In dem vorliegenden "Werkbericht Weben" werden die therapeutischen Aspekte für die Ergotherapie-Ausbildung anhand eines Tischläufers mit Hohlsaum erörtert. Mit technischer Planung, Beschreibung des Arbeitsablaufs, Tätigkeitsanalyse und therapeutischer Relevanz.
Im Anhang finden Sie noch eine sehr ausführliche, mit Zeichnungen und Fotos bebilderte Webanleitung, die auf Erfahrungen auf "großen" Webstühlen in unserer Handweberei basieren.
Hinzu kommt eine Einführung in die Bindungslehre, Knotenarten, Patrone, Kette schären, sowie die Einrichtung des Webstuhls.
Durch die Ausführlichen Beschreibung bedingt ist diese Werkbericht ungewöhnlich lang.
Zur Autorin:
Ida Krämer ist Ergotherapeutin, Kranken- und Kinderkrankenschwester und arbeitet seit 1998 als Gruppenleiterin in einer Werkstatt für psychisch kranke Menschen und ist in der praktischen Ausbildung von Ergotherapie - Schülern tätig.
Seit 2006 leitet sie die Kreativwerkstatt der BruderhausDiakonie in Reutlingen.
Inhalt
1. Arbeitsvorhaben
1.1 Aufgabenstellung
2. Arbeitsvorbereitung
2.1 Materialliste
2.2 Werkzeuge und Arbeitshilfen
2.3. Arbeitsplatzbeschreibung
2.4. Unfallgefahren / Unfallverhütung
3. Arbeitsablauf
3.1 Kette schären
3.2 Kette in den Kamm einziehen
3.3 Aufbäumen der Kette
3.4. Anlängen der Kette (Anlängeknoten)
3.5 Beschreibung des Webvorganges
3.6 Spulen
3.7 Musterreihen - Dreher
3.8 Schussgerstenkorn
3.9 Vorlassen der Kette
3.10 Hohlsaum
3.11 Fertigstellung
4. Handwerksanalyse
4.1. Motorisch - funktionell
4.2. Wahrnehmung (Perception)
4.3. Geistig - intellektuelle Fähigkeiten
4.4. Emotionalität/ Sozioemotionale Anforderungen
Anhang
1. Arbeitsvorhaben
1.1 Aufgabenstellung
Weben Sie einen Tischläufer aus Leinengarn.
Verarbeiten Sie das gleiche Garn sowohl für die Kette als auch für den Schuss zweifädig!
Berechnen Sie die Anzahl und die Länge der Kette
1. Garnstärke: 16/2
2. Breite: 40 cm
3. Länge: 90 cm
4. Kamm: 40/10
5. Leinenbindung mit folgenden Musterreihen: Dreher und Schussgerstenkorn.
6. Randabschluss: Hohlsaum
Berechnung der Kette:
a) Anzahl der Kettfäden
Rechenweg:
- Breite des fertigen Werkstücks in cm +
- 5% Einsprung bei Leinen +
= Gesamtbreite in cm
Bei einem 40/10-er Kamm benötigt man für 10 cm Webbreite 40 Kettfäden (d.h. die Anzahl der cm der Gesamtbreite müssen mit 4 multipliziert werden). Zu dieser Anzahl der der Kettfäden müssen 4 Randfäden (auf jeder Seite werden die letzten beiden Fäden verdoppelt) sowie ein
weiterer Faden hinzugerechnet werden, um eine ungerade Anzahl Kettfäden zu erhalten, damit beim Einziehen des Kammes mit Schlitz begonnen und geendet werden kann.
Rechnung:
40 cm = 160 Kettfäden
+ 5% Einsprung 2 cm = 8 Kettfäden
+ 4 Randfäden zusätzlich = 4 Kettfäden
+ 1 Faden = 1 Kettfaden
Gesamtzahl = 173 Kettfäden
b) Länge der Kettfäden:
Rechenweg:
- Länge des fertigen Werkstückes 90 cm +
- 10% Schrumpfung 9 cm +
- Anlängen am Warenbaum 15 cm +
- Anlängen am Kettbaum 35 cm +
= Länge der Kettfäden 149 cm
Bei einem Webrahmen mit Zackenleiste berechnen Sie 70 - 80 cm zum Anlängen. Fransen müssen nicht extra berechnet werden, da hierfür die Anlängen benutzt werden können. Lediglich beim Weben mehrerer Stücke aus einer langen Kette müssen die Fransen hinzu gerechnet werden.
