Die Säkularisierung wird als „rationale Eliminierung eines bestehenden und umrissenen Gefüges religiöser Vorstellungen“ gefasst.
Doch, was hat die Säkularisierung mit der Fabel zu tun? Die Säkularisierung bedeutet allgemein jede Form von Verweltlichung, im engeren Sinn aber die durch den Humanismus und die Aufklärung ausgelösten Prozesse, die bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Genau diese Tendenz ist auch bei dem Vergleich der Versionen der Fabel „Der Wolf und das Lamm“ bzw. „Der Wolf und das Schaf“ erkennbar. Ich schlage deshalb die historisch-kritische oder entwicklungsgeschichtliche Methode der Analyse als theoretischen Ansatz vor. Im Folgenden werde ich dabei die jeweilige Poetik und Ästhetik dreier Autoren bzw. Übersetzer erklären.
Inhaltsverzeichnis
- Die Fabeln des Erasmus Alberus
- Die Fabeln des Daniel Wilhelm Triller
- Die Fabeln des Gotthold Ephraim Lessing
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay vergleicht verschiedene Versionen der Fabel „Der Wolf und das Lamm“ bzw. „Der Wolf und das Schaf“ und analysiert deren jeweilige Poetik und Ästhetik im Kontext der Säkularisierung. Der Fokus liegt auf der Entwicklung der Fabel von der Reformationszeit bis zur Aufklärung.
- Entwicklung der Fabelpoetik über die Jahrhunderte
- Die Rolle der Religion und Säkularisierung in der Fabelinterpretation
- Vergleich der Darstellungsweisen von Gut und Böse
- Soziale und politische Kritik in den Fabeln
- Ästhetische und stilistische Unterschiede zwischen den Autoren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Fabeln des lutherischen Theologen und Übersetzers Erasmus Alberus: Die Fabeln des Erasmus Alberus verfolgen katechetische, didaktische, apologetische und religiöse Ziele. Sie bedienen sich sowohl belehrender als auch satirischer Mittel, um gesellschaftliche Missstände zu kritisieren. Das Beispiel „Von eim Wolff vnd Lamb“ präsentiert einen klaren Dualismus zwischen dem Wolf als Böses (Teufel) und dem Lamm als Gutes (Göttliches). Das Lamm, das trotz des Wolfs' Vorwürfen Nächstenliebe zeigt, kann als Symbol für Jesus Christus interpretiert werden. Die Fabel verdeutlicht, wie Bösewichte Schuld bei anderen suchen und wie die Gerechtigkeit darunter leidet. Alberus verbindet das delectare und prodesse, indem er die Fabel als „Verbindung von verlockender Süßigkeit und bitterer Arznei“ darstellt, die den Glauben an Gott stärkt und tugendhaftes Handeln fördert. Die Verankerung der Handlung an konkreten Orten macht die Fabel für ein breites Publikum zugänglich.
Die Fabeln des Daniel Wilhelm Triller: Trillers Fabeln zeichnen sich durch ein Element des Unglaublichen aus, das jedoch nicht irrational ist. Im Gegensatz zu Alberus verwendet Triller erwachsene Tiere als Protagonisten, was ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Gesellschaft symbolisiert. In seiner Version „Das Schaf und der Wolf“ spricht das Schaf den Wolf direkt an, wodurch die Hierarchie umgekehrt wird. Der Wolf nennt das Schaf „mein guter Freund“ und täuscht Liebe vor, um es zu verschlingen – eine Allegorie für Heuchelei und selbstsüchtige Interessen, insbesondere im Kontext des Adels und des Papsttums. Die Barmherzigkeit wird als Gegensatz zur heuchlerischen Liebe des Wolfs hervorgehoben.
Die Fabeln des Gotthold Ephraim Lessing: Lessings Fabel „Der Wolf und das Schaf“ strebt nach dem Ausgleich der Hierarchie zwischen Wolf und Schaf, symbolisch für den Ausgleich zwischen Adel und Bürgertum. Das Schaf zeigt sich dem Wolf – hier sowohl als „Räuber“ als auch „Herr“ bezeichnet – höhnisch. Im Gegensatz zu den vorherigen Versionen wird das Schaf hier nicht getötet, was die Arroganz des Adels und die daraus resultierende soziale Distanz verdeutlicht. Lessings Übersetzung von Richardsons Fabel betont die spöttische Konnotation des Wolfs' Sprache gegenüber dem Lamm, das als Vertreter der Aufklärung gesehen werden kann. Lessings Fabeln zeichnen sich durch sprachliche Schlichtheit und Kürze aus, wobei er jegliche überflüssige Ausschmückung vermeidet, um eine klare und anschauliche Erkenntnis zu ermöglichen. Diese Einfachheit steht im Gegensatz zum aufwendigen Stil des Rokoko.
