeboten, Diensten und Einrichtungen für diesen Personenkreis auslösen − die Anfänge dieser Entwicklung sind schon heute festzustellen. Zwar muss Altern und Alter nicht per se Pflegebedürftigkeit bedeuten, doch erhöht sich mit zunehmendem Lebensalter das Risiko, auf Beistand und Pflege angewiesen zu sein. Obwohl für den Großteil die Inanspruchnahme von ambulanten Diensten den täglichen Unterstützungsbedarf decken wird, werden nicht alle die Möglichkeit haben, ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden zu verbringen.
Der Umzug in eine stationäre Einrichtung der Altenpflege ist eine Alternative, wenn ambulante Hilfen zu kurz greifen und die Pflege durch Angehörige an ihre Grenzen stößt.
Die Bewohner von Alteneinrichtungen brauchen neben meist umfassender hauswirtschaftlicher und pflegerischer Versorgung auch eine qualifizierte psychosoziale und medizinische Betreuung. Diese muss sich in Zukunft noch stärker an gerontopsychiatrischen Erkenntnissen orientieren, da der Bedarf auf diesem Gebiet ansteigen wird. Immer mehr alte Menschen sind von demenziellen Erkrankungen betroffen und stellen das Pflegepersonal vor neue Aufgaben. Insgesamt sind die beruflichen Anforderungen an Altenpfleger in stationären Altenhilfeeinrichtungen in den letzten Jahren erheblich gestiegen.
1 Einführung und Fragestellung
Dass die demographische Entwicklung in Deutschland langfristig zu einer überproportionalen Zunahme der älteren Bevölkerungsschichten führen wird, ist keine Neuigkeit mehr. Jedoch hat diese Tendenz nicht nur für die Finanzierung der gesetzlichen Renten, sondern auch für viele andere gesellschaftliche Bereiche nachhaltige Konsequenzen.
So wird das Wachstum der Zahl von alten und hochbetagten Menschen eine verstärkte Nachfrage nach Angeboten, Diensten und Einrichtungen für diesen Personenkreis auslösen - die Anfänge dieser Entwicklung sind schon heute festzustellen. Zwar muss Altern und Alter nicht per se Pflegebedürftigkeit bedeuten, doch erhöht sich mit zunehmendem Lebensalter das Risiko, auf Beistand und Pflege angewiesen zu sein. Obwohl für den Großteil die Inanspruchnahme von ambulanten Diensten den täglichen Unterstützungsbedarf decken wird, werden nicht alle die Möglichkeit haben, ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Der Umzug in eine stationäre Einrichtung der Altenpflege ist eine Alternative, wenn ambulante Hilfen zu kurz greifen und die Pflege durch Angehörige an ihre Grenzen stößt.
Die Bewohner von Alteneinrichtungen brauchen neben meist umfassender hauswirtschaftlicher und pflegerischer Versorgung auch eine qualifizierte psychosoziale und medizinische Betreuung. Diese muss sich in Zukunft noch stärker an gerontopsychiatrischen Erkenntnissen orientieren, da der Bedarf auf diesem Gebiet ansteigen wird. Immer mehr alte Menschen sind von demenziellen Erkrankungen betroffen und stellen das Pflegepersonal vor neue Aufgaben.[1]
Insgesamt sind die beruflichen Anforderungen an Altenpfleger[2] in stationären Altenhilfeeinrichtungen in den letzten Jahren erheblich gestiegen. In einer Untersuchung von Zimber und Weyerer[3] konnte gezeigt werden, dass der Grad der Pflegebedürftigkeit bei den Heimbewohnern zwischen 1988 und 1992 stark angestiegen ist. Neben gerontopsychiatrischen Krankheiten wiesen deutlich mehr Bewohner bereits bei der Heimaufnahme depressive oder desorientierte Verhaltensweisen auf. Diese Entwicklung lässt sich auch an der Evolution der Benennung von stationären Einrichtungen ablesen. So sprach man vor 15 Jahren noch von „Altenheim“, später dann von „Altenpflegeheim“. Heute ist die Bezeichnung „Pflegeheim“ gängig. Nicht mehr das Alter, sondern die Pflege steht im Vordergrund. Die Versorgung hilfsbedürftiger alter Menschen ist mit großen physischen und psychischen Belastungen verbunden. Das Heben und Bewegen vor allem von bettlägerigen Bewohnern ist Schwerstarbeit und erfordert den vollen Einsatz der körperlichen Kräfte. Psychische Belastungen entstehen aus dem vielfach schwierigen Umgang mit verwirrten, depressiven oder z.T. auch aggressiven Menschen und der permanenten Konfrontation mit körperlichem Verfall, Sterben und Tod.
Die Arbeitssituation für das Pflegepersonal wird nicht nur durch ein sich veränderndes Klientel erschwert, auch die organisatorischen Gegebenheiten tragen wesentlich dazu bei. Durch die Einführung der Pflegeversicherung hat sich der Kostendruck, dem die Einrichtungen ausgesetzt sind, erheblich verschärft. In der Folge führt dies oftmals zu Personalmangel und zur Steigerung des Aufgabenvolumens pro Pfleger. Überdies sind neue Tätigkeiten, insbesondere weitreichende Dokumentationspflichten, hinzugekommen.
