Die Hausarbeit „Die Konversion zum Zen-Buddhismus in Deutschland“ entstand im Rahmen des Seminars „Spiritualität und neue religiöse Bewegungen in den westlichen Kulturen. Motive und Hintergründe aus religionswissenschaftlicher, sozialpsychologischer und psychoana-lytischer Sicht“ unter Leitung von PD Dr. Angela Moré und Dr. Edith Franke. Das Seminar war eine Kooperation des Psychologischen Instituts und des Seminars für Religionswissenschaft der Universität Hannover im Sommersemester 2002.
Im vergangenen Frühjahr nahm mich ein zum japanischen Nichren Shosho-Buddhismus konvertierter Lehrer und Freund zu einer buddhistischen Veranstaltung mit. Als dort die durchschnittlich deutsch erscheinenden Buddhisten beim Chanten (Beten) in Verzückung gerieten und anschließend von der Initialzündung zur Konversion berichteten, drängte sich mir – die ich auf dem Papier evangelisch, aber ansonsten religionsunempfindlich bin – unwillkürlich die Frage auf: Warum machen die das, und welchen „Kick“ empfinden sie dabei? Dieser Frage soll die vorliegende Arbeit nachgehen. Welche Gemeinsamkeiten in Einstellungen, Bildung und Biographie finden sich bei Zen-Buddhisten? Meine Arbeit fußt hauptsächlich auf der Untersuchung Katja Werthmanns in ihrem Buch Zen und Sinn, in der sie deutsche Zen-Buddhisten zu ihren Beweggründen befragte.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Säkularisierungs- und Individualisierungsprozesse
2.1 Individualisierung
2.2 Säkularisierung
2.3 Synkretistische Collage und Konversion
3 Buddhismus – Westliche Rezeption
4 Faszination am Zen-Buddhismus
5 Persönlichkeit, Biographie und Gruppendynamik
5.1 Biographische Prädispositionen
5.2 Gruppenbildung
5.3 Die Rolle der Rituale
6 Konversion zum Zen-Buddhismus
6.1 Zuwendung zum Zen-Buddhismus durch eine Krise
6.2 Religiöse Prädispositionen
6.3 Die Zen-Gruppe
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Hausarbeit „Die Konversion zum Zen -Buddhismus in Deutschland“ entstand im Rahmen des Seminars „Spiritualität und neue religiöse Bewegungen in den westlichen Kulturen. Motive und Hintergründe aus religionswissenschaftlicher, sozialpsychologischer und psychoanalytischer Sicht“ unter Leitung von PD Dr. Angela Moré und Dr. Edith Franke. Das Seminar war eine Kooperation des Psychologischen Instituts und des Seminars für Religionswissenschaft der Universität Hannover im Sommersemester 2002.
Im vergangenen Frühjahr nahm mich ein zum japanischen Nichren Shosho -Buddhismus konvertierter Lehrer und Freund zu einer buddhistischen Veranstaltung mit. Als dort die durchschnittlich deutsch erscheinenden Buddhisten beim Chanten (Beten) in Verzückung gerieten und anschließend von der Initialzündung zur Konversion berichteten, drängte sich mir – die ich auf dem Papier evangelisch, aber ansonsten religionsunempfindlich bin – unwillkürlich die Frage auf: Warum machen die das, und welchen „Kick“ empfinden sie dabei? Dieser Frage soll die vorliegende Arbeit nachgehen. Welche Gemeinsamkeiten in Einstellungen, Bildung und Biographie finden sich bei Zen -Buddhisten? Meine Arbeit fußt hauptsächlich auf der Untersuchung Katja Werthmanns in ihrem Buch Zen und Sinn, in der sie deutsche Zen-Buddhisten zu ihren Beweggründen befragte.
