Die hier vorliegende Bachelorarbeit zum Thema: „Neurobiologische Grundlagen des Lernens in der Seminargestaltung der Erwachsenenbildung“ gibt einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand der Neurobiologe zum Thema Lernen. Die Arbeit beschäftigt sich mit der gehirngerechten Seminargestaltung in der Erwachsenenbildung.
Zu Beginn der Abschlussarbeit wird ein Überblick über die historische Entwicklung der Erwachsenenbildung sowie eine Begriffsbestimmung gegeben. Was bedeutet Methodik und Didaktik im Kontext der Erwachsenenbildung und welche Lernvoraussetzungen bringen Erwachsene mit, wird in den darauf folgenden Kapiteln behandelt. Welche Einflussfaktoren bedeutsam sein können, wie zum Beispiel das Selbstkonzept, Lerntheorien und die konstruktivistische Pädagogik sind weitere wesentliche Bestandteile zur Einführung in diese Arbeit. Der Hauptteil setzt sich mit dem neurobiologischen Grundlagen auseinander. In den folgenden Kapiteln wird das Gehirn in seine Einzelteile zerlegt und aufgezeigt welche Gehirnareale für welche Funktionen zuständig sind. Neben einer kritischen Betrachtungsweise aus der Pädagogik, welche Erkenntnisse die Neurobiologie liefert erfolgt im weiteren Verlauf der Transfer für methodische und didaktische Maßnahmen für die Unterrichtsgestaltung. Zum Schluss bietet diese Arbeit einen "Leitfaden" für eine gehirngerechte Seminargestaltung.
Die Neurobiologie ist beliebt geworden um neue Unterrichtsformate zu begründen. Doch wie viel neues Wissen liefert die Neurobiologie tatsächlich? Welche Bedeutung hat die Neurobiologie für die Erwachsenenbildung und welche didaktischen und methodischen Konsequenzen lassen sich für die Seminargestaltung ableiten?
Als Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und als Trainer und Dozent in der Erwachsenenbildung setze ich mich bereits jetzt täglich mit Lernen, Bildung, Pädagogik und insbesondere dem Vermitteln von Wissen auseinander. Die Bachelorarbeit stellt das Fundament, für zukünftige Seminarangebote und Wissensvermittlung in der Erwachsenenbildung dar. Das Thema der Neurobiologie soll dabei unterstützen, didaktische und methodische Handlungsansätze für die Praxis zu erarbeiten sowie einen fundierten Überblick über den aktuellen Forschungsstand geben.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Lernen in der Erwachsenenbildung
2.1 Begriffsbestimmung und historische Entwicklung der Erwachsenenbildung
2.2 Begriffsbestimmung: Didaktik und Methodik
2.3 Lernvoraussetzungen im Erwachsenenalter
2.4 Selbstkonzept im Erwachsenenalter
2.5 Lerntheorien
2.6 Relevanz konstruktivistischer Pädagogik
3. Neurowissenschaftliche Grundlagen des Lernens
3.1 Aufbau und Funktion des Gehirns und Gedächtnisses
3.1.1 Neuronen, Synapsen und Neurotransmitter
3.1.2 Stammhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn – limbisches System
3.1.3 Neokortec und Cerebrum
3.2 Das Gedächtnis
3.2.1 Aufbau und Funktionen des Gedächtnisses
3.2.2 Kritik an der Neurobiologie aus der Pädagogik
3.2.3 Schlussfolgerungen der Neurobiologie im Kontext lebenslangen Lernens
4. Bedeutung der Neurobiologie für die Seminargestaltung in der Erwachsenenbildung
4.1 Rahmenbedingungen für qualitativen Unterricht
4.2 Gehirngerechte Didaktik und Methodik
4.3 Die Lehrkraft als Garant für Lernerfolg
4.4 Sechs didaktische Maßnahmen für hirngerechten Unterricht
4.5 Fünf Methoden für hirngerechten Unterricht
4.6 Seminarleitfaden für Dozenten in der Erwachsenenbildung
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis.
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Grober Aufbau des Gehirns
Abbildung 2: Aufteilung der Hirnareale
Abbildung 3: Das Neuron
Abbildung 4: Synapse – Elektrische Übertragung von Signalen
Abbildung 5: Aufteilung der Hirnlappen
Abbildung 6: Vergessenskurve Ebbinghaus
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Übersicht Lernarten 17
Tabelle 2: Seminarleitfaden 58
1. Einleitung
Die hier vorliegende Bachelorarbeit zum Thema: „Neurobiologische Grundlagen des Lernens in der Seminargestaltung der Erwachsenenbildung“ gibt einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand der Neurobiologe zum Thema Lernen. Die Arbeit beschäftigt sich mit der gehirngerechten Seminargestaltung in der Erwachsenenbildung. Lernen hängt von zahlreichen verschiedenen Faktoren ab. Dementsprechend sind nicht nur vielfältige Unterrichtsmethoden, die Fachkompetenz der Lehrperson oder verschiedene Sozialformen und Arbeitsaufträge bedeutsam, vielmehr entscheiden auch die Motivation und das Interesse der Lernenden am Unterricht und dem Thema über eine gute Lernqualität. Die Motivation für dieses Thema entstand aus eigenen Lernerfahrungen und dem Interesse daran, wie der Mensch lernt und wie das Gehirn aufgebaut ist und funktioniert. Durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Lerntheorien entstand eine forschende Haltung, die zu dem Thema dieser Bachelorarbeit führt. Die Verbindung entstand auch aus eigenen Erfahrungen der Seminargestaltung und der Tätigkeit in der Erwachsenenbildung. So bestand immer die Frage nach didaktischem und methodischem Know-how für die eigene Seminargestaltung im Berufsfeld der Kindertagespflege oder auch in der Seminargestaltung für andere pädagogische Berufe. Durch das Interesse an gehirngerechtem Lernen und die Motivation, die Seminargestaltung zu optimieren, entstand die forschungsleitende Fragestellung: Welche Bedeutung hat die Neurobiologie für die Erwachsenenbildung und welche didaktischen und methodischen Konsequenzen lassen sich für die Seminargestaltung ableiten? Für die zukünftige Arbeit als Sozialarbeiter ist dieses Thema deshalb bedeutsam, da die Seminargestaltung und die Begleitung und Beratung von Erwachsenen mein zukünftiges Berufsfeld skizzieren. Als Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und als Trainer und Dozent in der Erwachsenenbildung setze ich mich bereits jetzt täglich mit Lernen, Bildung, Pädagogik und insbesondere dem Vermitteln von Wissen auseinander. Die Bachelorarbeit stellt das Fundament für zukünftige Seminarangebote und Wissensvermittlung in der Erwachsenenbildung dar. Das Thema der Neurobiologie soll dabei unterstützen, didaktische und methodische Handlungsansätze für die Praxis zu erarbeiten sowie einen fundierten Überblick über den aktuellen Forschungsstand geben. Des Weiteren stellt diese Arbeit den Wissensstand der Neurobiologie zu anderen Erkenntnissen, zum Beispiel des Konstruktivismus, der Lernforschung, Lerntheorien, Gedächtnisforschung und Selbstkonzeptforschung, in Bezug, um herauszufinden, wie Lehrformate für Lehrkräfte so effektiv wie möglich gestaltet werden können. Hierfür wird im Folgenden das Thema der Neurobiologie detailliert bearbeitet und dabei über den Tellerrand hinaus Erkenntnisse genutzt. Die Bachelorarbeit beginnt mit dem Einstieg in das Kapitel Lernen in der Erwachsenenbildung, der Begriffsbestimmung von Erwachsenenbildung und der historischen Entwicklung ihrer 200-jährigen Geschichte. Herausgearbeitet und differenziert werden die Begriffe Volksbildung, Weiterbildung, Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen. Weiterhin wird der relevanten Frage nachgegangen, wie sich die Bedeutung der Begriffe im Kontext des geschichtlichen Verlaufs verändert hat. Die einzelnen Entwicklungsphasen der Erwachsenenbildung werden aufgezeigt und es wird deutlich skizziert, welchen Stellenwert die Erwachsenenbildung aktuell im Bildungssystem in Deutschland hat. In Kapitel 2.2 werden die Begriffe Didaktik und Methodik definiert und es wird herausgestellt, wie wichtig das Verständnis dieser Begrifflichkeiten für eine erfolgreiche Seminargestaltung ist. Insbesondere die Unterscheidung und Differenzierung in ihrer Bedeutung werden herausgearbeitet. Die Kapitel 2.3, 2.4 und 2.5 beschäftigen sich mit den Lernvoraussetzungen, dem Lernverhalten und dem Selbstkonzept sowie der Lernfähigkeit von Erwachsenen. Diese Kapitel setzen sich mit der Situation auseinander, wie ein Erwachsener in die Erwachsenenbildung kommt, zum Beispiel mit welchen Vorerfahrungen zum Lernen