Sind Tugend und Laster nicht ein ideales Begriffspaar um zwei völlige Gegensätze zu kennzeichnen? Zwei Extreme, an den jeweiligen Enden einer Skala, wie sie weiter nicht von einander entfernt sein könnten. Während in Lessings bürgerlichem Trauerspiel „Miss Sara Sampson“ die Titelheldin Sara offensichtlich die Tugendhaftigkeit par Excellenze verkörpert, weist ihre Rivalin Marwood scheinbar nur lasterhafte Züge auf. Aufgrund der sehr kontrastiven Darstellung der beiden Frauen ist sich die Forschungsliteratur fast völlig einig, dass Marwood den direkten Gegensatz zu Sara bildet. Sara, von Lessing gezeichnet als junge Unschuld, liebende Tochter und reinliches Wesen, das stets nach Einhaltung der Tugend bestrebt ist auf der einen Seite, und Marwood, die alte, verlassene und letztlich rasende Geliebte, die nur Verstellung und Intrige zu kennen scheint, auf der anderen Seite. Dabei ist jedoch bereits interessant, dass es beiden Frauen um den gleichen Mann geht, nämlich um Mellefont, den ehemaligen Geliebten der Marwood und gegenwärtigen Partner der Sara. Allein diese Tatsache verbindet die beiden Frauen miteinander und lässt die Vermutung zu, dass sie möglicherweise noch viel mehr Gemeinsamkeiten haben als nur den selben „Männergeschmack“. Die Frage, die sich nun stellt ist deshalb, ob hier wirklich zwei völlige Gegensätze aufeinandertreffen, ob sich tatsächlich pauschal sagen lässt, dass Sara „die Heilige“ und Marwood „die Böse“ ist? Ziel dieser Hausarbeit ist keine tiefenpsychologische Charakteranalyse, sondern es soll die Frage geklärt werden, welche Gegensätze Sara und Marwood kennzeichnen und wo Gemeinsamkeiten vorhanden sind. Die Vorgehensweise ist eine Gegenüberstellung charakterlicher Unterschiede unter Einbezug der Inszenierung des Stücks, der Sprache und der Rollenfigur, welche die beiden Frauen jeweils innehaben. Gemeinsamkeiten, versteckt oder sichtbar, sollen dabei aufgedeckt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Inszenierung
- Die Leistung der Abfolge der Auftritte für die Charakterisierung
- Der erste Auftritt
- Die weiteren Auftritte
- Sprache
- Rollenfigur….
- Charakterliche Gegensätze
- Verdrängte Sinnlichkeit vs. Einbekannte Sinnlichkeit.
- Blindheit und Naivität vs. Machtkalkül.
- Christliche Tugend vs. Lasterhaftigkeit
- Totale Lauterkeit vs. Verruchtheit..
- Altruismus vs. Egoismus.
- Aufrichtigkeit vs. Verstellung ..
- Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Figuren Sara und Marwood aus Lessings „Miss Sara Sampson“ und analysiert ihre Darstellung als vermeintliche Gegensätze. Ziel ist es, die charakterlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Frauen herauszuarbeiten und zu beleuchten, inwiefern die Inszenierung, Sprache und Rollenfigur diese Darstellung beeinflussen.
- Analyse der Charakterisierung von Sara und Marwood durch die Inszenierung des Stücks, insbesondere die Abfolge ihrer Auftritte
- Untersuchung der sprachlichen Eigenheiten beider Figuren und deren Aussagekraft für ihre Charaktere
- Beurteilung der ihnen zugedachten traditionellen Rollenfiguren und deren Einfluss auf die Wahrnehmung ihrer Charaktere
- Identifizierung von Gemeinsamkeiten und Überschneidungen in den Charakteren, die die Annahme von zwei völligen Gegensätzen in Frage stellen
- Einbeziehung von literaturwissenschaftlichen Ansätzen und Forschungsergebnissen zu den Themen Tugend und Laster, sowie zur Darstellung von Frauenfiguren im bürgerlichen Trauerspiel
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der Einleitung und stellt die Forschungsfrage nach der tatsächlichen Gegensätzlichkeit von Sara und Marwood in den Mittelpunkt. Die Arbeit stellt den methodischen Ansatz vor, der auf einer Gegenüberstellung der Charaktermerkmale unter Einbezug der Inszenierung, Sprache und Rollenfigur beruht. Das zweite Kapitel analysiert die Inszenierung des Stücks und ihren Einfluss auf die Charakterisierung der Figuren. Es wird gezeigt, wie die Abfolge der Auftritte von Sara und Marwood bestimmte Erwartungen und Vorurteile beim Publikum erzeugt. Der erste Auftritt beider Frauen wird im Detail analysiert, um die initiale Präsentation ihrer Charaktere zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der bürgerlichen Trauerspiels, insbesondere mit der Darstellung von Tugend und Laster, sowie der Charakterisierung von Frauenfiguren. Weitere wichtige Schlüsselbegriffe sind: Inszenierung, Sprache, Rollenfigur, Gegensatz, Gemeinsamkeit, „Miss Sara Sampson“, G.E. Lessing.
- Quote paper
- Melanie Konrad (Author), 2005, Frauenfiguren in Lessings "Miss Sara Sampson" - Sara und Marwood - Zwei völlige Gegensätze?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43935