Nach siebenjähriger gemeinsamer Regierungszeit scheint das „rot-grüne Projekt“ sich dem Ende zuzuneigen, wenn man den Umfragen im Frühsommer des Jahres 2005 glauben soll. Bündnis 90/Die Grünen scheinen sehr viel gelassener als der große Koalitionspartner in den Wahlkampf und in die sich abzeichnende Opposition zu gehen. Als sie in diese Regierung eintraten, waren die Erwartungen an die Grünen groß. Aber auch wurde die Frage oft gestellt, ob sie überhaupt in der Lage und Willens seien, Verantwortung zu übernehmen. Das Auftreten der früheren Grünen in den Parlamenten, die endlosen Debatten auf den Parteitagen, der Kampf der Flügel um die Vorherrschaft, die hartnäckigen Grundsatzdiskussionen in den Koalitionen auf Landesebene, alles ließ die Zweifel berechtigt erscheinen. Und dann die einvernehmlich mit der Energiewirtschaft herbeigeführte Kompromisslösung beim Atomausstieg und die Entscheidung für den Eintritt in den Kosovo-Krieg. Hat man die Grünen vor 1998 falsch eingeschätzt oder haben sie sich verändert?
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob sich die Grünen – insbesondere in der ersten Regierungsperiode von 1998 bis 2002 – unter dem direkten Einfluss der Regierungsbeteiligung gewandelt haben – sowohl programmatisch als auch organisatorisch.
Die Grünen entstanden aus ökologischen Gruppierungen des ländlichen Raumes und großstädtisch geprägten linkssozialistischen Radikalreformern sowie Bürgerrechtsaktivisten. Sie schlossen sich trotz aller inhaltlichen Unterschiede zur gemeinsamen Durchsetzung ihrer Interessen zu einer Partei zusammen, obwohl sie keine sein wollten. Konsequent bezeichneten sie sich als „Antiparteien-Partei“. Diese Gruppierungen bestimmten die Gründungsphase, die 1980 mit dem Grundsatzprogramm abgeschlossen wurde. Die Gründungsphase bildet die Basis für die Klärung der Frage, ob und wie die Grünen sich gewandelt haben. Das Grundsatzprogramm spiegelt die gemeinsamen Vorstellungen wider, die Geschichte des Zusammenschlusses gibt ein Bild über die möglichen Ursachen des später folgenden Richtungsstreits. Dieser Zeitraum wird im zweiten Teil der Arbeit betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erkenntnisinteresse und Aufbau
- Stand der Forschung
- Historische Grundlagen und Entwicklung „grüner“ Politik
- Die Ursprünge der grünen Bewegung
- Entstehung der ökologischen Bewegung in Niedersachsen
- Bunte und alternative Liste in Hamburg
- Die Umbildung der Bewegungen zu einer Partei
- Erste Regierungsverantwortung in Hessen
- Diskussion über Weg und Ziel – Flügelkämpfe
- Parteistrukturen der Grünen und Rahmenbedingungen
- Fusion von „Bündnis 90“ und „Die Grünen“
- Die Parteistrukturen von Bündnis 90/Die Grünen bis 1998
- Inhaltliche Strukturen
- Organisatorische Strukturen
- Änderungen in den Parteistrukturen im Zeitraum der Regierungsverantwortung
- Der Grundkonsens von Bündnis 90/Die Grünen 1993
- Die Mitgliederstruktur der Grünen und ihr Einfluss auf die Programmatik
- Struktur der Wählerschaft und deren Erwartungshaltung
- Verhältnis zum späteren Koalitionspartner SPD
- Wanderungsbewegungen bei Bundestagswahlen 1998 und 2002
- Verhältnis zu None Governmental Organisations (NGO's) und anderen Bewegungen
- Entwicklung der „grünen“ Programmatik
- Parteiprogrammatik von 1980
- Wirtschafts- und Arbeitswelt
- Außen- und Friedenspolitik
- Umwelt- und Natur
- Mensch und Gesellschaft
- Wahlprogramm 1998 – Umsetzung des Parteiprogramms in einen Entwurf für eine Regierungspolitik oder neuer Ansatz?
