Oft fragt man sich als Wahlberechtigter, ob diese eine Stimme von so vielen überhaupt etwas bewirken kann. In der Mathematik wurden Formeln entwickelt, die die sogenannte Abstimmungsmacht von Wählern erfassen und damit berechnen, ob und inwiefern man eine ausstehende Entscheidung durch Abgabe seiner Stimme wesentlich beeinflussen kann.
Diese Arbeit untersucht die vergangenen und aktuellen politischen Machtverhältnisse in der Europäischen Union, die bereits Grundlage vieler Diskussionen waren. Es wird zunächst vorgestellt, welche Möglichkeiten es gibt, Abstimmungsstärke anhand von Formeln zu berechnen.
Folgende Fragen sollen nun näher beleuchtet werden:
Waren und sind die Machtverhältnisse in der Europäischen Union fair verteilt oder nicht? Haben EU-Bürger, unabhängig welchen Herkunftslandes, den gleichen Einfluss auf Entscheidungen, die im Rat der Europäischen Union getroffen werden? Können auch Gesetze verabschiedet werden, obwohl die Mehrheit dagegen ist?
Die Antworten darauf zeigen, dass selbst das aktuelle Wahlsystem noch änderungsbedürftig ist und wir werden überlegen, wie man die Wahlregeln umgestalten könnte, damit sie gerecht sind. Sie sollten dabei möglichst einfach und verständlich sein, auf mathematischen Formeln basieren und bestimmte Eigenschaften erfüllen. Eine Antwort auf das Problem könnte das Quadratwurzelgesetz von Penrose geben, das Lionel Penrose 1946 aufstellte. Es basiert auf einer Machtdefnition, die John Banzhaf 1965 aufgriff und formulierte. Das 1. Quadratwurzelgesetz von Penrose besagt, dass unter gewissen Voraussetzungen die Penrose-Zahlen (die den politischen Einfluss messen) der Repräsentanten im EU-Ministerrat proportional zur Quadratwurzel der zu vertretenden Bevölkerung sein müssen. Dann ist garantiert, dass jeder EU-Bürger den gleichen Einfluss auf Entscheidungen im EU-Ministerrat hat. Nachdem wir das Gesetz bewiesen haben, beleuchten wir nochmals die Voraussetzungen näher.
Zur Anwendungstauglichkeit des Gesetzes ist es sinnvoll ein zugehöriges Quorum sowie eine faire Stimmenverteilung berechnen. Dies, auch bekannt als Jagiellonischer Kompromiss, stellten die Mathematiker Wojciech Slomczynski und Karol Zyczkowski von der Jagiellonen-Universität Krakau 2004 auf.
Schließlich leiten wir noch eine analoge Regel zum Quadratwurzelgesetz her, die allerdings auf einer anderen Machtdefnition als der zuvor Verwendeten aufbaut, nämlich dem Shapley-Shubik-Index. Ein überraschendes Ergebnis liefert wiederum Grund zur Diskussion.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einführung
1.1 Aufbau der Arbeit
1.2 Notation
1.3 Mathematische Grundlagen
2 Die Rechtsetzung im Rat der Europäischen Union
2.1 Der Rat der Europäischen Union
2.2 Der Vertrag von Nizza
2.3 Der Vertrag von Lissabon
3 Macht gemessen und verglichen
3.1 Machtindizes
3.1.1 Der Banzhaf-Index
3.1.2 Der Shapley-Shubik-Index
3.1.3 Beispiele zu den Machtindizes
3.2 Machtverteilung in der EU-28
4 Fairness und das Quadratwurzelgesetz von Penrose
4.1 Fairness in demokratischen Systemen
4.2 Macht in zweistufigen Wahlsystemen
4.3 Das Quadratwurzelgesetz von Penrose
4.3.1 Satz und Beweis
4,3,2 Voraussetzungen
5 Der Jagiellonische Kompromiss in der Diskussion
5.1 Das entscheidende Quorum
5.2 Vor- und Nachteile
6 Faire Machtverteilung mit dem Shapley-Shubik-Index
6.1 Analogon zum Quadratwurzelgesetz
6.1.1 Konstruktion von 7r(<S) und φ(τ>)
6.1.2 Satz und Beweis
6.2 Voraussetzungen und Ausblick
7 Zusammenfassung und Vergleich
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
2.1 Die Stimmenverteilung im EU-Ministerrat naeh den Verträgen von Xizza und Lissabon in der EU-28
2.2 Stimmen- und MaehtVerteilung in der EWG-6, 1958
3.1 Vergleieh Banzhaf-Index und Shapley-Shubik-Index naeh den Verträgen von Xizza und Lissabon in der EU-28
5.1 Vergleieh Jagielloniseher Kompromiss (naeh dem Quadratwurzelge setz von Penrose) mit den Verträgen von Xizza und Lissabon in der EU-28
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung
Oft fragt man sich als Wahlberechtigter, ob diese eine Stimme von so vielen überhaupt etwas bewirken kann. In der Mathematik wurden Formeln entwickelt, die die sogenannte Abstimmungsmacht von Wählern erfassen und damit berechnen, ob und inwiefern eine ausstehende Entscheidung durch Abgabe seiner Stimme wesentlich beeinflusst werden kann.
