Im Mai 2001 gab es in Deutschland 24,62 Millionen Online-Nutzer, das waren 28,1% aller Haushalte. Das Versenden von privaten E-Mails steht bei den Onlineaktivitäten mit 52% an erster Stelle (zum Vergleich: Berufliche E-Mails machen lediglich 27% aus.)2. Diese Zahlen verdeutlichen, dass man die neuen Formen der Kommunikation nicht mehr als Randphänomene ansehen kann. Auch das Knüpfen von Liebesbeziehungen in Chaträumen war anfangs heftig diskutiert worden, während es sich heute, zumindest in den Medien, als Normalität etabliert hat. Man muss also davon ausgehen, dass die Kommunikation per E-Mail und Chat mittlerweile in die Lebensrealität der Menschen fest integriert ist. Auch das Versenden von SMS mit dem Handy (aber auch über das Internet) ist mittlerweile nicht mehr aus der Kommunikationspraxis der Menschen wegzudenken. Allerdings möchte ich die so genannten Kurzmitteilungen gesondert betrachten, da sie einerseits in der Literatur kaum Beachtung finden. Andererseits schaffen die technischen Voraussetzungen der Mobiltelefone ganz andere Grundlagen für Sprache und Kommunikation, als dies bei den E-Mails oder beim Chat der Fall ist.
Die beiden Letztgenannten werden in der Literatur vor allem gänzlich neue sprachliche Phänomene und eine große Kreativität zugeschrieben. Außerdem ordnet man diese Kommunikationsformen auf einer Achse zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ein, wobei vor allem der Chat stark zum Mündlichen zu tendieren scheint. Bei der E-Mail drängt sich vor allem der Vergleich zum traditionellen Brief immer wieder auf! Diese Parallelen werden auch in der Untersuchung „Sprache und Kommunikation im Internet“ von Jens Runkehl, Peter Schlobinski und Torsten Siever3 gezogen. In den ersten beiden Kapiteln meiner Arbeit möchte ich mich hauptsächlich auf dieses Werk stützen, da ihm eine umfangreiche Analyse von diversen Chats und mehr als hundert E-Mails zu Grunde liegt. Alle Zahlen, die im Folgenden genannt werden, beziehen sich auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen, sofern nicht eine andere Quelle genannt wird.
2 Quelle: http://focus.msn.de/D/DD/DD36/dd36.htm
3 Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitende Betrachtung des Themas
2.Textsorte E-Mail
3. Chat
4. SMS
5. Abschließendes Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitende Betrachtung des Themas
„Der junge Mann begann seinen Brief höflich und zurückhaltend: ‚Dies ist meine erste Post an diese Gruppe’, schrieb der 25-jährige Daniel V. aus dem norwegischen Kongsberg in einem Internet-Forum; wenn seine Mitteilung deshalb womöglich ‚unpassend’ sei, bitte er um Entschuldigung. Seine Nachricht, komplett auf Englisch verfasst, sei nämlich ‚nur für Leute bestimmt, die sich umbringen wollen. Wenn das nicht deine Absicht ist, kannst du hier aufhören zu lesen.’ Wer sich davon nicht abschrecken ließ, erfuhr, dass der Norweger entschlossen war-[...]. ‚Alle ernst gemeinten Antworten’ seien willkommen: ‚Schick mir eine mail und wir arrangieren das.’[...] Zehn Tage später war alles arrangiert; [...] Seitdem wissen schockierte Zeitungsleser, dass man im World Wide Web nicht nur nach gebrauchten Autos suchen kann, nach Aktienkursen oder schnellem Sex, sondern auch nach einem Gefährten für den Tod. ‚Subject: Suicide partner’ hatte Daniel V. in maximaler Deutlichkeit über seinen Aufruf getippt;“[1]
Dieser Fall erregte im Jahr 2000 großes Aufsehen, erst recht, als die Geschehnisse auf der Theaterbühne dramaturgisch umgesetzt wurden. Igor Bauersimas „norway.today“ wurde im November desselben Jahres am Schauspielhaus in Düsseldorf uraufgeführt. Es ist eines der wenigen, wahrscheinlich sogar das einzige Theaterstück, das zum Teil in einem Chatraum spielt. Es wurde in 16 Sprachen übersetzt und an verschiedenen Schauspielhäusern, u.a. im Freiburger Wallgrabentheater, inszeniert. Beim Durcharbeiten der Pressespiegel ist mir aufgefallen, dass der Fokus der Berichterstattung immer wieder auf der realen Vorlage des Stückes lag. Insbesondere wurde Bezug darauf genommen, dass der Suizid per chat und E-Mail verabredet worden ist. Offensichtlich war das die Tatsache, die die Menschen an diesem Stoff so gefesselt hat. Scheinbar konnte man diese neuen Kommunikationsformen mit so einem ernsten Thema nur schwer in Einklang bringen. Der Verdacht liegt nahe, dass vor allem die Chat-Kommunikation stark in ihrem Einfluss unterschätzt wurde bzw. dass man sie als Spielerei angesehen hat.
