Der Text führt einen Fakten-Check zwei Jahre nach Einführung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) durch. Dazu werden Hintergründe und Meinungen aus den verschiedenen Lagern offiziellen Datenerhebungen gegenübergestellt.
So ermöglicht es die Publikation, ein besseres Verständnis der Materie zu erhalten. Streitpunkte werden dabei einzeln untersucht und genau erläutert.
Streitthema Wohnimmobilienkreditrichtlinie und deren Auswirkungen auf die Immobilienfinanzierung der Verbraucher
Ein Fazit zwei Jahre nach der Einführung, dazu Hintergründe und Meinungen aus den verschiedenen Lagern, die einem Fakten-Check unterzogen werden.
I. Mit der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR)
2014/17/EU i.V.m. der Modifizierung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG zum 21. März 2016 in deutsches Recht, begann nach Meinung vieler Protagonisten wie z.B. Bankvorständen, Politikern, Medienvertretern, Verbraucherschützern und den Verbrauchern selber, eine Zäsur bei der Immobilienfinanzierung. Die Meinungen reichten seitdem von alles halb so schlimm bis Kreditklemme bzw. wirtschaftlicher Abschwung. Die folgenden Ausführungen sollen zur Klärung beitragen, ob die Kritik an der Richtlinie gerechtfertigt ist. Es folgt ein Focus auf die fünf wesentlichen Kernpunkte der Richtlinie.
II. Hintergrund der Einführung der Richtlinie in jeweils nationales Recht der EU-Mitgliedsstaaten war der Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes (Subprime Crisis) in den USA 2008/09, welcher in eine globalen Finanz- und Wirtschaftskrise mündete. Die Immobilienmärkte der EU-Länder Großbritannien, Irland und Spanien brachen ebenfalls zusammen. Seither mussten die Staaten und deren Kreditinstitute mittels Steuergeldern und Notenbankinterventionen gestützt werden. In Spanien etwa wurden Neubauten quasi auf „Halde“ produziert und Kredite meist allein auf Grund angenommener steigender Werte der Immobiliensicherheiten vergeben und die Kapitaldienstfähigkeit der Kreditnehmer mitunter deutlich unterbewertet oder nicht geprüft. Mit Platzen der Immobilienblase gerieten dann viele Institute dieser Länder in Schieflage und bedrohten somit das Wirtschaftssystem insgesamt. Aus dieser Bedrohungslage heraus, sahen sich die politischen Kräfte Europas unter Druck, Änderungen zu beschließen.
Genauer betrachtet muss allerdings festgestellt werden, dass sich Immobilienfinanzierungen in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten stark voneinander unterscheiden. So ist es gerade in Deutschland üblich, die Immobilienfinanzierung über eine längere Zinsbindung festzuschreiben. Eine solche Zinsbindung sorgt dafür, dass die Darlehensnehmer mit festen Werten verlässlich planen können, also von Zinsschwankungen innerhalb der Finanzierungslaufzeit verschont bleiben. In Großbritannien, Irland und Spanien, wo variable Zinssätze üblich sind, werden im Falle einer Zinserhöhung die Darlehensnehmer innerhalb kürzester Zeit mehr belastet bis hin zur Überforderung. Außerdem wurden der Kapitaldienstfähigkeit und Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbrauchern schon in der Vergangenheit ein höheres Gewicht zugeschrieben als in anderen EU-Staaten. Die Kritik des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg und des Genossenschaftsverbandes Bayern gehen in diese Richtung und stehen daher einer Verschärfung der Anforderungen an die Kreditvergabe skeptisch gegenüber, weil der deutsche Markt sich gerade in der Krise als robust gezeigt hat. Die Verschärfungen an die Kreditvergabe würden Deutschland somit unnötig stark treffen und seien eher für andere Staaten erforderlich.
