„Gott scheint für alle zu den Ursachen zu gehören und eine Art erstes Prinzip zu sein.“ (Barnes, 1992) Schon Aristoteles schloss aus den Überlieferungen und Mythen seiner Vorfahren, dass Götter zur Erklärung des Anfangs dienten und damit zum Fundament aller Existenz wurden. Stehen sich die zunächst angenommene polytheistische und die christlich tradierte monotheistische Glaubensweise konträr gegenüber, so eint beide die Idee vom Ursprung allen Lebens. „Die erste Philosophie »muss die theoretische Untersuchung der ersten Prinzipien sein« [MI2, 982b 9-10], und Aristoteles schließt sich einer langen griechischen Tradition an, wenn er diese ersten Substanzen „göttlich“ nennt.“ (Ebd.)
Im Folgenden soll konstatiert werden, wie Aristoteles das „Göttliche“ versteht und wie sich diese Vorstellung mit den abendländisch-christlichen Vorstellungen vereinbaren lässt. Dafür müssen beide Ideen eines Gottes zunächst einzeln kurz dargestellt werden, um diese im Fazit aufeinander beziehen zu können.
..Der unbewegte Beweger = Gott?“
Eine Gegenüberstellung von Aristoteles' Gottesbild und dem christlichen Gott
Juliane Thomas
Gott scheint für alle zu den Ursachen zu gehören und eine Art erstes Prinzip zu sein.l
Schon Aristoteles schloss aus den Überlieferungen und Mythen seiner Vorfahren, dass Götter zur Erklärung des Anfangs dienten und damit zum Fundament aller Existenz wurden. Stehen sich die zunächst angenommene polytheistische und die christlich tradierte monotheistische Glaubensweise konträr gegenüber, so eint beide die Idee vom Ehsprung allen Lebens. ״Die erste Philosophie »muss die theoretische Untersuchung der ersten Prinzipien sein« [MI2, 982b 9-10], und Aristoteles schließt sich einer langen griechischen Tradition an, wenn er diese ersten Substanzen ״göttlich“ nennt.“2
Im Folgenden soll konstatiert werden, wie Aristoteles das ״Göttliche“ versteht und wie sich diese Vorstellung mit den abendländisch-christlichen Vorstellungen vereinbaren lässt. Dafür müssen beide Ideen eines Gottes zunächst einzeln kurz dargestellt werden, um diese im Fazit aufeinander beziehen zu können.
Der unbewegte Beweger - Aristoteles
Nach Aristoteles unterliegt das Universum und alles sich in ihm Befindliche einer kontinuierlichen Veränderung. Ein allem vorangegangenes Prinzip kann demnach nur außerhalb dieser Veränderung, folglich außerhalb des Universums existieren. Obwohl in der Literatur meist als der unbewegte Beweger bezeichnet, muss das griechische nêton kinoun wohl eigentlich im Neutrum übersetzt und nicht zwingend als Singular verstanden werden. Nichts desto trotz folgen meine weiteren Ausführungen dem Vorbild der Literatur und werden sowohl vom Maskulinum als auch vom Singular ausgehen. Im übrigen hielt Aristoteles fest, dass es eine erste Bewegung - Bewegung immer als jede Form der Entwicklung verstanden - gibt, der die oberste Priorität zukommt. Der außen stehende Beweger initiiert alle dem Universum inhärenten Bewegungen, da er geliebt wird und unveränderlich über allem steht. Er ist die erste Gottheit und damit Ursprung. ״[U]nd anderes bewirkt Veränderung, indem es sich selbst verändert. Die konzentrischen Himmelsphären [...] sind alle Quintessenzen und göttlich; aber es sind sich bewegende Gottheiten.“3 Gott als erste Ursache entspricht dem Beweger, das Unbewegte geht hervor aus seiner Tätigkeit im reinen Denken. Er existiert ohne Stoff und Potentialität, in reiner Form und Vollkommenheit. Aristoteles benennt Gott als Formgeber aller Dinge, da er als Zweck-, Form- und Wirkursache alles Seienden fungiert. Das Denken Gottes ist allein auf ihn selbst zentriert, da eine Fokussierung auf die veränderlichen Dinge, die Veränderung selbst, auf ihn übertragen würde. So verharrt er im reinsten Selbstdenken, dem vollkommenen Selbstbewusstsein. Gott bleibt bei Aristoteles ein der Welt unterschiedener transzendenter Gott.
