Diese Arbeit stellt eine Beispielsanalyse von Autorenbildern in mittelalterlicher Literatur dar. Das Ziel dieser Arbeit soll eine exemplarische Analyse zweier Miniaturen sein, diese die Miniaturen hinsichtlich ihrer Konzeption und kommunikativen Funktion im Kontext der gesamten Handschrift untersucht. Ferner soll mittels besagter Analyse festgestellt werden ob die Miniaturen in ihrer Anordnung einem Konzept folgen und ob sie eine kommunikative Funktion besitzen oder ausschließlich ein farbenprächtiges Beiwerk zu den Textkorpora sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Quellenkritische Vorstellung des Codex Manesse (C)
2.1 Aufbau, Typus, Struktur und Umfang des Codex Manesse
2.2 Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Handschrift C
2.3 Vorstellung der Maler
3. Theorie zum Erscheinungsbild, Funktion und Bildformel der Manessischen Miniaturen nach Lothar Voetz in Adaption von Ewald Jammers
4. Analyse der Miniaturen
4.1 Miniatur des Kaiser Heinrich
4.2 Miniatur des Herr Walther von der Vogelweide
4.3 Vergleichende Gegenüberstellung der analysierten Miniaturen
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
7. Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Unter der Signatur Cod. Pal. germ. 848 1 bewahrt die Heidelberger Universitätsbibliothek die weltweit bekannteste Handschrift des europäischen Mittelalters auf. Jene Handschrift besitzt aufgrund ihrer über 700 jährigen Überlieferungsgeschichte und wechselnden Besitzverhältnisse eine Vielzahl von Titulierungen. Die wohl bekanntesten Namen sind unteranderem der Art und Aufbewahrungsort beschreibende Name Große Heidelberger Liederhandschrift sowie die, in der jüngeren Forschung, verwendete Bezeichnung der Liederhandschrift als „Codex Manesse“. Den letzteren Namen verdankt die Liederhandschrift Johann Jakob Bodmer und seinen Forschungen und Erkenntnissen des Jahres 1748 zur Handschrift.2 Außerdem wird die Anthologie prägnant mit C. tituliert. Der Codex Manesse ist zwar die berühmteste, „umfassendste und wertvollste Lyrikhandschrift, die uns heute erhalten ist“3, jedoch ist der Codex Manesse nicht die einzige überlieferte mittelhochdeutsche Lyrikanthologie von Lied- und Spruchdichtungen des Minnesangs weltlicher Liedkunst. Zwei weitere Beispiele für solche Handschriften sind die Kleine Heidelberger Liederhandschrift (Handschrift A) und die Weingartner Liederhandschrift (Handschrift B), diese aufgrund ihrer Ähnlichkeiten im Textkorpora und Entstehungszeitraum hinsichtlich vermuteter gemeinsamer Quellen und Vorstufen oftmals mit dem Codex Manesse in Verbindung gebracht werden. Die Vermutung gemeinsamer Vorstufen wird ferner dadurch bestätigt, indem beispielsweise die beiden bebilderten Handschriften B und C rund 16 Miniaturen aufweisen, diese in der Konzeption des Inhalts und des Dargestellten sowie oftmals in Form verwendeter Symbole, Motive oder Bildelemente übereinstimmen oder gar identisch sind. Wohingegen die ältere kleinformartige Handschrift B nur 25 Miniaturen besitzt, weist der großformatige Codex Manesse 137 ganzseitige farbenprächtige Miniaturen auf4, diese die Handschrift nicht nur „zu einem einzigartigen Dokument gotischer Buchmalerei“5 sondern in Kombination mit den in gotischer Buchschrift abgefassten weltlichen Texten „zu einer der schönsten und kostbarsten Handschriften des europäischen Mittelalters“6 und zu einem einzigartigen historischen „Zeugnis der mittelalterlichen deutschen Laienkultur“7 machen.
