Literarische Bildungsmodelle und Erziehungskonzepte sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts und der heutigen Schulreformen. Bereits im 18. Jahrhundert kommt es zur Etablierung verschiedener Konzeptionen, die sich mit dem Bereich des Zöglings und dessen Erziehung beschäftigen. Ein zentraler Aspekt, der sich in dieser Zeit herausspiegelt und oftmals für Debatten sorgt ist das Motiv der Phantasie und dessen Einfluss auf das zu erziehende Kind. Dieses Vermögen der Einbildungskraft wirkt nicht nur im Rahmen der Philosophie, sondern findet besonders Einzug in die Literatur. Dabei findet insbesondere die Pädagogik Interesse an der Einbildungskraft und deren Einwirkung auf dem Bereich der Psychologie und der Moral. Wie bereits erwähnt ist das Konzept Literatur-Phantasie, beziehungsweise Phantasie-Pädagogik, von besonderer Ambivalenz geprägt. Zum einen
Rousseaus Modell des naturgeprägten Individuums und der Verzicht auf das Kollektiv. Auf der anderen Seite die Schule der Philanthropen und das Konzept von kindlicher Erziehung als Spezialisierung und Ausrichtung auf gesellschaftliche Konventionen. Inwiefern kommt es zu einer Unterscheidung zwischen diesen beiden Konzepten und welche Parallelen zeigen sich auf? Ist dieses Modell effektiv oder ergibt sich ein Defizit?
Konfrontation zwischen Rousseaus Bildungsmodell und dem Modell der philanthropischen Schule
Literarische Bildungsmodelle und Erziehungskonzepte sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts und der heutigen Schulreformen. Bereits im 18. Jahrhundert kommt es zur Etablierung verschiedener Konzeptionen, die sich mit dem Bereich des Zöglings und dessen Erziehung beschäftigen. Ein zentraler Aspekt, der sich in dieser Zeit herausspiegelt und oftmals für Debatten sorgt ist das Motiv der Phantasie und dessen Einfluss auf das zu erziehende Kind. Dieses Vermögen der Einbildungskraft wirkt nicht nur im Rahmen der Philosophie, sondern findet besonders Einzug in die Literatur. Dabei findet insbesondere die Pädagogik Interesse an der Einbildungskraft und deren Einwirkung auf dem Bereich der Psychologie und der Moral. Wie bereits erwähnt ist das Konzept Literatur-Phantasie, beziehungsweise Phantasie-Pädagogik, von besonderer Ambivalenz geprägt. Zum einen Rousseaus Modell des naturgeprägten Individuums und der Verzicht auf das Kollektiv. Auf der anderen Seite die Schule der Philanthropen und das Konzept von kindlicher Erziehung als Spezialisierung und Ausrichtung auf gesellschaftliche Konventionen. Inwiefern kommt es zu einer Unterscheidung zwischen diesen beiden Konzepten und welche Parallelen zeigen sich auf? Ist dieses Modell effektiv oder ergibt sich ein Defizit?
Eine zentrale Vermittlungsinstanz der Philosophie und der Pädagogik bildet Jean Jacques Rousseau. Rousseau steht für eine natürliche Erziehung, die das Individuum von jeglicher gesellschaftlicher Korruption fernhält und autonomes Handeln und eigene Reflexion bevorzugt. Es geht diesbezüglich weniger um die Wiedererreichung eines Naturzustandes nach Hobbes, sondern vielmehr um das Herausfiltern natürlicher Aspekte und um die Frage inwiefern man das Individuum in anderer Form erziehen kann. In dem Moment der Ausrichtung auf gesellschaftliche Konventionen verfällt der Naturzustand wieder und das Subjekt verfällt in sozial-gesellschaftliche Abhängigkeit. Im Gegensatz zu John Locke konzentriert sich Rousseau nicht auf ein Erziehungsmodell, das sich an den Adel und die Ausbildung eines Gentlemans richtet, sondern vielmehr schafft er den Bezug zum eigentlichen Menschen. Er kreiert ein allgemeines Erziehungsmodell, das sich nicht auf die Formation bürgerlicher Arbeiter bezieht, sondern ein Modell, das sich vielmehr auf die Erziehung des Menschen konzentriert. Es entsteht ein Kontrast zwischen natürlichem guten Menschen und bürgerlichen Menschen, die im Gegensatz zu natürlichen Menschen die wahre Erkenntnis nicht erlangen. Es kommt zu einem Perspektivwechsel. Zuerst soll es zu einer Beobachtung des Kindes kommen um schlussfolgernd auf die Frage eingehen zu können wie es sich entwickelt und was es überhaupt fähig ist zu lernen.
Zur Veranschaulichung und als strategisches Mittel der Gesellschaft dieses Konzept zu verdeutlichen und näher zu bringen, entwirft Rousseau die fiktive Rolle des Emils. Gemeint ist damit das Werk „ É mil ou de l`éduaction“. Der junge Émil wird isoliert von der Gesellschaft zum Menschen erzogen. Neben einem direkten Meister, verkörpert durch die Figur Jean-Jacques, gilt die Natur selbst als Hauptlehrer. Der junge Zögling gilt als Erziehungsexperiment, indem er fern von jeder Gesellschaft in der Natur erzogen wird um dann später wieder in die Gesellschaft eingefügt zu werden und dort selbständig tätig werden soll, ohne dabei dem Kollektivmuster zu verfallen. Der junge begabte Emil soll selbst die reine natürliche Freiheit erleben, um aus ihr die wahren Tugenden zu erlernen und später weitergeben zu können.