Wenn sich das Pflegepersonal diesen Anforderungen nicht mehr gewachsen sieht, so wird die Arbeit zur dauerhaften Belastung – vor allem, wenn Kompensations- bzw. Ausgleichsmöglichkeiten unzureichend sind oder ganz fehlen. So entsteht für die Mitarbeiter die Gefahr, das „Burnout-Syndrom“ zu entwickeln. Unter Burnout versteht man den Prozess des „Ausbrennens“; eine sich ausbreitende physische und psychische Erschöpfung verbunden mit dem Rückzug aus der Arbeit, mangelnder Anteilnahme und reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit. Solche Erscheinungen sind vor allem bei Menschen, die „personenbezogene Dienstleistungsberufe“[4] ergriffen haben, zu beobachten.
Weshalb wird das Burnout-Syndrom in dieser Diplomarbeit, einer wissenschaftlichen Arbeit im Fachbereich Betriebswirtschaftslehre, zum Thema gemacht und diskutiert? In sozialen Dienstleistungsunternehmen, die als Träger von stationären Alteneinrichtungen fungieren, stellt das Personal gewissermaßen das „betriebsnotwendige Kapital“ dar: ohne Mitarbeiter kann keine Dienstleistung erbracht werden. Des weiteren hängt die Qualität der erbrachten Dienstleistung wesentlich von der Qualifikation, der Motivation und der Leistungsfähigkeit des Personals ab. Leiden viele Mitarbeiter unter Burnout, so wird dies gravierende Folgen haben. Zum einen sinkt die Qualität der Pflege, zum anderen verursacht ein ausgebrannter Mitarbeiter seinem Arbeitgeber durch seine verminderte Arbeitskraft beträchtliche Kosten. Ein soziales Unternehmen kann seinen Bestand nur sichern, wenn es langfristig über gut ausgebildete, motivierte und produktive Mitarbeiter verfügt, die qualitativ hochwertige Dienstleistungen erbringen. Ziel eines solchen Unternehmens muss es demnach sein, das eigene Personal vor Burnout zu schützen. Diese Präventionsarbeit kann als Aufgabe des Personalmanagements betrachtet werden.
Aus dem Titel dieser Arbeit ergibt sich die vierteilige Fragestellung, die in ihr untersucht werden soll:
1. Was versteht man unter Burnout und welche Symptome treten auf?
2. Auf welche Ursachen gründet das Burnout-Syndrom?
3. Welche Folgen hat Burnout für den Arbeitgeber?
4. Durch welche Maßnahmen kann man Burnout präventiv entgegenwirken und welche Strategien eignen sich zur Bewältigung?
Um diese Fragen zu klären, sind mehrere Schritte notwendig. Zur besseren Orientierung des Lesers soll an dieser Stelle der Aufbau der Diplomarbeit vorgestellt werden. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile, den theoretischen Teil und den empirischen Teil.
Theoretischer Teil:
Der theoretische Teil beinhaltet zuallererst die Einführung und die Fragestellung, die im Verlauf der Arbeit untersucht werden soll (Kapitel 1). In Kapitel 2 erfolgt eine Annäherung an das Phänomen „Burnout“. Es werden theoretische Modelle dargestellt, die für das Verständnis von Burnout eine elementare Bedeutung haben. Des weiteren werden die Symptome und die prozesshafte Entstehung von Burnout erläutert. Kapitel 3 befasst sich mit der Ursachenforschung. Neben einer kurzen Beschreibung der beruflichen Realität in der stationären Altenpflege, werden die Faktoren vorgestellt, denen die Fachwelt in bezug auf Burnout eine verursachende Wirkung zuschreibt. In Kapitel 4 werden die Auswirkungen von Burnout auf den Arbeitgeber thematisiert. Es geht um die Folgen, die ein Heimträger erwarten muss, wenn er ausgebrannte Mitarbeiter beschäftigt. Kapitel 5 ist der Prävention und der Intervention gewidmet. Es werden konkrete Empfehlungen für das Personalmanagement erarbeitet, die dabei helfen, der Entstehung von Burnout entgegenzuwirken bzw. Burnout zu bewältigen.
Empirischer Teil:
Kapitel 6 und Kapitel 7 beinhalten eine qualitative Studie zum Thema „Burnout in der stationären Altenpflege“. Nach den Grundsätzen der qualitativen Sozialforschung werden fünf problemzentrierte Interviews mit Altenpflegern geführt, um praktische Erkenntnisse zu Burn-out zu gewinnen. Die Studie basiert auf dem theoretischen Teil dieser Diplomarbeit. Ziel ist es, die folgenden Forschungsfragen mit Hilfe der Interviews zu beantworten:
1. Welche Arbeitsplatzmerkmale bzw. Arbeitssituationen erleben die interviewten Personen als besonders belastend?
2. Welche Symptome treten in schwierigen, belastenden Situationen auf?
3. Wie, d.h. mit welchen Strategien, versuchen sich die Mitarbeiter gegen diese Belastungen zu schützen? Wie verarbeiten sie belastende Situationen?
4. Welche Bedeutung schreiben die Befragten der Supervision, der Fort- und Weiterbildung und dem Führungsstil bei der Kompensation von arbeitsbedingten Belastungen zu?
Während Kapitel 6 das methodische Vorgehen bzw. das Untersuchungsdesign der Studie beschreibt, werden in Kapitel 7 die Ergebnisse vorgestellt, diskutiert und interpretiert. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Fazit in Form einer Schlussbetrachtung (Kapitel 8).
