Die Beschäftigung mit dem Film in technischer, historischer und kulturell-diskursiver Form flankiert Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften und durchdringt, als konstitutives Herzstück, die genuinen Filmwissenschaften. […] Dass sich die genannten Disziplinen meist im institutionell tradierten Modus der Schriftlichkeit artikulieren kann, gerade bei der Beschäftigung mit nicht textuellen Formen des Medialen (so zum Beispiel der Film), Erfahrungen der Inkommensurabilität hervorbringen. Der spezifisch-mediale Ausdruck des Films, der sich aus der ihm inhärenten komplexen technischen Verschränkung von Bild und Ton ergibt, ist, so der Filmwissenschaftler Raymond Bellour, im Medium des Textes nur tendenziös und niemals vollständig abbildbar: Das „radikale[…] Unvermögen […], der Textualität des Filmes gerecht zu werden.“ bringe die Filmanalyse, so Bellour, in eine erkenntnistheoretisch prekäre Situation: „Sie hört nie auf nachzuahmen, zu evozieren, zu beschreiben; sie kann nur aus einer Art grundsätzlicher Verzweiflung heraus immer wieder versuchen, in wilde Konkurrenz mit dem Gegenstand zu treten, den zu verstehen sie sich bemüht. Indem sie ihn wieder und wieder zu fassen sucht, wird sie schließlich zum Ort einer fortwährenden Enteignung.“
Nutzt man Bellours Argumentation als filmtheoretische Prämisse, ergeben sich daraus einige produktive Perspektiven und Fragen bezüglich des Verhältnisses von Film und Filmanalyse. […] Der textuelle Zugriff auf den Film impliziert epistemische Konsequenzen; er hat eine eigene mediale Spezifität, die mit der des Filmes nicht kohärent ist. Infolgedessen produziert der Text, als am Film hervorgebrachtes Material, eine eigene Form der Erkenntnis über den Film. Der Film wird so in der Filmanalyse auf eine spezifische Form zum wissenschaftlichen Gegenstand formiert. Zwar können Filme, besonders in Zeiten ubiquitär verfügbarer digitaler Ausdrucksmöglichkeiten, auch im Essayfilm oder filmvermittelnden Film analysiert werden, dennoch ereignet sich die wissenschaftliche Filmanalyse und der sich um sie formierende Diskurs meist weiterhin in schriftlicher Form. […] Vor dem Hintergrund von Bellours Prämisse des „unauffindbaren Textes“ soll, nicht mit defizitärem, sondern positiven Impetus gefragt werden: Welche Form des Wissens entsteht hier? Wie funktioniert die Sequenzgrafik und auf welche Art bezieht sie sich auf den Text? Welches Verhältnis zwischen Film und Filmanalyse impliziert die Sequenzgrafik?
Inhaltsverzeichnis
1. Filmanalyse und Medientechnik: Einleitung und Fragestellung S.
2. Die Sequenzgrafik: Definition und Verortung im methodischen, disziplinären und institutionellen Kontext S.
3. Die Analyse der Methode Sequenzgrafik S.
4. Beantwortung der Fragestellung S.
5. Literaturverzeichnis S.
- Arbeit zitieren
- Sandra Mühlbach (Autor:in), 2016, Die Sequenzgrafik als Medientechnik im Kontext der systematischen Filmanalyse bei Helmut Korte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/447241
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