Anhand der am Ende angefügten, zufällig in einem Universitätsinstitut gefundenen Broschüren für Meditation s-, Tantra - und Yoga kurse wird die Patchwork technik moderner Spiritualität deutlich: Da präsentiert ein Südschwedisches Kurszentrum einen bunten Strauß aus hinduistischem Yoga, dem aus dem indischen Buddhismus hervorgegangenen hinduistischen Tantra und die bereits von Buddha „höchstpersönlich“ initiierte Meditation. „Auf dem Weg zu größerem Bewußtsein“ unterrichtet da Yogalehrer Omkarananda – ein blonder Däne – wie man „richtig durch die Nase atmet“. Mit der Problematik von dieser spirituellen Collage und Konversion durch Individualisierung und Säkularisierung in der modernen Gesellschaft beginnt die vorliegende Arbeit. (Kapitel 2) Die westliche Rezeption des Buddhismus wird in Kapitel 3 kurz umrissen. Kapitel 4 befasst sich mit der westlichen Faszination am Zen-Buddhismus. In Kapitel 5 werden die persönlichen und biographischen Prädispositionen sowie die Gruppendynamik im neo-religiösen Kontext behandelt. In Kapitel 6 wird Werthmanns Analyse der von ihr geführten Interviews mit Zen-Anhängern vorgestellt. Das Kapitel untermauert die in Kapitel 5 vorangestellten Annahmen. Abschließend fasse ich im Fazit (Kapitel 7) meine Ergebnisse zusammen. Die verwendete Literatur ist in Kapitel 8 aufgelistet.
Der Ausdruck „deutsche Buddhisten“ bezieht sich in meiner Arbeit nicht auf die in Deutschland lebenden Buddhisten aus einem „buddhistischen“ Ursprungsland, sondern auf native Deutsche, deren Familienbiographie in dem christlich geprägten deutschen Raum wurzelt, deren eigene Sozialisation auch auf dieser Prägung beruht, und die bewusst zum Buddhismus konvertiert sind.
2 Säkularisierungs- und Individualisierungsprozesse
2.1 Individualisierung
Wenn es um eine vorhandene gesellschaftliche Tendenz zur Individualisierung geht, sind sich die Autoren einig: Grundsätzlich fördert die „moderne Gesellschaft“ die Möglichkeit, den Lebensentwurf frei zu gestalten sowie die Entkoppelung von Religion und Lebensstil. Katja Werthmann sieht einen durch die Aufklärung „eingeleiteten Prozess der Entlassung des Individuums aus vormodernen, traditionellen Sinnzusammenhängen, die durch ein[e] hierarchisierte Sozialordnung und eine verbindliche, religiös geprägte Weltanschauung charakterisiert waren“.[1] Dieser Prozess führe zwar zu einer Wahlfreiheit aber auch zu einer damit verbundenen Irritation und Entfremdungserscheinungen. Nach Karl-Fritz Daiber bedeutet Individualisierung nicht nur die Möglichkeit zur Durchsetzung seiner eigenen Überzeugungen, sondern sie sei durch die Autonomie des Subjekts eine Notwendigkeit zur alltäglichen Entscheidung geworden.[2] Was Daiber das „postreligiöse Muster der Sinnsuche“[3] nennt, ist ein „Sinnzwang“[4] für Werthmann: Weil soziale Rollen und Wertevorstellungen nicht mehr kontinuierlich und stabil seien, entstünden Entscheidungs- und Handlungsdruck, je nach aktueller Lebensproblematik. In den pluralisierten[5] Lebenswelten der Individuen erkennt Peter L. Berger eine Untergrabung der für selbstverständlich gehaltenen Sicherheiten. Diese Pluralisierung kann ein Motor für Säkularisierungsprozesse sein: Die Sozialpsychologie habe die Bedeutung des sozialen Umfelds für die Wahrnehmung der Realität gezeigt, dort wo die soziale Bestätigung schwach sei, würde die Realität an Eindeutigkeit verlieren, und sie würde zu einer Frage der persönlichen Wahl.