Im Mai 2001 gab es in Deutschland 24,62 Millionen Online-Nutzer, das waren 28,1% aller Haushalte. Das Versenden von privaten E-Mails steht bei den Onlineaktivitäten mit 52% an erster Stelle (zum Vergleich: Berufliche E-Mails machen lediglich 27% aus.)[2]. Diese Zahlen verdeutlichen, dass man die neuen Formen der Kommunikation nicht mehr als Randphänome ansehen kann.
Auch das Knüpfen von Liebesbeziehungen in Chaträumen war anfangs heftig diskutiert worden, während es sich heute, zumindest in den Medien, als Normalität etabliert hat. Man muss also davon ausgehen, dass die Kommunikation per E-Mail und Chat mittlerweile in die Lebensrealität der Menschen fest integriert ist. Auch das Versenden von SMS mit dem Handy (aber auch über das Internet) ist mittlerweile nicht mehr aus der Kommunikationspraxis der Menschen wegzudenken. Allerdings möchte ich die so genannten Kurzmitteilungen gesondert betrachten, da sie einerseits in der Literatur kaum Beachtung finden. Andererseits schaffen die technischen Voraussetzungen der Mobiltelefone ganz andere Grundlagen für Sprache und Kommunikation, als dies bei den E-Mails oder beim Chat der Fall ist.
Die beiden Letztgenannten werden in der Literatur vor allem gänzlich neue sprachliche Phänomene und eine große Kreativität zugeschrieben. Außerdem ordnet man diese Kommunikationsformen auf einer Achse zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ein, wobei vor allem der Chat stark zum Mündlichen zu tendieren scheint. Bei der E-Mail drängt sich vor allem der Vergleich zum traditionellen Brief immer wieder auf! Diese Parallelen werden auch in der Untersuchung „Sprache und Kommunikation im Internet“ von Jens Runkehl, Peter Schlobinski und Torsten Siever[3] gezogen. In den ersten beiden Kapiteln meiner Arbeit möchte ich mich hauptsächlich auf dieses Werk stützen, da ihm eine umfangreiche Analyse von diversen Chats und mehr als hundert E-Mails zu Grunde liegt. Alle Zahlen, die im Folgenden genannt werden, beziehen sich auf die Ergebnisse dieser Untersuchungen, sofern nicht eine andere Quelle genannt wird.
2. Textsorte E-Mail
E-Mail ist die Abkürzung für „electronic mail“, zu Deutsch also elektronische Post. Diese Namensgebung impliziert bereits den Vergleich mit der traditionellen Briefpost. Allerdings gibt es in der Literatur auch andere Wege diese neue Textsorte zu beschreiben. Hale und Scanlon drückten es fast schon poetisch aus: „a cross between a conversation and a letter, email is as fast as a telegram and as cheap as a whisper”[4]. David Chrystal ließ in seinem Werk „Language and the Internet“[5] auch die Comicfiguren der Simpsons zu Wort kommen:
Homer: What’s an e-mail?
Lenny: It’s a computer thing, like, er, an electric letter.
Carl: Or a quiet phone call.[6]
In diesem Dialog drücken sich weitere Ansätze zur Beschreibung der Textsorte E-Mail aus. Zunächst natürlich die Anlehnung an Briefe auf Papier, darüber hinaus klingt an, dass E-Mails auch sprachliche Elemente aufweisen können wie beispielsweise ein Telefongespräch. Auch die Dialogizität der Kommunikation mittels des Fernsprechers wird in der Literatur oft als ein Charakteristikum der E-Mails genannt.