Auf Webstühle (z. B. zum Teppichweben) werden meistens 40 m lange Ketten aufgezogen.
2. Arbeitsvorbereitung
2.1 Materialliste
Leinengarn in Stärke 16/2
2.2 Werkzeuge und Arbeitshilfen
1. Webrahmen, bestehend aus:
- Kettbaum zum Aufnahme der Kettfäden
- Warenbaum zum Aufwickeln des fertigen Gewebes
- Zwei Seitenteile
- Zwei Kammhalter, die auf den Seitenteilen befestigt werden
- Kamm 40/10, d.h. auf 10 cm können 40 Fäden eingezogen werden
- Schiffchen für das Aufwickeln und Durchziehen des Schussgarnes
- Zwei Schraubzwingen, um den Kamm beim Einziehen und Aufbäumen befestigen zu können
- Zwei Anknüpfstäbe
- Musterstäbe für Dreher und Gerstenkorn
2. vier Schraubzwingen zum Kette schären oder Schärrahmen
3. Befestigungsmöglichkeit für die Schraubzwingen (Tisch, Fensterbank...)
4. Zentimetermaß oder Gliedermaßstab
5. Schere
6. Bleistift
7. feine Häkelnadel 1,75 zum Einziehen der Kette oder Einziehhaken
8. dicke Nähnadel für den Hohlsaum
9. einige Pappstreifen zum Einlegen vor dem Anweben
2.3. Arbeitsplatzbeschreibung
Heller Raum, möglichst mit Tageslicht, da z.B. beim Einziehen der Kette in den Kamm sehr genau gearbeitet werden muss, auch um Fehler im Gewebe schnell erkennen und evtl. noch beheben zu können, ist ein heller Raum erforderlich.
Ein Tisch, der so groß sein muss, dass der Webrahmen mit voller Breite auf der Tischkante aufgelegt werden kann und der außerdem Platz bietet für benötigtes Werkzeug. Günstig wäre ein in der Höhe verstellbarer Tisch. Dabei soll der Tisch so hoch eingestellt sein, dass sich beim Weben der Warenbaum etwa in Ellenbogenhöhe befindet. Das Arbeiten muss ohne Hochziehen der Schultern möglich sein. Bei der Befestigung des Webrahmens in anderen Positionen (z.B.
Vergrößerung der Schräge bis hin zu Senkrechten) lassen sich hinsichtlich des Bewegungsausmaßes und der erforderlichen Aufrichtung im Rücken therapeutische Ziele variieren.
Ein Stuhl, der eine gerade Sitzhaltung ermöglicht (Funktionsstellung = 90° - Beugung in Hüft-, Knie- und Fußgelenken), der aufgerichteter Rücken kann angelehnt werden.
Die Kammstützen auf dem Webrahmen werden so eingestellt, dass der Kamm mit gestreckten Armen ohne Bewegung aus dem Rumpf heraus gefasst werden kann.
Es muss auf ausreichenden Bewegungsraum um den Arbeitenden herum geachtet werden; da die Schiffchen sehr lang sind, ist seitlich, auf beiden Seiten viel Platz notwendig.
2. 4. Unfallgefahren / Unfallverhütung
Beim Weben liegen keine besonderen Verletzungsrisiken oder Gefahrenquellen vor.
Erforderlich ist ein sorgfältiger und sachgerechterUmgang mit Schere und Nähnadeln.
Bei gleichzeitigen Arbeiten mehrerer Weber ist darauf zu achten, dass jeder genügend Platz um sich herum hat, um nicht seinen Nachbarn mit dem Schiffchen zu treffen.