insgesamt. Welchen Kenntnisstand und welche Lernwiderstände bringt ein Erwachsener mit? Welche Charaktereigenschaften und welcher gesundheitliche Zustand werden in das Seminar mitgebracht und in welcher Lebenswelt befindet sich der Teilnehmende? Diese Lernvoraussetzungen führen zu einem bestimmten Lernverhalten, um das es in Kapitel 2.3 geht. In Kapitel 2.4 wird das Selbstkonzept analysiert, das bedeutsam ist, wenn es darum geht, wie das Selbstkonzept die Lernfähigkeit von Erwachsenen beeinflusst. Das Kapitel 2.5 setzt sich mit Lerntheorien auseinander, um darzustellen, welche Lernformen es gibt und wie sich Verhalten verändern kann. Die konstruktivistische Pädagogik ist in Kapitel 2.6 das Thema, welches sich auf die Grundlagen der Neurobiologie stützt. Die Parallelen zwischen dem Konstruktivismus und der Neurobiologie zeigen sich auch in den weiteren Kapiteln, in denen die neurobiologischen Erkenntnisse behandelt werden. Zu Beginn werden der Aufbau, die Funktionen und Aufgaben des Gehirns in den verschiedenen Arealen erläutert und es wird dargelegt, welche Gehirnbereiche für was zuständig sind. Hier stellt sich die primäre Frage, welche Gebiete essenziell für das Lernen sind und wie die verschiedenen Gehirnareale miteinander zusammenarbeiten, angefangen von den Neuronen, den Synapsen und den Neurotransmitter bis hin zu dem ältesten Bereich des Gehirns, dem Stammhirn. Danach folgen das Kleinhirn, das limbische System und als entwicklungsgeschichtlich neuester Bereich der Neokortex, also das Großhirn. Nachdem das Gehirn anatomisch in seine Einzelteile zerlegt wurde, um zu verstehen, in welchem Bereich welche Lernprozesse ablaufen, werden in Kapitel 3.2 und 3.2.1 das Gedächtnis und dessen Aufbau und Funktionen im Zusammenhang mit der Verarbeitung und Speicherung von Informationen dargestellt. Schwerpunktmäßig zeigt das Mehrspeichermodell auf, dass das Gedächtnis aus den drei Teilen Ultrakurzzeitgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis besteht. Zum Schluss wird aufgezeigt, wie Lernen nachhaltig im Langzeitgedächtnis verankert werden kann. Im Kapitel „Kritik an der Neurobiologie“ wird mit den Positionen aus der Pädagogik Bezug zu den Erkenntnissen der Neurobiologie genommen. Die Kritik zielt besonders auf die Aktualität und Neuwertigkeit der neurobiologischen Erkenntnisse. Das Kapitel der Neurobiologie schließt mit den Schlussfolgerungen für die neurobiologische Seminargestaltung in der Erwachsenenbildung. Primär wird dargestellt, welche aktuellen Erkenntnisse für die Seminargestaltung genutzt werden können. Das vierte Kapitel nutzt das Wissen aus den vorigen Kapiteln, um daraus praktische Handlungsleitlinien für die Seminargestaltung abzuleiten. Zu Beginn werden bedeutsame Rahmenbedingungen aufgezeigt, die als Grundlage für ein erfolgreiches Seminar dienen. Das Kapitel 4.2 stellt wichtige Thesen für einen gehirngerechten und neurobiologischen Unterricht dar und regt zu Fragen an, wie die Erkenntnisse der Neurobiologie methodisch und didaktisch umgesetzt werden können. Die weiteren Kapitel von 4.3 bis 4.6 geben fundierte Einblicke in Maßnahmen für qualitativen, hirngerechten Unterricht. Dabei werden didaktische und methodische Maßnahmen vorgestellt und die Bedeutsamkeit der Lehrkraft wird aufgezeigt. Wie die Lehrkraft die Teilnehmenden positiv im Lernprozess beeinflussen kann, wird in Kapitel 4.3 erörtert. Der größte Faktor erfolgreicher Seminargestaltung ist die Lehrkraft selbst. Wenn eine Lehrkraft wertschätzend und motiviert auftritt, ist die Chance hoch, dass auch die Teilnehmenden wertschätzend und motiviert sind. Das vorletzte Kapitel dieser Bachelorarbeit befasst sich mit dem Seminarleitfaden von Seminaren und der konkreten Erarbeitung eines Ablaufs für einen Seminartag, indem die gesamten neurobiologischen Erkenntnisse und Ansätze aus den anderen Forschungsgebieten der letzten Kapitel implementiert werden. Das letzte Kapitel schließt die Bachelorarbeit mit dem Fazit und Ausblick ab, indem es das Thema reflexiv behandelt und die zentralen Aussagen und Ergebnisse zusammenfassend darstellt. Neben einem persönlichen Eindruck wird auch ein Ausblick gegeben werden.
2. Lernen in der Erwachsenenbildung
„Erwachsenenbildung wird häufig als ‚vierte Säule‘ des deutschen Bildungssystems neben Schul-, Berufsausbildungs- und Hochschulwesen bezeichnet, wobei strittig bleibt, ob sie als ‚System‘ gelten kann oder nicht“ (Faulstich/Zeuner 2010: 13). Die Erwachsenenbildung wird dennoch als eigenständiger Bereich im deutschen Bildungssystem anerkannt. Insbesondere die wachsenden Teilnehmerzahlen, das vielfältige Angebot und die rechtliche Verankerung in einigen Teilen der Erwachsenenbildung führen zu einer allgemeinen Anerkennung. Erwachsenenbildung hat das Ziel, Lernmöglichkeiten für das Individuum zu schaffen und hierbei die Bedürfnisse und Interessen der Adressaten und Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu beachten. In den folgenden beiden Unterkapiteln wird im nächsten Schritt der Begriff der Erwachsenenbildung definiert und herausgestellt, wie sich die Erwachsenenbildung in Deutschland entwickelt hat.
2.1 Begriffsbestimmung und historische Entwicklung der Erwachsenenbildung
Volksbildung, Erwachsenenbildung, Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind unterschiedliche Bezeichnungen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben und ähnliche Zusammenhänge beschreiben. Eine deutliche Abgrenzung der Begriffe gibt es nicht, so stehen diese seit etwa dem 19. Jahrhundert nebeneinander. Der Begriff Erwachsenenbildung und die Geschichte der Erwachsenenbildung sind von unterschiedlichen Entwicklungsphasen geprägt. Die Erwachsenenbildung hat eine 200-jährige Geschichte, in der sich die Praxis und die Zielsetzung von Erwachsenenbildung stetig wandelten. Seit der Zeit der Aufklärung von 1800 bis 1870 werden die Menschen erstmalig als lernbedürftige und lernfähige Subjekte betrachtet (vgl. Wittpoth 2013: 25). Nach 1870, in der Zeit der Aufklärung, Industrialisierung und Arbeiterbewegung, ist die Idee der Erwachsenenbildung entstanden. Aufgrund des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels nahm der Erwerb von Wissen zu. Die in ganz Europa verbreiteten Lesegesellschaften führten zur Aufklärung der Bevölkerungen. Sie beschafften den Lesestoff, organisierten Vorträge und schufen Möglichkeiten zur Diskussion (vgl. Tietgens 1994: 34). In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts teilte sich der Zugang zur Bildung und deren Institutionen in den Klassen von Adel und Bürgertum: Auf der einen Seite stand die Arbeiterklasse, und auf der anderen Seite befanden sich der Adel und das Bürgertum. Insbesondere die proletarische Bildung unterstützte den Klassenkampf (vgl. Tietgens 1994: 34). Nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) war es die primäre Aufgabe der Erwachsenenbildung, jeden Einzelnen und das Gemeinwesen zu stärken. Durch den Neuaufbau von demokratischen Strukturen wurde die Konfrontation mit der eigenen und gemeinschaftlichen Handlungsfähigkeit noch bedeutsamer und somit entstand eine Reihe von literarischen Auseinandersetzungen (vgl. Tietgens 1994: 34). In der Weimarer Republik (1918–1933) wurde der Bürger darin befähigt, Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Die Aufgabe, die Bevölkerung zur eigenen Selbstständigkeit zu bilden, wurde zunehmend in den Gemeinden wahrgenommen. Diese konzentrierten sich darauf, Volkshochschulen zu errichten.
Es folgten der Nationalsozialismus und Zweite Weltkrieg von 1933 bis 1945, der Erwachsenenbildung wurde die Volksaufklärung und Propaganda der NSDAP übergestülpt. Dementsprechend wurden Einrichtungen geschlossen oder das Personal wurde ausgetauscht.
„Die traditionelle Volkshochschularbeit, die damals wie heute oft mit der Erwachsenenbildung schlechthin gleichgesetzt wird, verlor also im Nationalsozialismus weitgehend Autonomie und Einfluß, bis sie schließlich wie die Volks- bzw. Erwachsenenbildung insgesamt zum Instrument der Kriegsführung umfunktioniert wurde“ (Feidel-Mertz 1994: 48).