Trotz der bereits seit über 400 Jahre andauernden wissenschaftlichen Entschlüsselung des Codex Manesse konnten in vielen Forschungsbereichen noch keine Erkenntnisse und Antworten auf Forschungsfragen gefunden werden. Das Forschungsfeld ist ferner von Vermutungen und vagen Hypothesen konstruiert, was zur Folge hat, dass nahezu kein Konsens innerhalb der Forschung vorherrscht. Das Interesse an der weiteren Erforschung des Codex Manesse ist trotz der vielen ungeklärten Aspekte niemals erloschen. Ferner konnte die jüngere Forschung viele Fortschritte erzielen, diese jedoch zusätzlich viele neue Fragen dem Forschungsdiskurs hinzufügten. Als Indikator für das rege Interesse am Codex Manesse können unter anderem die zahlreichen Faksimilierungen der Handschrift zwischen den 1970er und 1980er Jahren als auch die Digitalisierungen der 2010er Jahre sowie die Ausstellungen und Dokumentationen zur Handschrift in Heidelberg (1988, 2010 - 2011) und in Zürich (1991) anlässlich Jahresfeiern oder Jubiläen gesehen werden. Die Arbeiten an und mit dem Codex Manesse konnten in Kombination mit jüngeren Funden von Fragmenten, wie der Budapester Liederhandschrift, zu neuen Erkenntnissen in der Forschung und wissenschaftlichen Entschlüsselung führen.8
Zwar wurde vermutlich die Erstellung der Handschrift mit der primären Intention seiner Initiatoren zur Sammlung und Sicherung der weltlichen Dichtertexte in einem Band veranlasst, dennoch sind die überlieferten Dichtungen nur zu geringerem Anteil an dem außerfachlichen Interesse und der Popularität des Codex Manesse beteiligt. Paradox erscheint es demnach, dass gerade die farbenprächtigen Miniaturen bzw. Autorenbilder, die den Textkorpora der jeweiligen Dichter vorangestellt sind, das Interesse an einer Lyrikanthologie aufrechterhalten. Aufgrund jenes auch außerfachlichen Interesses an den Manessischen Miniaturen, soll das Ziel dieser Arbeit eine exemplarische Analyse zweier Miniaturen sein, diese die Miniaturen hinsichtlich ihrer Konzeption und kommunikativen Funktion im Kontext der gesamten Handschrift untersucht. Ferner soll mittels besagter Analyse festgestellt werden ob die Miniaturen in ihrer Anordnung einem Konzept folgen und ob sie eine kommunikative Funktion besitzen oder ausschließlich ein farbenprächtiges Beiwerk zu den Textkorpora sind.
Nach der Einleitung wird im zweiten Kapitel die Handschrift hinsichtlich ihres Umfangs, Typus sowie bezüglich ihrer Überlieferungsgeschichte quellenkritisch präsentiert. Des Weiteren werden die Maler differenziert vorgestellt. Daraufhin folgt im dritten Kapitel eine Vorstellung der Bildformel - Theorie gemäß Ewald Jammers, diese jedoch von Lothar Voetz überholt und mit neuen Forschungserkenntnissen ausgestattet wurde. Des Weiteren sollen die Theorien zur Rolle und Funktion der Bilder im vierten Kapitel auf ihre Praktikabilität hin überprüft wird. Im vierten Kapitel werden die exemplarischen Miniaturen zu Kaiser Heinrich VI. und Herr Walther von der Vogelweide hinsichtlich ihrer Erscheinung und kommunikativen Funktion im strukturellen Kontext des Codex Manesse analysiert. Des Weiteren dient jene Analyse der praktischen Anwendung und Überprüfung Lothar Voetz Theorie. Im fünften Kapitel folgt ein konkludierendes Gesamtfazit dieser Hausarbeit.
2. Quellenkritische Vorstellung des Codex Manesse (C)
2.1 Aufbau, Typus, Struktur und Umfang des Codex Manesse
Der Codex Manesse gilt in der Forschung als „der wichtigste Textzeuge in der Überlieferung der deutschsprachigen Lyrik des 12. - 14. Jahrhunderts“9 und ist gleichzeitig die umfangreichste und weltweit bekannteste weltliche deutsche Lyriksammlung des Mittelalters10. Ferner ist der Codex Manesse nicht nur eine mittelalterliche Lyrikhandschrift, sondern der „bedeutendste Vertreter eines besonderen Handschriftentyps, nämlich des Typs einer bebilderten Lyrikanthologie, der für eine mittelalterliche deutschsprachige Lyriksammlung außergewöhnlich ist.“11 Die Manessische Liederhandschrift steht als Typus der deutschsprachigen Lyrikanthologien des Mittelalters jedoch nicht alleine da, denn der Codex ist neben der Handschrift A (Kleine Heidelberger Liederhandschrift)12 und der Handschrift B (Weingartner Liederhandschrift)13 eine der „drei Haupthandschriften des deutschen (10.03.2018).
