Nachdem in den 1980er Jahren die NS-Vergangenheit der Berliner Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in der Festschrift zum 100-Jährigen Bestehen nahezu ausgeklammert wurde, erforschte eine Arbeitsgruppe im Kontext des wachsenden öffentlichen Interesses an den medizinischen Verbrechen der NS-Zeit, die Geschichte der Klinik. Am Ort des Geschehens entstand unter wissenschaftlicher Beratung von Götz Aly, 1988 die Ausstellung totgeschwiegen, 1933-1945. Zur Geschichte der Wittenauer Heilstätten. An die Wittenauer Heilstätten, erst nach dem Krieg im Jahre 1957 wurde sie in „Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik“ umbenannt, war bis Anfang der 1940er Jahre die „Städtische Nervenklinik für Kinder“ organisatorisch angebunden. Im Zuge der Verselbständigung der Klinik zog sie in die ehemaligen Gebäude der zu den Heilstätten gehörenden „Nervenklinik Wiesengrund für Männer“ am Eichborndamm, das seinen Namen aufgrund geologischer Bedingungen trug. Die Bezeichnung „Wiesengrund“ blieb über folgende Namensänderungen hinweg bestehen. Im Jahr 1942 wurde dort eine sogenannte „Kinderfachabteilung“ eingerichtet. In Gedenken an die medizinischen Verbrechen im Nationalsozialismus in der städtischen Nervenklinik für Kinder und um auf das Stillschweigen über sie aufmerksam zu machen, beteiligte sich der Bezirk Reinickendorf im Rahmen des Themenjahres 2013 „Zerstörte Vielfalt“ mit einem Gedenkort am Eichborndamm 238/240 und der Ausstellung Auf freundlichen Zuspruch lächelt das Kind – Die medizinischen Verbrechen der Städtischen Nervenklinik für Kinder 1941-1945. Ausgangspunkt der Ausstellung im Heimatmuseum waren die Kinder der Station 3, die vom „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ als „lebensunwert“ und somit zum Tode verurteilt wurden. Auf der Station, die den bereits eingeführten Decknamen „Kinderfachabteilung“ trug, wurde an diesen Kindern schmerzhafte Untersuchungen und Experimente durchgeführt. Anschließend wurden sie meist mit einer Überdosis Medikamenten getötet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Kinder-„Euthanasie“
- Ideologische Grundlagen
- Die Umsetzung der Kinder-„Euthanasie“
- Die Wittenauer Heilstätten
- Die Jahre 1933 bis 1945
- Zu den Akteur_innen und der Organisation der „KiFA“ Wiesengrund
- Die „Reichsausschusskinder“ Wiesengrund
- DIE KRANKENAKTEN
- DIE FÄLLE
- Quellenverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Geschichte der „Kinderfachabteilung“ Wiesengrund, einem Teil der Wittenauer Heilstätten, während der NS-Zeit. Die Untersuchung fokussiert auf die Krankenakten von „Reichsauschusskindern“, Kindern, die vom „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ als „lebensunwert“ eingestuft wurden. Durch die Analyse der Akten soll beleuchtet werden, inwiefern den Kindern Menschlichkeit und Individualität abgesprochen wurde und in welchem Maße die Akten die nationalsozialistische Ideologie widerspiegeln.
- Die nationalsozialistische Erbgesundheits- und Rassenpolitik als Grundlage der Kinder-„Euthanasie“
- Die medizinischen Verbrechen an den „Reichsauschusskindern“ in der „Kinderfachabteilung“ Wiesengrund
- Die Rolle der Krankenakten als Quelle für die Rekonstruktion der Geschichte der „Kinder-Euthanasie“
- Die Entmenschlichung und Individualitätsraub der „Reichsauschusskinder“ durch die nationalsozialistische Ideologie
- Der Vergleich verschiedener Krankheitsbilder und Altersstufen der „Reichsauschusskinder“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext und die Forschungsfrage der Arbeit vor. Sie beleuchtet die Rolle der Wittenauer Heilstätten in der Geschichte der medizinischen Verbrechen des Nationalsozialismus und führt die „Reichsauschusskinder“ als Mittelpunkt der Untersuchung ein.
Das Kapitel „Die Kinder-„Euthanasie““ behandelt den ideologischen Hintergrund der Krankenmorde an Kindern im Nationalsozialismus. Es untersucht die Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Euthanasie“ und analysiert die nationalsozialistische Rassenlehre und Erbgesundheitspolitik als Grundlage für die Ermordung „lebensunwerten Lebens“.
Das Kapitel „Die Wittenauer Heilstätten“ gibt einen Überblick über die Geschichte der Heilstätten, die Organisation der „Kinderfachabteilung“ Wiesengrund und die Rolle der Akteure innerhalb dieser Institution. Es führt in die Krankenakten als Quelle ein und erläutert deren Bedeutung für die Forschungsarbeit.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen der „Kinder-Euthanasie“, der „Reichsauschusskinder“, der Wittenauer Heilstätten, der Krankenakten als Quelle, der nationalsozialistischen Ideologie, der Erbgesundheits- und Rassenpolitik, der Entmenschlichung und des Individualitätsraubs.
- Citation du texte
- Anonym (Auteur), 2018, Die Krankenakten der "Reichsauschusskinder" der "Kinderfachabteilung" Wiesengrund im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442798