2 Annäherung an das Phänomen „Burnout“
Das Burnout-Syndrom stellt sich in der Fachliteratur als komplexes Phänomen dar, für das sich Forscher aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen interessieren. Es existiert eine Vielzahl von Ansätzen, Theorien und Modellen, die diese Erscheinung thematisieren, analysieren und zu erklären versuchen.[5]
In diesem Kapitel erfolgt eine schrittweise Eingrenzung und Bestimmung dessen, was Burnout ist. Dazu ist es erforderlich, die Grundzüge des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts und des transaktionalen Stressmodells zu erörtern. Erst auf dieser Grundlage kann man sich einer Begriffsdefinition und der Symptomatik des Burnout-Syndroms widmen. Anschließend wird das Burnout-Modell von Maslach und Jackson beschrieben, das für diese Arbeit von zentraler Bedeutung ist und gleichsam deren theoretische Basis bildet. Am Ende dieses Kapitels wird auf den prozesshaften Verlauf von Burnout eingegangen.
2.1 Belastung, Beanspruchung und Stress als Wegbereiter von Burnout
Der Titel dieses Abschnitts deutet bereits an, dass Burnout das Ende einer Reaktionskette ist, an deren Anfang eine Belastung steht. Was also mit einer einfachen Belastung beginnt, kann Burnout als Spätfolge nach sich ziehen. Zur Verdeutlichung soll folgendes Schema dienen:
Abbildung 1: Reaktionskette – von der Belastung zum Burnout
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da „Belastung“, „Beanspruchung“ und „Stress“ wichtige Bestandteile zum Verständnis von Burnout sind, ist deren Klärung unerlässlich, auch deswegen, weil in der Praxis eine uneinheitliche Verwendung vorherrscht.
Widmen wir uns zunächst dem Begriff Belastung. Mitarbeiter in der Pflege sind physischen wie psychischen Belastungen unterschiedlichster Art ausgesetzt. Belastungen können auftreten im Umgang mit den Bewohnern, durch Schwierigkeiten im Pflegeteam und aufgrund von institutionellen Rahmenbedingungen. Solche Belastungen sind nichts Ungewöhnliches, sie sind gewissermaßen ständige Begleiter im Berufsalltag eines Altenpflegers. Belastung ist ein „neutraler Begriff“[6], der noch keine Aussage über mögliche Auswirkungen macht. Um dies noch plastischer auszudrücken, könnte man auch von objektiver Belastung sprechen.
Im arbeitswissenschaftlichen Zusammenhang versteht man unter Belastungen solche Faktoren, die von außen auf das Individuum einwirken. Diese Faktoren lassen sich in drei Bereiche gliedern:[7]
- Physische Belastungen durch körperliche / muskuläre Tätigkeiten (z.B. Heben, Aufrichten, Umbetten von Personen, Zurücklegen langer Wege)
- Physikalische und chemische Belastungen (z.B. Lärm, Hitze, Gerüche)
- Psychische und psychosoziale Belastungen im Arbeitsumfeld (z.B. mangelhaftes Arbeitsklima, Umgang mit dementen Bewohnern, Konfrontation mit Sterben und Tod)
Fengler geht davon aus, dass eine Belastung zu einer Gefährdung werden kann, wenn sich mehrere Belastungsmomente häufen oder über einen längeren Zeitraum hinweg konstant bleiben.[8] Statt Gefährdung kann man Beanspruchung in diesem Zusammenhang synonym gebrauchen, womit wir beim nächsten Begriff wären.
Belastungen führen zu Beanspruchung in unterschiedlichen Ausprägungen. Hierunter versteht man beispielsweise somatische bzw. physiologische Reaktionen wie erhöhte Pulsfrequenz oder Müdigkeitserscheinungen, die während des Arbeitsprozesses oder danach auftreten. Während die Belastung als objektive Größe zu sehen ist, d.h. sie ist für jede betroffene Person gleich groß, so ist die Beanspruchung, die sich daraus ergibt, von individuellen Merkmalen des einzelnen abhängig.[9] „Voraussagen über die zu erwartende Beanspruchung können nur bei Kenntnis weiterer Einflussgrößen wie z.B. Persönlichkeitseigenschaften, individuellen Bedürfnissen und Handlungskompetenzen, verfügbaren materiellen und sozialen Ressourcen gemacht werden.“[10] Ein Beispiel: Nachreiner und Rutenfranz fanden heraus, dass introvertierte Personen bei Schichtarbeit eine höhere Beanspruchung zeigen, als extrovertierte, flexible und stabile Persönlichkeiten.[11]
Stress ist ein Wort aus dem alltäglichen Sprachgebrauch, das benutzt wird, um eine Vielzahl von aversiven psychischen Reaktionen, wie z.B. Angst, Furcht, Ärger, Anspannung und Unruhe, zu beschreiben.[12] Während der Begriff Stress in der Umgangssprache einen Zustand meint, so geht man in der Fachliteratur von Stress als einem Prozess aus, weswegen auch von „Streßgeschehen“[13] die Rede ist. Diese Ansicht liegt auch den beiden Theorien zugrunde, die nachfolgend dargestellt werden.
Die arbeitswissenschaftliche Forschung zu Stress orientiert sich maßgeblich an zwei Modellen: dem oben beschriebenen „Belastungs-Beanspruchungs-Konzept“[14] und dem „transaktionalen Streßmodell“[15].