Diese Arbeit untersucht die vergangenen und aktuellen politischen Machtverhältnisse in der Europäischen Union, die bereits Grundlage vieler Diskussionen waren. Es wird zunächst vorgestellt, welche Möglichkeiten es gibt, Abstimmungsstärke anhand von Formeln zu berechnen. Wir betrachten auch die Wahlregeln in der Geschichte der Europäischen Union, die immer wieder geändert wurden. Zum einen waren diese Änderungen sicherlich notwendig, wenn neue Mitgliedstaaten beitraten oder sich Bevölkerungszahlen änderten. Zum anderen gab es aber auch immer wieder Diskussionen und Unzufriedenheit, weil sich manche Staaten durch die Abstimmungskonditionen benachteiligt fühlten, Folgende Fragen sollen nun näher beleuchtet werden: Waren und sind die Machtverhältnisse in der Europäischen Union fair verteilt oder nicht? Haben EU-Biirger, unabhängig welchen Herkunftslandes, den gleichen Einfluss auf Entscheidungen, die im Rat der Europäischen Union getroffen werden? Können auch Gesetze verabschiedet werden, obwohl die Mehrheit dagegen ist? Nachdem wir diese Fragen beantwortet haben, stellen wir fest, dass selbst das aktuelle Wahlsystem noch änderungsbedürftig ist und wir wollen überlegen, wie man die Wahlregeln umgestalten könnte, damit sie gerecht sind. Sie sollten dabei möglichst einfach und verständlich sein und auf mathematischen Formeln basieren. Wichtig
dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Bevölkerungsgrößen haben und dementsprechend eine unterschiedliche Abstimmungsmacht nötig ist, um Fairness zu garantieren. Das Wahlsystem sollte allerdings so transparent sein, dass diese Unterschiede offen erkennbar sind. Auch ist zu berücksichtigen, wie man Vorgehen würde, wenn etwa neue Staaten in die EU aufgenommen werden, Staaten austreten oder wenn sieh Bevölkerungszahlen ändern, wie es beispielsweise bei der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 der Fall war.
Eine Antwort auf das Problem könnte das Quadratwurzelgesetz von Penrose geben, das Lionel Penrose 1946 aufstellte. Es basiert auf einer Machtdefinition, die John Banzhaf 1965 aufgriff und formulierte, ״Das 1, Quadratwurzelgesetz von Penrose” besagt, dass unter gewissen Voraussetzungen die Penrose-Zahlen (die den politischen Einfluss messen) der Repräsentanten im EU-Ministerrat proportional zur QuadratWurzel der zu vertretenden Bevölkerung sein müssen. Dann ist garantiert, dass jeder EU-Biirger den gleichen Einfluss auf Entscheidungen im EU-Ministerrat hat, Nachdem wir das Gesetz bewiesen haben, beleuchten wir nochmals die Voraussetzungen näher.
Zur Anwendungstauglichkeit des Gesetzes ist es sinnvoll ein zugehöriges Quorum sowie eine faire Stimmenverteilung berechnen. Dies, auch bekannt als ״Jagielloniseher Kompromiss”, stellten die Mathematiker Wojciech Słomczyński und Karol Zyezkow- ski von der Jagiellonen-Universität Krakau 2004 auf, Nachdem wir alle Vor- und Nachteile gegenübergestellt haben, stellen wir fest, eine zufriedenstellende Lösung gefunden zu haben.
