Mit dem Begriff „rechtsradikal“ assoziieren die meisten Bundesbürger aus den neuen Bundesländern in erster Linie Neonaziaufmärsche von Skinheads. Bomberjacken, Springerstiefel, Glatze und ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft kennzeichnen das typische Bild vom „Rechten“. Stellt man hingegen einem Bürger aus den alten Bundesländern die Frage, was für ihn rechtsradikal sei, so werden die rechten Parteien NPD, DVU und die Republikaner genannt. Diese Spaltung des Denkens innerhalb der Bundesrepublik erklärt sich wohl hauptsächlich dadurch, dass die rechten Parteien in den alten Bundesländern schon wesentlich länger präsent sind als auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Dort war nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Präsenz von Skinheads im alltäglichen Straßenbild wesentlich stärker ausgeprägt, als in den alten Ländern. Selbst heute liegt der Schwerpunkt der deutschen Skinhead-Szene in Ostdeutschland: Obwohl in diesem Gebiet nur ein Fünftel der bundesdeutschen Bevölkerung lebt, sind hier 45% der gewaltbereiten Rechtsextremisten ansässig. Dass der deutsche Verfassungsschutz eine äußerst dominante Position in der öffentlichen Meinungsbildung innehat, zeigt sich darin, dass der Mehrzahl der Bürger, die sich mit dem Thema nicht auseinandergesetzt haben, den geläufigeren Begriff „Rechtsextremismus“ benutzt. Der Verfassungsschutz ist gewissermaßen Monopolist in der Definition des Rechtsextremismus, darf aber aus rechtlichen Gründen nicht den gesamten rechten Rand beleuchten. Sein Lichtkegel ist begrenzt und belässt weite Teile des rechten Spektrums in der Dunkelheit. Der in der Wissenschaftlichen Betrachtung verwendete Begriff Rechtsradikalismus hingegen umfasst das gesamte rechte Lager und schenkt auch den vom Verfassungsschutz nicht beleuchteten Gebieten Aufmerksamkeit. Hieran soll auch die vorliegende Arbeit anknüpfen die sich vornehmlich mit der Neuen Rechten und dort insbesondere mit rechten Netzwerken auseinandersetzt. Diese haben jedoch mit Skinheads und rechten Parteien wenig zu tun. Der Begriff Neue Rechte kennzeichnet eine intellektuelle Strömung des rechten Spektrums, die sich von der NS-Zeit und dem Hitler-Regime distanziert und stattdessen versucht, sich durch eine Modernisierung der rechten Ideologie zu etablieren.
Gliederung
I. Einleitung: Die Neue Rechte
II. Die Neue Rechte und das Grundgesetz
III. Feder statt Schwert
IV. Exkurs: Ursachen des Rechtsradikalismus
V. Beispiele rechter Netzwerke
1. Der Bund der Selbständigen und die „Stimme der Mehrheit“
2. Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e.V. (SWG)
3. Institut für Staatspolitik (IfS)
4. Gesellschaft für Freie Publizistik e. V. (GFP)
5. Studienzentrum Weikersheim (SZW)
VI. Fazit
VII. Literatur- und Quellenverzeichnis
I. Einleitung: Die Neue Rechte
Mit dem Begriff „rechtsradikal“ assoziieren die meisten Bundesbürger aus den neuen Bundesländern in erster Linie Neonaziaufmärsche von Skinheads. Bomberjacken, Springerstiefel, Glatze und ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft kennzeichnen das typische Bild vom „Rechten“. Stellt man hingegen einem Bürger aus den alten Bundesländern die Frage, was für ihn rechtsradikal sei, so werden die rechten Parteien NPD, DVU und die Republikaner genannt. Diese Spaltung des Denkens innerhalb der Bundesrepublik erklärt sich wohl hauptsächlich dadurch, dass die rechten Parteien in den alten Bundesländern schon wesentlich länger präsent sind als auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Dort war nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Präsenz von Skinheads im alltäglichen Straßenbild wesentlich stärker ausgeprägt, als in den alten Ländern. Selbst heute liegt der Schwerpunkt der deutschen Skinhead-Szene in Ostdeutschland: Obwohl in diesem Gebiet nur ein Fünftel der bundesdeutschen Bevölkerung lebt, sind hier 45% der gewaltbereiten Rechtsextremisten ansässig.[1]
Dass der deutsche Verfassungsschutz eine äußerst dominante Position in der öffentlichen Meinungsbildung innehat, zeigt sich darin, dass der Mehrzahl der Bürger, die sich mit dem Thema nicht auseinandergesetzt haben, den geläufigeren Begriff „Rechtsextremismus“ benutzt. Der Verfassungsschutz ist gewissermaßen Monopolist in der Definition des Rechtsextremismus, darf aber aus rechtlichen Gründen nicht den gesamten rechten Rand beleuchten. Sein Lichtkegel ist begrenzt und belässt weite Teile des rechten Spektrums in der Dunkelheit.