Minnesangs“14, jedoch „für den ‘nachklassischen’ Minnesang die hauptsächliche und in vielen Fällen einzige Quelle.“15
Der Umfang des Codex Manesse umfasst heute 426 Pergamentblätter im Großfolioformat von 35,5 x 25 cm16, diese in 38 Lagen zusammengefasst sowie gebunden sind.17 Schon das Großformat des Erscheinungsbilds untermauert die Außergewöhnlichkeit der auf Repräsentation hin angelegten Lyrikanthologie. Des Weiteren beinhaltet der Codex Manesse zwei zum Schutz der Pergamentblätter später hinzugefügte Papierblätter und umfasst demnach nach heutigem Stand insgesamt 428 Blätter. Die heutige Zählung der Blätter von eins bzw. drei - 428 ist neuzeitlich, jedoch sind die Nummerierungen den jeweiligen Pergamentblättern jeweils auf der Vorderseite, der Recto, oben rechts in der Blattecke des Codex Manesse in schwarzer Tinte18 zu entnehmen.19 Ähnlich wie die Vorsatzseiten aus Papier ist der jetzige Einband des Codex Manesse später hinzugefügt wurden und gehört in dieser Form nicht zum ursprünglichen Entstehungszustand der Handschrift. Jener Einband stammt aus dem 20. Jahrhundert20, da der ursprüngliche Einband nicht mehr vorhanden ist.21
Der „Codex Manesse ist von seinem Textcorpora eine [...] auf Vollständigkeit hin angelegte Sammlung der nicht kirchlich - geistlichen gebundenen mittelhochdeutschen Lieddichtung von ihren Anfängen um die Mitte des 12 Jahrhunderts bis [...] etwa des ersten Drittels des 14. Jahrhunderts“22. Der Textkorpus der Manessischen Liederhandschrift umfasst nur noch 5240 Strophen und 36 Leichs von ursprünglich 5400 überlieferten Strophen23 und enthält heute 140 Textsammlungen. Der Inhalt ist auf dem Schriftspiegel der Maße 26 x 17,5 cm24 abgefasst und wirkt auf dem ersten Blick einheitlich. Zwar erscheinen die gesamten Textkorpora in gotischer Buchschrift Littera textualis, die vielmehr gemalt als geschrieben sind, dennoch sind im Verlauf der Verschriftlichungsprozesse rund elf Schreiber für die Werke und sechs Illuminatoren für den Initialschmuck tätig gewesen, diese sich trotz ihrer Anstrengung minimal in ihrer Sorgfältigkeit der Arbeit und Anteilnahme am Codex Manesse unterscheiden.25 Die 140 Dichtersammlungen der Minnesänger werden im Regelfall durch ein jeweiliges farbenprächtiges ganzseitiges Autorenbild, die Miniaturen, eingeleitet. Die dem jeweiligen Textkorpus eines Dichters vorangestellten idealisierten Miniaturen sind den Dichtern mittels Namennennung zugeschrieben und stellen diese in höfischen Aktivitäten dar. Drei vermutlich später hinzugefügten Dichtersammlungen fehlt jedoch das notwenige Autorenbild. Der Codex enthält daher 140 Textsammlungen und 137 Miniaturen. Zu den 137 Miniaturen kommt des Weiteren noch eine unvollständige Vorzeichnung hinzu, diese weder einem Dichternamen noch einer Dichtersammlung zugeordnet ist und von späterer Hand zu einer Federzeichnung nachgezeichnet wurde. Ferner beinhaltet der Codex Manesse zusätzlich ein Pergamentblatt dem zwar ein Dichtername aber kein Autorenbild und Text zugewiesen wurde.26 Die nicht zugewiesenen Fragmente der Handschrift, bestätigen die Vermutung dass der Codex Manesse niemals final abgeschlossen bzw. vervollständigt wurden ist.
