Unter Autismus versteht man eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die eine Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie der Verhaltensvaribilität impliziert. Tiefgreifend bedeutet, dass ein ganzes Spektrum an Beeinträchtigungen existiert, die sich auf „[…] Bereiche des Wahrnehmens, Verhaltens und der Emotionen“ beziehen können und die Entwicklung eines Kindes tiefgreifend beeinflussen. Bei Autismus ist nicht von einer Behinderung oder Krankheit zu reden, sondern eher von einer Besonderheit oder einem „Anderssein“. Eine Störung entwickelt sich häufig erst durch gesellschaftliche Einflüsse in Form von Ausgrenzungen, die zu Stresssymptomen und psychischen Störungen bei Betroffenen führen können.
Seinen Ursprung hat der Autismus als Symptom der Schizophrenie, geprägt durch den Psychiater Eugen Bleuler im Jahr 1911 unter Rückkopplung auf die starke Zurückgezogenheit der Betroffenen. Erst 1938 stellte der Kinderarzt Hans Asperger einen Zusammenhang mit psychisch auffälligen Kindern im Hinblick auf das Autismus-Syndrom, von da an auch „Asperger-Syndrom“ genannt. Eine Konkretisierung machte Leo Kanner 1943, indem die autistische Störung mit einer Problematik des affektiven Kontakts in Zusammenhang gebracht wurde. Auch die Zurückführung auf ein erzieherisches Fehlverhalten war eine weit verbreitete, mittlerweile widerlegte Annahme. Heute wird Autismus, ähnlich wie auch ADHS, als genetisch bedingte und tiefgreifende Entwicklungsstörung auf neurologischer Grundlage betrachtet, welche durch zusätzliche Belastungen aus dem Umfeld zu einer psychischen Störung ausarten kann. Ursachen von Autismus sind biologisch-neurologisch begründet, da Fehlbildungen bzw. Anomalien in den Hirnstrukturen sowie -funktionen zu beobachten sind. Das Kleinhirn, welches für Motorik, Koordination und Sprechmuskulatur zuständig ist, ist bei autistischen Menschen beispielsweise kleiner. Des Weiteren wird am limbischen System, welches mit der Amygdala für Emotionen und Sozialverhalten zuständig ist, geforscht. Festzuhalten ist, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren wie Komplikationen oder Fehlverhalten in der Schwangerschaft Auswirkungen auf das Gehirn und damit auf eine autistische Beeinträchtigung haben können.
Inhalt
1. Was ist Autismus?
2. Welche Formen gibt es?
3. Was sind die Symptome?
4. Wie diagnostiziert man Autismus?
5. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
6. Wie sind die Prognosen?
Literatur
1. Was ist Autismus?
Unter Autismus versteht man eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die eine Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie der Verhaltensvaribilität impliziert (vgl. Dodd 2007, 1). Tiefgreifend bedeutet, dass ein ganzes Spektrum an Beeinträchtigungen existiert, die sich auf „[…] Bereiche des Wahrnehmens, Verhaltens und der Emotionen“ beziehen können und die Entwicklung eines Kindes tiefgreifend beeinflussen (vgl. Girsberger 2016, 45). Bei Autismus ist nicht von einer Behinderung oder Krankheit zu reden, sondern eher von einer Besonderheit oder einem „Anderssein“. Eine Störung entwickelt sich häufig erst durch gesellschaftliche Einflüsse in Form von Ausgrenzungen, die zu Stresssymptomen und psychischen Störungen bei Betroffenen führen können (vgl. ebd., 29).
Seinen Ursprung hat der Autismus als Symptom der Schizophrenie, geprägt durch den Psychiater Eugen Bleuler im Jahr 1911 unter Rückkopplung auf die starke Zurückgezogenheit der Betroffenen. Erst 1938 stellte der Kinderarzt Hans Asperger einen Zusammenhang mit psychisch auffälligen Kindern im Hinblick auf das Autismus-Syndrom, von da an auch „Asperger-Syndrom“ genannt. Eine Konkretisierung machte Leo Kanner 1943, indem die autistische Störung mit einer Problematik des affektiven Kontakts in Zusammenhang gebracht wurde. Auch die Zurückführung auf ein erzieherisches Fehlverhalten war eine weit verbreitete, mittlerweile widerlegte Annahme. Heute wird Autismus, ähnlich wie auch ADHS, als genetisch bedingte und tiefgreifende Entwicklungsstörung auf neurologischer Grundlage betrachtet, welche durch zusätzliche Belastungen aus dem Umfeld zu einer psychischen Störung ausarten kann (vgl. ebd., 23ff). Ursachen von Autismus sind biologisch-neurologisch begründet, da Fehlbildungen bzw. Anomalien in den Hirnstrukturen sowie -funktionen zu beobachten sind. Das Kleinhirn, welches für Motorik, Koordination und Sprechmuskulatur zuständig ist, ist bei autistischen Menschen beispielsweise kleiner. Des Weiteren wird am limbischen System, welches mit der Amygdala für Emotionen und Sozialverhalten zuständig ist, geforscht. Festzuhalten ist, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren wie Komplikationen oder Fehlverhalten in der Schwangerschaft Auswirkungen auf das Gehirn und damit auf eine autistische Beeinträchtigung haben können (vgl. Dodd 2007, 11f).