III. Die Hauptstreitpunkte der Richtlinie
1. Rechtsunsicherheit für Banken und Sparkassen
2. Wirtschaftliche Bedenken und Bewertung von Immobilien als Sicherheiten i.R.d. Kreditwürdigkeitsprüfung
3. Diskriminierung von Alten und jungen Familien
4. Erneute Kreditwürdigkeitsprüfung bei Anschlussfinanzierungen
5. Widerrufsrecht
1. Rechtsunsicherheit für Banken und Sparkassen wird immer wieder als Argument der Banken und deren Interessenvertretungen genannt. Die Rechtsunsicherheit bezieht sich überwiegend auf die Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung. Wie soll diese ablaufen und welche Faktoren sind bei der Prüfung zu berücksichtigen, damit Verträge auch später als „rechtssicher“ angesehen werden können? Stein des Anstoßes sind §§ 505a BGB bis 505d BGB i.V.m. § 491 BGB.
a. Der neugestaltete § 505a BGB unterscheidet in Allgemein- und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen. Während bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen i.R.d. Kreditwürdigkeit keine erheblichen Zweifel des Darlehensnehmers an der Einhaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen bestehen dürfen, verlangt der Gesetzgeber bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen, dass es wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Vertragsverpflichtungen nachkommen wird. Beide Begriffe sind schwammig formuliert und bedürfen in der Tat einer Konkretisierung durch den Gesetzgeber, wann die Zahlungsfähigkeit des Darlehensnehmers als wahrscheinlich anzusehen ist bzw. wann keine erheblichen Zweifel gegeben sind[1].
b. Auch § 505b BGB bleibt hinsichtlich der Faktoren, welche zur Kreditwürdigkeitsprüfung herangezogen werden vage. Hier kann lediglich eine Orientierung an die Vorschrift des § 18a Abs. 4 KWG vermutet werden, da sich die Formulierungen sehr ähneln. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass die Vorschriften des KWG[2] lediglich öffentlich-rechtlicher Natur sind und Verstöße gegen die Kreditwürdigkeitsprüfung nur durch die Aufsichtsbehörde (BaFin) sanktioniert werden könnte (wie bisher!) aber keiner zivilen Haftung unterlag. Dies hat sich mit der Normierung der Pflicht zur Kreditwürdigkeit in das Bürgerliche Gesetzbuch geändert. Somit sehen sich die Banken nun auch mit der zivilen Haftung des BGB konfrontiert.
Darüber hinaus wird kritisiert, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich darauf gestützt werden darf, dass der Wert des Grundstücks, Gebäudes etc. voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt gemäß § 505b Abs. 2 BGB i.V.m. § 491 Abs.1 BGB. Die Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des Darlehens soll somit im Vordergrund stehen und nicht der Wert der Immobiliensicherheiten. Die EU-Richtlinie sah in Art. 18 Abs. 3 allerdings eine Ausnahme vor, die für den Ausbau und die Renovierung von Bestandsimmobilien eine Ausnahme zuließ. In Österreich wurde von dieser Ausnahme Gebrauch gemacht, in Deutschland nicht, denn jeder Staat darf eine über die Grundsatzformulierung hinaus weitergehende Maßnahme beschließen. Seit 14.12.2016 arbeitet das Bundesjustizministerium an einer entsprechenden Änderung. Basierend auf einer Gesetzesvorlage für den Bundesrat aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, soll die WIKR[3] nun überarbeitet werden[4]. In wie weit der Wert einer Immobilie i.R.d. Kreditwürdigkeitsprüfung künftig berücksichtigt werden darf, bleibt abzuwarten.
c. Welche Folgen die Verletzung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung hat, zeigt sich im § 505d BGB. Problematisch wird aber sein, dass die Beweislast bei dem Darlehensnehmer liegt. Eine Beweislastumkehr wurde den Kreditnehmern nicht zugestanden. Solange Inhalt und Umfang der Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hinreichend geklärt sind bzw. die Rechtsprechung bindende Urteile noch nicht erlassen hat, auf die man sich berufen kann, wird es schwer werden den Beweis zu führen. Bei fehlerhafter Kreditwürdigkeitsprüfung kann jedoch der Darlehensnehmer jederzeit vom Vertrag zurücktreten, eine Vorfälligkeitsentschädigung entfällt in diesen Fällen oder der Darlehensnehmer kann den Vertrag zu niedrigeren Zinsen fortführen zu Lasten der Kreditinstitute, um nur einige Beispiele zu nennen.