Die nationalsozialistische Erwachsenenbildung zeichnete sich primär dadurch aus, dass Bildungs- und Kulturarbeit durch die Besetzung des Freizeitverhaltens, die systematische Nutzung der Massenmedien sowie die politischen Schulung auf dem Land stattfand. Emigranten in verschiedenen Ländern schrieben Beiträge zur Erwachsenenbildung für die Zeit nach dem Nationalsozialismus in Deutschland. Die Nachkriegszeit sortierte die Erwachsenenbildung neu. Demnach organisierten die Alliierten, dass wieder flächendeckend Volkshochschulen errichtet wurden. Ziel war, bei den Deutschen durch Bildung ein Umdenken zu erreichen. Die bildungstheoretischen Konzeptionen wurden aus der Weimarer Zeit übernommen und unterstützt wurde dieses von zahlreichen Erwachsenenbildern, die aus dem Exil nach Deutschland zurückkehrten.
Die Erwachsenenbildung in der DDR und in der BRD unterschied sich darin, dass in der BRD die Verbände pluralistisch agieren konnten, hingegen in der DDR staatlich kontrolliert und den sozialistischen Vorstellungen verpflichtet waren. In den 1970erJahren entwickelte sich die Erwachsenenbildungsforschung in beiden Staaten unterschiedlich. In der DDR wurden nur noch selten Forschungsprojekte durchgeführt und in der BRD nahmen die Forschungen auch im Zusammenhang mit der Einführung des Diplomstudiengangs zu. In den 1980er-Jahren entstand eine neue Unübersichtlichkeit aufgrund neuer technologischer Herausforderungen, einer Krise des industriellen Fortschritts sowie durch Umweltverschmutzungen und drohende Klimakatastrophen. In der Weiterbildung war interkulturelles Wissen inzwischen eine Schlüsselqualifikation, da die Einsicht bestand, dass Deutschland ein Einwanderungsland war. Mitte der 1980er-Jahre propagierte die Bundesregierung eine Qualitätsoffensive. Die Hoffnung war das diese den Umgang mit neuen Technologien unterstützen würde. Die Investitionen in Fortbildung und Umschulungen stiegen demnach von 2,5 Mrd. DM auf 8,1 Mrd. DM (vgl. Siebert 1994: 67). Demzufolge wurden primär EDV-Kurse, Umschulungskurse sowie Kurse zur psychosomatischen Gesundheitsförderung angeboten. Die Bildungseinrichtungen der DDR entwickelten sich als Ventilfunktion, um Versorgungsengpässe aufzufangen, und als Plattform zur Kritik der Einschränkung von individuellen Rechten und Widersprüche des DDR-Sozialismus (vgl. Siebert 1994: 70). Die 1990er-Jahren wurden von den Folgen der Vereinigung geprägt. Das DDR-Bildungssystem und die Erwachsenenbildung wurden aufgelöst und nach westdeutschem Vorbild umstrukturiert. Die Erwachsenenbildung entwickelte sich zunehmend in der Abhängigkeit der Finanzierung von staatlichen Zuschüssen. Sie verlor an Eigenständigkeit und wurde Teil der Gesundheitsförderung, der Arbeitsmarktpolitik, des staatlichen Krisenmanagements und des Freizeit- und Kulturbetriebes. Zentrales Kernthema der postmodernen Erwachsenenbildung ist die Wirkungsmessung, um Qualitätsstandards und Qualitätssicherung zu gewährleisten. Dennoch gibt es kaum selbstständige erwachsenenpädagogische Forschung, sondern häufig kurzweilig finanzierte, wissenschaftlich begleitete Modellprojekte. Die Erwachsenenbildung ist bis heute verstärkt in verschiedenen Berufszweigen etabliert, allerdings insgesamt nicht professionalisiert (vgl. Siebert 1994: 76).
Der Weiterbildungsbereich erreicht in Deutschland inzwischen mehr Menschen als jeder andere Bildungsbereich. Dieses zeigen die Ergebnisse des Adult-Education-Survey-Trendberichts: „Im Jahr 2016 haben 50 % der 18- bis 64-Jährigen an Weiterbildung teilgenommen. Dieser Wert bestätigt die seit dem Jahr 2012 beobachtete Phase der Konsolidierung auf vergleichsweise hohem Niveau“ (BMBF 2017: 4). Hingegen sind öffentliche Ausgaben im Weiterbildungssektor stetig zurückgegangen. Dies zeigt sich auch darin, dass die öffentlichen Ausgaben in der Weiterbildung bundesweit um 41 % gesunken sind. Auf der anderen Seite sind die Ausgaben für den allgemeinbildenden schulischen Bereich 1995 und 2012 um mehr als ein Drittel gestiegen (vgl. Schäfer 2017: 11). Wenn politisch Verantwortliche der Weiterbildung keine Bedeutsamkeit zuschreiben, kann es passieren, dass der Weiterbildungssektor zunehmend an Bedeutung verliert. Erwachsenenbildung wird heute das genannt, was insbesondere im 19. Jahrhundert unter Volksbildung verstanden wurde (vgl. Nolda 2015: 10). Viele Bildungsinstitutionen trugen Namen wie zum Beispiel Volksbibliotheken oder die Volkshochschule, die auch heute noch unter dieser Bezeichnung bestehen. In der Weimarer Republik setzte sich der Begriff der Erwachsenenbildung durch und wurde neben dem Begriff der Volksbildung verwendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Volksbildung durch Erwachsenenbildung ersetzt (vgl. Nolda 2015: 10). Erstmals stand der Erwachsene mit seinen Bildungsbedürfnissen im Vordergrund und eine deutliche Differenzierung zwischen der Bildung von Kindern und der Bildung von Erwachsenen musste vorgenommen werden. Eine allgemeingültige und anerkannte Begriffsbestimmung von Erwachsenenbildung gibt es demnach nicht. Der Lernende steht mit seinem Lerninteresse im Fokus von Lernangeboten in der Erwachsenenbildung. Der Begriff Erwachsenenbildung impliziert das institutionell organisierte und das nicht organisierte Lehren und Lernen Erwachsener sowie die allgemeine und berufsbezogene Bildung. Erwachsenenbildung ist heute fest im Bildungssystem mit seinen Institutionen und der alltäglichen Arbeit verankert, die den gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen Ausdruck verleiht (vgl. Arnold et al 2017: 10). In der Zeit der realistischen Wende hat sich der Begriff Weiterbildung durchgesetzt. Die Bundesregierung verabschiedete 1970 den Bildungsbericht 70, in dem die Weiterbildung in den Mittelpunkt gerückt wurde. In der gleichen Zeit verfasste der Bildungsrat einen Strukturplan mit dem Ziel, den Begriff der Erwachsenenbildung abzulösen und durch Weiterbildung zu ersetzen (vgl. Siebert 1994: 63). „Der Begriff der ständigen Weiterbildung schließt ein, daß das organisierte Lernen auf spätere Phasen des Lebens ausgedehnt wird und daß sich die Bildungsmentalität weitgehend ändert. Die traditionelle Vorstellung von zwei Lebensphasen, die ausschließlich und voneinander getrennt entweder mit der Aneignung oder mit der Anwendung von Bildung zusammenfallen, wird abgelöst durch die Auffassung, daß organisierte Lernen sich nicht auf eine Bildungsphase am Anfang des Lebens beschränken kann“ (Deutscher Bildungsrat 1970: 51). Demzufolge entwickelt sich Weiterbildung immer im Kontext mit dem aktuellen gesellschaftlichen Wandel und gibt diesem durch Weiterbildungsangebote auf der gesellschaftlichen und individuellen Ebene Ausdruck. Unter Weiterbildung wird häufig die Eingrenzung auf die Vermittlung berufsrelevanten Wissens verstanden (vgl. Nolda 2015: 16). In den 1990er-Jahren wurde in Deutschland die Vorstellung des lebenslangen Lernens in bildungspolitischen Diskussionszusammenhängen betrachtet. Seit 1995 stehen das Thema der Kompetenzorientierung und des lebenslangen Lernens im bildungspolitischen Fokus. (vgl. Arnold et al. 2017: 16). Zur Diskussion und Auseinandersetzung haben politische Organisationen wie die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) sowie die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development), der Europarat und die Europäische Union beigetragen. Auf politischer Ebene sollte durch das lebenslange Lernen ein effizientes und flexibles Bildungssystem geschaffen werden. Demnach finden sich Aussagen zur allgemeinen und beruflichen Bildung im Weißbuch der Europäischen Kommission von 1995 und im Memorandum der Kommission europäischer Gemeinschaften im Jahr 2000 (vgl. Schäfer 2017: 20).
Die EU definiert lebenslanges Lernen wie folgt als „alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen, bzw. beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001: 9).
Die Begriffe lebenslanges Lernen und Entgrenzung werden als Bewältigungsstrategien für gesellschaftliche Umbruchprozesse verwendet. Umbruchprozesse aufgrund von Individualisierung der Lebenswege, Flexibilisierung in der Arbeitswelt und Globalisierung der Wirtschaft zeigen aktuelle Entwicklungstrends auf, die für das Individuum zur Entgrenzung führen. Mit Entgrenzung werden Prozesse der Verschiebung von Grenzen bezeichnet, die nicht zur Auflösung von Grenzen, sondern zur Neuordnung von Grenzen führen. Die Fähigkeit des reinen Wissenserwerbs könnte für diese Umbruchprozesse nach einigen Jahren nutzlos sein, stattdessen muss die Fähigkeit zur Lebensbewältigung und Zukunftsgestaltung erworben werden (vgl. Dieckerhoff 2014: 78). Während auf europäischer Ebene über das lebenslange Lernen und über die sozialpolitischen Zusammenhänge diskutiert wird, konzentriert sich die Bildungslandschaft in Deutschland auf die Begriffe Weiterbildung und Erwachsenenbildung.