2. Welche Formen gibt es?
Das „Asperger-Syndrom“, betitelt nach dem Kinderarzt Hans Asperger, beruht ursächlich auf genetisch bedingten Faktoren. Stereotype Muster sind Symptome wie ein Mangel an Empathie, Probleme in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie eingeschränkte Interessen (vgl. Dodd 2007, 8f). In bestimmten Bereichen sind Asperger-Betroffene allerdings besonders begabt und normal bis sogar überdurchschnittlich intelligent. Daher haben diese als Erwachsene durchaus gute Chancen, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen und selbstständig zu leben (vgl. Girsberger 2016, 47).
Der „Frühkindliche Autismus“, auch als „Kanner-Syndrom“ nach Leo Kanner bezeichnet, beruht hingegen eher auf Umweltfaktoren und einer Hirnschädigung, die zum Beispiel durch Drogenkonsum oder auch Infektionskrankheiten innerhalb der Schwangerschaft hervorgerufen werden kann (vgl. ebd., 31). Kognitive Beeinträchtigungen und ein verminderter IQ sind hier wesentlich häufiger vorzufinden. So ziehen sich Kinder mit diesem Störungsbild sozial stark zurück, sind sprachlich sehr beeinträchtigt und werden dadurch besonders schnell erkannt (vgl. ebd., 46f).
Ein „Atypischer Autismus“ liegt vor, wenn Defizite in dem Sozial- und Kommunikationsverhalten sowie Entwicklungsverzögerungen vorzufinden sind, allerdings nicht alle Kriterien für eine manifestierte Autismus-Diagnose erfüllt sind (vgl. Dodd 2007, 9f).
3. Was sind die Symptome?
Frühe Anzeichen von Autismus bei Kleinkindern sind exemplarisch:
- Kind plappert mit einem Jahr nicht, mit 16 Monaten spricht es keine Wörter und mit 24 Monaten keine Zwei-Wort-Sätze (besonders bei „Frühkindlichem Autismus“ bleibt Sprache ganz aus)
- Kind zeigt kein Interesse an Gleichaltrigen bzw. generell Gleichgültigkeit gegenüber Menschen, auch beim Ansprechen des Kindes
- Kind hat kurze Aufmerksamkeit bzw. nur bei Dingen, die besonders interessieren
- eingeschränkter Blickkontakt
- repetitive, außergewöhnliche Bewegungen
- Agressionen
- Wehren bei Routine
- Überempfindlichkeit bei sinnlichen Reizen
(vgl. Dodd 2007, 14).
Später differenzieren sich Symptome besonders in folgende Bereiche:
- Sprache und Kommunikation: eingeschränkte Aufnahme von Gehörtem, Schwierigkeit im Verstehen von Nonverbalem, spätes Einsetzen des Sprechens („Frühkindlicher Autismus“)
- Wahrnehmung und Denken: detailfixiert, „Schwarz-Weiß-Denken“, einseitig
- Soziale Interaktion: mangelnde Empathie/Perspektivübernahme, Isolation von Gleichaltrigen, kein gemeinsames Spiel
- Steuerung von Emotionen: Autoagressionen, keine Selbstregulierung, eingeschränkte Wahrnehmung von Emotionen Anderer
- Einseitige und intensive Interessen: Vertiefung in bestimmte Gebiete, häufig Sammeln/Systematisieren der Dinge, Vernachlässigung anderer Gebiete (v.a. in der Schule)
- Schwierigkeiten mit alltäglichen altersgemäßen Verantwortungen: Routineaufgaben wie Zähneputzen, Körperhygiene; Selbständiges Erledigen von beispielsweise Hausaufgaben
(vgl. Girsberger 2016, 45f).
Neben diesen eher negativ behafteten Symptomen gibt es auch positive Merkmale von Autisten, wie zum Beispiel besondere Begabungen in den Teilbereichen mathematisch, sprachlich, musikalisch, logisch-analytisch oder auch der Merkfähigkeit (vgl. ebd., 46).