Der Umfang der Textkorpora der Dichter ist hochgradig unterschiedlich, jedoch überschreiten die meisten Textsammlungen nicht den Umfang von 30 Strophen. Der umfangreichste Textkorpus stammt von Walther von der Vogelweide und umfasst 447 Strophen, wovon sieben Strophen sich wiederholen, in welchem unter anderem ein Leich27 enthalten ist.28
Die Abfolge der Textsammlungen und Miniaturen ist nicht nach chronologischen Grundsätzen wie z.B. temporalen Schaffensperioden oder Entstehungszeiten der Minnesänger angelegt. Die Abfolge suggeriert durch ihre Anordnung einem hierarchisch - ständischen Prinzip der feudalen Gesellschaftsordnung zu folgen, in welchen weniger der literarische Rang und Wert der Werke und Laienlieder, als die soziale ständische Bedeutung des Dichters in der mittelalterlichen Gesellschaft ausschlaggeben ist. So eröffnen die Miniatur und der Textkorpus Kaiser Heinrich VI. die Manessische Liederhandschrift des Minnesangs. Die darauf folgenden Werke orientieren sich abfallend nach dem ritterlich - adeligen Stand und ständischen Rangordnungssystem der Dichter nach Königen, Herzögen, Markgrafen, Grafen, Freiherren, Ministerialen und Bürgerlichen.29 Jene Abfolge wird gemäß Lothar Voetz in der jüngeren Forschung mit dem Schlagwort „Vom Kaiser bis zum Bettelmann“30 deklariert, wobei die historische Existenz letzterer herumfahrender Berufsdichter nur schwer nachgewiesen werden kann.31 Die Relevanz um die Einhaltung der hierarchisch - ständischen Ordnung für die Initiatoren in der Handschrift, ist vor allem daran zu erkennen, dass in den Anfängen des Codex Manesse die Reihenfolge der Textkorpora sowie die Miniaturen der Dichter mannigfaltig oft verändert wurden. Die Vielfalt der aufwendigen Reihenfolgeabänderungen32 ist vor allem zu Beginn der Handschrift zu erkennen, indem die Arbeiten, diese zu unterschiedlichen Zeiten entstanden, der insgesamt am Codex Manesse beteiligten elf Schreiber, sechs Illuminatoren sowie die vier Maler und deren Werkstattgehilfen33, in unterschiedlicher Abfolge innerhalb der Liederhandschrift erscheinen. Jedoch ist zu betrachten, dass jenes Prinzip im hinteren Teil der Handschrift, aufgrund von Texten die in späteren Phasen hinzukamen, inkonsequent fortgesetzt wurde.34
2.2 Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der Handschrift C
Die mittelalterliche Stadt Zürich und dessen Umgebung gelten in der älteren und neueren Forschung als Entstehungsort der Handschrift. Der Erstellung der Lyrikanthologie sind reichhaltige Sammeltätigkeiten vorauszusetzen, jedoch können diese Jahre nicht zum Entstehungskontext der Verschriftlichung des Codex Manesse hinzugefügt werden. Den Vorlagen des Codex Mansse gehen ebenfalls längere Prozesse der Verschriftlichung und Sammeltätigkeiten voraus. Es ist anzunehmen dass die Erstellung des Codex Manesse frühestens um 1300 anfängt und in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts zwischen den 1330er und 1340er Jahren zum Erliegen kommt. Das genaue Ende kann jedoch nicht genau datiert werden, da der Codex Manesse weder durch eine Endredaktion abgeschlossen wurde noch die Gründe des Endes bekannt sind. Der Entstehungskontext der Verschriftlichung umfasst demnach rund 40 Jahre.35
Rüdiger (Tod: 1304) und Johannes (Tod: 1297) Manesse, Angehörige einer stadtritterlichen Line, werden in der Forschung als Initiatoren des Codex Manesse angesehen, jedoch fehlen weitere Informationen und Forschungserkenntnisse zu späteren Auftraggebern der Handschrift, diese nach beider Ableben nachweislich in späteren Arbeitsphasen fortgesetzt wurde. Teil der nachweisbaren späteren Arbeitsphasen ist die Vielzahl von Schreibern, Illuminatoren, Malern und deren Gesellen, zu denen weder biografische Angaben noch namentliche Nennungen bekannt sind. Die Forschung steht demzufolge bezüglich vieler Forschungsbereiche in großer Unkenntnis.36 Lediglich Vermutungen können aufgrund fehlender Quellen als plausible Klärungsansätze fungieren. Einerseits wäre anzunehmen dass das Interesse an der Fortsetzungsarbeit der Lyrikanthologie aus beispielsweise politischen oder persönlichen Gründen versiegte. Andererseits erscheint es plausibel dass schlichtweg die finanziellen Mittel der späteren Auftraggeber zur Förderung der Fortsetzungsarbeiten der kostspieligen Handschrift ausfielen bzw. nicht mehr ausreichten oder dass eine Vervollständigung der Handschrift zu zeitaufwendig war. Im Zweifelsfall können auch beide Vermutungen in kausaler und konditionaler Verknüpfung als Klärungsansatz Verwendung finden.