Der in der Wissenschaftlichen Betrachtung verwendete Begriff Rechtsradikalismus hingegen umfasst das gesamte rechte Lager und schenkt auch den vom Verfassungsschutz nicht beleuchteten Gebieten Aufmerksamkeit. Hieran soll auch die vorliegende Arbeit anknüpfen die sich vornehmlich mit der Neuen Rechten und dort insbesondere mit rechten Netzwerken auseinandersetzt. Diese haben jedoch mit Skinheads und rechten Parteien wenig zu tun.
Der Begriff Neue Rechte kennzeichnet eine intellektuelle Strömung des rechten Spektrums, die sich von der NS-Zeit und dem Hitler-Regime distanziert und stattdessen versucht, sich durch eine Modernisierung der rechten Ideologie zu etablieren. Ihre geistigen Wurzeln begründet die Neue Rechte daher nicht im Nationalsozialismus, sondern in der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik. Damit verbundene antidemokratische Theoretiker, allen voran Carl Schmitt, werden gern zitiert und können als regelrechte „Gallionsfiguren“ der Neuen Rechten bezeichnet werden. Neben dem intellektuellen Anspruch charakterisiert sich die Neue Rechte durch das Streben nach „kultureller Hegemonie“: Im Vordergrund steht die langfristige Beeinflussung politischer und gesellschaftlicher Diskurse, um letztlich die Meinungsführerschaft zu erlangen.
Statt jedoch mit eindeutig rechten Parolen in Erscheinung zu treten, bedient man sich geschickt der „politischen Mimikry“. Diese sprachliche Anpassung oder Tarnung dient dem Schutz, um im Bild der Öffentlichkeit nicht als eindeutig rechts erkennbar zu sein. Schließlich bemüht sich die Neue Rechte stets um Zusammenarbeit und Verbindung mit dem demokratischen Konservatismus und in der Folge mit der politischen Mitte. Die Neue Rechte lässt die Grenze zwischen eindeutig rechtem und eindeutig demokratischem Lager erodieren und nimmt somit die Funktion einer Brücke, bzw. eines Scharniers, ein. Dadurch will sie eine höhere Breitenwirkung erzielen und sich Zugang zur gesellschaftlichen Mehrheit verschaffen.
Nach innen tritt die Neue Rechte auch als Avantgarde des rechtsextremen Spektrums auf, indem sie ideologisch-strategische Elemente wie zum Beispiel das Konzept des „Ethnopluralismus“ hervorhebt und somit sogar Anschlussstellen für den Neonazismus bietet. Der Ethnopluralismus sieht es vor, ethnische Gruppen kulturell und möglichst auch räumlich zu trennen, plakativ ausgedrückt: „Deutschland den Deutschen, die Türkei den Türken“.
Weil sich die Neue Rechte selbst als intellektuelle und elitäre Schicht des rechten Spektrums versteht, liegen ihr mitgliederstarke und streng hierarchisch aufgebaute Organisationen fern. Diese Strömung bedient sich vielmehr netzwerkartiger Strukturen und umfasst einige kleinere Organisationen, die in erster Linie publizistisch Tätig sind.[2]
Diese Arbeit soll untersuchen, inwiefern sich einzelne neurechte Netzwerke in ihren Zielsetzungen und personell überschneiden oder ob sie sogar miteinander konkurrieren. Weiterhin stellt sich die Frage inwiefern sie sich bereits der politischen Mitte genähert haben.