Wie bereits angeschnitten, wird in der Philosophie oftmals mit Begriffen und Definitionen gearbeitet, deren Klarheit notwendig ist. Dennoch bleiben sie nicht selten abstrakt und schwer zu fassen. Die Perspektive des Verstandes wird aus diesem Grund häufig durch eine weitere ergänzt, denn einen Begriff kann man nicht anbeten und verehren. So kommt ein sinnliches Element zur Veranschaulichung hinzu, welches Herz und Emotionen anspricht. Beispielhaft ist hierfür die griechische Götterwelt, die sehr menschlich anmutet, wenn Zeus und seine Götterschar durch allzu menschliche Triebe wie Neid, Liebe, Rache getrieben werden. Aristoteles, antiker griechischer Philosoph, ist von dieser Vorstellung von Göttern denkbar weit entfernt. Dieser unbewegte Beweger als Anfang aller Eftsachenketten, der sich nicht nicht bewegt, nicht aber bewegungslos ist, erscheint als absoluter Gegenentwurf zum konkreten, fassbaren und bildlichen griechischen Götterhorizont. Aristoteles Gott bewegt sich aus sich selbst heraus und damit auf die vollkommenste Art und Weise - kreisförmig. Jede Bewegung kommt aus Gottes Mitte und mündet ebenso in dieser. Diese vollkommene Bewegung soll der Mensch sich zum Vorbild machen. Der sterbliche und an Raum und Zeit gebundene Mensch im Kontrast zum unsterblichen Gott kann diesem ähnlich werden, indem er sich Ziele aus sich heraus setzt und diese immer auf das höhere Ziel, das Gute zu erreichen, ausrichtet und dadurch in unterschiedlichen Kontexten in eine kreisförmige Bewegung tritt.
Aristoteles versucht in seiner Metaphysik einen Gottesbeweis vorzulegen. Da es aber in diesem Essay nicht um die Frage der generellen Existenz Gottes geht, sondern diese angenommen und mit einer weiteren Vorstellung in Zusammenhang betrachtet werden soll, wird auf diese hier nicht näher eingegangen. Eftn jedoch ein umfassendes Bild des aristotelischen Gottes zu erhalten und Anknüpfungspunkte für den Vergleich zu finden, ist neben dem Wesen des Gottes auch seine Wirkweise herauszustellen. Eftn Gottes Wirken zu verstehen, seien hier zunächst kurz die vier Arten der Kausalität nach Aristoteles angebracht und durch ein Beispiel aus der Quelle von Dr. phil. Roth (2006) veranschaulicht.
Unterschieden werden causa materialis (Stoffursache), causa formalis (Formursache), causa efßciens (Wirkursache) und causa fmalis (Zielursache). Als Beispiel diene eine silberne Opferschale: Ihre Stoffursache ist das Material Silber, die Formursache ist die der Schale, Wirkursache ist der Schmied, der sie hergestellt hat und die Zielursache ist letztliche ihr Nutzen, Ziel als Gefäß zum Erbringen von Opfergaben.
Gottes Wirken begrenzt sich auf den vierten Typus von Kausalität. Er wirkt nicht durch seine Form oder Materie, auch nicht als Ursache, sondern nur als Ziel aller Bewegungen. Alle Bewegungen der Natur und der Menschen folgen diesem Ziel und richten sich nach ihm aus. Es ist ein Ideal, nach dem innerlich gestrebt wird. Er kann auch nicht die Ursache sein, denn eine Ursache scheint immer an einen Anfang geknüpft zu sein, der seinerseits einen zeitlichen Beginn markiert. Da es aber vor dem unbewegten Beweger nichts gab, kann er auch nicht temporär gebunden sein, er muss frei davon sein. Die Annäherung an ihn kann nun in zwei Reihen geschehen: zum einen in kreisförmigen Sphären (Ewigkeit, Gleichförmigkeit), zum anderen durch den Menschen (im Denken, über sich selbst reflektierend). Gott wirkt gegenüber allem Streben der Natur und den Menschen gleichgültig. Er ist in sich selbst so vollkommen, dass er den Blick nach außen nicht braucht, das ״Um-ihn- herum“ gar nicht wahrnimmt. Das Wirken dieses unbewegten Bewegers weist schon auf seine Eigenschaften[4] hin. Er ist in sich autark, damit aber auch egozentrisch. Er ruht in sich, bleibt unbewegt und ewig, da er wie die Zeit keinen Anfang und kein Ende kennt. Er fungiert als Ruhepol des Universums, der dennoch reine Aktivität ist, verstanden als ״pure Wirksamkeit, indem er auf die Welt als deren Ziel und Endzweck einwirkt, sie bewegt [...] wie [...] von einem Heldenepos innerlich bewegt [und nach dem Helden strebend].