Trotz der Vergleiche mit herkömmlichen geschriebenen Briefen wird über E-Mails auch gesagt, dass in ihnen völlig neue sprachliche Phänomene aufträten und sich eine hohe Kreativität zeige:
„Mit den E-Mail-Briefen entsteht eine neue Schreibkultur, die sich durch ihre Schriftlichkeit zwar von der Alltagskommunikation deutlich abhebt, aber sprechsprachliche Formen mitträgt.“[7]
Um die E-Mails auf diese Elemente zu überprüfen, werde ich mich hauptsächlich auf die Untersuchung „Sprache und Kommunikation im Internet“ von Runkehl, Schlobinski und Siever stützen. Das Werk ist eines der ausführlichsten zu diesem Thema und stützt sich im Bereich der E-Mail-Kommunikation auf eine Untersuchung von Mails aus verschiedenen Bereichen. Deren Vergleich zeigt einen differenzierten Umgang mit dieser Textsorte und es wird schnell deutlich, dass es nicht die E-Mail an sich gibt.
Der Korpus umfasste 100 E-Mails aus dem privaten Bereich (Kommunikationspartner standen in freundschaftlicher und/oder verwandtschaftlicher Beziehung.), ebenso viele institutionelle von einer Universität, jeweils noch einmal die gleiche Anzahl elektronischer Briefe aus einer Anwaltskanzlei und einem Computerkonzern. Zusätzlich wurden noch weitere E-Mails privater Natur untersucht, nämlich 30 Stück von zwei fünfzehnjährigen Mädchen, die begannen über dieses Medium zu kommunizieren. Das dauerte mehrere Wochen und wurde aber auch durch Telefongespräche ergänzt. Die letzte private Gruppe umfasst 50 E-Mails, die sich ein Ehepaar geschrieben hat, das fünf Wochen getrennt auf zwei verschiedenen Kontinenten verbringen musste. Dazu kommt noch eine ganz andere Art solcher elektronischer Botschaften, nämlich 50 Junk-Mails. Zum Vergleich wurden Briefe auf Papier herangezogen, davon 200 Stück aus dem universitären Bereich, wovon die Hälfte mit der Schreibmaschine getippt, der Rest mit einem Textverarbeitungsprogramm erstellt worden war. Außerdem standen Runkehl, Schlobinski und Siever zusätzlich hand-, aber auch computergeschriebene Briefe der Teenager und des Ehepaares zur Verfügung.[8]
Bevor jedoch die sprachlichen Mittel im Einzelnen untersucht werden, soll hier der Aufbau von E-Mails dargestellt werden[9]. Dieser ist ihnen allen gemeinsam, ganz egal zu welchem Zweck sie erstellt wurden bzw. aus welchem Bereich sie kommen. Der Grund dafür liegt nicht in einer verabredeten Konvention, sondern darin, dass alle E-Mail-Programme das gleiche Formular verwenden, das eine Dreiteilung erzeugt. Am Anfang steht immer der Header, darin finden sich Informationen über die Kommunikationspartner wie z.B. ihre E-Mail-Adressen. Man kann im Header aber auch den Typ des versendeten Dokuments nachlesen und man erfährt, wann es abgeschickt worden ist. Für die Linguistik ist vor allem die Subject-Zeile von besonderem Interesse: Sie gleicht der Betreffzeile herkömmlicher Briefe und wird vom Absender selbstständig gestaltet werden. Der Empfänger kann so beim Durchsehen seines elektronischen Postfachs gleich eine Auswahl der E-Mails vornehmen, indem er Rückschlüsse auf den Inhalt zieht. Diese Betreffzeile muss sich allerdings nicht nur auf diesen beziehen, sondern kann auch eine Verbindung zu einer Betreffzeile einer vorangegangenen E-Mail, zu einem mündlichen Gespräch etc. herstellen:
„Man nimmt (vielfach) Bezug auf ein vorangegangenes Schreiben. Ein spezielles intertextuelles Muster ergibt sich jedoch aus der Möglichkeit, dass die in der Maske vorgegebene Subject-Benennung einerseits auf eine vorhergehende Subject-Bezeichnung Bezug nehmen und sich andererseits auf einen Text beziehen kann. [...] Manchmal entwickelt sich eine Art subtext zwischen den Subjects: Man nimmt Bezug auf das vorangegangene Subject und reagiert im eigenen kleinen Text wiederum im Subject darauf.“[10]
In der Subject-Zeile kristallisiert sich bereits der dialogische Charakter von E-Mails heraus, wird aber noch deutlicher in der Reply-Funktion. Diese behält den ursprünglichen Text (in diesem Fall die Bezugnahme) bei und ermöglicht es so, direkt darauf zu antworten.