Schlüsselwörter
Säkularisierung, Fabel, Poetik, Ästhetik, Erasmus Alberus, Daniel Wilhelm Triller, Gotthold Ephraim Lessing, Wolf, Lamm, Schaf, Religion, Gesellschaft, Kritik, Heuchelei, Aufklärung, Hierarchie, Dualismus, Barmherzigkeit.
Häufig gestellte Fragen: Vergleich der Fabeln von Alberus, Triller und Lessing
Welche Fabeln werden in diesem Essay verglichen?
Der Essay vergleicht verschiedene Versionen der Fabel „Der Wolf und das Lamm“ bzw. „Der Wolf und das Schaf“ von Erasmus Alberus, Daniel Wilhelm Triller und Gotthold Ephraim Lessing. Der Fokus liegt auf der Entwicklung der Fabel von der Reformationszeit bis zur Aufklärung.
Was ist die Zielsetzung des Essays?
Der Essay analysiert die jeweilige Poetik und Ästhetik der drei Fabelversionen im Kontext der Säkularisierung. Es werden die Entwicklung der Fabelpoetik, die Rolle der Religion und Säkularisierung, die Darstellung von Gut und Böse, soziale und politische Kritik sowie ästhetische und stilistische Unterschiede zwischen den Autoren verglichen.
Wie wird die Fabel von Erasmus Alberus interpretiert?
Alberus’ Fabel verfolgt katechetische und religiöse Ziele. Sie präsentiert einen klaren Dualismus zwischen dem Wolf als Böses (Teufel) und dem Lamm als Gutes (Göttliches). Das Lamm symbolisiert Jesus Christus und die Fabel kritisiert die Suche Bösewichte nach Schuld bei anderen. Alberus verbindet dabei belehrende und unterhaltende Elemente.
Wie unterscheidet sich Trillers Version der Fabel?
Triller verwendet erwachsene Tiere als Protagonisten und kehrt die Hierarchie zwischen Wolf und Schaf um. Der Wolf täuscht Liebe vor, um das Schaf zu verschlingen – eine Allegorie für Heuchelei und selbstsüchtige Interessen. Die Barmherzigkeit wird als Gegensatz zur heuchlerischen Liebe des Wolfs hervorgehoben.
Was ist charakteristisch für Lessings Fabel?
Lessings Fabel strebt nach einem Ausgleich der Hierarchie zwischen Wolf und Schaf, symbolisch für den Ausgleich zwischen Adel und Bürgertum. Das Schaf zeigt sich dem Wolf höhnisch. Das Schaf wird nicht getötet, was die Arroganz des Adels verdeutlicht. Lessings Stil ist schlicht und kurz, im Gegensatz zum aufwendigen Stil des Rokoko.
Welche Themen werden im Essay behandelt?
Die zentralen Themen sind Säkularisierung, Fabelpoetik und -ästhetik, die Rolle der Religion und Gesellschaft, soziale und politische Kritik, Heuchelei, Aufklärung und Hierarchie im Kontext der drei ausgewählten Fabeln.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt des Essays?
Schlüsselwörter sind: Säkularisierung, Fabel, Poetik, Ästhetik, Erasmus Alberus, Daniel Wilhelm Triller, Gotthold Ephraim Lessing, Wolf, Lamm, Schaf, Religion, Gesellschaft, Kritik, Heuchelei, Aufklärung, Hierarchie, Dualismus, Barmherzigkeit.
Welche Kapitel umfasst der Essay?
Der Essay umfasst Kapitel zu den Fabeln von Erasmus Alberus, Daniel Wilhelm Triller und Gotthold Ephraim Lessing, jeweils mit einer Zusammenfassung der jeweiligen Interpretation und Bedeutung im historischen Kontext.
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- B.A. Elisabeth Monika Hartmann (Author), 2014, Fabeln. Tiere melden sich zu Wort, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436809