2. Wirtschaftliche Bedenken werden außerdem als weiteres Argument ins Feld geführt. Auf Grund dieser Unsicherheiten seien Kreditinstitute nun gezwungen, vermehrt Darlehensanträge abzulehnen. Die Baubranche gehört traditionell zu den wichtigsten Stützen der deutschen Wirtschaft und befürchtet deshalb negative Auswirkungen auf die Auftragslage. Auch Zulieferbranchen wie z.B. die Stahl und Baustoffindustrie aber auch nachgelagerte Gewerke im Handwerkssektor müssten mit Auftragsrückgängen rechnen.
3. Darüber hinaus würde die vermehrte Ablehnung an Anträgen zudem junge Familien und alte Menschen diskriminieren wird behauptet[5]. In der Tat kann eine Finanzierung bis in den Ruhestand hineinführen. Im Ruhestand verbleibt weniger Geld zur Rückzahlung des Darlehens wird argumentiert, so dass die Kapitaldienstfähigkeit geringer ist. Außerdem ist die statistische Lebenserwartung ein Argument, den Antrag abzulehnen, weil nicht mehr genügend Zeit verbleibt den Betrag zurück zu zahlen. Eine Ablehnung droht. Viele ältere Menschen wollen aber die eigene Immobilie fortführen, brauchen zum altersgerechten Ausbau oder zur Renovierung Geld. Der Wert der Immobilie könnte durch ein Gesetzes-Update verstärkt in der Kreditwürdigkeitsprüfung Berücksichtigung finden, also wie in Österreich. Ähnlich lässt sich bei jungen Familien argumentieren. In jungen Jahren steht häufig weniger Eigenkapital zur Verfügung und es herrscht bei Paaren oft der Kinderwunsch. Kinder kosten aber zusätzlich Geld, welches dann nicht mehr zum Kapitaldienst herangezogen werden kann. Nach wie vor hohe Trennungs- und Scheidungsraten lassen aus Sicht der Kreditinstitute dann massive finanzielle Mehrbelastungen erahnen und im Zweifel den Antrag ablehnen. Auch hier könnte über die Berücksichtigung des Immobilienwertes in der Kreditwürdigkeitsprüfung der Eigentumserwerb zu Gunsten junger Familien erleichtert werden. Anmerken sollte man hier auch die geplanten Familienzuschüsse für das Eigenheim des Bundesumwelt- und Bauministeriums an Familien bis zu 20.000 €. Ohne entsprechende gesetzliche Änderungen an diesem Punkt macht dieses Vorgehen keinen Sinn.
4. Eine erneute Prüfung der Kreditwürdigkeit bei Anschlussfinanzierungen wird ebenfalls kritisch gesehen, weil die Gefahr besteht, dass bei Ablehnung des Antrags durch das Kreditinstitut der Kreditnehmer die Fortführung der Finanzierung nicht mehr stemmen kann. Die Restschuld muss entweder bezahlt oder die Sicherheiten verwertet werden. Die Konsequenzen können der Verlust des Eigenheims und damit ein Großteil der Altersvorsorge sein. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass sich innerhalb einer festgeschriebenen Zinsbindung (i.d.R. 10 Jahre + X) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers einerseits und die Lage am Kapitalmarkt andererseits geändert haben könnten und eine Anpassung bzw. Überprüfung der Verträge notwendig machen. Stichwort Zinserhöhungen am Kapitalmarkt, welche zu einer quantitativen Mehrbelastung führen können oder Arbeitsplatzwechsel und Änderungen in der Einkommenshöhe, Änderungen im Familienstand usw. Auch hier sollte für beide Seiten ein Kompromiss gefunden werden, mit dem alle Parteien leben können, etwa in dem eine Bestandsimmobilie in der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Anschlussfinanzierungen stärker berücksichtigt wird. Die Argumentation des Bundesverbandes Verbraucherzentralen in Deutschland (VzbV), wer bereits als Darlehensnehmer im Erstvertrag seine Kreditwürdigkeit unter Beweis gestellt hat, darf als starkes Indiz auch für die Leistungsfähigkeit im Anschlussvertrag gelten[6], ist meines Erachtens aus Verbrauchersicht nachvollziehbar aber zu pauschal und kein Merkmal für eine solide Risikofolgeneinschätzung. Die Frage der Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers hängt vielmehr von den Umständen der Kapitalmärkte ab z.B. von Zinserhöhungen, welche das Zinsänderungsrisiko widerspiegeln und zu einer quantitativen Mehrbelastung führen können.