Das zweite Hauptelement einer E-Mail ist der sogenannte Body, der die eigentliche Mitteilung beinhaltet. Man könnte ihn aus diesem Grund auch als „Textkörper“ bezeichnen. Hier kann insbesondere die Reply-Funktion wieder einen dialogischen Charakter erzeugen: Der gesamte ursprüngliche Text wird vom Programm automatisch in die Antwortmail übertragen, der Verfasser kann nun einzelne Textstellen auswählen, auf die er direkt Bezug nehmen möchte. Die ursprüngliche Formulierung ist stets durch ein „Re:“ gekennzeichnet, bei manchen Mail-Clienten steht auch noch ein „>“ davor. Dieses sprachliche Phänomen bezeichnet man auch als Quoting.
Den dritten Teil, die Signatur, findet man nicht in jeder E-Mail. Manche Schreiber haben jedoch ein solches Signum, das als Extradatei gespeichert worden ist und vom Mailprogramm automatisch an das Ende ihrer Nachrichten gesetzt wird. Dieser optionale Anhang wird oft durch Spiegelstriche vom übrigen Text getrennt und umfasst meistens Angaben zur Person wie Telefonnummer, Adresse oder Ähnliches. Manche Menschen werden hier aber auch kreativ und fügen in diesen Bereich Sprüche oder Zitate ein. Auch ASCII-Art wird hier gern verwendet um den elektronischen Briefen einen persönlichen Anstrich zu verleihen. Unter dieser Abkürzung versteht man Bilder, die nur aus Zeichen hergestellt werden[11]. Diese Signatur ist im Übrigen nicht identisch mit der digitalen Signatur, die elektronische Dokumente vor Verfälschungen schützen soll.
Ein Aspekt der E-Mail-Kommunikation, der in der Literatur oft erwähnt wird, ist die Fehlerhäufigkeit. Quasthoff sieht in ihr einen Ausdruck des schnellen Charakters dieser Textsorte:
„[Es] fällt in den E-mail Botschaften eine sehr viel höhere Toleranz gegenüber orthographischen Fehlern auf. [...] Die Fehler werden als Ausdruck schnellen, flüchtigen Schreibens wahrgenommen - nicht etwa als Zeichen mangelnder Bildung.“[12]
Runkehl, Schlobinski und Siever machen in den untersuchten privaten und universitären E-Mails vor allem Tastaturfehler aus. Diese entstehen vor allem durch das schnelle Tippen und eine fehlende abschließende Korrektur. Sie machen 70% aller Fehler in den angesprochenen Bereichen aus. Dort konnte auch festgestellt werden, dass Kommafehler in ihrer Häufigkeit alle anderen Rechtschreibfehler übertreffen. Im Vergleich mit den Texten, die mittels Schreibmaschine und Textverarbeitung erstellt wurden, hat sich jedoch gezeigt, dass Tastaturfehler bei der Schreibmaschine am häufigsten sind. Sogar die computergeschriebenen (ausgedruckten) Texte weisen ein geringfügig mehr Tastaturfehler auf als die E-Mails! Dieses Ergebnis verwundert nicht, da es mit der Schreibmaschine sehr aufwändig ist, Fehler zu verbessern. Beim direkten Vergleich von Textverarbeitung und E-Mail muss festgehalten werden, dass man die Tastaturfehler keinesfalls als Merkmal der neuen Textsorte E-Mail bezeichnen kann. Ebenfalls sehr ausgeprägt ist der Gebrauch von Bigraphen in den universitären und privaten Mails, allerdings muss auch festgestellt werden, dass Schreiber den Gebrauch von Bigraph oder Ligatur jeweils konsequent durchhalten.[13]