Im Belastungs-Beanspruchungs-Konzept führt eine objektive Belastung, die eine Person erfährt, zu einer individuellen (d.h. unterschiedlich ausgeprägten) Beanspruchung. Die Ausprägung hängt wiederum davon ab, welche persönlichen und situativen Ressourcen zur Verfügung stehen. In diesem Ansatz wird der Mensch als passives Wesen betrachtet, das „auf Belastungen in der Arbeitswelt je nach Konstitution und Persönlichkeit mit Beanspruchung reagiert. Er wird jedoch nicht als Individuum angesehen, das selbst verändernd wirken kann und damit das Erleben von Streß mitbestimmen kann.“[16] Und genau das ist der Punkt, warum dieses Konzept von psychologischer Seite kritisiert wird. Im transaktionalen Stressmodell hingegen, wird dieser Mangel beseitigt, denn hier steht die Interaktion von Person und Situation im Mittelpunkt des Interesses.
In diesem Modell (Abb. 2) erfolgt eine Differenzierung zwischen den Auslösefaktoren des Stresszustandes (Stressoren), den unmittelbaren Stressreaktionen und den langfristigen Stressfolgen.[17] Die Stressoren entsprechen weitgehend den oben beschriebenen Belastungen. Unter Stressreaktion versteht man das Verhalten der Person, auf die die Stressoren einwirken. Mit Verhalten ist in diesem Zusammenhang nicht nur das konkrete Handeln gemeint, sondern auch ein Bewertungsprozess, in dem das Individuum seine Umwelt und die gegenwärtige Situation wahrnimmt und einordnet. Erst durch diese Bewertung werden sie entweder als irrelevant, als günstig[18] oder als belastend[19] empfunden.
Stress ist ein Prozess, „der aus einer auslösenden Situation, deren subjektiver Wahrnehmung und Verarbeitung sowie physiologischen und psychologischen Reaktionen besteht“[20] und an dessen Ende (Stress-)Folgen stehen. Die zentralen Aspekte dieser Theorie sind die kognitive Bewertung (cognitive appraisal) der Situation wie auch deren Bewältigung (coping). Die folgende Abbildung erleichtert das Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge.
Abbildung 2: Das transaktionale Stressmodell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: nach Lazarus / Launier (1981).
Am Ende jedes Stressprozesses stehen Stressfolgen. Wird der auslösende Stressor bzw. die auslösende Situation als irrelevant betrachtet, so endet der Prozess ohne Folgen an dieser Stelle. Bei positiver Bewertung kann die Stressfolge beispielsweise Zufriedenheit oder Erleichterung sein, wohingegen belastende Momente z.B. Ärger, Frustration, Rückzug, Depression und andere psychosomatische Beschwerden nach sich ziehen.
Auch Burnout bzw. die Entstehung des Burnout-Syndroms wird in der wissenschaftlichen Diskussion als spezifische (langfristige) Stressfolge gesehen[21], die vor allem bei sozialen Berufen auftritt. Je länger Personen ungünstigen Situationen ausgesetzt sind und je intensiver sie diese wahrnehmen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, das Burnout-Syndrom zu entwickeln. „Der Vergleich verschiedener Streßkonzepte mit Burnout legt nahe, es als Folge einer Streßreaktion aufzufassen, wobei Burnout als berufsspezifische Reaktion auf streßhafte Bedingungen in der Arbeit mit anderen Menschen verstanden werden kann.“[22]
2.2 Burnout – Begriffsdefinition und Symptomatik
Der Begriff Burnout hat in den letzten Jahren auch in Deutschland große Popularität erlangt. Immer mehr Menschen verwenden dieses Wort, wenn sie ihre als belastend empfundene berufliche Situation beschreiben. Vor allem in sozialen Berufen fühlen sich Mitarbeiter zusehends gestresst und „ausgebrannt“.
Doch was wollen die Benutzer dieser Vokabel damit ausdrücken? Es ist davon auszugehen, dass die gemeinten Bedeutungen in die gleiche Richtung gehen, aber verschiedene Schwerpunktlegungen bzw. Nuancen aufweisen. Dazu Rook, die sich im Rahmen ihrer Dissertation mit Burnout auseinandergesetzt hat: „Ich habe mich jetzt über vier Jahre intensiv mit dem Konstrukt ‚Burnout‘ beschäftigt und gerate immer noch in Verwirrung, wenn mich jemand fragt, was mit ‚Burnout‘ gemeint ist. [...] Zum Glück werde ich nicht sehr häufig nach genauen Definitionen gefragt, - oftmals genügt allein die Erwähnung, daß ich über ‚Burnout‘ nachdenke und schreibe, um ein interessiertes Aufhorchen zu veranlassen und einige Sätze [...] miteinander zu wechseln – obwohl ich mir so manchesmal nicht sicher war, ob ich und meine Gesprächspartner über das Gleiche sprechen, auch wenn wir gleichermaßen das Wort ‚Burnout‘ gebrauchen.“[23]
Burnout stammt aus dem amerikanischen Sprachraum und wurde in den deutschen Wortschatz übernommen. Aus diesem Grund empfiehlt sich zuallererst eine Annäherung auf sprachlicher Ebene. Freudenberger, der als Initiator der Burnout-Diskussion gilt[24], zieht in seiner ersten Arbeit folgende Wörterbuchdefinition heran: „to fail, wear out, or become exhausted by excessive demands on energy, strength, or resources“[25] (scheitern, verschleißen oder erschöpft sein aufgrund von übermäßiger Nachfrage nach Energie, Kraft oder Ressourcen; Übersetzung d. Verf.). Im englisch-deutschen Handwörterbuch wird Burnout mit „sich kaputtmachen oder völlig verausgaben“[26] übersetzt.