Im Folgendem wird der Begriff „Erwachsenenbildung“ verwendet, um Lernen insbesondere der Altersgruppe der Erwachsenen zu beschreiben und von dem Lernen von Kindern und Jugendlichen abzugrenzen. Die Gründe, warum immer mehr Erwachsene sich stetig weiterbilden müssen, werden in Kapitel 2.3 differenziert beleuchtet. Im nächsten Kapitel folgt eine Begriffsbestimmung von Methodik und Didaktik in der Erwachsenenbildung.
2.2 Begriffsbestimmung: Didaktik und Methodik
„Didaktik ist der Begriff für die Lehre des Unterrichts bzw. der pädagogischen Interaktion – er kommt aus dem Griechischen (‚didaskein‘) und findet seit dem 19. Jahrhundert vermehrt in den Erziehungswissenschaften Anwendung“ (Arnold et al. 2017: 113). Die Didaktik bezieht sich auf die Lern- und Bildungsprozesse, die von einem Lehrenden planvoll gesteuert werden. Der Lehrende versucht, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Bildung für den Lernenden gelingen kann. Didaktik gestaltet sich demnach planvoll, absichtsvoll und organisiert bei Veranstaltungen zwischen einem Lehrenden und mindestens einem Lernenden in einem wechselseitigen Interaktionsprozess (vgl. Faulstich/Zeuner 2010: 27). Wie die Didaktik vom Lehrenden gestaltet wird, hängt von vielen Faktoren wie zum Beispiel dem Thema, der Auswahl von Methoden, den Lernenden und den Vorerfahrungen, der eigenen Haltung usw. ab. Aus diesem Grund kann es ein Zuviel oder ein Zuwenig an Didaktik geben. Zu viel Didaktik kann zum Beispiel entstehen, wenn der Lehrende ein Thema zu stark vorstrukturiert. Sobald die Vorstrukturierung von Lernstoff in eine gewisse Richtung gelenkt wird und dazu die Erfahrungsmöglichkeiten von vornherein aus dem Weg geräumt werden, führt diese Art Didaktik dazu, dass die Lernenden thematisch wenig mitnehmen. Andererseits kann es ein Zuwenig an Didaktik zum Beispiel dann geben, wenn alles nur noch selbstgesteuertes Lernen ist, jeder seine eigenen Erfahrungen machen darf und sich die Inhalte selbst erschließen soll; dann können das Lernen und das Lernthema beliebig werden. Dieses kann auch schnell zu Demotivation unter den Lernenden führen (vgl. Terhart 2009: 9). Der Einsatz von Didaktik liegt in der richtigen Dosierung. Hierbei muss eine Dosierung genutzt werden, die sich an der Situation, der Zielgruppe und den Aufgaben orientiert. Um Inhalte adäquat vermitteln zu können, müssen Lehrende sich an den Bedürfnissen der Lernenden orientieren. Die Bildungsbedürfnisse sollten im Mittelpunkt von didaktischem Handeln stehen. Es braucht den Wunsch zu lernen, ohne Lernmotivation und Lernwillen kann sich kein kontinuierlicher Lernprozess etablieren (vgl. Siebert 2009: 65). Dementsprechend wird das gelernt, was als bedeutsam und relevant für die eigene Praxis erscheint. Didaktisches Handeln setzt primär eine hohe Kompetenz der Lehrenden voraus, worunter sich neben persönlichen Eigenschaften und einem großen Methodenkoffer auch die Fachkompetenz verbirgt. Methodenexperten ohne Fachkompetenz vermitteln genauso wie Experten in einem bestimmten Gebiet ohne Methoden kein Wissen. Dennoch stellen die einen wie auch die anderen in der Erwachsenenbildung die Ausnahme dar und für die Mehrheit der Erwachsenenbildner sollte didaktisches Wissen und erwachsenenpädagogische Professionalität Normalität werden (vgl. Siebert 2009: 11). Vom Lehrenden werden insbesondere didaktische Rahmenbedingungen geschaffen, die dazu einladen, sich mit einem Lerngegenstand auseinanderzusetzen, um eine persönliche und positive Beziehung zum Lernen zu entwickeln. Die Aufgabe einer Lehrperson ist, Lernen so zu vermitteln, dass der Lernende im Aneignungsprozess des Lerngegenstandes unterstützt und gefördert wird (vgl. Faulstich/Zeuner 2010: 27). In diesem Zusammenhang ist die Wahl von Methoden bedeutsam, um verschiedene Zugänge zum Lerngegenstand zu vermitteln. „Methoden beschreiben den Prozess der Vorgehensweise bei der Bewältigung einer Aufgabe. Das ist sozusagen ihre klassische Funktion. Sie entspricht der wörtlichen Übersetzung des griechischen Wortes ‚methodos‘, das mit ‚Weg nach‘ übersetzt werden kann“ (Mattes 2011: 10).
Bedeutsam bei der Wahl und der Häufigkeit bei dem Einsatz von Methoden ist, dass immer noch der Lerngegenstand im Fokus steht und die Methode als Nebeneffekt das richtige Mittel für die Aneignung des Lernstoffes verstanden wird. Es lassen sich drei Methodengruppen zuordnen:
1. Methoden mit der Funktion für die Vermittlung und Präsentation von Inhalten,
2. Methoden mit der Funktion des gemeinsamen Erlebens und dem Schwerpunkt der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernende und der Interaktion zwischen den Lernenden,
3. Methoden mit der Funktion auf der individuellen Ebene, Inhalte in Einzelarbeit, in Lerngruppen durch das Einüben und Trainieren zu festigen (vgl. Kuypers/Leydendecker 1982: 22).
Als Methoden gelten in der Erwachsenenbildung zum Beispiel Diskussion, Gruppenarbeit, Rollenspiel, Feedbackrunden und Brainstorming. Die Diskussion darf jeden Teilnehmemenden dazu anregen, mitzudenken, abzuwägen und unterschiedliche Argumente auszutauschen. Der Erfahrungsschatz von Erwachsenen bereichert die Argumentation des anderen und trägt zum Entscheidungsprozess bei. Eine Diskussion muss vom Lehrenden geführt, geleitet und gelenkt werden. Die Methode kann als Redetraining oder Argumentationstraining und zur Lösung von Problemen eingesetzt werden. Die Gruppenarbeit dient dazu, eine Aufgabe oder einen Teilaspekt in einer Gruppe von mindestens zwei Personen zu bearbeiten und zu lösen und die Ergebnisse danach der gesamten Klasse vorzustellen. Gruppenarbeit aktiviert Seminarteilnehmer zum selbstständigen Arbeiten, zur Konzentration und dazu, sich aufeinander einstellen. Dieses fordert, sich einzubringen, aber auch zurückzunehmen. Im Vorfeld sollte eine Gruppenarbeit vom Lehrenden gut vorstrukturiert sein. Auch Regeln sind mit der Gruppe zu erarbeiten, um eine produktive Arbeitsweise zu gewährleisten (vgl. Kuypers/Leydendecker 1982: 26 f.). Der Einsatz von Rollenspielen wird sehr unterschiedlich betrachtet. Rollenspiele können eingesetzt werden, um sich zum Beispiel auf Gesprächssituationen wie ein Bewerbungsgespräch oder eine Prüfung vorzubereiten. Es kann einem Teilnehmenden dabei helfen, Sicherheit für eine bestehende Situation zu bekommen, und dient dazu, Wissen und Übungen zu proben und somit zu festigen. Für Rollenspiele werden die Rahmenbedingungen von der Lehrkraft strukturiert festgelegt und darauf geachten, dass eine positive Gruppendynamik herrscht, damit Teilnehmende sich auf diese Methode einlassen können. Feedbackrunden können zum Beispiel zu Beginn des Unterrichts und zum Abschluss oder nach dem Einsatz von Methoden eingesetzt werden, um zu evaluieren, wie es der Person zum Beispiel mit der Gruppenarbeit ging. Eine Feedbackrunde zu Beginn des Tages kann so mit der Fragestellung eingeleitet werden: „Wie geht es Dir heute und welche Erwartungen hast Du an den Tag?“ Dadurch würde man Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der emotionalen und kognitiven Ebene abholen und Erkenntnisse zur Tagesgestaltung sammeln. Feedbackrunden können auch zur biografischen Reflexion eingesetzt werden oder einfach als Rückmeldung zur Seminargestaltung für den Lehrenden dienen. Brainstorming oder auch Brainwriting sind Kreativitätsmethoden, um sich einem Thema oder einem Problem intensiv zu widmen und Lösungen zu finden. Der Kreativität und Spontanität sind hier keine Grenzen gesetzt. Jeder Vorschlag und jede Idee sind erlaubt und frei von jeder Bewertung. Zum Schluss werden alle Lösungsmöglichkeiten angeschaut und es wird sich auf eine Lösung geeinigt (vgl. Kuypers/Leydendecker 1982: 28). In den letzten Jahren sind noch viele weitere Methoden hinzugekommen. Methoden in der Erwachsenenbildung werden durch den kompetenzorientierten Unterricht fokussiert. In der Erwachsenenbildung hat die Diskussion um die richtige Methode und den Einsatz von Methoden, um Inhalte und Lernziele optimal zu vermitteln, lange Tradition. In der Erwachsenenbildung werden didaktische und methodische Entscheidungen immer im Gesamtzusammenhang der Lerngruppe und jedes einzelnen Lernenden und dessen Einflussfaktoren betrachtet. Einflussfaktoren sind zum Beispiel: Motivationen, Interessen sowie sozial-kulturellen Bedingungen und auch zeitlichen Ressourcen. Der Einsatz und die Wahl von Didaktik und Methodik sind für die Zielsetzung in Bezug zu dem Lernprozess in der Erwachsenenbildung umso erfolgreicher, je mehr der Lernende an seinem eigenen Lernprozess partizipieren kann und sich mit den Inhalten und Methoden identifiziert (vgl. Kuypers/Leydendecker 1982: 43). Im folgenden Kapitel wird ein Überblick über die Lernvoraussetzungen von Erwachsenen gegeben. Im Fokus dieses Kapitels steht insbesondere die Fragestellung: Was zeichnet die Lernvoraussetzungen von Erwachsenen aus?