In 15% der privaten E-Mails tritt eine konsequente Kleinschreibung aller Wörter auf, bei denen aus dem universitären Bereich sind es dagegen nur 7%. Der Gebrauch von Akronymen beschränkt sich in den universitären E-Mails vor allem auf die Abkürzung m.f.g. für Mit freundlichen Grüßen. In denen des privaten Bereichs konnten noch die Abkürzungen bb (bis bald oder aber bye bye), bm (bis morgen) und nn (nichts Neues) ausgemacht werden. Das Vorkommen von Akronymen und konsequenter Kleinschreibung in den universitären und privaten E-Mails ist zwar relativ gering, vergleicht man diese Zahlen aber mit den herkömmlichen Texten, so scheinen diese sprachlichen Besonderheiten kennzeichnend für die Textsorte E-Mail zu sein. Auch die Verwendung von Bigraphen ist bei der E-Mail sehr viel stärker vertreten als in konventionellen Texten. Erwähnenswert ist auch der Gebrauch von Smilies, die immer wieder mit der neuen elektronischen Kommunikation in Verbindung gebracht werden. In den universitären E-Mails spielen sie kaum eine Rolle, treten aber in 15% der privaten auf. Auf diese so genannten Emoticons soll in den Ausführungen über die Chat-Kommunikation näher eingegangen werden, da sie dort eine größere Rolle spielen. Runkehl, Schlobinski und Siever ziehen das Fazit, dass allgemeine Aussagen über Fehler, Groß- und Kleinschreibung sowie die Verwendung graphostilistischer Mittel in E-Mails nicht gemacht werden können[14]. Allerdings konnten sie feststellen, dass diese für traditionelle Briefe ungewöhnlichen Mittel eher in informellen E-Mails vorkommen, aber kaum noch zu finden sind, sobald diese formeller werden[15].
Die Verwendung sprechsprachlicher Mittel wird oft zur Charakterisierung der Textsorte E-Mail herangezogen. Dabei ist häufig die Rede von „verschriftlichter Mündlichkeit“[16] oder „mündlicher Schriftlichkeit“[17]. Runkehl, Schlobinski und Siever konnten keinen auffälligen Gebrauch der sprechsprachlichen Mittel Assimilation und Reduktion ausmachen. Bei den Mails im universitären Bereich traten Formen wie für’s (fürs) zu 2% auf, im privaten Bereich doppelt so häufig (4%). Reduktionen waren in der elektronischen Post der Hochschule nicht zu finden, in der des privaten Bereiches auch nur zu 3%. Die These, dass E-Mails verglichen mit dem traditionellen Brief einen besonders mündlichen Charakter hätten, wird also nicht durch das häufige Vorkommen sprechsprachlicher Mittel gestützt.[18]
Die Dialogizität, die den E-Mails zugeschrieben wird, könnte jedoch ein Beleg für Mündlichkeit sein:
„Es konstituiert sich in E-Mails eine neue Form von Dialogizität und sprachlicher Kreativität, die sich an mündlichen Kommunikationssituationen zu orientieren scheint und sich damit nochmalig von den Texttypen und –strukturen anderer Formen technischer Kommunikation unterscheidet.“[19]
Nach Runkehl, Schlobinski und Siever hängen diese dialogischen Elemente mit der Reply -Funktion zusammen. Außerdem könne Dialogizität in allen Textsorten ausgemacht werden, denen ein Frage-Antwort Schema zugrunde liegt, wie beispielsweise handgeschriebenen Briefen oder Argumentationen. Für dieses Phänomen könnten sich also keine absoluten Aussagen über die E-Mail treffen lassen.