Bermejo / Muthny verstehen Burnout als Energieverlust und Resignation aufgrund von Überforderung und beruflicher Enttäuschung, „vor allem bei den Berufsgruppen, die ihr ganzes Berufsleben mit mehr oder weniger hoffnungslosen Situationen konfrontiert sind.“[27] Auch Burisch versucht sich in einer abstrakt-generellen Definition und sieht bei Burnout „eine langandauernde zu hohe Energieabgabe für zu geringe Wirkung bei ungenügendem Energienachschub.“[28]
Im folgenden Abschnitt werden die Symptome näher charakterisiert. Freudenberger benutzte die Bezeichnung Burnout, um seine Beobachtung zu beschreiben, dass oftmals verantwortungsbewusste und engagierte ehrenamtliche Mitarbeiter in Selbsthilfegruppen beginnen, physische und psychische Symptome zu zeigen: Müdigkeit, Erschöpfung, Reizbarkeit, Misstrauen, Sturheit, negative und zynische Einstellung zur Arbeit und depressive Verstimmung.[29]
Cherniss listet die häufigsten Symptome wie folgt auf: „Großer Widerstand, täglich zur Arbeit zu gehen; Gefühle des Versagens; Ärger und Widerwillen; Schuldgefühle; Entmutigung und Gleichgültigkeit; Negativismus; Isolierung und Rückzug; tägliche Gefühle von Müdigkeit und Erschöpfung; häufiges ‚nach der Uhr sehen‘; große Müdigkeit nach der Arbeit; Verlust von positiven Gefühlen den Klienten gegenüber; Verschieben von Klientenkontakten; Widerstand gegen Anrufe und Besuche von Klienten; Stereotypisierung von Klienten; Unfähigkeit, sich auf Klienten zu konzentrieren oder ihnen zuzuhören; sich unbeweglich fühlen; Zynismus und tadelnde Einstellung den Klienten gegenüber; zunehmender ‚Dienst nach Vorschrift‘; Schlafstörungen; Vermeiden von Arbeitsdiskussionen mit Kollegen; mit sich selbst beschäftigt sein; größere Billigung von Mitteln zur Kontrolle des Verhaltens (Tranquillizer); häufige Erkältungen und Grippe; häufige Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden; Rigidität im Denken und Widerstand gegen Veränderungen; Mißtrauen und paranoide Vorstellungen; exzessiver Drogengebrauch; Ehe- und Familienprobleme; häufiges Fehlen am Arbeitsplatz.“[30]
Eine ähnliche, wenn auch weniger detaillierte Aufzählung, findet sich bei Fengler. Er nennt Arbeitsunlust, Klagen wegen Unlust oder Überforderung, sich von der Welt abgeschnitten fühlen, das Leben schwer und dumpf wahrnehmen, negative Einstellung gegenüber Klienten, Irritierbarkeit, Ablenkbarkeit, Reizbarkeit, Ungeduld, häufige Erkrankungen ohne erkennbare Ursache und Flucht- bis hin zu Suizidgedanken.[31]
Obwohl in der Burnout-Forschung obige Symptome als erwiesen gelten, tun sich die Wissenschaftler mit einer einheitlichen Definition schwer. Enzmann / Kleiber[32] haben versucht, eine Ordnung in die Fülle der Modelle und Theorien zu bringen und dabei durch ihre umfassende Literaturanalyse herausgefunden, dass bei Burnout individuelle / persönliche, arbeitsbedingte / organisatorische sowie soziale / gesellschaftliche Faktoren allein oder in Kombination verursachende oder fördernde Funktion haben. Sie unterscheiden die Definitionen danach, ob eher
- die Person / Persönlichkeit des Helfers,
- die Arbeitsbedingungen oder
- gesellschaftliche Prozesse
im Vordergrund stehen.
Aus der Vielzahl der Burnout-Konzepte wird für diese Arbeit der arbeits- und organisationsbezogene Ansatz von Christina Maslach und Susan Jackson herausgegriffen und näher dargestellt. Die Entscheidung für diese Theorie hat zwei Gründe. Erstens ist der Ansatz von Maslach und Jackson theoretisch und empirisch fundiert und gilt als einer der elaboriertesten, weswegen in der Fachliteratur vielfach darauf zurückgegriffen wird. Zweitens wird in dieser Diplomarbeit der Fokus bei Ursachen, Prävention und Bewältigung von Burnout auf die Arbeitsbedingungen gerichtet. Der Ansatz entspricht demnach der Schwerpunktlegung des Verfassers.
2.3 Das Burnout-Modell von Maslach und Jackson
Maslach und Jackson konzeptualisieren Burnout als ein Syndrom aus emotionaler Erschöpfung, Depersonalisierung und reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit, das vor allem bei Personal in der sozialen Dienstleistungsbranche auftritt.[33]
Unter emotionaler Erschöpfung verstehen sie das Gefühl einer Person, durch ihren Kontakt mit anderen Menschen überbeansprucht und ausgelaugt zu sein.
Depersonalisierung zeigt sich als gefühllose und abgestumpfte Reaktion gegenüber den Menschen, die Empfänger der Hilfe bzw. der (Pflege-)Dienstleistung sind. Diese innere Haltung wird auch als emotionale Verhärtung bezeichnet.
Reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit bezieht sich auf die Abnahme des Gefühls an Kompetenz und die Abnahme des Erfolgsgefühls in der Arbeit mit Klienten.[34]
Wenn professionelle Helfer an Burnout leiden, verlieren sie das Interesse an ihrem Klientel und damit auch den Respekt und die Sympathie. Man kann dies als Folgeerscheinung der emotionalen Erschöpfung sehen. Depersonalisierung veranlasst die Betroffenen zu einer zynischen und herablassenden Einstellung, die in der Tendenz Ausdruck findet, Klienten vorschnell oder grundlos zu etikettieren und sie für ihre Probleme selbst verantwortlich zu machen. Das jeweilige Ausmaß des vom Burnout geprägten Denkens und Verhaltens ist abhängig vom Zusammenwirken spezifischer Belastungen / Stressoren und der individuellen Fähigkeit, diese Belastungen und diesen Stress zu bewältigen, d.h. von der Art und Qualität der Coping-Strategien (vgl. Kap. 2.1).[35] Stehen solche Bewältigungsmethoden nicht zur Verfügung, so ist der Wechsel der Arbeitsstelle oder sogar der endgültige Ausstieg aus dem Beruf oftmals der einzige Ausweg aus dem Dilemma.
Für die Entstehung von Burnout sehen Maslach et al. zwei Faktoren als hauptverantwortliche Ursachen an: das Wesen der Helfer-Klient-Beziehung und die institutionellen Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz. „Die Ursachen von Burnout liegen gemäß der Autorin im Wesentlichen nicht in besonderen Persönlichkeitszügen der Individuen. Verantwortlich für Burnout sind vielmehr wirksame und strukturelle Merkmale von ‚schlechten‘ Situationen, in denen die Beschäftigten tätig sind.“[36] Eine detaillierte Analyse und Darstellung der Ursachen wird in Kapitel 3 erfolgen.
2.4 Burnout als Prozess
In der Fachwelt ist man sich einig, dass Burnout nicht ad hoc entsteht, sondern das Ergebnis eines Prozesses[37] ist. Edelwich und Brodsky[38] unterscheiden in ihrem Burnout-Modell insgesamt vier Phasen. Dabei benutzen sie eine Terminologie, die sich von der Maslachs unterscheidet:
1. Idealistische Begeisterung (große Hoffnungen, unrealistische Begeisterung, übermäßiger Energieeinsatz)
2. Stagnation („Festgefahren sein“, Unzufriedenheit mit Aspekten der Arbeitssituation)
3. Frustration (Gefühle der Machtlosigkeit, Infragestellen der Rahmenbedingungen und der eigenen Kompetenz)
4. Apathie (Zynismus, emotionaler Rückzug, Aufgeben ursprünglicher Ziele) ® Burnout.
Fengler geht von einer ähnlichen Entwicklung aus, wobei er die vier Phasen noch weiter ausdifferenziert und somit ein zehnstufiges Modell vorstellt.[39] Auch Maslach ist der Meinung, dass das Burnout-Syndrom einen Verlauf zeigt, in welchem die drei Dimensionen e motionale Erschöpfung, Depersonalisierung und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit als Schlüsseletappen auftreten.
Ursprünglich vertraten Maslach und Leiter den Standpunkt, dass Burnout mit emotionaler Erschöpfung beginnt und dann über Depersonalisierung zu reduzierter persönlicher Leistungsfähigkeit führt. In bezug auf die in Kapitel 2.1 beschriebene Stresstheorie, ist emotionale Erschöpfung die Konsequenz aus emotionaler Belastung bzw. Beanspruchung. Um diese emotionale (Über-)Beanspruchung zu bewältigen, nehmen die Mitarbeiter „kalte“, herablassende, zynische und entwürdigende Verhaltensweisen an (Depersonalisierung). Die Erkenntnis, dass scheinbar keine anderen (konstruktiven) Bewältigungsmuster zur Verfügung stehen und das Bewusstsein, sich dadurch von den eigenen Vorstellungen und Idealen zu entfernen, lähmt die Betroffenen, was zur Folge hat, dass sie sich in ihrer Leistungsfähigkeit reduziert fühlen.[40]
Später erfolgte eine Modifikation dieses Modells durch Leiter (vgl. Abb. 3).[41] Weiterhin wurde emotionale Erschöpfung als Ausgangspunkt für Burnout gesehen, aufgrund dessen sich nach und nach Depersonalisierungstendenzen entwickeln, jedoch ist in der Modifikation die reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit keine direkte Folge der Depersonalisierung. Vielmehr entsteht reduzierte Leistungsfähigkeit unabhängig von den anderen beiden Dimensionen; sie breitet sich quasi parallel dazu aus. Diesem verbesserten Konzept schließt sich auch Maslach[42] an.
Abbildung 3: Der Verlauf von Burnout (Leiter und Maslach)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Endzustand (Burnout)
Quelle: nach Aries-Kiener / Zuppiger-Ritter (1999), S. 11.
3 Ursachen des Burnout-Syndroms in der stationären Altenpflege
Dieses Kapitel ist der Ätiologie von Burnout in der stationären Altenpflege gewidmet. Es geht darum, die Faktoren zu untersuchen, denen die Wissenschaft eine verursachende Wirkung zuschreibt.
Insofern muss zuallererst die berufliche Realität des Pflegepersonals in der stationären Altenpflege thematisiert werden, die sich durch wachsende Anforderungen und gesetzliche Neuregelungen in den letzten Jahren bedeutsam verändert hat. Im Anschluss daran stehen die Einflussgrößen im Mittelpunkt, die die Entwicklung eines Burnout-Syndroms beim Pflegepersonal begünstigen. Bezugnehmend auf das Burnout-Konzept von Maslach und Jackson, die zum einen die Helfer-Klient-Beziehung und zum anderen die Arbeitsbedingungen für die Entstehung von Burnout verantwortlich machen (vgl. Kap. 2.3), wird auch in dieser Arbeit eine Unterscheidung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Arbeitsplatzmerkmalen getroffen.