“[5] Da er als vollendete Wirklichkeit existiert, stofflich nicht gebunden, sondern reine Form ist, kann er auch nicht umhin, eine Einheit in sich zu bilden. Denn nur der Stoff kann aus einzelnen Elementen bestehen, nicht jedoch die Form. Schlussendlich bleibt zu sagen, dass die Aktivität Gottes im Denken liegt. ״Er ist das Denken des Denkens, ״noesis noeseos“. Dies kann auch als Prinzip des Selbstbewusstseins, der Selbstreflexion bezeichnet werden. Reflexion heißt wörtlich Zurückbiegen: Der Gedanke verlässt den Geist nicht, sondern biegt sich kreisförmig auf den Geist zurück [...].[6] Dem unbewegten Beweger als höchstes Prinzip kommt die höchste Tätigkeit zu, die der Erkenntnis, und diese Erkenntnis richtet sich auf ihn selbst. Sein Tun kann als >ein sich denkendes Denken< bezeichnet werden. Wir können an dieser Stelle statuieren, dass Aristoteles Gott nicht als Schöpfer oder Person, sondern als ein Prinzip denkt. Sein Gottesbegriff kann somit keine Beziehungsebene beinhalten - keine von Gott zu den Menschen und ebenso wenig andersherum gedacht. Bevor die zwei unterschiedlichen Gottesbegriffe direkt kontrastiert werden, erfolgt zunächst eine nähere Darstellung des christlich gedachten Gottes.
Gott im Christentum
״Denn der HERR, dein Gott, ist bei dir, ein starker Heiland.
Er wird sich über dich freuen und dir freundlich sein,
er wird dir vergeben in seiner Liebe
und wird über dich mit Jauchzen fröhlich sein. “[7]
Wird bei Aristoteles der erste Beweger letztlich notwendigerweise als Factum angenommen, um das menschliche Handeln, ausgerichtet auf das Gute, zu erklären, so bestanden mit der aufkommenden Vorstellung des christlichen Gottes von jeher Zweifel. ״Wenn Gott als Person wie ein Vater vorgestellt wird, der sich um die Menschen als globale Familie sorgt, gleichwohl aber nicht wie menschliche Väter empirisch anzutreffen ist, dann kann man sich sehr wohl fragen, ob es ein solches göttliches Wesen gibt, oder ob es ein reines Denkkonstrukt ist.“[8] Letztlich scheint die Frage berechtigt, inwieweit Gottesbeweise überhaupt zielführend sind, über einen Christen oder Gläubigen kann ganz generell gesagt werden, dass er an Gott glaubt. Wenn er glaubt, dann braucht er keinen Beweis, denn für ihn spielt es entweder keine Rolle oder er nimmt die Existenz als gegeben an. Für einen Atheisten trifft das Gegenteil zu. Der Nicht-Gläubige stellt die Existenz bereits in Frage und ist in seiner Lebensführung nicht auf dieses höhere Prinzip angewiesen. Neben dem Infragestellen der Notwenigkeit eines solchen Beweises, kann anhand von Anselm von Canterbury und Ssren Kierkegard die Schwierigkeit dessen veranschaulicht werden. Canterbury denkt sich einen Beweis, der besagt, man solle sich Gott als etwas vorstellen, das nicht größer gedacht werden könne. Aber um ein solches Gedankenexperiment, und hier schließt sich auch die Kritik an, zu denken, muss die Existenz des Gedachten ja schon angenommen werden. Und letztlich kann sich der Mensch alles vorstellen, ohne den Anspruch der Realität zu erheben.
[...]
[1] Ī Barnes (1992): s. 101.
[2] 2 Ebd. s. 41.
[3] 3 Ebd. s. 102.
[4] die im Folgenden fett gedruckten Begriffen, stellen die Eigenschaften Gottes heraus
[5] Dr. phil. Roth (2006): S.9.
[6] Ebd. S.9.
[7] Lutherbibel: Zefanja 13,7.
[8] Pieper (Stand: 2017): S.3.
- Quote paper
- Juliane Richter (Author), 2017, "Der unbewegte Beweger = Gott?". Eine Gegenüberstellung von Aristoteles ́ Gottesbild und dem christlichen Gott, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/434720
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