II. Die Neue Rechte und das Grundgesetz
Obwohl die Neue Rechte versucht, ihre Meinungsäußerungen mittels „politischer Mimikry“ anzupassen, gelingt es ihr nicht, ihre teilweise konträre Haltung zum Grundgesetz zu verbergen. Belege dafür bieten einzelne Artikel und Aufsätze der neurechten Publizistik, vor allem aber auch die Gedanken des Staatsrechtslehrers Carl Schmitt, dem ideologischen Wegbereiter dieser Strömung.
Seine Meinung verdeutlicht die Spannungen zwischen den Ansichten der Neuen Rechten und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in hervorstechendem Maße. „Alles, was die Lebensfragen eines Volkes als eines einheitlichen Ganzen betrifft“ ist für Carl Schmitt „politisch“. Folglich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Freund oder Feind. Wer nicht zum „einheitlichen Ganzen“ gehört, wird eindeutig als Feind deklariert, eine andere Option gibt es nicht. Sein Modell beschreibt eine aus nur einseitig lösbaren Konflikten bestehende politische Realität, in der es keine Kompromisse gibt. Derartige Konfliktsituationen können laut Schmitt einzig und allein durch Erzwingung von Homogenität geregelt werden, alles Heterogene ist dabei zu beseitigen. Dies widerspricht jedoch dem Geist des Grundgesetzes, welches parlamentarische Diskussionen vorsieht, die durch demokratische Mehrheitsentscheide oder Konsenslösungen geregelt werden sollen. Unsere Verfassung strebt die Beteiligung möglichst vieler verschiedener Interessengruppen an, damit eine Lösung gefunden werden kann, die den besten Kompromiss aus allen Interessen verkörpert. Weiterhin räumt der „Schmittismus“ dem Kollektiv Vorrang gegenüber dem Individuum ein, während das Grundgesetz in Artikel 1 der Würde des einzelnen Menschen den absoluten Vorrang vor allem anderen gibt. Sie ist unantastbar und vom Staat mit allen nur möglichen Mitteln zu achten und zu schützen.
Aus der Notwendigkeit der Homogenität lässt sich weiterhin ableiten, dass das in Artikel 2 GG festgeschriebene Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit für Schmitt keinen Wert darstellt. Die sich an ihm ausrichtenden Neuen Rechten machten ebenfalls keinen Hehl daraus, dass ihnen Teile des Grundgesetzes ein Dorn im Auge sind. So stellte das frühere Mitglied des Bundestages der CDU, Martin Hohmann, fest, dass man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung genießt. Diese Aussage lässt zweifelsfrei erkennen welchen Wert Artikel 3 des Grundgesetztes für ihn hat: Offenbar gar keinen.