Schließlich leiten wir noch eine analoge Regel zum Quadratwurzelgesetz her, die allerdings auf einer anderen Machtdefinition als der zuvor Verwendeten aufbaut. Ein überraschendes Ergebnis liefert wiederum Grund zur Diskussion,
1.1 Aufbau der Arbeit
Nach einer kurzen Einführung und Motivation in Kapitel eins folgt die Erläuterung des Aufbaus der Arbeit, Danach werden die verwendeten Notationen vorgestellt sowie mathematische Grundlagen aus der Analysis, insbesondere der Mengenlehre eingeführt, auf die im Hauptteil, wenn benötigt, verwiesen wird.
In Kapitel zwei geht es um den Rat der Europäischen Union und dessen Arbeitsweise. Es werden die relevanten Begriffliehkeiten definiert, etwa was unter einem Wahlsystem zu verstehen ist. Weiter wird beschrieben, wie die Minister des Rates abstimmen und wie Entscheidungen getroffen werden. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Verträge von Nizza und Lissabon gerichtet, die die Abstimmungsregeln im Rat festlegen. An einem Beispiel wird erläutert, welchen Einfluss diese Regeln und insbesondere das sogenannte Quorum auf die Entscheidungsmacht eines Staates haben,
Kapitel drei behandelt die wichtigsten mathematischen Definitionen von Macht, Dazu werden die Penrose-Zahl, der Banzhaf-Index und der Shapley-Shubik-Index eingeführt, die wichtigsten Eigenschaften der Machtindizes aufgestellt und bewiesen sowie an Beispielen erläutert. Schließlich betrachten wir die aktuelle Situation der EU-28 und deren Machtverteilung.
Im vierten Kapitel wird vorgestellt, was unter Fairness in demokratischen Wahlsystemen zu verstehen ist. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass weder vergangene noch aktuelle Abstimmungsverfahren im Rat der Europäischen Union fair sind. Anschließend, im Kern dieser Arbeit, wird ein Vorschlag unterbreitet wie man die Wahlregeln ändern könnte, sodass sie gerecht sind.
Dazu betrachten wir ein zweistufiges binäres Wahlsystem und führen alle wesent- liehen Definitionen und Sätze ein, um schließlich ״Das 1, Quadratwurzelgesetz von Penrose” beweisen zu können. Dazu ist es notwendig, zunäehst ein Theorem von Werner Kirseh von 2013 zu beweisen, Ansehließend stellen wir noehmals alle Voraussetzungen des Theorems zusammen.
In Kapitel fünf geht es um den ״Jagiellonisehen Kompromiss”, der beruhend auf dem Quadratwurzelgesetz sehließlieh die exakte Stimmenverteilung und ein Quorum angibt, damit das zweistufige Wahlsystem fair ist. Dies ist das zentrale Ergebnis dieser Arbeit, Inhalt des Kapitels ist aueh eine Diskussion über Vor- und Xachteile der Anwendung des Jagiellonisehen Kompromisses,
Im sechsten Kapitel leiten wir ein analoges Gesetz zum Quadratwurzelgesetz her. Dabei wird die Machtdefinition nach Shapley-Shubik anstatt nach Penrose/Banzhaf verwendet, Zunäehst werden einige Grundlagen eingeführt, Xaeh dem Beweis des analogen Satzes werden die Voraussetzungen des Gesetzes denen des Quadratwurzelgesetzes gegenübergestellt und weitere Überlegungen zu Stimmenverteilung und Quorum geäußert.
Im siebten und letzten Kapitel werden die wichtigsten Punkte der Arbeit noehmals zusammengefasst und sehließlieh beide Gesetze zur idealen Verteilung der Abstim- mungsmaeht miteinander verglichen.
1.2 Notation
Zunächst wollen wir einen Teil der verwendeten Xotation vorstellen:
(i) Die Potenzmenge einer Menge Λ ist die Menge aller Teilmengen von Λ und wird bezeichnet mit Ф(Л).
(ii) N meint die Menge {1, 2, 3...} und Nu meint die Menge {0,1, 2,
(iii) Es bezeichne Eh := {1,2, 3, ...,к} für к e N.