2.3 Lernvoraussetzungen im Erwachsenenalter
In diesem Kapitel wird sich mit den Lernvoraussetzungen im Erwachsenenalter auseinandergesetzt. Im ersten Schritt wird der Frage nachgegangen: Wann beginnt die Lebensphase „Erwachsenenalter“? Eine deutliche Skizzierung des Erwachsenenalters anhand einer Jahreszahl kann nicht vorgenommen werden, da das Erwachsenenalter durch entsprechende Entwicklungen und Kennzeichen ständigen Veränderungen und Entwicklungen ausgesetzt ist. Wenn von Erwachsenenalter gesprochen wird, impliziert dieses auch die Kindheit und Jugendzeit, da ein Erwachsener die gesamte Entwicklung und damit den Lebenslauf in sich trägt.
Erwachsensein kann gesehen werden als:
- Zustand von körperlicher Reife
- Stabilität von Verhaltens-, Erlebens-, Denk- und Lernformen
- Umgang mit der Kindheit und dem Alter
- Übernahme verschiedener Rollen wie z. B. Partnerschaft, Elternschaft
- Erwerb von Pflichten und Rechten
- Erwerbstätigkeit und wirtschaftliche Selbstständigkeit (vgl. Faulstich/Zeuner 1999: 36)
Erwachsene bringen diese und viele weitere verschiedene und differenzierte Voraussetzungen mit in die Erwachsenenbildung. Diese Voraussetzungen prägen die Lernfähigkeit im Erwachsenenalter und sind ausschlaggebend für Lernleistungen und Interesse an dem jeweiligen Lerngegenstand. Lehren und Lernen stehen mit der Persönlichkeit beider Personengruppen im Kontext von kognitiven, emotionalen und motivationalen Fähigkeiten (vgl. Roth 2015: 37). Ein Erwachsener bringt seine Persönlichkeit und sein eigenes Selbstbild mit, das sich im Laufe der Jahre entwickelt hat. Dieses Selbstbild kann zum Beispiel durch Schulerfahrungen positiv oder negativ geprägt sein. Zum einen gibt es die sog. Lernmüdigkeit, die aus negativen Vorerfahrungen aus der Schule resultiert und verarbeitet werden muss. Zum anderen bestehen Lernschwierigkeiten, wenn überhaupt nicht nachvollzogen werden kann, warum diese Inhalte gelernt werden müssen. Ein Erwachsener hält das Lernen für sinnlos, wenn er es nicht in seinem Leben anwenden kann (vgl. Faulstich/Zeuner 1999: 37).
Erwachsene lernen, wie es ihnen als Kind vermittelt worden ist, mit dem entsprechenden Lernverhalten und den bekannten Lernstrategien. Demzufolge ist das Lernen im Erwachsenenalter ein Anschlusslernen an bereits gemachte Erfahrungen und eine Erweiterung sowie Differenzierung des bereits Gelernten. Soziokulturelle und biografische Bedingungen spielen eine größere Rolle als das aktuelle biologische Alter. Die Herangehensweise an Lernthemen, die Lernstile und Lerninteressen werden von den biografischen Erfahrungen, den soziokulturellen Milieus, den beruflichen Anforderungen und der familiären Situation beeinflusst. Bereits gemachte Lernerfahrungen und Gewohnheiten sind Teil der eigenen Identität und deshalb schwer umzulernen, denn genau diese Gewohnheiten implementieren eigene Einstellungen, Werte und Weltanschauungen. Aus diesem Grund ist die eigene Wirklichkeitskonstruktion im Alter manifestiert und es kann besonders das gelernt werden, was anschlussfähig ist und die eigene Wahrnehmung bestätigt und stabilisiert. Wenn das Wissen dann auch als wichtig empfunden und als neuwertig bewertet wird, denken Erwachsene im Sinne des eigenen Nutzens und es wird besonders gut angenommen.
„Da jede/r andere biografische Erfahrungen, Vorkenntnisse und Interessen in ein Seminar mitbringt, entsteht auch bei jedem Teilnehmer ein besonderes ‚curriculum‘. Zwar sind die meisten Teilnehmenden für neues Wissen aufgeschlossen, aber aus diesem Wissensangebot wird dasjenige ausgewählt, was verständlich, viabel und anschlussfähig erscheint“ (Siebert 2012: 79).
Die meisten Erwachsenen sind allerdings überaus glücklich, wenn sie nach ihrer Schul- und Ausbildungszeit nicht mehr lernen müssen, denn mit Schule gibt es zumeist negative Assoziationen wie zum Beispiel Öde, Langweile, Pauken und Ängste, die Prüfung nicht zu bestehen (vgl. Arnold 2015: 18). Diese negativen Erfahrungen wurden im Gehirn abgespeichert und werden mit Auftreten ähnlicher Situationen und neuen Erfahrungen abgeglichen. Wenn ein Erwachsener einen Weiterbildungskurs besucht, werden Erinnerungen an Bilder, Gerüche und die damit zusammenhängenden Emotionen wach und es kann passieren, dass dieser Erwachsene in alte Denk- und Verhaltensmuster zurückfällt. Damit dieses nicht geschieht, sollte das Lernen so gestaltet werden, dass Lernende einen bedeutsamen emotionalen Bezug zum Lerngegenstand schaffen können. Alles, was einem Menschen im Laufe seines Lebens als bedeutsam erscheint, das unter die Haut geht und die individuellen Bedürfnisse erfüllt, ist emotional aufgeladen und wird als wichtig angesehen. Können Bedürfnisse nicht gestillt werden oder eigene Erwartungen mit der Realität nicht übereinstimmen, entsteht Unruhe. Die eigene Biografie und das Lernverhalten liegen deshalb nahe beieinander. Der Biografieverlauf eines Erwachsenen muss somit berücksichtigt werden.
Das Lernen eines Menschen steht im Kontext mit seinem physischen und psychischen Zustand. Genau dieser physische und psychische Zustand eines Menschen kann über Erfolg und Misserfolg in der Erwachsenenbildung entscheiden. Wenn ein Erwachsener eine körperliche oder geistige Erkrankung hat und eventuell unter Dauerschmerz leidet, kann dieses Auswirkungen auf die Konzentration und somit auf die Lernleistung haben. Weitere Lernvoraussetzungen stellen auch die genetischen Bedingungen und eine eventuell vorhandene Begabung dar. Die Lernfähigkeit eines Erwachsenen kann weiterhin von der Schulbildung, den Bezugspersonen, mit denen ein Mensch aufgewachsen ist (Lernen am Modell), oder dem Milieu abhängig sein. Das Individuum steht mit der Umwelt in Verbindung und wird durch diese individuellen Erfahrungen zu einer Persönlichkeit. Um sich zu einer stabilen Persönlichkeit zu entwickeln, bedarf es innerpsychischer Prozesse, Verhaltensweisen, Lernphasen und Motivationen sowie der Interaktion und Spiegelung durch die Umwelt (vgl. Tillmann 1996: 35). Durch diese Sozialisationsprozesse wird ein Mensch zu einer Persönlichkeit und das eigene Selbstkonzept entsteht. Auf die Entwicklung des Selbstkonzepts im Zusammenhang mit Lernen wird in Kapitel 2.4 näher eingegangen. Das Lernen von Erwachsenen wurde auch von dem US-amerikanischen Erwachsenenbildner Malcolm Knowles (1913–1997) zu dem Lernen von Kindern differenziert. Angelehnt an Knowles ist das Lernen von Erwachsenen folgendermaßen gekennzeichnet:
- Erwachsene wollen wissen, warum sie was lernen
- Erwachsene wollen selbstgesteuert lernen
- Lernbereitschaft ist ausgerichtet auf das eigene Leben
- Das Lernen bezieht sich auf Probleme und deren Zusammenhänge und Lösungen
- Lernen ist intrinsisch und nutzenorientiert (vgl. Nolda 2015: 85)
Aus diesem Grund sind Seminare in der Erwachsenenbildung häufig an den Kennzeichen lernender Erwachsener orientiert und in der Didaktik und Methodik selbstgesteuert aufgebaut. Wie viel Übung ein Mensch in einem spezifischen Thema hat und welche Interessen sich im Laufe des Lebens herausgebildet haben, kann ebenfalls die Lernbereitschaft und Lernmotivation beeinflussen. Des Weiteren können der gegenwärtige Beruf und auch die Hobbys eine zentrale Bedeutung einnehmen, wenn es darum geht, sich Lernstoff aneignen zu wollen. Welche Zukunftspläne der Mensch verfolgt und welche Ziele und Vorstellungen er fokussiert, beeinflusst die eigene Motivation. Grundsätzlich stellt sich, wenn es um die Lernvoraussetzungen im Erwachsenenalter geht, die Frage, ob der Erwachsene aus eigenem Antrieb oder von außen gesteuert in die Erwachsenenbildung kommt. In der Motivationspsychologie wird zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation differenziert. Intrinsische Motivation bedeutet, aus eigenem Antrieb heraus etwas lernen und sich aneignen zu wollen, extrinsische Motivation dagegen, dass die Motivation durch die Umwelt gesteuert und durch die Umwelt beeinflusst ist. Auch Gerald Hüther beschreibt, dass eine der größten Lernvoraussetzungen davon abhängig ist, was für den Menschen Bedeutung hat. Dementsprechend wird Lernprozessen eine Bedeutsamkeit durch die subjektive Sichtweise zugeschrieben. Gelernt werden kann aus diesem Grund nur das, was auch als bedeutsam angesehen wird. Mit welchen Motiven ein Erwachsener in die Erwachsenenbildung kommt, ist entscheidend für den individuellen Lernerfolg. Das Motiv vieler Erwachsener ist nicht freiwillig, sondern den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen geschuldet.