- Wirtschafts- und Finanzpolitik
- Umwelt- und Naturschutz
- Sozialpolitik für eine solidarischere Gesellschaft
- Außenpolitik
- Zusammenfassung und Einordnung des Wahlprogramms von 1998
- Renaissance „grüner Werte“? Der „,5-Mark-Beschluss“ und die Ablehnung von Friedenseinsätzen der Bundeswehr
- Koalitionsvertrag 1998 - Wie viel ist von „grüner“ Programmatik übrig geblieben?
- Wahlprogramm 2002 - Lehren aus den ersten Regierungsjahren?
- Ökologische Modernisierung
- Gerechte Globalisierung und Europäische Demokratie
- Koalitionsvertrag 2002 – Fortsetzung der rot-grünen Koalition unter anderen Vorzeichen?
- Ökologische Modernisierung und Verbraucherschutz
- Gerechte Globalisierung – Deutschland in Europa und in der Welt
- Einordnung der Koalitionsvereinbarung von 2002
- Das Spannungsverhältnis zwischen Parteiprogramm und Regierungsverantwortung – Ist die Partei eine Programmpartei?
- Maßstäbe für einen Wandel
- Der Atomausstieg
- Der Verlauf der Verhandlungen um den Atomausstieg
- Fazit: Die Grünen und der Atomausstieg
- Der Kosovo-Krieg
- Verlauf des Kosovo-Krieges
- Besondere Problemstellung für die Grünen
- Fazit: Die Grünen und der Kosovo-Krieg
- Schluss
- Fazit: Welche Wirkung hatte die Regierungsbeteiligung zwischen 1998 und 2002 auf die Entwicklung von Bündnis 90/Die Grünen ?
- Ausblick - Quo vadis, Grüne?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit analysiert den programmatischen und organisatorischen Wandel der Partei Bündnis 90/Die Grünen zwischen 1998 und 2002. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Auswirkungen der Regierungsbeteiligung auf die Parteientwicklung.
- Entwicklung der grünen Programmatik im Kontext von Regierungsverantwortung
- Analyse der Spannungsfelder zwischen Parteiprogramm und Koalitionspolitik
- Bewertung der programmatischen und organisatorischen Anpassungen der Partei
- Bedeutung der Regierungsbeteiligung für die Identität und Zukunft der Grünen
- Die Rolle von Schlüsselthemen wie Atomausstieg und Kosovo-Krieg in der Parteientwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung skizziert das Erkenntnisinteresse und den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 bietet einen historischen Überblick über die Ursprünge der grünen Bewegung und deren Entwicklung zur Partei. Kapitel 3 beleuchtet die Parteistrukturen der Grünen, die Mitgliederstruktur und das Verhältnis zur Wählerschaft sowie die Rahmenbedingungen für die Regierungsbeteiligung. Kapitel 4 analysiert die Entwicklung der grünen Programmatik von 1980 bis 2002, insbesondere die Auswirkungen der Regierungsbeteiligung auf die programmatischen Inhalte. Kapitel 5 untersucht zwei Schlüsselthemen – den Atomausstieg und den Kosovo-Krieg – und deren Einfluss auf die grüne Partei. Der Schluss fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und blickt auf die Zukunft der Grünen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf folgende Schlüsselthemen: programmatischer Wandel, organisatorischer Wandel, Bündnis 90/Die Grünen, Regierungsbeteiligung, Parteientwicklung, grüne Programmatik, Koalitionspolitik, Atomausstieg, Kosovo-Krieg, grüne Identität, politische Strategien, Identität, Zukunft, politische Ideologie, Parteistrukturen, Wählerschaft, Mitgliederstruktur.
- Quote paper
- Patrick Ehlers (Author), 2005, Programmatischer und organisatorischer Wandel der Partei Bündnis 90 / Die Grünen 1998-2002: Regierungsbeteiligung und Parteientwicklung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44893