„Alle piktographischen Systeme, sogar solche aus Ideogrammen und Rebussen, benötigen eine erschreckende Menge von Symbolen. Das Chinesische ist das größte, komplexeste und reichhaltigste [...]. Kein Chinese, kein Sinologe kennt sie alle, hat sie je alle gekannt. Nur wenige der schreibfähigen Chinesen, können alle diejenigen Wörter, welche sie verstehen, auch aufschreiben. Im chinesischen Schriftsystem einigermaßen bewandert zu sein, setzt ein etwa zwanzigjähriges Studium voraus. Solch eine Schrift verschlingt eine Menge Zeit und ist deswegen elitär. Es kann keinen Zweifel darüber geben, daß die Schriftzeichen durch das römische Alphabet ersetzt werden, sobald in der Volksrepublik China jeder die gleiche chinesische Sprache („Dialekt“) beherrscht, [...].“
Diese These von Walter Ong spiegelt eine durch das lateinische Alphabet geprägte Sichtweise wieder, welche im wesendlichen auf der Überzeugung beruht, dass die Entwicklung der Schrift, wie sie in Europa stattgefunden hat, eine geradlinige ist und dass die Verwendung von Schriftzeichen, welche keine Phoneme sondern Morpheme darstellen, nur ein Entwicklungsschritt ist, den die Europäer schon lange hinter sich und die Chinesen noch vor sich haben. Diese Annahme besagt also auch, dass die Darstellung von Sprache auf der Ebene der Phoneme den Endpunkt der Schriftentwicklung darstellt.
In dieser Arbeit soll es im Wesentlichen darum gehen, ob diese These, so wie sie aufgestellt ist, haltbar ist. Es soll untersucht werden, ob sich die alphabetische Schrift tatsächlich nicht mehr (wesentlich) ändert, oder es vielleicht doch mehr Gemeinsamkeiten zwischen chinesischer und alphabetischer Schrift gibt als angenommen und sich die alphabetische Schrift sogar ein wenig in Richtung chinesisches System bewegt. Dazu sollen kurz beide Systeme vorgestellt werden, ehe dann genauer auf die alphabetische Schrift und deren sogenannte „Morphologisierung“ eingegangen werden soll.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Aufbau der Schriftsysteme
- Das chinesische Schriftsystem
- Das lateinische Alphabet
- Morphologisierung der (deutschen) alphabetischen Schrift
- Was ist Schrift?
- Das morphematische Prinzip in der Orthographie (Graphie)
- Die Art des Lesens
- Zusammenführung
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, ob die These von Walter Ong, dass das lateinische Alphabet die ultimative Schriftform darstellt und das chinesische Schriftsystem lediglich einen Entwicklungsschritt darstellt, haltbar ist. Es soll geklärt werden, ob sich die alphabetische Schrift tatsächlich nicht weiterentwickelt oder ob es mehr Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Systemen gibt, als angenommen. Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob sich die alphabetische Schrift möglicherweise sogar in Richtung des chinesischen Systems bewegt.
- Vergleich des lateinischen Alphabets und des chinesischen Schriftsystems
- Die „Morphologisierung“ der alphabetischen Schrift
- Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Schriftsystemen
- Analyse des Einflusses der Schrift auf die Entwicklung der Sprache
- Diskussion der Rolle der Schrift in der Geschichte und Kultur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert die These von Walter Ong und führt den Leser in die Thematik der Arbeit ein. Das zweite Kapitel beleuchtet den strukturellen Aufbau des chinesischen Schriftsystems und beschreibt die sechs Gruppen chinesischer Schriftzeichen: Piktogramme, einfache Ideogramme, zusammengesetzte Ideogramme, Lautentlehnungen, analoge Derivationen und Determinativ-Lautelementzeichen. Das dritte Kapitel befasst sich mit der morphologischen Entwicklung der alphabetischen Schrift.
Schlüsselwörter
Alphabetische Schrift, chinesisches Schriftsystem, Morphologisierung, Schriftentwicklung, Phoneme, Morpheme, Ideogramm, Piktogramm, Lautentlehnung, Determinativ-Lautelementzeichen.
- Quote paper
- Marko Tomasini (Author), 2005, Morphologisierung der (deutschen) alphabetischen Schrift, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44323