3.1 Berufliche Realität des Personals in der stationären Altenpflege
Der Beruf des Altenpflegers im engeren Sinn ist vergleichsweise „jung“. Die ersten Ausbildungsstätten entstanden in den 60er Jahren, aber die Anerkennung als eigenständiger Beruf erfolgte erst viel später. Dieser neue Berufszweig wurde aus mehreren Gründen erforderlich:[43]
- die Zahl der pflegebedürftigen alten Menschen, die in stationären Einrichtungen versorgt werden mussten, stieg stark an,
- es herrschte ein Mangel an qualifizierten Pflegekräften in diesem Bereich,
- die Zahl der Ordens- und Diakonissenschwestern, die in der Versorgung alter Menschen aktiv waren, sank stetig und
- immer mehr Krankenschwestern zogen sich aus dem Feld der Altenpflege zurück und wandten sich den klassischen Fachgebieten der Medizin zu.
Altenpfleger sind Fachkräfte für die Pflege und Betreuung alter Menschen. Die beruflichen Anforderungen an das Personal bestehen infolgedessen nicht nur in der physiologischen Versorgung der Bewohner, sondern umfassen ebenso die Beratung und Betreuung in sozialen und persönlichen Angelegenheiten. Diesen beiden Säulen (Pflege und Betreuung) wird bereits in der Ausbildung Rechnung getragen, denn neben dem Erwerb von medizinisch-geriatrischen Spezialkenntnissen werden die Auszubildenden dazu befähigt, alten Menschen auch in psychosozialer Hinsicht zur Seite zu stehen. In der Berufsbeschreibung des Arbeitsamtes findet sich eine umfassende Darstellung des Pflegeberufs:
„Altenpfleger/innen betreuen und pflegen selbstständig und eigenverantwortlich ältere Menschen. [...] Je nach individuellen Bedürfnissen der einzelnen zu betreuenden Personen ist der Pflegeprozess zu planen. Die Maßnahmen sind zu dokumentieren und auszuwerten. Dies ist wichtig, zum Beispiel um die Behandlungspflege nach ärztlicher Verordnung korrekt durchzuführen und auch nachprüfbar festzuhalten. Darunter fallen die Messung von Puls und Temperatur, das Wechseln von Verbänden, das Verabreichen von Medikamenten, die Flüssigkeitsbilanzierung und das fachgerechte Umbetten von bettlägerigen Personen. Neben der Behandlung selbst ist es auch wichtig, den Krankheitsverlauf zu beobachten und selbstständig Hilfen zur Erhaltung und Aktivierung im Alltag notwendiger Fähigkeiten im Sinne einer Rehabilitation, zu initiieren. Dazu gehört zum Beispiel die Durchführung von Bewegungstraining. Altenpfleger/innen helfen je nach Bedarf bei der Körperpflege, beim An- und Ausziehen, bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und bei der Essensaufnahme.
Im psychosozialen Bereich betreuen und beraten sie alte Menschen in vielfältiger Weise. Sie gestalten Feste, Ausflüge und Veranstaltungen selbstständig oder in Zusammenarbeit mit den alten Menschen. Sie fördern und verbessern durch geeignete Maßnahmen die Kommunikationsfähigkeit alter Menschen und bieten helfende Gespräche an, um zwischenmenschliche Beziehungen zu fördern und einer Isolation und Vereinsamung vorzubeugen.
Auch Sterbende zu begleiten und Tote zu versorgen gehört zum altenpflegerischen Aufgabenbereich."[44]
Vor dem Hintergrund der demographischen Tendenz in der Bundesrepublik, d.h. der Zunahme der Lebenserwartung und dem immer größer werdenden Anteil älterer Menschen, hat sich die Situation in der stationären Altenpflege verändert. Besonders deutlich zeigt sich dies in einem Anstieg multimorbider alter Menschen, der Häufigkeit chronischer körperlicher und psychischer (vor allem demenzieller) Erkrankungen und in der Zunahme der Zahl von schwerstpflegebedürftigen Bewohnern.[45]
Zur Veränderung der Situation hat auch das veränderte Selbstbewusstsein der Heimbewohner beigetragen. So sind deren Ansprüche an die Wohn- und Servicequalität sowie an eine hochwertige Pflege und Betreuung größer geworden. Sie wünschen sich ein Wohnumfeld, das der bisher gewohnten Lebensform so weit wie möglich nahe kommt.
Eine weitere, wichtige Einflussgröße war die Einführung der Pflegeversicherung[46] und mit ihr die Vergütung pflegebedingter Aufwendungen nach gesetzlich festgelegten Pflegesätzen. Um ihre Einnahmen sicherzustellen und finanzielle Engpässe zu vermeiden, müssen die Heime bevorzugt Klienten mit einem hohen Grad der Pflegebedürftigkeit (Stufen II bzw. III) aufnehmen. Dies hat zur Folge, dass in den stationären Einrichtungen kaum mehr „rüstigere“ alte Menschen zu finden sind, statt dessen viele Personen mit sehr hohem Hilfebedarf.[47] Fernerhin sind durch das Pflegeversicherungsgesetz weitreichende Dokumentationspflichten hinzugekommen. Der Zeitaufwand, der für solche Verwaltungstätigkeiten notwendig ist, geht zu Lasten der tatsächlichen Pflege. Viele Altenpfleger sind gerade über diesen Umstand sehr unglücklich.