(iv) Die Mächtigkeit einer Menge A wird bezeichnet mit |Д|,
(v) Mit Ac sei das Komplement einer Menge A gemeint.
1.3 Mathematische Grundlagen
In diesem Abschnitt wollen wir einige grundlegende Sätze ans der Analysis, insbesondere der Mengenlehre :zusammenstellen, die im späteren Verlauf benötigt werden.
Satz 1.3.1. Es sei A eine endliche. Menge. Dann gilt für die Mächtigkeit der Po- te.nzmenge:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beweis. A hat |Д| Elemente, Für jede beliebige Teilmenge X c A liegt jedes der |Д| Elemente in X oder nicht in X. Somit haben wir für die Bildung einer Teilmenge für jedes Element zwei Wahlmöglichkeiten,
Satz 1.3.2. Es sei 7Г eine endliche Permutation ohne Wiederholung mit n Objekten. Dann gibt es n\ mögliche Anordnungen dieser Objekte.
Beweis. Für das erste Objekt gibt es n Platzierungsmögliehkeiten, für das zweite n — 1, für das к-tv. n — к + 1 denkbare Platzierungen,
Insgesamt gibt es somit n (n — 1) · ... · 2 · 1 = ׳/?.! mögliche Anordnungen,
Satz 1.3.3. Es seien A und в zwei disjunkte Mengen und А с Ф(А) sowie B c Ф(-В). Dann gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beweis. Es sei X = Xi и X2, wobei Xl G A und X-2 G в. Da А, в disjunkt sind, sind es auch X1,X2. Es gibt folglich \A\ Möglichkeiten für die Wahl von Xi und \B\ davon unabhängige Möglichkeiten für die Wahl von A"2, d, h, \A\ \B\ Möglichkeiten für die Wahl von Ab Daraus folgt
\{X cAöB\XnAeA,XnBeB}\ = \A\ \B\.
□
Satz 1.3.4 (Stirlingsehe Formel). Es gilt:
׳/?.! ~ nn e~n л/27г · y/ñ.. (1.3)
Zum Beweis wird verwiesen auf: Forster, Analysis 1, s. 226 ff. |8| oder Eichelsbacher, Einführung in die Stochastik, s. 181 ff. |5|,
2 Die Rechtsetzung im Rat der Europäischen Union
2.1 Der Rat der Europäischen Union
Der Rat der Europäischen Union oder kurz EU-Ministerrat oder Rat übt zusammen mit dem Europäischen Parlament die Rechtsetzung des Staatenverbundes Europai- sehe Union aus (siehe auch |4| und |18|). Er besteht aus 28 Repräsentanten, die jeweils von einem der 28 Mitgliedstaaten gestellt werden und die Befugnis haben, auf EU-Ebene Entscheidungen zu treffen. Der EU-Ministerrat wird auch als Staatenkammer bezeichnet. Sein Vorsitz wechselt alle sechs Monate durch eine festgelegte Rotation der Mitglieder, Aufgabe des Rates ist es unter anderem Gesetze zu verabschieden und Entscheidungen in bestimmten Bereichen zu treffen. Im Vertrag über die Europäische Union und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europai- sehen Union wird die Funktionsweise des Rates geregelt. Das am häufigsten und in den meisten politischen Bereichen angewendete Gesetzgebungsverfahren ist das ordentliche Gesetzgebungsverfahren; hier entscheidet das Gremium mit einer qualifizierten Mehrheit, Bei einfachen Verfahrensfragen beschließt es meist mit einfacher Mehrheit, bei heiklen Themen wie Steuer-, Außen- oder Sicherheitspolitik oft auch einstimmig.
Wir wollen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren im Nachstehenden mathematisch beschreiben, dabei beschränken wir uns jedoch ausschließlich auf ein binäres Wahlsystem (siehe auch 1131 ).
Definition 2.1 (Wähler und Wahl). Es sei w = {พ1,พ2, ...} die endliche Menge der Wähler bzw. der Wahlberechtigten. Vereinfacht ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Wahlberechtigten den tatsächlichen Wählern entspricht.