Dies bezüglich wird eine spezielle Relation zur Einbildungskraft eröffnet. Rousseaus Hauptmotiv ist das Fernhalten jeglicher fantastischer Elemente um folglich den Jüngling nicht zu verderben und zu beeinflussen. Auch außerhalb des Werkes gilt Literatur für Rousseau als Gegenwelt zur Realität, da sie im Menschen in seiner Erziehung Leidenschaften, Utopien oder Wünsche entstehen lässt, die später vielleicht nicht mehr in Stimulation und Befriedigung enden können. Als einziges literarisches Werk steht dem fiktiven Emil Daniel Defoes „Robinson Crusoe“ zu Verfügung. Logischerweise gilt dieses Werk als Vorzeigemodell, mit dem der Jüngling sich identifizieren soll und durch das er selbst aus der vorgegebenen Situation Robinsons lernen soll. Zwar steht Rousseau der Phantasie weiterhin kritisch gegenüber, jedoch soll in diesem Fall die Fantasie, in der förmlichen Identifikation mit Robinson Crusoe, als pädagogische wertvolle Lektüre gelten. Diese Auffassung wird natürlich nicht auf dieser fiktionalen Ebene dargestellt werden, sondern auch in der Realität plädiert Rousseau für phantastische Literaturmodelle, die zur sinnvollen Erziehung eines Kindes beitragen können.[1]
Des Weiteren scheinen auch die Philanthropen sich mit der Grundproblematik zwischen Erziehung des Menschen und des Bürgers auseinander zu setzen. Im Gegensatz zu Rousseaus kommt es aber zur Etablierung zweier erzieherischer Phasen. Erstens die kindliche Erfahrung, zweitens der Weg der kindlichen Erfahrung hin zu einer spezialisierten Arbeitsfunktion. Man soll somit von einer allgemeinen Ausbildung auf eine funktionale Formation schließen können, um infolgedessen das bürgerliche Bildungsprogramm zu idealisieren. Somit stehen beide Phasen, nicht wie bei Rousseau getrennt von einander, sondern nehmen Bezug zueinander. Bereits dieser Aspekt stellt die Philanthropen in direkten Kontrast zu vorherigen Modellen. Im Vordergrund steht somit keine Ausbildung zum Menschen, sondern vielmehr eine Erziehung, die auf Arbeit und Funktion in der Gesellschaft ausgerichtet ist. Eine der wichtigsten Konventionen die bis heute noch in ähnlicher Weise besteht ist die Institutionalisierung des Lehrberufs. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Schule, als erzieherische Institution, eine religiöse Angelegenheit. Dies wechselte jedoch mit dem philanthropischen Konzept. Es kommt zu einer Loslösung konventioneller Erziehung. Zudem kommt es zu einem Bruch im Stammbaum der Berufsbildung. Da nun die Möglichkeit aus Allgemeinwissen und spezialisiertem Wissen besteht, kommt es folglich nicht mehr zu einem Weiterreichen des Berufs innerhalb der Familie, sondern das Individuum hat die Möglichkeit aus diesem Kreis auszutreten und selbstständig die Berufswahl zu treffen.
Verbunden mit diesem Bildungsweg ist ähnlich wie bei Rousseaus Jean-Jacques Meister, die Assistierung eines Edukators, der die Rolle der Eltern übernimmt und somit zuständig ist für die moralische Erziehung und die Übung der Tugenden. Zu erwähnen ist, dass oftmals der Erzieher als Exempel dienen soll. Dabei soll es aber nicht zu einer bloßen Nachahmung seiner Tätigkeiten kommen, sondern der Zögling soll vielmehr gezeigt bekommen wie man selbstständig handelt. Gleichzeitig kommt es zur Etablierung kompetitiver Vergleichssysteme, wie zum Beispiel die Meritentafel oder der Sitzplatz innerhalb der Klasse, die das Können des Schülers unter Beweis stellen. Man fängt an relative Vergleiche einzusetzen, um somit den Leistungsstand des Schülers zu markieren. Gemeint ist damit ein wechselseitiges Kontrollsystem, das zum einen zwischen Zögling und Lehrer besteht, zum anderen sollen die Zöglinge gegenseitig kritische Stellung nehmen und werden somit zum Kompetitionsverhalten aufgerufen. Dabei wird besonders auf die kindgerechte Wissensvermittlung geachtet, außerdem ist das erzieherische Verfahren streng geregelt und stark praxisbezogen, da man versucht sich möglichst nah am funktionellen beruflichen Bildungsweg zu orientieren.
Wie zuvor bei Rousseau bedienen sich auch die Philanthropen literarischer Modelle um das Konzept zu verdeutlichen. Einerseits bildet das Elementarwerk Basedows einen besonderen Bezug zur Erziehung. Der Zögling soll anhand von Bildern, oftmals Illustrationen aus dem bürgerlichen Leben, Rückschlüsse auf den eigenen Lebensweg ziehen können. Mit inbegriffen sind Anleitungen zum richtigen Gebrauch, beispielsweise Vorschläge eines Dialogs bei simultaner Betrachtung eines Bildes. Der Zögling soll während der Beschreibung Affekte bürgerlicher Familienstruktur einüben, wobei die kindliche Neugier als notwendiger Informationsdrang dient. Dies wird im folgenden Auszug verdeutlicht:
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[1] Rauch, Marja: Die Schuler der Einbildungskraft. Zur Geschichte des Literaturunterrichts in der Romantik. In: Beiträger zur Geschichte des Deutschunterrichts. Band 66. Frankfurt am Main: Petrer Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften 2011. S. 64-66.
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- Christof Theis (Author), 2014, Konfrontation zwischen Rousseaus Bildungsmodell und dem Modell der philanthropischen Schule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/444710
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