2.2 Säkularisierung
Seit ihrer Entstehung beschäftige sich die Religionssoziologie, so Berger, mit dem Phänomen der Säkularisierung: “This term, of course, has been endlessly debated, modified and occasionally repudiated. But for most purposes it can be defined quite simply as a process in which religion diminishes in importance both in society and in the consciousness of individuals.”[6] Er sagt, dass diese Abnahme an Bedeutung von Religiosität in Gesellschaft und im individuellen Bewusstsein auch von den meisten Soziologen als Ergebnis der Modernität angesehen wurde und wird. Dem Postulat Max Webers von einer „Entzauberung der Welt“ in der Moderne folgend, hat man in der Vergangenheit angenommen, dass die Zunahme an Wissen, welches Zusammenhänge rational erklärbar machte, die Abnahme des Glaubens an Mysterien und das Übernatürliche, also einem wesentlichen Bestandteil von Religion, bewirkte. Weitere Gründe wurden im Zersplittern moderner Institutionen, wie Familie, Bezugsgruppen oder Berufsfeld, in der Teilung von Staat und Kirche in modernen Demokratien – in denen Religion eine Frage der persönlichen Präferenz werde – sowie in Immigration, Urbanisierung und dem Aufstieg der Massenmedien ausgemacht.[7]
Diese Theorie hat nach Bergers Ansicht an Boden verloren: Nicht weil sie auf falschen Dispositionen beruht habe, „but because the theory seemed less and less capable of making sense of the empirical evidence from different parts of the world“[8]. Tatsächlich sei die Welt so religiös wie immer, und zum Teil religiöser, als sie es je zuvor war. Als Beispiel nennt er den wiederkehrenden Fundamentalismus in muslimischen Ländern. Es sei wichtig zu erkennen, dass das geringe Interesse an der konventionellen Religion nicht nur Ausdruck einer Säkularisierung, sondern auch anderer Phänomene sei.[9]
Dennoch postuliert der US-Amerikaner Berger, dass es in West- und Zentraleuropa eine wesentlich ausgeprägtere Säkularisierung gebe, als in seiner Heimat. Das habe zum einen mit dem europäischen politischen System zu tun: innerhalb der politischen Gruppierungen gäbe es oft eine starke gegenkirchliche Bewegung. Noch stärker sei aber das staatliche Schulsystem für diesen Prozess verantwortlich: dessen Lehrer bezeichnet er als die „foot soldiers in the army of secular enlightenment“[10].
2.3 Synkretistische Collage und Konversion
Berger stellt die Frage, ob der dramatische Rückgang des Bekenntnisses zu einer der verschiedenen europäischen Kirchen, mit einem Rückzug aus einer Religiosität gleichzusetzen ist. Er sieht die Entwicklung zu einer „Patchwork Religion“, in der Menschen sich eine individuelle Religion aus verschiedenen Traditionen zusammensuchen. Viele würden sich nicht einmal als religiös bezeichnen, sondern auf der Suche nach Spiritualität. Berger weist darauf hin, dass man diese Menschen sowohl innerhalb als auch außerhalb kirchlicher Institutionen findet.[11]
Daiber beschreibt wie die Kultur die Lebenswirklichkeit des Subjekts beeinflusst: Die kulturellen und religiösen Implikationen bleiben, wenn auch größtenteils unbewusst, erhalten und sind bedeutend für die Wirklichkeitskonstitution: Sie zeigen sich in der Verbindung von Gegenwart und Tradition, in der Wahrnehmung von Zeit, Raum, der eigenen Körperlichkeit und Sinnlichkeit. Außerdem prägen kulturelle und religiöse Inhalte die Semantik der Kommunikation. Da Religion „ein unlösbarer Bestandteil der Kultur“[12] ist, kann das Individuum nicht ohne weiteres von einer die eigene Kultur prägenden Religion zu einer anderen konvertieren. Da die Konversion auch einen Kulturwechsel beinhalten würde, müsste eine vollkommene Umgestaltung der Lebenswirklichkeit folgen. So ist eher anzunehmen, dass die internalisierten Kulturmuster beibehalten werden, und die neue religiöse Orientierung die alten Muster überlagert. Aus diesem Grund formt sich eine individuelle Religiosität, die sich nicht ohne weiteres mit der Lebenswirklichkeit vereinen lässt. So folgt nach Werthmann ein individueller Synkretismus, in dem religiöse und spirituelle Versatzstücke zu einer „Collage“ zusammengefügt werden, sie dient der Ablösung der als unglaubwürdig oder als unlebbar wahrgenommenen Orientierungen.[13]
Nach Hartmann wird die Ausformung individueller Religiosität in großem Maße vom Selbstkonstitutionsprozess des Subjekts mitbestimmt. Werthmann nimmt Bezug auf eine Studie von Gärtner und Bischoff, die anhand von biographischen Interviews die Bewegungen innerhalb des individuellen Synkretismus in der New-Age untersuchten: Bei den Interviewten liegt der Wunsch nach spiritueller Orientierung vor. Hinzu kämen Sozialisationsfaktoren (wie die Ablehnung oder Wiederannäherung an christliche Dogmen) und eine lebensbiographische Krise oder Irritation. Spiritualität wird als Lebenswirklichkeit eingestuft, die man durch bestimmte Techniken (hier innerhalb des New-Age-Spektrums) wiederentdecken könne, und die der persönlichen Entwicklung diene.