In einem binären Wahlsystem hat jeder Wähler zwei Wahlmöglichkeiten, er kann etwa mit ״ja” oder ״nein” stimmen. Das Wahlergebnis E lässt sich als Vektor, der Einsen für ״dafür” und Nullen für ״dagegen” enthält, darstellen: E G {0,1Ivvl. Jeder Wähler kann eine oder mehrere Stimmen haben. Haben die Wähler unterschiedlich viele Stimmen, auch Stimmgewichte genannt, spricht man von einer gewichteten Wahl.
Definition 2.2 (Koalition). Für eine Koalition JC im binären Wahlsystem gilt ÌC c w. Eine zustimmende Koalition к enthält genau diejenigen Wähler, die mit ״ja” gestimmt haben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine zustimmende Koalition к heißt gewinnend, wenn die Summe der Stimmen der Mitglieder von к ausreicht, um die vorgegeben Kriterien ein Gesetz zu verabschieden, zu erfüllen.
Eine gängige Bedingung für eine gewinnende Koalition ist: \1C\ > q |W|, wobei q G (0; 1) das normierte Zustimmungsquorum bezeichnet.
Es liegt für q = 2 °ine einfache Mehrheit vor, für q —> 1 eine einstimmige Mehrheit; andernfalls spricht man von einer qualifizierten Mehrheit. Man kann das Quorum auch absolut, also nicht normiert angeben, dann ist g G N und meint die Anzahl der Stimmen, die erreicht (oder überschritten, je nach Kontext) werden müssen, um ein Gesetz durehzubringen,
Definition 2.3 (binäres Wahlsystem). Es sei w die Menge der Wahlberechtigten, die zwei Möglichkeiten haben ihre Stimme abzugeben und r c φ(νν) das Mengen- system der gewinnenden Koalitionen. Dann heißt das Tirpei (w, Γ) binäres Wahlsystem oder kurz Wahlsystem.
Definition 2.4 (binäres Wahlsystem im EU-Ministerrat). Es sei M die Anzahl der Mitgliedstaaten in der EU, k E Nm und V = {Dl, Д2,Dm} die Menge der Delegierten, die den Rat der Europäischen Union bilden, wobei jeweils der Delegierte Dk den EU-Mitgliedstaat Sk vertritt.
Dann heißt das Tupel (V,C) binäres Wahlsystem im EU-Ministerrat oder kurz Wahlsystem im Rat. Dabei bezeichne, c c23) das Mengensystem der gewinnenden Koalitionen im Rat.
Definition 2.5 (binäres Wahlsystem in einem Mitgliedstaat der EU). Für jedes k E Nm bezeichne Sk die Menge der Wahlberechtigten im Staat Sk- Es seien Nk := |<Sfc| jeweils die Einwohnerzahlen der M Mitgliedstaaten der EU und N := ΣΪ=1 Nk die Gesamteinwohnerzahl der EU. Vereinfacht ist anzunehmen, dass die Einwohnerzahl den Wahlberechtigten bzw. den Wählern entspricht.
Dann heißt jedes Tupel (Sk, Sk) binäres Wahlsystem in einem Mitgliedstaat der EU oder kurz Wahlsystem im Staat. Dabei bezeichne, jedes Sk c ?ß(Sk) das Mengensystem der gewinnenden Koalitionen bei einer Abstimmung innerhalb Sk Es gilt zu beachten, dass Sk ein Kürzel für einen Staat ist, während Sk für die Mengen der Wähler innerhalb dieses Staates steht.
Der folgende Satz gibt an, wie viele gewinnende Koalitionen bei einem Referendum mit einfacher Mehrheit auftreten können.