Die „Junge Freiheit“ geht sogar soweit, zu behaupten: „Wer mit dem Grundgesetz unter dem Kopfkissen schläft, braucht Carl Schmitt nicht“. Dass der Umkehrschluss genauso unmissverständlich gemeint ist, belegt auch die Darstellung der Verfassung als „Gefängnis“ Deutschlands. Die hier dargelegten beispiele und der bereits oben angeführte Ethnopluralismus entlarven bereits die Absage der neurechten Ideologie an grundlegende Werte unserer Verfassung. Gleichwohl lassen sich die Argumentationen anhand zahlreicher weiterer Dissonanzen zwischen Grundgesetz und Neuer Rechter vertiefen.[3]
III. Feder statt Schwert
Wie bereits oben angeschnitten, bedient sich die Neue Rechte weder der offenkundigen Symbolik des Dritten Reiches, noch wird sie durch Gewalt auffällig. Gerade der hierdurch entstehende schleichende Prozess, das Vordringen in die politische Mitte, ist nur schwer wahrnehmbar. Selbst die Medien schenken der Neuen Rechten kaum Beachtung, das Thema eignet sich nicht für Schlagzeilen. Viele Leser können mit den schwer zu erfassenden Strukturen der Neuen Rechten nichts anfangen – wohl aber mit den rechten Parteien und mit den gewalttätigen Skinheads. Darum verwundert es nicht, dass der „Stern“ kürzlich zwar über den „Marsch in die Mitte“ und die Neue Rechte berichtete, aber trotzdem die NPD als großen Aufhänger wählte.[4] Die Neue Rechte bemüht sich auch keineswegs darum aus ihrem „Schattendasein“ hervorzutreten, eher im Gegenteil: Nach außen gibt man sich modern und demokratisch, Tagungen (oft im Umfeld von rechten Zeitungen) finden in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Der Gymnasiallehrer für Geschichte und evangelische Religion, Karlheinz Weißmann, und das von ihm gegründete rechtsintellektuelle Institut für Staatspolitik meiden den direkten Kontakt zur NPD, lassen sich jedoch gern von den Partei-Strategen zitieren. Auch das bedeutendste Medium der Neuen Rechten, die Zeitung „Junge Freiheit“ bestreitet jegliche Verbindung zum Rechtsextremismus[5] obwohl NPD-Sprecher Klaus Beier feststellt: „Die Junge Freiheit hat ihre Distanz zu uns aufgelockert, das kann man eindeutig herauslesen.“[6]
Dabei interessiert sich die Neue Rechte nur beiläufig für die Parlamente. Um und einen politischen Klimawechsel vorzubereiten, muss erst die Meinungsführerschaft, die „kulturelle Hegemonie“, errungen werden. Demgemäß konzentriert sich die politische Strömung auf publizistische Arbeit und ummantelt ihre Positionen mittels politischer Mimikry. Die Junge Freiheit betont ihre demokratische Ausrichtung und nutzt für ihre Argumentation das breite Spektrum an Stimmen, die in ihr zu Wort kommen – darunter sogar ausgewiesene Demokraten als Interviewpartner.[7] Dementsprechend zielt die Zeitung damit auch auf eine Leserschaft, die eher dem konservativen demokratischen Lager zuzuordnen ist, als den Rechtsextremisten. Schließlich geht es der Neuen Rechten um die ideologische Beeinflussung von Entscheidungsträgern in Gegenwart und Zukunft. Karlheinz Weißmann formuliert die Zielsetzung folgendermaßen: "Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtischen, sondern über Hörsälen und Seminarräumen interessiert uns, es geht um Einfluss auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, um so besser."[8] Die Teilnehmer der Seminare, die sein Institut für Staatspolitik zweimal im Jahr veranstaltet, sind überwiegend Studenten, aber auch junge Unternehmer, Juristen und Gymnasiasten. Ein Teilnehmer der Februarveranstaltung 2005 will Medienkommunikation studieren, jedoch nicht um selbst zu schreiben: “ich möchte einmal bestimmen wer schreibt.“ Ein anderer Teilnehmer, Student und CDU Mitglied, arbeitet in der Jungen Union Berlin und erzählt, er wolle „zehn bis 15 Leute meiner Gesinnung ein[zu]schleusen.“[9] Offenbar zielen derartige Seminare darauf, junge Eliten zu rekrutieren und zu schulen. Nebenbei werden Kontakte geknüpft, welche die bereits bestehenden rechten Netzwerke weiter ausbauen und die Seminarteilnehmer an die Neue Rechte binden. Es entsteht der Eindruck dass die Neue Rechte versucht, Organisationen der politischen Mitte zu unterwandern um dort langfristig Schlüsselpositionen zu besetzen.
[...]
[1] Vgl. Bundesministerium der Innern 2005: 43
[2] Vgl. Pfeiffer 2004: 53ff
[3] Vgl. Gessenharter 2004: 35ff
[4] Vgl. Drissner 2005: 38ff
[5] Vgl. Pfeiffer 2004: 31
[6] Drissner 2005: 44
[7] Vgl. Pfeiffer 2004: 30
[8] Weißmann 2001
[9] Drissner 2005: 44
- Arbeit zitieren
- Robert Matzdorf (Autor:in), 2005, Die Netzwerke der Neuen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44000
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