Der Verbleib der Handschrift ist für den Zeitraum der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zirka 1600 nahezu unbekannt. Die Besitzverhältnisse sind erst ab 1657 lückenlos nachvollziehbar, obwohl geringe bekannte Informationen um 1600 über Verkäufe und Vermächtnisse jene lückenlosen Besitzverhältnisse ab 1657 bedingen. Auf den neuzeitlichen Besitzverhältnissen beruhen auch die anderen Titulierungen die dem Codex Manesse zukommen. Die heute nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung Pariser Liederhandschrift ist darauf zurückzuführen, dass die Handschrift bis 1888 im Besitz der Königlichen Bibliothek in Paris war, ehe sie nach Heidelberg kam. 1888 gelangte der Codex Manesse, initiiert durch den Straßburger Buchhändler Karl Ignaz Trübner, mit Unterstützung des Deutschen Kaiserreichs nach einem Tausch- und Kaufgeschäft zwischen dem Kaiserreich und der Pariser Bibliothèque für rund 150.000 Francs und 166 karolingische Handschriften zurück nach Deutschland und später nach Heidelberg. Mit dem Verbleib und der Aufbewahrung der Handschrift in der Heidelberger Universitätsbibliothek begann die Titulierung Große Heidelberger Liederhandschrift gebräuchlich zu werden. 37
Der Zusatz Groß für die Handschrift ist dahingehend in Abgrenzung zur der ebenfalls in der Universitätsbibliothek Heidelberg verwahrten kleinformartigeren, älteren und weniger umfangreicheren, unbebilderten Handschrift Kleine Heidelberger Liederhandschrift zu erklären.38
Die in der Forschung gängige Bezeichnung der Handschrift als Manessische Handschrift oder Codex Manesse ist auf die Untersuchungen und Erkenntnisse des Schweizer Professors Johann Jakob Bodmer (1698 -1783) mit seinen „Proben der alten schwäbischen Poesie des Dreyzehnten Jahrhunderts“39 im Jahre 1748 zurückzuführen. Bodmer führte zwar bereits 1748 die Bezeichnung der Handschrift als Manessische Handschrift ein, jedoch wurde sowohl die Bezeichnung als auch seine Theorie, dass die Handschrift in Zürich entstanden sei, in der Forschung des 19. und 20. Jahrhundert vehement kritisiert. Bodmers Theorie zum Zürcher Entstehungsort und dass der Zürcher Chorherr Rüdiger Manesse und sein Sohn die Erstellung und Sammlung von Minneliedern initiierend veranlasste, argumentierte Bodmer mittels Fundes von Informationen innerhalb der Strophen des Dichters Johannes Hadlaub40 im Codex Manesse selbst. Denn im „achten Lied seines umfangreichen und nur in dieser Handschrift überlieferten Liederzyklus schildert Hadlaub“41, als nachgewiesener Bürger Zürichs im Jahre 1302 und dort vor dem 14 Februar 1340 verstorben, dass die Herrschaften Manesse als unvergleichbare Sammler von Liederbüchern und Minnesang im deutschen Königreich tätig waren.42 Erst aufgrund der Ergebnisse der jüngeren Forschung, die sowohl Rüdiger und Johannes Manesse als initiierende Grundlage der Handschrift sowie Zürich als Entstehungsort verifizieren, kam die Bezeichnung Bodmers von 1748 erneut in Umlauf. Denn fußend auf den Erkenntnissen Bodmers aus den Vergleichen der Liederbuchsammlung der Manesse mit der Handschrift C und Hadlaubs Manessisches Preisgedicht, konnte herausgestellt werden, dass Hadlaubs Gedicht zwischen dem Tod Johannes und seines Vaters verfasst worden sein muss. Hadlaub kann demnach, mit seinem Wissen über die Manessische Sammeltätigkeiten und den Vorstufen der Sammlungen von Quellen, als ein Zeuge der Entstehung und weiteren Verschriftlichung des Codex Manesse gesehen werden. 43
[...]