Satz 2.1.1. Es sei (Sk, Sk) für k E Nm An Wahlsystem mit einem Quorum von q = 2 Dann gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beweis. Es sei A c Sk eine beliebige Menge. Dann ist entweder A E £k oder Ac E Sk- Falls Nk ungerade ist, liegen genau die Hälfte der Teilmengen von Sk in Sk Wegen (1.1) folgt \£k\ = \ · |qp(«Sfr)| = \ · 2เ^เ =
Falls Nk gerade ist, liegen allerdings diejenigen Koalitionen, in denen genau die Hälfte der Wähler zustimmt, gerade noch nicht in sk. Dies sind (n1[
Die restlichen Koalitionen sind zur Hälfte gewinnend. Analog folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da in diesem Zusammenhang die Nk als Bevölkerungszahlen sehr groß sind, ist für uns von Bedeutung:
Proposition 2.1.2. Für für beliebige Nk gilt approximativ:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Sei Nk gerade. Xaeh dem binomischen Lehrsatz gilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.2 Der Vertrag von Nizza
Eine qualifizierte Mehrheit wird im Vertrag von Xizza vom 11. Dezember 2000 geregelt. Bei einer Wahl kann jedes Mitglied eine Stimme abgeben, die mit einem bestimmten Faktor gk gewichtet wird, der von der Bevölkerungsgröße des Staates abhängt (siehe auch |9|, |14| und |18|); к ist ein Element der Menge der MitgliedStaaten. Die Kürzel für die Mitgliedstaaten finden sieh im Abkürzungsverzeichnis. So hat z. B. Malta als kleinstes Mitglied das Stimmgewicht g MT = 3, dies entspricht einem Stimmenanteil von 0,85%. Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Kö- nigreieh und Italien als die vier größten Mitglieder haben ein Stimmgewicht von g OE = 9fr = 9uk = 9 IT = 29, folglich einen Stimmenanteil von 8,22%. Diese Stimmgewichte - im Nachfolgenden auch Stimmen genannt - richten sieh nach den Einwohnerzahlen, wobei es jedoch keinen konkreten Schlüssel gibt. Auf die Gewichte hat man sieh in längeren Verhandlungen geeinigt und diese recht willkürlich festgelegt. Beispielsweise hat Deutschland genauso viele Stimmen wie die anderen drei großen Staaten, aber wesentlich mehr Einwohner. Ebenso haben Spanien und Polen, obwohl sie ungefähr halb so viele Einwohner wie Deutschland haben, mit je einem Stimmgewicht von 9ES = 9pl = 27 nur zwei Stimmen weniger. Aber nicht die
Stimmgewichte allein sind ausschlaggebende Parameter einer Wahl, Um ein Gesetz zu verabschieden, müssen laut dem Vertrag von Xizza drei Kriterien erfüllt sein:
(1) Es muss eine einfache Mehrheit (q := |) der Mitgliedstaaten vorliegen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
somit müssen mindestens 15 von 28 Staaten mit ״ja” stimmen und
(2) die Vertreter der Mitgliedstaaten, die zustimmen, müssen mindestens 62% der EU-Bevölkerung repräsentieren, d, h, es muss gelten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(3) es muss eine Mehrheit von 260 der 352 gewichteten Stimmen erreicht werden,
was 73,9% entspricht, das bedeuted:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das 2, Kriterium wird allerdings nur auf Antrag eines Mitgliedes überprüft.
Die Bevölkerungszahlen wurden beim Zensus 2011 ermittelt und werden nun alle zehn Jahre aktualisiert. In der nachfolgenden Tabelle 2,1 kann man die aktuellen Einwohnerzahlen und Stimmgewichte entnehmen und die jeweiligen Anteile der einzelnen Mitgliedstaaten miteinander vergleichen.
2.3 Der Vertrag von Lissabon
Da die Gewichte im Vertrag von Xizza ohne einer nachvollziehbaren Regel zu folgen festgelegt wurden und sieh insbesondere die großen Staaten benachteiligt fühlten, wurde immer wieder über Änderungen des Wahlsystems diskutiert (siehe auch 11 oI. 1141 und 1181), Im Vertrag von Lissabon vom 13, Dezember 2007 - vorher bereits vorgeschlagen im Verfassungsentwurf des europäischen Konvents - ist ein neues Prinzip einer ״doppelten Mehrheit;’ geregelt. Dieses wird ab 2017 gültig sein und bereits ab 2014 angewendet werden, sofern kein Mitglied dagegen ist. Um ein Gesetz zu verabschieden, müssen dann nur noch zwei Kriterien erfüllt sein:
Tabelle 2.1: Die Stimmenverteilung im EU-Ministerrat nach den Verträgen von Xiz- za und Lissabon in der EU-28
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: [61 und [181.
[...]
- Quote paper
- Vanessa Buhrmester (Author), 2014, Das Quadratwurzelgesetz von Penrose, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439140
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