Die Europäische Union (EU) befindet sich seit Jahren in einer Legitimitätskrise. Dies zeigt sich insbesondere an der geringen Wahlbeteiligung bei Europawahlen, als auch an dem Erstarken euroskeptischer Parteien und dem Brexit-Referendum. Bereits im Jahr 2001 weißt die EU-Kommission in einem Weißbuch darauf hin, dass die EU-Bürger zunehmend der Politik und den Institutionen der EU misstrauen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, unterbreitet die EU-Kommission den Vorschlag „die politische Entscheidungsfindung zu öffnen, und mehr Menschen und Organisationen in die Gestaltung und Durchführung der EU-Politik einzubinden“, denn „verstärkte Teilhabe bewirkt größeres Vertrauen in das Endergebnis und die Politik der Institutionen.“
In den Strategischen Zielen 2005-2009 verpflichtet sich die EU-Kommission deshalb, unter anderem Interessenvertreter verstärkt in den Politikgestaltungsprozess einzubinden. Jedoch werden insbesondere über die Zusammenarbeit zwischen Interessenverbänden und der EU- Kommission Bedenken geäußert: Die EU-Kommission werde als Ort unzulässiger Einflussnahme angesehen, wodurch die Gefahr bestünde, dass nur Partikularinteressen berücksichtigt werden. Zudem wird die unübersichtliche Vorgehensweise der EU-Kommission mit Interessenverbänden kritisiert.
Um diesen Problemen entgegenzuwirken, wurde im Jahr 2005 in einem Grünbuch der EU- Kommission, genannt Europäische Transparenzinitiative die Diskussion über eine Initiative zur Unterbindung undemokratischer Einflussnahme von Interessensverbänden auf Entscheidungsprozesse der EU-Kommission aufgenommen.
Inwiefern die Transparenzinitiative tatsächlich Veränderungen im Entscheidungsverfahren der EU-Kommission hervorrufen konnte, und ob diese den erwähnten Bedenken über undemokratische Einflussnahme von Interessenverbänden entgegenwirken können, wird in dieser Arbeit erörtert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ausgangssituation, Problemstellung und Forschungsfragen
- Ziel der Arbeit und Vorgehen
- Theoretische Grundlagen und Forschungsstand
- Demokratie und Interessenvertretung
- Partizipatorische Demokratiemodelle
- Assoziative Demokratie – Modelle und relevante Kategorien
- Deliberative Demokratie – Modelle und relevante Kategorien
- Aktueller Forschungsstand
- Empirische Untersuchung und Bewertung der Implikationen der Transparenzinitiative für Entscheidungsprozesse der EU-Kommission
- Untersuchungsgegenstände
- Modell der Entscheidungsprozesse der EU-Kommission
- Europäische Transparenzinitiative
- Forschungslücke und Detailfragen
- Methodik für die Analyse
- Beschreibung und Bewertung der Veränderungen des Entscheidungsprozesses der EU-Kommission durch die Transparenzinitiative
- Transparenzregister
- Verhaltenskodex
- Allgemeine Grundsätze und Mindeststandards für Konsultationen
- Methodenkritik und Forschungsbedarf
- Zusammenfassung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Auswirkungen der Europäischen Transparenzinitiative auf die Entscheidungsprozesse der EU-Kommission und bewertet diese aus demokratietheoretischer Perspektive. Dabei werden die Herausforderungen der Interessenvertretung in der EU und die Relevanz partizipativer Demokratiemodelle im Kontext der Legitimitätskrise der EU betrachtet. Ziel ist es, die Veränderungen im Entscheidungsprozess der EU-Kommission durch die Transparenzinitiative zu analysieren und anhand der im Theorieteil vorgestellten normativen Voraussetzungen demokratischer Entscheidungsfindung zu bewerten.
- Die Legitimitätskrise der EU und die Notwendigkeit verstärkter Bürgerbeteiligung.
- Die Bedeutung von Interessenvertretung und Lobbyismus im Kontext demokratischer Entscheidungsprozesse.
- Die Rolle der Europäischen Transparenzinitiative im Hinblick auf die Transparenz und demokratische Legitimität der EU-Kommission.
- Die Analyse der Auswirkungen der Transparenzinitiative auf den Entscheidungsprozess der EU-Kommission.
- Die Bewertung der Wirksamkeit der Transparenzinitiative im Hinblick auf die Einbindung von Interessenvertretern und die Stärkung der demokratischen Legitimität.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Legitimitätskrise der EU und die Bedeutung der Transparenzinitiative für die Stärkung der demokratischen Legitimität ein. Sie stellt die Forschungsfragen und das Vorgehen der Arbeit dar.
Der theoretische Teil beleuchtet die Begriffe Interessenvertretung und Demokratie sowie relevante Modelle partizipativer Demokratie. Dabei wird insbesondere die Unterscheidung von assoziativer und deliberativer Demokratie hervorgehoben. Der Abschnitt geht zudem auf den aktuellen Forschungsstand zum Thema Interessenvertretung in der EU ein.
Die empirische Untersuchung analysiert den Entscheidungsprozess der EU-Kommission und die Inhalte der Transparenzinitiative. Sie untersucht, inwiefern die Transparenzinitiative Veränderungen im Entscheidungsprozess hervorgerufen hat und ob diese den Bedenken über undemokratische Einflussnahme von Interessenverbänden entgegenwirken können.
Die Zusammenfassung und das Fazit fassen die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutieren die Relevanz der Untersuchungsergebnisse für die Debatte um die demokratische Legitimität der EU.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der Europäischen Transparenzinitiative, partizipativer Demokratie, Interessenvertretung, Lobbyismus, Legitimitätskrise, Entscheidungsprozesse der EU-Kommission, demokratische Legitimität, assoziative Demokratie, deliberative Demokratie, und empirische Analyse.
- Quote paper
- Karla Stein (Author), 2017, Interessenvertretung in der EU-Kommission. Bewertung der partizipatorischen Verfahren aus demokratietheoretischer Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432490