Ein Essay über die Sinnhaftigkeit der Änderung von kolonialrelevanten Straßennamen.
Der kommunale Ausländerbeirat in Frankfurt am Main möchte den Namen zweier Apotheken die den Begriff Mohr im Namen haben ändern lassen. Die Namen der Mohren Apotheke und der Zeil Apotheke zum Mohren seien rassistisch und der Stadtrat solle sich um eine Umbenennung bemühen. Die Inhaber der Apotheken argumentieren dagegen und wehren sich mit Unterschriftenlisten gegen potenzielle Forderungen. Die Apotheke existiert seit 99 Jahren unter diesem Namen. Die Befürworter des Antrag unterstellen den Inhabern kein rassistisches Gedankengut, vielmehr denken sie, dass den Besitzern der historische Kontext nicht bewusst ist und sie sich nicht im Klaren darüber sind, welche Stereotypen sie damit verbreiten. Das problematische an einer einfachen Umbenennung ist, dass sich die Apotheke in einem historischen Gebäude befindet und der Straßenname Zum Mohren in die Fassade eingemeißelt ist. Diese Problematik findet sich in allen Teilen Deutschlands wieder, ob direkt heutzutage als rassistisch empfundene Namen wie die Mohrenstraße oder die Erinnerung an Kolonialisten wie Lüderitz
Sollen Straßennamen aus der Kolonialzeit geändert werden?
Der kommunale Ausländerbeirat in Frankfurt am Main möchte den Namen zweier Apotheken die den Begriff Mohr im Namen haben ändern lassen. Die Namen der Mohren Apotheke und der Zeil Apotheke zum Mohren seien rassistisch und der Stadtrat solle sich um eine Umbenennung bemühen. Die Inhaber der Apotheken argumentieren dagegen und wehren sich mit Unterschriftenlisten gegen potenzielle Forderungen. Die Apotheke existiert seit 99 Jahren unter diesem Namen. Die Befürworter des Antrag unterstellen den Inhabern kein rassistisches Gedankengut, vielmehr denken sie, dass den Besitzern der historische Kontext nicht bewusst ist und sie sich nicht im Klaren darüber sind, welche Stereotypen sie damit verbreiten. Das problematische an einer einfachen Umbenennung ist, dass sich die Apotheke in einem historischen Gebäude befindet und der Straßenname Zum Mohren in die Fassade eingemeißelt ist.[1] Diese Problematik findet sich in allen Teilen Deutschlands wieder, ob direkt heutzutage als rassistisch empfundene Namen wie die Mohrenstraße oder die Erinnerung an Kolonialisten wie Lüderitz, der mit einem geschickten Schwindel viel Land in Afrika an sich riss.
Jedoch ist die Kolonialtradition, wenngleich auch nicht so stark wie in anderen Teilen Europas, Teil der deutschen Geschichte. Gegner der Namen und Erhaltung der Tradition durch Straßennamen zur Erinnerung und Würdigung der Leistung Einzelner verlangen die Beseitigung solcher Straßennamen weil sie die Würde von Menschen mit afrikanischen Wurzeln beleidige, kolonialrassistisch aufgeladen sei und Integration behindere. Gegner der Beseitigung argumentieren dagegen.[2] Denn obgleich die afrikanisch stämmigen sich heutzutage beleidigt und angegriffen fühlen, so dienten die Straßennamen zu früherer Zeit der Ehrung der Handelspartner in Afrika. Mohrenstraßen, Togostraße, Kamerunstraße oder auch die Windhukstraße sollten die Afrikaner genauso ehren wie die Geschwister Scholl Straße, die Einstein Straße oder die Grimmstraße große Deutsche als Denkmäler ehren sollen. Andere Stimmen sagen, dass damit Verbrechern der Kolonialzeit und Sklavenhändler Ehrerbietung erweisen wird. Insbesondere die Mohrenstraße verewigt die diskriminierende, geschichtlich zurecht belastete Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe, die zu recht aus dem aktiven Wortschatz der Gesellschaft weitgehend verschwunden ist. Die Mohrenstraße war wohl auch an dem bekannten bildlichen Ausdruck von Kolonialfantasien beteiligt, dem kindlichen, freudig dienenden Afrikaner im Logo der einst in der Straße ansässigen Firma Sarotti. Der Kolonialwaren servierende „Mohr“ wurden nach lauter öffentlicher Kritik in Magier der Sinne umbenannt. Doch die Erinnerung an den Mohr in Pumphosen bleibt ein Jedem erhalten und damit der rassistisch angehauchte Beigeschmack, der direkt an die Entrechtung von minderjährigen Westafrikanern durch Preußen erinnert. Diese Zustände sind allerding historisch gewachsen und müssen in einen eben solchen Kontext gesetzt werden. Das Geschichtsbild der Zeit in der Straßennamen vergeben werden, Leistungen die durch die Errichtung solcher Denkmäler erbracht wurden sind Teil dieser Geschichte und wird von den Menschen bestimmt, die in dieser Zeit leben. Die Wertevorstellung unserer Gesellschaft hat sich seit eben dieser Zeit sehr gewandelt. Heutzutage sind Menschen aller Hautfarbe, eines jeden Geschlechts und jeder Religion wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft und niemand sollte sich neben täglichen rassistischen Anfeindungen, die Mitbürger anderer Hautfarbe leider trotzdem noch fast täglich erleben, auch noch durch Straßenschilder beleidigt fühlen müssen. Solche Mikroagressionen, ausgehend von Straßennamen, die eigentlich zur Ehrung dienen, können langfristigen Schaden anrichten. Zudem behindern sie die Integration. Die Akzeptanz der überwiegend weißen deutschen Gesellschaft solcher Straßennamen, kann aufgefasst werden, als würde sie die Meinung dieser wieder spiegeln und insbesondere schwarzfarbige Mitbürger könnten sich dadurch in die Sklavenzeit zurückgesetzt fühlen.