Berufliches Leben wird immer weniger planbar. Brüche, Umschulungen, Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Stellen in fremden Ausbildungsberufen werden zunehmen und zur Normalität. Einen festen Arbeitsplatz zu haben, wird zu einem wichtigen Gut. Die Konzentration einer ungleichen Verteilung von wirtschaftlicher Macht hat die Lebenschancen von Menschen verringert. In Zeiten des Finanzkapitalismus hat sich diese Situation noch verschärft. Das bedeutet für viele Menschen, dass sie sich weiterbilden, noch einmal studieren oder eine weitere Berufsausbildung absolvieren müssen. Die Investition in das Humankapital bietet für den Erwachsenen heute die einzige Chance, die Arbeitskraft flexibel anzubieten, und eine realistische Möglichkeit einen Platz auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Durch die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt, zum Beispiel prekäre Beschäftigungsverhältnisse, entsteht immer mehr der Wunsch nach Selbstverwirklichung. So nimmt die normale Erwerbsarbeit ständig ab und es entstehen neue Formen, um Einkommen zu erzielen. Viele Menschen befinden sich dadurch in sozial riskanten Lebenslagen, aus denen sie alleine nicht wieder herauskommen. Die geforderte Flexibilität kann dazu führen, dass ein Mensch durch seine Arbeit sein soziales Umfeld verlassen oder in eine Gegend ziehen muss, wo die Mieten in Relation zum Verdienst viel zu hoch sind. Das kann auch zu Anonymität und sozialer Isolation führen. Noch nie waren Entscheidungen in Beruf und Arbeit so stark an Erfolg oder Misserfolg gebunden. Aufgrund dieser Entscheidungen und des damit verbundenen Verlusts von Nahbeziehungen, Bindungen und Freundschaften entstehen immer mehr psychische und physische Probleme. „Die Krisen, Ambivalenzen, Ungewissheiten, Risiken des Lebens in unserer Zeit machen permanente Lern- und Veränderungsprozesse im Erwachsenenalter unvermeidlich“ (Siebert 2012: 15). Aus diesen Gründen wird das lebenslange Lernen davon geprägt sein, dass gesellschaftliche Prozesse durch die Individualisierung, Globalisierung und Digitalisierung ständigen Veränderungsprozessen ausgesetzt sind. Erwachsene können diesen Veränderungen durch Neulernen, Umlernen und ständige Weiterbildung begegnen. Im nächsten Kapitel wird differenziert das Thema Selbstkonzept eines Erwachsenen bezogen auf eigene Lernleistungen betrachtet.
2.4 Selbstkonzept im Erwachsenenalter
In den folgenden Ausführungen soll das Selbstkonzept des Menschen im Zusammenhang mit der Lernfähigkeit näher betrachtet werden. In der Selbstkonzeptforschung gibt es keine allgemeingültige Definition von Selbstkonzept. Aus diesem Grund werden hier einige Definitionsversuche und Begriffsbestimmungen vorgestellt, miteinander verglichen und diskutiert. Das Selbstkonzept besteht aus der Selbstwahrnehmung, den kognitiven Fähigkeiten und dem Wissen darum, was die eigene Person ausmacht. Dazu gehören die eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten, die der Mensch besitzt, sowie Interessen, personenbezogene Verhaltensweisen und Neigungen (vgl. Lohaus/Vierhaus 2015: 181). Das Selbstkonzept ist die Summe der vielfachen Erfahrungen eines Menschen innerhalb seiner Biografie mit sich selbst, über sich, wie er lebt, wer er ist, was er denkt, was er kann und was er nicht kann. Aus diesem Grund wird deutlich, dass die Entwicklung des Selbstkonzeptes auf der Basis einer Vielzahl von eigenen Erfahrungen des Individuums beruht. In der Definition nach Helga Schachinger wird der Schwerpunkt auf die Entwicklung des Selbstwertgefühls gelegt, das aufgrund der Beurteilung individueller Selbstbilder entsteht. Des Weiteren geht Schachinger in ihrem Ansatz von der Annahme aus, dass der Mensch über mehr als ein Selbstkonzept verfügt: „Aus der Bewertung der individuellen Selbstbilder (Selbstkonzepte) ergibt sich das Selbstwertgefühl einer Person. Die Innen(an)sicht einer Person ist das Resultat aus Nachdenken und Reflektieren über das eigene Selbst“ (2005:28). Schachinger stellt die Reflexion der Person und des eigenen Selbst in den Mittelpunkt. Maßgeblich ist die eigene Wahrnehmung über das, was einen Menschen ausmacht, wer er ist, welche Vorlieben er hat, welche Eigenschaften, Fähigkeiten, Talente und Erfahrungen er besitzt und welche Denk- und Handlungsmuster das Selbst kennzeichnen, denn diese führen zu besonderen Verhaltensweisen und zu dem Leben, welches der Mensch führt. Nach Mummendey ergibt das Selbstkonzept die Gesamtheit der Einstellungen zur eigenen Person (vgl. 2006: 38). Die hier vorgestellten Sichtweisen haben gemeinsam, dass es sich bei dem Selbstkonzept um die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Kompetenzen sowie der eigenen Identität eines Menschen handelt. Das bedeutet, der Mensch nimmt seine Fähigkeiten wahr und entwickelt ein Bewusstsein von sich selbst. Dem eigenen Selbstkonzept und dem Konstrukt, das ein Mensch im Laufe seines Lebens über sich selber aufgebaut hat, entsprechend werden auch Lerninteresse, Motivation, Denken und Handeln im Kontext von Lernen geprägt.
Siebert fasst lernpsychologische Erkenntnisse aus der Erwachsenenforschung folgendermaßen zusammen:
1. „Korrelationen zwischen Alter und Lernleistung sind nicht ohne weiteres [sic!] ein Kausalzusammenhang. So beeinträchtigen Krankheiten, die im Alter häufig auftreten, gelegentlich die Lernfähigkeit, nicht aber das Alter selber.
2. Die Kompensationsthese besagt, dass ein Funktionsabbau durch eine Optimierung anderer Leistungen ausgeglichen werden kann. Eine abnehmende Gedächtniskapazität kann durch besondere ‚Lernsorgfalt‘ und Motivation kompensiert werden.
3. Die Motivation, für die die subjektive Bedeutsamkeit des Lerninhalts wichtig ist, beeinflusst maßgeblich die Lernleistung im Erwachsenenalter. Interesse ist eine Voraussetzung für nachhaltige Lernprozesse“ (2009:38).