Insgesamt führte die Untersuchung Runkehls, Schlobinskis und Sievers’ zu dem Ergebnis, dass sich E-Mails im Grunde an den klassischen Briefen orientieren. Die Schreibmuster unterscheiden sich nicht grundlegend, außer in Hypertext-Anwendungen, die aber sehr selten zu finden sind. Überhaupt würden die neuen multimedialen Möglichkeiten, die die E-Mail-Kommunikation bietet, so gut wie nicht genutzt. Einzig der dialogische Aspekt träte durch die Reply-Funktion stärker in den Vordergrund als bei herkömmlichen Briefen. Die Ausprägung mancher sprachlicher Mittel wird auf die technische Entwicklung zurückgeführt:
„Natürlich führt das neue technische Medium zu spezifischen Schreibpraxen wie der Verwendung von Bigraphen und tastaturbedingten graphostilistischen Mitteln. Solche medial bedingten Ausprägungen können wir in der Entwicklungsgeschichte der Schrift immer wieder beobachten: Die chinesischen Bronzeinschriften weisen gegenüber den Orakelknocheninschriften Unterschiede auf, die sich aus dem neuen Material und dessen Bearbeitung erklären. [...] Doch führt das neue Medium Internet zu völlig neuen textuellen und interaktiven Merkmalen in der (E-Mail)-Kommunikation? Die vorliegenden Analysen lassen einen solchen Schluss nicht zu [...] Offensichtlich ist die E-Mail-Kommunikation in der Praxis eine auf schnellere Kommunikation reduzierte Briefpost, der sozusagen elektronisch beschleunigte Brief.“[20]
[...]
[1] Wolf, Martin: Asche im Netz. In: Der Spiegel 9, 2000, S. 184.
[2] Quelle: http://focus.msn.de/D/DD/DD36/dd36.htm
[3] Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998.
[4] Hale, Constance, Scanlon, Jessie: Wired style: principals of English usage in the digital age. New York: Broadway Books1999. zitiert nach: Chrystal, David: Language and the Internet. Cambridge: Cambridge University Press 2001, S. 125.
[5] Chrystal, David: Language and the Internet. Cambridge: Cambridge University Press 2001.
[6] „The computer war menace shoes“, Episode 12A6 of The Simpsons (Fox TV). Zitiert nach: Chrystal, David: Language and the Internet. Cambridge: Cambridge University Press 2001, S. 125.
[7] Günther, Ulla, Wyss, Eva Lia: E- mail- Briefe- eine neue Textsorte zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. In: Hess- Lüttich, Ernest W.B., Holly, Werner, Püschel, Ulrich: Textstrukturen im Medienwandel. Frankfurt am Main: Forum angewandte Linguistik Band 29, Peter Lang GmbH, Europäischer Verlag der Wissenschaften 1996, S. 82.
[8] Vgl. Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 35 f.
[9] Vgl. Anhang Abb. 1)
[10] Günther, Ulla, Wyss, Eva Lia: E- mail- Briefe- eine neue Textsorte zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. In: Hess- Lüttich, Ernest W.B., Holly, Werner, Püschel, Ulrich: Textstrukturen im Medienwandel. Frankfurt am Main: Forum angewandte Linguistik Band 29, Peter Lang GmbH, Europäischer Verlag der Wissenschaften 1996, S. 78.
[11] Vgl. hierzu Anhang Abb.2)
[12] Quasthoff, Uta M.: Kommunikative Normen im Entstehen: Beobachtungen zu Kontextualisierungsprozessen in elektronischer Kommunikation. In: Weingarten, Rüdiger (Hg.): Sprachwandel durch Computer... Opladen: 1997, S. 41. Zitiert nach: Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 35.
[13] Vgl. Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 36- 38.
[14] VGl. Anhang Abb.3)
[15] Vgl. Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 36- 38.
[16] Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 38.
[17] Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 38.
[18] Vgl. Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 36- 38.
[19] Pansegrau, Petra: Dialogizität und Degrammatikalisierung in E- mails. In: Hess- Lüttich, Ernest W.B., Holly, Werner, Püschel, Ulrich: Textstrukturen im Medienwandel. Frankfurt am Main: Forum angewandte Linguistik Band 29, Peter Lang GmbH, Europäischer Verlag der Wissenschaften 1996, S.102.
[20] Runkehl, Jens, Schlobinski, Peter, Siever, Torsten: Sprache und Kommunikation im Internet. Opladen/ Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1998, S. 52.
- Arbeit zitieren
- Stefanie Held (Autor:in), 2004, E-Mail, Chat und SMS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42943
-
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