4. Wie diagnostiziert man Autismus?
Autismus-Diagnosen werden von Kinderärzten, Psychiatern, Neurologen und klinischen Psychologen nach einer gründlichen Anamnese, Untersuchung und Beobachtung gestellt (vgl. Dodd 2007, 17). Einen Maßstab bilden die Klassifikationssysteme „ICD 10“ und „DSM IV“ (vgl. ebd., 18). Mittlerweile gibt es verschiedenste Instrumente, um autistische Merkmale zu diagnostizieren, genauer gesagt durch das Beobachten bestimmter Verhaltensmuster und den Mangel spezifischer Fähigkeiten, jedoch erweist sich die konkrete Zuschreibung stets als schwierig, da die Symptome vielfältig und nicht immer sofort auf eine autistische Beeinträchtigung zurückzuführen sind (vgl. Dodd 2007, 17). Dennoch konnten Fragebögen entwickelt werden, die Aufschluss darüber geben, wie sich autistische Kinder von Gleichaltrigen ohne eine Entwicklungsstörung verhalten, um so eine Diagnose durch typische Auffälligkeiten stellen zu können. Untersucht werden dabei beispielsweise die Kommunikationsfähigkeit, das Sozialverhalten, die Konzentration und Aufmerksamkeit, das Sprech- und Sprachverhalten sowie motorische Gegebenheiten. Besonders im Bereich „Spiel“ und „Alleinsein“ sowie im „Blick- und Hörverhalten“ kristallisieren sich bei kleinen Kindern die autistischen Züge stark heraus (vgl. Dodd 2007, 15). Entgegen der starren Klassifikationsschemata und klinischer Diagnostik hat sich das „ICF“ als Diagnoseinstrument im ergotherapeutischen und sonderschulischen Bereich etabliert. Dabei wird aus einer Fülle einzelner Stichworte eine Art Checkliste erstellt, die alle körperlichen und geistigen Funktionen abdeckt. Es wird gecheckt, ob eine Person die für das Alter angemessenen Fähigkeiten erreicht hat oder ob eine Entwicklungsverzögerung vorherrscht, worüber dann bei typischer Symptomatik auf eine autistische Beeinträchtigung geschlossen werden kann (vgl. Girsberger 2016, 56).
5. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die Therapie hängt natürlich von der Grunderkrankung und dem Spektrum der jeweiligen Autismus-Störung ab und muss auf die einzelnen Symptome abgestimmt sein. Grundsätzlich sind eine strukturierte Umgebung sowie ein Tagesablauf wichtig, da sich das Durchbrechen von Routine für Autisten als schwierig gestaltet. Des Weiteren können die spezifischen Interessen, in denen Autisten oft besonders gut sind, intensiv gefördert werden. Regelmäßige körperliche Aktivität sowie eine ausgewogene Ernährung sind ebenfalls von besonderer Bedeutung. Medikamente hingegen erweisen sich als unwirksam. Auch eine Kontinuität von Bezugspersonen ist für Autisten sehr wichtig. Ein Lehrerwechsel kann sich beispielsweise als große Herausforderung für einen Heranwachsenden mit Autismus erweisen. Außerdem sollten zur Motivation und dem Durchbrechen von negativem Denken langfristige Perspektiven aufgezeigt werden, da durchaus gute Chancen in der Arbeitswelt bestehen können.
Asperger hat schon früh erkannt, dass besonders pädagogische Maßnahmen durch die Erziehung zur Anpassung an soziale Verhaltensmuster wirksam und angebrachter als reine psychotherapeutische Maßnahmen ist (vgl. Girsberger 2016, 103).
Beispiele für konkret angewandte, pädagogisch-therapeutische Methoden sind:
- Angewandte Verhaltensanalyse (ABA) oder Verhaltenstherapie: erwünschtes Verhalten wird instruiert und mit positivem Feedback belohnt, wenn es auftritt (vgl. Dodd 2007, 33f; Girsberger 2016, 107).
- Das Bildertausch-Kommunikationssystem (PECS): Kommunikativer Austausch, indem reale Gegenstände durch Symbole mit Partner ausgetauscht werden müssen; Wünsche und Bitten werden geäußert (vgl. Dodd 2007, 33f)
- Strukturierter Unterricht (TEACCH): individuell abgestimmter Unterricht auf Fähigkeiten von autistischen Personen; klare Strukturen/Arbeitsaufträge, Zeitpläne, visuelle Materialien (vgl. ebd., 35f).
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- Quote paper
- Jess Kolumna (Author), 2017, Das Autismus-Spektrum als tiefgreifende Entwicklungsstörung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/441095
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