Im historischen Kontext allerdings, könnten die Straßennamen durchaus eine Daseinsberechtigung genießen. Denn in der Zeit in der die Straßen auf diese Weise benannt wurden, waren weder der Begriff Mohr noch das Wort Neger negativ konnotiert. Sie bezeichneten lediglich schwarzfarbige Menschen vom Stamm der Mauren. Erst seit den 60er Jahren gibt es Debatten über die negative Auslegung dieser Worte. So betrifft diese Debatte nicht nur Straßennamen, welche vor langer Zeit entstanden, sondern auch Bücher in denen solche Begrifflichkeiten vorkommen, wie exemplarisch Pipi Langstrumpf von Astrid Lindgren, in welchem vom Negerkönig die Rede ist. Die Erbengemeinschaft von Lindgren argumentierte, dass Literatur und Sprache sich nicht dem Zeitgeist und aktuellen Trends anpasse und das Werke nicht im Nachhinein geändert werden dürften aufgrund von Befindlichkeiten von Minderheiten. Denn Literatur stellt die Vergangenheit dar und soll Menschen auch vermitteln, dass zu anderen Zeiten anders gedacht und anders gesprochen wurde. Kinder sollten diese Gelegenheit nutzen, solche Bücher kritisch zu hinterfragen und kann den Eltern sehr früh eine unverfängliche Möglichkeit geben Werte zu vermitteln indem sie die Kinder über das Gelesene aufklären.[3]
George Orwell beschrieb 1984 in seinem Roman eben genau das Gegenteil. Dort löscht das Wahrheitsministerium gezielt alles aus, was an die echte Vergangenheit erinnert um eine der Obrigkeit gerechte Vergangenheit und damit Gegenwart zu erschaffen. Dies erreichen sie unter anderem indem sie die Sprache von Begriffen wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit befreien und damit ein politisch korrektes Neusprech erschaffen. Politisch korrekt bedeutet in diesem Fall, dass korrekt ist, was die politische obere Klasse als korrekt befindet.
Diese Analogie mag vielleicht auf die Thematik bezogen überzogen klingen, allerdings stellt sie ein Gleichnis zu der heutzutage grassierenden Sprachfeindlichkeit in Bezug auf beispielsweise Kolonialbegriffe dar.
Gegen die Änderung der Namen sprechen allerdings noch diverse andere Gründe. Der plakativste von ihnen ist, dass eine Namensänderung erheblichen Aufwand für Anwohner und Verwaltung bedeuten würde. Private Anwohner müssten überall ihre Adresse ändern, bei Banken, Arbeitgebern und Angehörigen. Für Unternehmen ist der Aufwand noch wesentlich höher. Auch könnte eine Bevormundung durch eine Minderheit viele Menschen eher gegen diese Politik des Antirassismus aufbringen könnte als für mehr Frieden und Integration sorgen würde. Denn wer Toleranz und Akzeptanz fordert muss diese auch aufbringen. Viele der Nachnamen die mit der Kolonialzeit in Verbindung gebracht werden und durch Straßennamen geehrt werden, waren zudem nicht nur als Sklavenhändler, Landräuber oder Kriegstreiber gegen die schwarze Rasse tätig, sondern haben für den deutschen Staat, damals natürlich noch Preußen, große Erfolge erbracht. Beispielsweise wäre Gustav Nachtigal zu nennen, der unter schwersten Bedingungen Teile von Afrika erforschte und erschloss.[4] Auch dieser Name soll laut des Zentralrats der afrikanischen Gemeinde aus dem Berliner Stadtbild verschwinden.
Fraglich bei solchen Anträgen allerdings ist, wie realitätsnah diese sind und welche Präzedenzfälle sie schaffen. Wenn jede einzelne Person, die durch einen Straßennamen geehrt wurde auf Herz und Nieren geprüft werden würde, müssten wahrscheinlich wesentlich mehr Namen ausgetauscht werden, wenn die gleichen Maßstäbe angesetzt werden, wie in dem vorliegenden Beispiel von der schwarzen Gemeinde. Insbesondere wären Straßennamen zu nennen, welche zur Ehrung von NS nahestehenden Personen dienen. Allerdings ist damit fraglich, ob beispielsweise Richard Wagners Werk keine Ehrung verdient, weil das Naziregime ihn instrumentalisierte? Oder ob es keine Lutherstraßen mehr geben darf, obwohl Luther Antisemit war? Auch Goethe kann nach heutigen Gesichtspunkten vorgeworfen werden, dass er Antisemit war, denn er wollte den Juden die gleichen Rechte wie Christen vorenthalten.[5] Und trotzdem gibt es in jeder Stadt Goethestraßen, selbst Universitäten und Schulen werden nach ihm benannt. Aber warum? Goethe war zusätzlich schließlich auch noch Prostituierten und Rauschmitteln zugeneigt, sicherlich nichts, was Studenten und Schülern als Werte vermittelt werden sollten.[6]
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[1] Vgl. Focus 2018
[2] Vgl. Adam-Tkalec 2016
[3] Vgl. Anwar 2017
[4] Vgl. Deutsche Biographie
[5] Vgl. Goethe 1817
[6] Vgl. Trascbke 1975
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- Tim Heise (Author), 2018, Sollen Straßennamen aus der Kolonialzeit geändert werden?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/435370
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