Der Konstruktivismus bestätigt die biografischen Strukturen innerhalb der Weiterbildung und die daraus resultierende eigene Wirklichkeit, die sich jedes Individuum aufgrund der gesammelten Erfahrungen schafft (vgl. Siebert 2009: 39). In dieselbe Richtung geht die Neurobiologie, deren Erkenntnisse die Lernfähigkeit des Menschen bis ins hohe Alter bestätigen. Zahlreiche Studien zur Lernfähigkeit im Alter kommen zu dem Ergebnis, dass ein frühes Nachlassen der Lernfähigkeit nicht der Wahrheit entspricht (vgl. Nolda 2015: 84). Zu beachten sind allerdings die biografisch gewachsenen Strukturen eines Erwachsenen. Lernen ist ein stetiger Prozess, der ganzheitlich abläuft und im Erwachsenenalter die biografischen Muster und Erfahrungen einbezieht. Insbesondere prägen den Menschen die Erfahrungen, die er mit sich selbst im Kontext von Lernen gemacht hat. Daraus entstehen Selbstwirksamkeitserfahrungen und das Denken über das eigene Selbst. Kann ich mir Lernen zutrauen? Die eigene Identität in Bezug auf das Lernen wurde durch mehrfache Erfahrungen abgespeichert und bewehrt. Diese Emergenz des Lernens kann von außen durch Impulse unterstützt, aber nicht reguliert werden. Dementsprechend läuft Lernen als Erwachsener prinzipiell selbstgesteuert ab (vgl. Nolda 2015: 33). Da das Lernen insgesamt selbstgesteuert und durch Vorerfahrungen geprägt ist, kann dieses auf die Lernfähigkeit eines Erwachsenen und die Motivation, sich Lernstoff anzueignen, großen Einfluss haben. Lernen im Erwachsenenalter ist also nicht nur punktuell, spontan und situativ, sondern in die eigenen Biographie, die die Voraussetzung der eigenen Lernleistung sein kann, einbezogen. Wie ein Erwachsener lernt, hängt von den biografischen Erfahrungen und deren Verarbeitung im Selbstkonzept ab. Diesem Prozess kann durch Reflexion und lebenslanges Lernen vorgebeugt werden. Erwachsene können sich ändern, indem sie auf vorhandenem Wissen neues Wissen aufbauen, wenn sie motiviert sind oder sich immer wieder mit denselben Dingen beschäftigen und denselben Einflüssen ausgesetzt sind (vgl. Roth 2015: 37). Das Selbstkonzept eines Menschen bildet sich maßgeblich in der Kinder- und Jugendzeit. Ein bereits bestehendes Selbstkonzept ist schwer veränderbar und hat entscheidenden Einfluss auf das Lernverhalten von Erwachsenen in der Erwachsenenbildung. Aus der Sicht von erwachsenen Personen benötigen sie Stabilität, um die Persönlichkeit zu formen (vgl. Mummendey 2006: 108). Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema: „Wie Lernen im Erwachsenenalter gelingen kann“ findet im nächsten Kapitel statt.
2.5 Lerntheorien
„Wir definieren Lernen als den Prozess des Erwerbs von Wissen und/oder Sachkenntnis, Fähigkeiten oder Fertigkeiten, das heißt Expertise“ (Knowles 2007: 16). Lernen wird nach dieser Definition als Erwerb von Wissen, Sachkenntnis und Fähigkeiten sowie Fertigkeiten angesehen. Theorien über das Lernen versuchen, den Prozess und die Aneignung von Lernen noch differenzierter zu erläutern. In den folgenden Ausführungen werden in der Lerntheorie bedeutende lerntheoretische Konzeptionen vorgestellt. Bei den verschiedenen Arten des Lernens gehören die Habituation und die Sensitivierung zum nicht assoziativen Lernen und das klassische sowie operante Konditionieren oder die instrumentelle Konditionierung zum assoziativen Lernen. Neben diesen Lernformen bestehen noch weitere ganzheitliche und komplexere Lernformen wie zum Beispiel Imitation und Modelllernen sowie Lernen durch Einsicht. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Lernarten und deren Begründer sowie eine kurze Zusammenfassung der Inhalte.
Tabelle 1: Übersicht Lernarten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eigene Darstellung)
In den weiteren Ausführungen werden die einzelnen Lernarten detailliert ausgeführt:
Habituation und Sensitivierung
Habituation und Sensitivierung beruhen auf einer Neubewertung von Wahrnehmungsinhalten. „Bei der Habituation (Reizgewöhnung) beobachtet man eine Abnahme der Stärke der Reaktion auf einen wiederholt auftretenden, ‚gutartigen Reiz‘. So erschrecken beispielsweise die meisten Menschen bei Explosionen einzelner Feuerwerkskörper an oder vor Sylvester. Wenn dann aber das Neujahrsfeuerwerk um Mitternacht seinen Lauf nimmt, gewöhnt man sich schnell an den Lärm“ (Kandel et al. 2011: 675). Etwas hat sich entweder als harmloser oder als wichtiger als erwartet herausgestellt und diese Neubewertung stellt einen Lernvorgang dar, der mit einer Umstrukturierung von Nervennetzwerken einhergeht (vgl. Roth 2015: 104). Das Gehirn stellt fest, dass der Reiz keine Bedrohung darstellt, und ändert entsprechend die Reaktionsweise auf diesen Auslöser. „Das Gegenteil von Habituation ist Sensitivierung oder ‚empfindlicher werden‘: Etwas, das anfangs unauffällig war, erweist sich in seinen Folgen als wichtig im Sinne von vor- oder nachteilhaft“ (Roth 2015: 103). Menschen werden also aufmerksamer einer Sache gegenüber, konzentrieren sich und lenken ihre Wahrnehmung auf diese Sache. Die Reaktion wird sensibler: Sie beginnen eine Sache, der sie Bedeutung zuschreiben, selektiv wahrzunehmen. Das Gehirn differenziert die Reize, die auf Menschen wirken, in zum Beispiel wichtig und unwichtig. Das Gehirn gleicht mit Wissen, über das bereits verfügt wird, oder mit Erfahrungen, die bereits gemacht wurden, ab. Sinnesreize, die neu, bedrohlich, ungewöhnlich oder besonders auffallend sind, werden als besonders intensiv wahrgenommen. Eventuell müssen Menschen sich schützen, sich vielleicht in Sicherheit bringen, dementsprechend reagieren Gehirn und Körper mit Alarmbereitschaft. Wenn allerdings nichts Bedrohliches stattfindet, gewöhnt man sich allmählich an diesen Sinnesreiz und die Reaktion darauf lässt nach. Durch die wahrgenommenen Inhalte zieht das Gehirn Konsequenzen und vollzieht eine Neubewertung der Wahrnehmungsinhalte.
Klassische Konditionierung und operante Konditionierung
Bei der klassischen Konditionierung wird ein Zusammenhang zwischen einem konditionierten, also bedingten Reiz, der keine oder eine schwache Reaktion auslöst, und einem unkonditionierten und damit unbedingten Reiz hergestellt, der immer eine deutliche Reaktion zeigt. Vierhaus und Lohaus erklären, dass das Gehirn bei einer Kombination aus dem neutralen Reiz und dem Auslösereiz eine Reiz-Reaktions-Verbindung eingeht, die auf dem Verhaltensrepertoire beruht (2015:16). Wenn zum Beispiel eine Mutter ihr Baby mit der mütterlichen Brust (unkonditionierter Auslösereiz) stillen möchte, zeigt der Säugling eine Saugreaktion (unkonditionierte Reaktion). Führt man nun einen neutralen Reiz hinzu, zum Beispiel einen Glockenton im Kontext mit dem unkonditionierten Auslösereiz, also der mütterlichen Brust, dann wird der neutrale Reiz zu einem konditionierten Reiz, der die Saugreaktion ebenfalls auslöst. Der Säugling fängt bereits an zu saugen, wenn er den Ton der Glocke hört. Das Gehirn ist in der Lage, Ursache und Wirkung miteinander in einen Zusammenhang zu bringen. Hingegen geht es bei der operanten Konditionierung um das Erlernen neuer Verhaltensweisen. Das operante Konditionieren verstärkt zum Beispiel ein zufällig auftretendes Verhalten in Form von Belohnung oder Lob. Durch die Reaktion will die Umgebung erreichen, dass die Auftrittswahrscheinlichkeit erhöht wird. Das Individuum, das vorher das zufällige Verhalten gezeigt hat und daraufhin zum Beispiel gelobt wurde, möchte nun häufiger ein Lob und folglich eine Verstärkung bekommen und zeigt das Verhalten häufiger. Unterschieden wird in primäre und sekundäre Verstärker, wobei die primären Verstärker Konsequenzen eines Verhaltens sind, die ohne Lernprozess verstärkend wirken, zum Beispiel sind die Nahrungsaufnahme oder Geborgenheit und Zärtlichkeit angeborene Grundbedürfnisse. Die sekundären Verstärker sind, wie bereits beschrieben wurde, Konsequenzen, die durch wiederholtes Auftreten mit primären Verstärkern erst zu Verstärkern werden, zum Beispiel Lob und Belohnung. Grundsätzlich werden vier Formen von Verstärkern unterschieden:
- Materielle Verstärker wie zum Beispiel Spielsachen, Süßigkeiten, Geld
- Soziale Verstärker wie zum Beispiel Lob, Anerkennung
- Aktivitätsverstärker wie zum Beispiel beliebte Tätigkeiten wie Filme sehen, Ratespiele, Fußball spielen
- Informative Verstärker wie zum Beispiel Informationen über die Erreichung eines Ziels, die richtige Lösung einer Mathematikaufgabe (vgl. Edelmann/Wittmann 2012:78)
Das wichtigste pädagogische Prinzip bei dem Einsatz von Verstärkern ist die unmittelbare Konsequenz und damit der Einsatz eines Verstärkers auf das gezeigte Verhalten. Somit kann der Lernende den kausalen Zusammenhang besser nachvollziehen und die Wirkung des Verstärkers kann sich günstiger entfalten.