5. Zum Schluss soll kurz auf das Widerrufsrecht eingegangen werden. Kritik kommt insbesondere von der Anwaltschaft, die auch im neuen Gesetz einen ewigen Widerrufsjoker gerne gesehen hätte[7].
a. Für alle Darlehensverträge, die ab 21. März 2016 abgeschlossen wurden existiert ab sofort kein ewiges Widerrufsrecht mehr. Liegen in der Widerrufsbelehrung künftig formale bzw. inhaltliche Mängel vor, muss der Darlehensnehmer den Widerruf innerhalb von 12 Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss erklären gemäß § 356b Abs.2 S.2 BGB.
b. Für alle Darlehensverträge, die bis Ende 2010 abgeschlossen wurden, hatte der Gesetzgeber den Darlehensnehmern eine Frist bis zum 21. Juni 2016 gegeben, den Widerruf zu erklären. Danach trat Verjährung ein.
c. Offen sind nur noch die Verträge, die zwischen 2011 und dem 21. März 2016 abgeschlossen wurden. Hier können vereinzelt Fehler in den Belehrungen vorgekommen sein, die nach altem Recht sanktioniert werden können. Allerdings sind die Fehler in der Anzahl deutlich geringer als in den Verträgen von 2002 – 2010. Zu diesem Sachverhalt sei ausführlich auf meinen Praxisratgeber „… und täglich grüßt der Widerruf“. Wie Sie Immobilienkredite ablösen und Vorfälligkeitsentschädigungen sparen, verwiesen.
IV. Zum 21.12.2016 wurden durch das Bundesjustizministerium einige Änderungen an der Gesetzeslage vorgenommen. Die schon mehrfach beschriebene Berücksichtigung des Immobilienwertes zum Zwecke des Ausbaus und der Renovierung von Bestandsimmobilien i.S.d. §§ 491 Abs.1, 505b Abs.2 BGB nach dem Vorbild Österreichs soll künftig gelten. Zudem werden Immobilienverzehrkredite (Umkehrhypotheken) von den Restriktionen ausgenommen und § 491 Abs.2 BGB dahingehend geändert. Gleichwohl wurden die Rechtsunsicherheiten aus Sicht der Kreditinstitute und der Anwaltschaft nicht vollends beseitigt. Das Justizministerium behält sich vor mittels Erlass einer Rechtsverordnung künftig einen Katalog mit Faktoren zur Kreditwürdigkeitsprüfung diese Unsicherheiten auszuräumen. Wann dies geschieht, bleibt offen.
[...]
[1] Stellungnahme des Bankenfachverbandes zum Referentenentwurf des Justizministeriums zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie vom 13.02.2015.
[2] Kreditwesengesetz
[3] Wohnimmobilienkreditrichtlinie
[4] Quelle: Kreditvergleich.net
[5] so auch Hauptverband der Deutschen Bauindustrie
[6] Stellungnahme Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VzbV) zur Bundesratsinitiative zur Korrektur der WIKR am 03.11.2016 (BR Drs.578/16); Seiten 4 und 5 der Stellungnahme
[7] Deutscher Anwalt Verein (DAV)
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