Anhand von Werthmanns Auswertung eigener Interviews mit Zen-Buddhisten ergibt sich, dass das Spirituelle und das dazugehörige Umfeld, als „das richtige Leben“ und als Entität erlebt werden.[14] Bezüglich des Zuschnitts einer Religion wie dem Buddhismus auf die eigene Kultur und die eigenen Bedürfnisse merkt Ulrich Dehn an: „Die sprichwörtliche Toleranz und Offenheit, die asiatischer Religiosität nachgesagt wird, findet ihre Grenze, und die zwar kritische, aber durchaus freundliche Offenheit […] wandelt sich oft in ein bekenntnishaftes Identitätsbedürfnis in einem deutschen buddhistischen Zentrum.“[15]
Da es sich beim Buddhismus in Deutschland Dehn zufolge um eine Minderheitsreligion (derzeit ca. 70 000 Anhänger) handelt, bildet sie hier in stärkerem Maße eine „Bekenntnisreligion“ als in Asien. 1985 gab sich die Dachorganisation Deutsche Buddhistische Union (DBU), die 1958 aus der 1955 gegründeten Deutschen Buddhistischen Gesellschaft hervorgegangen ist, ein buddhistisches Bekenntnis[16]. So kann man den Buddhismus in Deutschland als Religion, und die Zuwendung zu buddhistischer Lebenspraxis als Konversion bezeichnen. Im Folgenden soll kurz beschrieben werden, auf welche Weise sich diese Religion im Westen etablierte.
[...]
[1] Katja Werthmann, Zen und Sinn: Westliche Aneignung, Interpretation und Praxis einer buddhistischen Meditation (Frankfurt/M: Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Frankfurt, 1992), S. 157.
[2] Karl-Fritz Daiber, „Religiöse Gruppenbildung als Reaktionsmuster gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse“, in: Karl Gabriel (Hg.), Religiöse Individualisierung oder Säkularisierung: Biographie und Gruppe als Bezugspunkte moderner Religiosität (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1996), S. 93.
[3] Daiber, S. 93.
[4] Werthmann, S. 157.
[5] Vgl. Peter L. Berger, „Secularization and De-secularization“, in: Linda Woodhead (Hg.), Religions in the Modern World: Traditions and Transformations (London, New York: Routledge, 2002), S. 296-297. Pluralismus sei das gleichzeitige Bestehen verschiedener Anschauungen innerhalb eines sozialen Systems und eine Erscheinung in modernen Gesellschaften.
[6] Berger, S. 291.
[7] Vgl. Berger, S. 291.
[8] Berger, S. 292.
[9] Vgl. Berger, S. 292, 294.
[10] Berger, S. 295.
[11] Vgl. Berger, S. 295, 296.
[12] Daiber, S. 89.
[13] Werthmann, S. 160.
[14] Vgl. Klaus Hartmann, „Religiöse Selbstthematisierung, berufliche Identität und Individualität in Managerbiographien“, in: Karl Gabriel (Hg.), Religiöse Individualisierung oder Säkularisierung: Biographie und Gruppe als Bezugspunkte moderner Religiosität (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1996), S. 131; vgl. Werthmann, 159-160.
[15] Ulrich Dehn, Das Klaschen der einen Hand. Was fasziniert uns am Buddhismus? (Hannover: LVH Lutherisches Verlagshaus, 1999), S. 101.
[16] Vgl. Dehn, S. 41.
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