Imitation & Modelllernen
Unter Imitation und Modelllernen werden verschiedene theoretische Ansätze verstanden, die die wichtigste Lernform – die sozial-kognitive – von Albert Bandura darstellt. Für diese Theorien werden auch Formulierungen wie Beobachtungslernen, Nachahmungslernen, Vorbildlernen oder stellvertretendes Lernen synonym verwendet. Das Modelllernen stellt eine schnelle Art der Übernahme von Verhaltensweisen anderer dar. Generell ahmen Menschen nicht jedes Verhalten anderer nach. Deshalb muss das Modell eine Bedeutung für den Beobachter haben, damit dieser neue Verhaltensweisen übernimmt. Modelle können für Menschen in unterschiedlichsten Kombinationen auftreten. Erwachsene können auch andere Erwachsene als Modell haben. Es gibt reale Modelle und symbolische Modelle wie zum Beispiel Medien, Filme, Bücher usw. Zwischen einem Modell und einem Beobachter entstehen verschiedene Prozesse, die nach Bandura und Walters in folgende Lerneffekte unterschieden werden: modellierender Effekt, enthemmender und hemmender Effekt sowie auslösender Effekt. Bei dem modellierenden Effekt übernimmt der Beobachter Verhaltensweisen, die er vorher noch nicht besaß. Beim enthemmenden und hemmenden Effekt können bereits vorhandene Verhaltensweisen in Zukunft leichter auftreten, zum Beispiel durch Belohnung, oder unerwünschte Verhaltensweisen unterdrückt werden. Bei dem auslösenden Effekt wird eine Verhaltensweise, die der Beobachter vor dem Erscheinen des Modells gelernt hat, beim Auftreten des Modells gezeigt (vgl. Edelmann/Wittmann 2012: 165). Aus neurobiologischer Sicht wird das Modelllernen als Aspekt der sozialen Anpassung und auch der aktiven Genveränderung gesehen. Erfahrungen mit anderen Menschen verändern die neuronale Architektur des Gehirns. Die Neurobiologie konnte auch deutlich feststellen, dass die Spiegelneuronen die Grundlage für das Lernen am Modell sind:
„Spiegelneurone sind es auch, die dafür verantwortlich sind, dass wir Aufgaben umso besser ausführen können, je häufiger wir zunächst beobachten können, wie sie ausgeführt werden. Eine jüngst unter Beteiligung der Düsseldorfer Neurobiologen Zilles und Freund durchgeführte Studie konnte klar nachweisen: Spiegelneurone sind die neurobiologische Basis für das Lernen am Modell“ (Bauer 2009: 54).
Zusammenfassend lässt sich aufzeigen, dass die Lernarten, durch die auch Erwachsene in der Erwachsenenbildung lernen, durch die Grundlagen der Neurobiologie und die beschriebenen Erkenntnisse im kausalen Zusammenhang stehen. Ein Seminarkonzept kann demnach die Lernarten einbeziehen und implementieren. So können zum Beispiel Reizreaktionen wie zum Beispiel der Reiz Musik durch ein bestimmtes Lied mit Lernstoff oder einer bestimmten Übung in Verbindung gebracht werden und somit zu dem Lernstoff eine positive Assoziation schaffen. Das operante Konditionieren kann Teilnehmerinnen und Teilnehmer extrinsisch unterstützen und motivieren, indem man die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine gelungene Sache immer wieder lobt oder nach einer bestimmten erfolgreichen Übung belohnt. Das Modelllernen ist für die Seminargestaltung sehr bedeutsam. Ein Seminarleiter und Seminarleiterinnen sollte im Verhalten und im Kontext der verbalen Äußerungen kongruent und authentisch sein, dann ist die Lehrkraft für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer eine gewisse Art von Vorbild, an dessen Verhalten partizipiert werden kann. Dem Thema der Veranstaltung entsprechend können sich zum Beispiel die Haltung oder die Motivation des Seminarleiters und Seminarleiterin auf die Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmer übertragen. Im nächsten Kapitel wird aufgezeigt, dass neben den verschiedenen Lernarten, der Selbstkonzeptforschung, der Biografiearbeit und weiteren lernpsychologische Komponenten auch die konstruktivistische Pädagogik eine Relevanz hat, wenn es darum geht, Seminare neurobiologisch und gehirngerecht zu gestalten.
2.6 Relevanz konstruktivistischer Pädagogik
Der Konstruktivismus ist seit den 1980er-Jahren die bedeutsamste philosophische Strömung im deutschsprachigen Raum. Allerdings wurde der Konstruktivismus nie einheitlich zu Ende ausformuliert. Wurzeln des Konstruktivismus entstanden aus der technischen Regelungstheorie/Kybernetik (Heinz von Foerster), Kommunikationstheorie (Paul Watzlawick), Entwicklungspsychologie (Piaget, Ernst von Glaserfeld) und der Theorie biologischer Systeme (Humberto Maturana und Francisco Varela) (vgl. Roth 2015: 304). Demnach ist der Konstruktivismus keine einheitliche Denkrichtung, sondern es versammeln sich innerhalb des Konstruktivismus verschiedene Theorien. Innerhalb des Konstruktivismus haben sich diverse Strömungen herausgebildet, die ihren Schwerpunkt unterschiedlich setzen. Demnach bestehen der radikale Konstruktivismus, der methodische Konstruktivismus, der sozial- kulturtheoretisch begründete Konstruktivismus und der implizite Konstruktivismus. Konstruktivistische Zusammenhänge lassen sich auch in der Biologie, Neurobiologie, Kybernetik, Psychologie, Soziologie, Literatur- und Medienwissenschaft, Wissenschaftstheorie und Pädagogik wiederfinden (vgl. Lindemann 2006: 13). Eine in der konstruktivistischen Wissenschaft allgemeingültige Definition lässt sich in der einschlägigen Literatur nicht auffinden. Siebert definiert Konstruktivismus folgendermaßen: „Der Konstruktivismus ist (zunächst) eine Individualisierungstheorie. Aufgrund der Selbstreferenz und der operationalen Geschlossenheit des Gehirns konstruiert jeder seine eigene, unverwechselbare Wirklichkeit“ (Siebert 2008: 16). Jeder Mensch konstruiert sich nach dieser Definition seine eigene Wirklichkeit und seine ganz eigene Realität aus konstruktivistischer Sichtweise. Demnach gibt es nicht die eine allgemeingültige Wahrheit, sondern die Sichtweise ist immer vom jeweiligen Subjekt und dessen Wahrnehmung abhängig. Wie ein Mensch die Welt sieht, hängt von den eigenen gemachten Erfahrungen und dem eigenen Wissensstand ab. Aus diesem Grund sieht das Individuum die Welt nicht, wie sie ist, sondern so, wie der einzelne Mensch sind. Nach dem Konstruktivismus ist Lernen ein selbst gesteuerter und eigenwilliger Prozess. Um lernen zu können, werden Informationen, Anregungen, Rückmeldungen, Lernhilfen benötigt und dennoch lässt sich Lernen nicht von außen steuern. Das Wissen kann nicht von A nach B transferiert werden, sondern wird im psychischen System in die Welt des Bedeutungsvollen konstruiert (vgl. Siebert 2005: 32). Dieses Konstrukt von eigener Wirklichkeit entsteht durch Beobachtung. Beobachten ist innerhalb des Konstruktivismus ein Schlüsselbegriff. Hierbei wird unter Beobachten nicht nur das „Sehen“, sondern auch das „Wahrnehmen“ verstanden. Äußere Umwelteinflüsse wandelt der Mensch nach dem Konstruktivismus in das Nervensystem um (vgl. Heckmair/Michl 2013: 41). Durch Beobachten erkennen Menschen und handeln entsprechend. Durch die Beobachtung erzeugen sie eine eigene Wirklichkeit, die durch ihre Wahrnehmung konstruiert wird. Beobachtungen sind demnach immer subjektiv und individuell, also abhängig von der Sozialisation, dem Milieu und den entsprechenden Lebensverhältnissen, in die ein Mensch geboren wird. Durch äußere Einflüsse, die der Mensch beobachtet oder zum Beispiel durch die Sinnesorgane wahrnimmt, werden im Gehirn bereits gemachte Erfahrungen mit neuen sinnlichen, emotionalen Erfahrungen abgeglichen und eine eigene Wahrnehmung wird entwickelt. Weitere Schlüsselbegriffe des Konstruktivismus sind Kontextabhängigkeit, Selbstreferenz, Strukturdeterminiertheit, Selbstorganisation, Emergenz, Anschlussfähigkeit, Differenzerfahrung, Interdependenz, Kontingenz, Viabilität, strukturelle Koppelung und Perturbation (vgl. Arnold 2007: 69). Drei dieser Schlüsselbegriffe des Konstruktivismus lassen sich in Kürze folgendermaßen erklären:
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- Quote paper
- Marco Lehmann (Author), 2018, Neurobiologische Grundlagen des Lernens in der Seminargestaltung der Erwachsenenbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436751
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