Dies alles hat dazu geführt, dass die Ansprüche und Erwartungen an das Pflegepersonal in stationären Alteneinrichtungen konstant gewachsen sind – und mit ihnen gleichermaßen die berufsbedingten Belastungen (vgl. Kap.1). Weyerer und Zimber[48] empfinden die derzeitige Lage als beunruhigend, denn den steigenden Anforderungen stehen in den Pflegeheimen teilweise mangelhafte Voraussetzungen gegenüber. Ihrer Ansicht nach sind viele Heime materiell und personell mangelhaft ausgestattet. „Zudem machen Schicht- und Nachtarbeit, hoher Zeitdruck, mangelnde gesellschaftliche Anerkennung, geringe Bezahlung sowie fehlende Aufstiegsmöglichkeiten die Altenpflege für viele Pflegekräfte unattraktiv.“[49]
In der Folge schlagen sich diese ungünstigen Zustände in einer geringen Arbeitszufriedenheit und einem häufigen Berufswechsel nieder. Laut einer Studie des Kuratoriums Deutsche Altershilfe gibt rund jede vierte Altenpflegekraft den Beruf bereits im ersten Jahr wieder auf. Als Gründe geben die Betroffenen am häufigsten psychische und physische Überlastung und schlechte Arbeitsbedingungen an.[50]
[...]
[1] Vgl. Will (1995), S. 1.
[2] An dieser Stelle möchte ich alle Leserinnen und Leser um Verständnis bitten, dass im Verlauf der Arbeit bei der Bezeichnung von Personen bzw. Personengruppen auf die zusätzliche Verwendung der weiblichen Form verzichtet wird. Dies geschieht ausschließlich im Interesse einer besseren Lesbarkeit.
[3] Zimber / Weyerer (1998).
[4] Cherniss (1999), S. 9.
[5] Vgl. Enzmann / Kleiber (1989), S. 22 f.
[6] Fengler (1994), S. 103.
[7] Vgl. Rutenfranz (1981).
[8] Vgl. Fengler (1994), S. 104.
[9] Vgl. Zimber / Albrecht / Weyerer / Cohen-Mansfield (1999), S. 97.
[10] Ebd., S. 97.
[11] Vgl. Nachreiner / Rutenfranz (1976) in Zimber / Albrecht / Weyerer / Cohen-Mansfield (1999), S. 97.
[12] Vgl. Enzmann (1996), S. 32.
[13] Enzmann (1996), S. 34 f.
[14] Rohmert (1984).
[15] Lazarus / Launier (1981).
[16] Zimber / Albrecht / Weyerer / Cohen-Mansfield (1999), S. 99.
[17] Vgl. Enzmann (1996), S. 34.
[18] Positiver Stress, d.h. Stress mit günstigen / positiven Folgen wird als Eustress bezeichnet.
[19] Belastender Stress wird unter dem Terminus Dystress zusammengefasst.
[20] Zimber / Albrecht / Weyerer / Cohen-Mansfield (1999), S. 99.
[21] Vgl. Cherniss (1999), S. 58 ff.; Zimber / Albrecht / Weyerer / Cohen-Mansfield (1999), S. 98; Enzmann / Kleiber (1989), S. 94; Enzmann (1996), S. 46.
[22] Enzmann / Kleiber (1989), S. 94.
[23] Rook (1998), S. I.
[24] Vgl. Bermejo / Muthny (1994), S. 23; Enzmann / Kleiber (1989), S. 18; Rook (1998), S. 16.
[25] Freudenberger (1974), S. 159.
[26] Langenscheidts Handwörterbuch Englisch (1994), S. 102.
[27] Bermejo / Muthny (1994), S. 23.
[28] Burisch (1989), S. 4.
[29] Vgl. Enzmann / Kleiber (1989), S. 18.
[30] Cherniss (1980), S. 17; deutsche Übersetzung von Enzmann / Kleiber (1989), S. 19.
[31] Vgl. Fengler (1994), S. 106.
[32] Vgl. Enzmann / Kleiber (1989), S. 20 ff.
[33] Vgl. Rook (1998), S. 34.
[34] Vgl. Aries-Kiener / Zuppiger-Ritter (1999), S. 6 f.
[35] Vgl. Bermejo / Muthny (1998), S. 26.
[36] Aries-Kiener / Zuppiger-Ritter (1999), S. 7.
[37] Vgl. Enzmann / Kleiber (1989), S. 63.
[38] Vgl. ebd., S. 24.
[39] Vgl. Fengler (1994), S. 110.
[40] Vgl. Aries-Kiener / Zuppiger-Ritter (1999), S. 10.
[41] Vgl. Leiter (1993), S. 237-250.
[42] Vgl. Maslach (1995), S. 79.
[43] Vgl. Bermejo / Muthny (1994), S. 9.
[44] Arbeitsamt online (2005).
[45] Vgl. Görres / Luckey (1999), S. 67.
[46] Vgl. Fenchel (1999), S. 81.
[47] Vgl. Zimber / Albrecht / Weyerer (1999), S. 185.
[48] Vgl. Weyer / Zimber (1997), S. 14 f.
[49] Ebd., S. 14.
[50] Vgl. Sell (1995), S. 498.
- Arbeit zitieren
- Sören Funk (Autor:in), 2005, Burnout in der stationären Altenpflege. Ursachen, Auswirkungen und Empfehlungen für das Personalmanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44994
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