Des weiteren ist darauf zu achten, dass keine Fadenenden auf der Erde herum liegen, an denen jemand hängen bleiben könnte.
3. Arbeitsablauf
3.1 Kette schären
Das Schären der Kette bringt die Kettfäden in die gewünschte Länge und erforderliche Ordnung und erfolgt über ein Fadenkreuz.
Das Garn wird in 8-er Touren um die Stäbe des Schärrahmens oder der Schraubzwingen gelegt, so dass jeweils ein Fadenkreuz entsteht. Dabei muss der Faden mit gleichmässiger Spannung geführt und nicht zu straff gespannt werden.
Zur Erleichterung beim Abzählen der Kettfäden wird in das Fadenkreuz ein Zählfaden eingelegt, der jeweils nach 10 Runden immer wieder verkreuzt wird.
Wichtig: Soll mit verschieden farbigen Garn gewebt werden, müssen die Kettfäden in der vorher festgelegten Farbreihenfolge geschärt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beispiel für einen Schärbaum, Seitenlängen jeweils 1 Meter, für das Schären langer Ketten geeignet.
Kette schären
Neben einem Schärbaum benötigen Sie noch folgende Werkzeuge/Hilfsmittel, um eine Kette zu schären:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Schere: Zum abschneiden der Fäden;
2. Zwei dicke Fäden in Kontrastfarbe: Um Anfang und Ende der Kette zu sichern;
3, Abbindefäden: Um die Kette vor und nach dem Fadenkreuz zu sichern, bei längeren Ketten je 1 Meter zum Abbinden;
4. Einen ca. 50 cm langen Zählfaden, der bei jeweils 10 gelegten Kettfäden um den Fadenkreuz herumgeführt wird, erleichtert das Zählen der Kettfäden beim Schärvorgang;
5. Ein paar Stoffhandschuhe: Zum Schutz der Hände bei empfindlicher Haut, da die durchlaufende Kette - je nach Materialbeschaffung - Hitze und Verletzungen erzeugen könnte (Leinen, Jute, usw.);
6. Lesebrett: Um gleichzeitig mehrere Fäden schären zu können (Auf dem Bild ist ein Lesebrett mit 20 Fäden abgebildet).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beispiel für das Arbeiten mit einem Lesebrett. Hier werden gleichzeitig 4 Kettfäden geschert, auf dem Bild wird gerade das Fadenkreuz gebildet
Das Abbinden der Kette erfolgt mit einem andersfarbigen Faden:
- direkt am Fadenkreuz
- jeweils rechte und linke Hälfte vor dem Fadenkreuz
- Anfangsschlaufe
- Endschlaufe
- Je nach Länge der Kette auch zwischendurch.
Nun wird die Kette vom Schärrahmen/ Schärbaum abgehäkelt. Dies ist besonders bei langen Ketten erforderlich, damit sich die Kettfäden nicht verwirren können.
3.2 Kette in den Kamm einziehen
- Kamm (mit der Wölbung nach oben) mit zwei Schraubzwingen an der Tischkante befestigen.
- Webbreite in der Mitte des Kammes markieren. Einsprung nicht vergessen!
- Abbindefaden am Anfang der Kette lösen, Kette hier aufschneiden.
- Fadenkreuz mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger der linken Hand aufnehmen und festhalten.
- Abbindefaden im Fadenkreuz lösen und Zählfaden öffnen.
- Abbindefäden vor und hinter dem Fadenkreuz lösen.
- Obersten Faden über Daumen und Zeigefinger spannen, mit dem Mittelfinger fixieren und mit der Häkelnadel von oben durch den Kamm in den ersten Schlitz einziehen.
- Auf diese Weise alle Fäden einziehen.
- Jeweils mehrere durchgezogene Kettfäden auf gleiche Länge bringen und mit einem Überhandknoten (=Laufknoten) gegen Herausrutschen sichern.
Wichtig: Im ersten Schlitz und im ersten Loch werden jeweils zwei Fäden eingezogen, ebenso am Ende.
[...]
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