Im Jahr 2002 fanden in Frankreich Präsidentschaftswahlen sowie Wahlen zur Nationalversammlung statt, die zum Teil einen unerwarteten Ausgang hatten. Während bei der Präsidentschaftswahl im April 2002 der bis dahin als Favorit geltende Kandidat der Parti Socialiste (PS) Lionel Jospin als drittplatzierter Kandidat bereits im ersten Wahlgang ausschied, gelang es dem rechtsextremen Parteiführer der Front National (FN) Jean-Marie Le Pen im zweiten Wahlgang gegen den Kandidaten der gaullistischen UMP, den amtierenden Präsidenten Jacques Chirac anzutreten, der schließlich in seinem Amt mit einer großen, gegen Le Pen gerichteten Mehrheit bestätigt wurde.
Bei den Wahlen zu Nationalversammlung am 9. und am 16. Juni 2002 gelang es den Gaullisten, die Mehrheit zu erlangen. Eine erneute Phase der so genannten Kohabitation wurde so verhindert. Die beiden größten Parteien (UMP und PS) konnten zusammen beinahe 90 Prozent der Parlamentssitze für sich beanspruchen, was die Werte von vorangegangenen Wahlen übertraf. Während auf der Seite der Rechten die UMP eindeutig die Führungsposition beanspruchte, setzte sich auf der Linken die PS durch.
In der vorliegenden Arbeit geht es unter anderem um eine Bestandsaufnahme des französischen Parteiensystems auf nationaler Ebene, so wie es sich aktuell in der Fünften Republik darstellt. Dabei kann die historische Entwicklung des französischen Parteiensystems nicht außer Acht gelassen werden, denn deren Kenntnis erleichtert die Analyse des heutigen Parteiensystems. Die Entwicklung seit 1984 steht unter besonderer Beleuchtung, da dieses Jahr den Eintritt der FN in die nationale politische Arena markiert und diese Partei seitdem auch die übrigen Parteien im System in ihrem Verhalten beeinflusst hat. 1984 fanden die unter dem Verhältniswahlrecht durchgeführten Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Dieses Wahlrecht erleichterte den Eintritt der FN in das Europäische Parlament.
Im Rahmen dieser Arbeit kann eine genauere Analyse im Rahmen der Wahlen nur auf der nationalen Ebene geleistet werden, denn eine Miteinbeziehung der Parteiensysteme auf supranationaler, regionaler und kommunaler Ebene würde aufgrund des großen Umfangs der Daten diesen Rahmen sprengen. Diese Ebenen können nur immer dann am Rande miteinbezogen werden, wenn es thematisch sinnvoll erscheint.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Parteiensysteme im Wandel - ein Analyserahmen
- Parteien- und Parteiensysteme
- Parteiensystemtypologien
- Duverger
- Dahl
- Blondel
- Sartori
- von Beyme
- Messbarkeit des Parteiensystemwandels anhand von Typologien
- charakteristische Merkmale von Parteiensystemen
- Ausgangslage
- Fragmentierung und effektive Zahl der Parteien
- Positionierung und Polarisierung
- Volatilität
- Wahlbeteiligung und Stimmenanteil der Antisystemparteien
- Analyserahmen für den Parteiensystemwandel
- Frankreichs Parteiensystem im Wandel
- Fragmentierung und Zahl der effektiven Parteien
- Präsidentschaftswahlen
- Wahlen zur Nationalversammlung
- Positionierung und Polarisierung
- Volatilität
- Wahlbeteiligung und Stimmenanteil der Antisystemparteien
- Phasen des Parteiensystemwandels in Frankreich
- Fragmentierung und Zahl der effektiven Parteien
- Ursachen für den Wandel des französischen Parteiensystems
- institutionelle Ursachen
- Das Regierungssystem der Fünften Republik
- Parteien
- Direktwahl des Präsidenten
- Wahlsystem
- absolutes Mehrheitswahlrecht in zwei Wahlgängen
- Verhältniswahlrecht
- Parteienfinanzierung
- Das Regierungssystem der Fünften Republik
- soziostrukturelle Ursachen
- soziostrukturelle Zusammensetzung des Elektorats und Cleavages
- Wertewandel
- Einwirkung von issues auf Parteiensysteme
- Beispiel: Das französische Parteiensystem und Europa
- institutionelle Ursachen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit analysiert das französische Parteiensystem der Fünften Republik und untersucht dessen Wandel. Die Arbeit verfolgt das Ziel, die aktuellen Veränderungen des französischen Parteiensystems vor dem Hintergrund institutioneller, soziostruktureller und issue-abhängiger Einflussfaktoren zu beleuchten. Sie untersucht die Fragmentierung und die Zahl der effektiven Parteien, die Positionierung und Polarisierung sowie die Volatilität des Systems. Darüber hinaus wird die Wahlbeteiligung und der Stimmenanteil der Antisystemparteien betrachtet.
- Analyse des französischen Parteiensystems unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklung
- Bedeutung des Eintritts der Front National (FN) in die nationale politische Arena
- Untersuchung der Ursachen für den Wandel des französischen Parteiensystems, insbesondere im Hinblick auf institutionelle, soziostrukturelle und issue-abhängige Faktoren
- Beurteilung, ob die Entwicklungen des französischen Parteiensystems im Jahr 2002 einen grundlegenden Wandel im System darstellen oder ob es sich um Verschiebungen innerhalb einer stabilen Struktur handelt
- Bewertung der Rolle der „Quadrille bipolaire“ im Kontext des französischen Parteiensystems
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der Typologisierung von Parteiensystemen und stellt verschiedene Ansätze zur Einordnung von Parteiensystemen vor. Zudem werden die charakteristischen Merkmale von Parteiensystemen betrachtet, die für die Analyse des französischen Systems relevant sind.
Kapitel 2 befasst sich mit der historischen Entwicklung des französischen Parteiensystems und untersucht die Wandlungstendenzen in den verschiedenen Phasen der Fünften Republik. Dabei wird auch die politische Kultur Frankreichs und deren Einfluss auf das Parteiensystem berücksichtigt.
Kapitel 3 analysiert die Ursachen für den Wandel des französischen Parteiensystems. Dabei stehen institutionelle Faktoren, wie das Regierungssystem, das Wahlsystem und die Parteienfinanzierung, sowie soziostrukturelle Faktoren, wie die Zusammensetzung des Elektorats und der Wertewandel, im Fokus. Auch der Einfluss von spezifischen issues auf das Parteiensystem wird untersucht.
Schlüsselwörter
Französisches Parteiensystem, Fünfte Republik, Parteiensystemwandel, Fragmentierung, effektive Zahl der Parteien, Positionierung, Polarisierung, Volatilität, Wahlbeteiligung, Antisystemparteien, institutionelle Ursachen, soziostrukturelle Ursachen, issue-abhängige Ursachen, Quadrille bipolaire, Front National (FN), Parti Socialiste (PS), Union pour un mouvement populaire (UMP)
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- Silvia Willems (Author), 2005, Faktoren für den Wandel von Frankreichs Parteiensystem. Institutionen, Sozialstrukturen und Issues, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43479