1 UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848, URL: https://katalog.ub.uni-heidelberg.de/titel/67353646
2 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. IX - X.; Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 8.
3 Mittler, Codex Manesse. Katalog zur Ausstellung, S. VII.
4 Vgl. Holznagel, Wege in die Schriftlichkeit, S. 122-123, 142-143, 238- 242.
5 Walther, Codex Manesse, S. VIII.
6 Walther, Codex Manesse, S. VIII.
7 Mittler, Codex Manesse. Katalog zur Ausstellung, S. VII.
8 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 7-8.
9 Vgl. Holznagel, Wege in die Schriftlichkeit, S.140.
10 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S.6.
11 Voetz, Codex Manesse, S.8.
12 UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 357, URL: https://katalog.ub.uni-heidelberg.de/titel/66571078 (10.03.2018).
13 Württembergische LB Stuttgart, HB XIII 1, URL: http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz319421317 (10.03.2018).
14 Holznagel, Wege in die Schriftlichkeit, S.140.
15 Effinger, Codex Manesse, URL: http://www.ub.uni- heidelberg.de/allg/benutzung/bereiche/handschriften/codexmanesse.html (10.03.2018).
16 Vgl. Werner, Die Handschrift und ihre Geschichte, S.15.; Vgl. Voetz, Codex Manesse, S.8.; Vgl. Walther, Codex Manesse, S. XIII.
17 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. XIII.
18 Cod. Pal. germ. 848, fol. 428 r. URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/touch/cpg848/#page/859 (08.02.2018).
19 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S.9.
20 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S.8.
21 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. XIII.
22 Voetz, Codex Manesse, S.9.
23 Vgl. Holznagel, Wege in die Schriftlichkeit, S.141.; Vgl. Voetz, Codex Manesse, S.9.
24 Vgl. Holznagel, Wege in die Schriftlichkeit, S.141.
25 Vgl. Werner, Die Handschrift, S. 53-55.
26 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 8-9.
27 Mittelhochdeutsches lyrisches Großformat das z.B. als Lobpreisung der Trinität und vor allem an Christus und Maria erscheint.
28 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 9.
29 Effinger, Codex Manesse, URL: http://www.ub.uni- heidelberg.de/allg/benutzung/bereiche/handschriften/codexmanesse.html (10.03.2018).
30 Voetz, Codex Manesse, S. 9.
31 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 8-9.; Vgl. Voetz, Überlieferungsformen, S. 224 - 232.
32 Vgl. Werner, Die Handschrift, S. 55 - 56.
33 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. XIV.; Vgl. Holznagel, Wege in die Schriftlichkeit, S.142.
34 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 9.
35 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 8.
36 Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 8.
37 Vgl. Effinger, Codex Manesse, URL: http://www.ub.uni- heidelberg.de/allg/benutzung/bereiche/handschriften/codexmanesse.html (10.03.2018).
38 Vgl. Voetz, Überlieferungsformen, S. 232 -234.
39 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. IX.
40 Cod. Pal. germ. 848, fol. 371 r. URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/touch/cpg848/#page/744 (08.02.2018).
41 Walther, Codex Manesse, S. IX.
42 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. IX - X.; Vgl. Voetz, Codex Manesse, S. 8-9.
43 Vgl. Walther, Codex Manesse, S. X - XI.
- Arbeit zitieren
- Christoph Ziemes (Autor:in), 2018, Miniaturen des Codex Manesse. Nur farbenfrohes Beiwerk oder instrumentalisierte Dichterdarstellung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438044
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