Laut einer Erhebung der deutschen Bischofskonferenz lebten im Jahr 2011 rund 24,5 Millionen Katholiken in Deutschland. Das sind ungefähr dreißig Prozent der Gesamtbevölkerung. Im selben Jahr wurden in Deutschland insgesamt rund 108.900 bestätigte Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, wie das "Hamburger Abendblatt" veröffentlichte. Rein statistisch müssten daher dreißig Prozent der Abbrüche auf Mitglieder der katholischen Kirche entfallen. Bei dieser nicht unerheblichen Zahl betroffener Frauen aus den eigenen Reihen kann sich die katholische Amtskirche einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Thematik der Schwangerschaftsabbrüche nicht entziehen.
Sie gerät dabei in ein Spannungsfeld zwischen der Sorge um das leibliche und seelische Wohlergehen ihrer Mitglieder auf der einen Seite und der ihr quasi aufgrund ihrer moralischen Instanz als Religionsgemeinschaft aufgezwungenen Verpflichtung zum Schutz des ungeborenen Lebens auf der anderen Seite. Die Position der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch wird das Thema meines Essays sein. Ich untersuche darin, wie die katholische Kirche zu ihrem gegenwärtigen Standpunkt gelangt ist und mit welchen Argumenten sie ihn vertritt. Zudem versuche ich anhand von Fallbeispielen herauszufinden, ob die Position der katholischen Kirche unabhängig vom jeweiligen, individuellen Einzelfall unverändert bleibt, oder ob sie auch in bestimmten Situationen gewillt ist, von der generellen Haltung abzuweichen. Auf die Analyse der Fallbeispiele folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente.
1. Einleitung
Laut einer Erhebung der deutschen Bischofskonferenz[1] lebten im Jahr 2011 rund 24,5 Millionen Katholiken in Deutschland. Das sind ungefähr dreißig Prozent der Gesamtbevölkerung. Im selben Jahr wurden in Deutschland insgesamt rund 108.900 bestätigte Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, wie das "Hamburger Abendblatt"[2] veröffentlichte. Rein statistisch müssten daher dreißig Prozent der Abbrüche auf Mitglieder der katholischen Kirche entfallen.
Bei dieser nicht unerheblichen Zahl betroffener Frauen aus den eigenen Reihen kann sich die katholische Amtskirche einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Thematik der Schwangerschaftsabbrüche nicht entziehen.
Sie gerät dabei in ein Spannungsfeld zwischen der Sorge um das leibliche und seelische Wohlergehen ihrer Mitglieder auf der einen Seite und der ihr quasi aufgrund ihrer moralischen Instanz als Religionsgemeinschaft aufgezwungenen Verpflichtung zum Schutz des ungeborenen Lebens auf der anderen Seite.
Die Position der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch wird das Thema meines Essays sein. Ich untersuche darin, wie die katholische Kirche zu ihrem gegenwärtigen Standpunkt gelangt ist und mit welchen Argumenten sie ihn vertritt. Zudem versuche ich anhand von Fallbeispielen herauszuflnden, ob die Position der katholischen Kirche unabhängig vom jeweiligen, individuellen Einzelfall unverändert bleibt, oder ob sie auch in bestimmten Situationen gewillt ist, von der generellen Haltung abzuweichen. Auf die Analyse der Fallbeispiele folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente.
2. Die Position der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch
2.1. Ursprung und Rechtfertigung der Position
Das wichtigste Argument, warum sich die katholische Kirche gegen den Schwangerschaftsabbruch ausspricht, ist die in der kirchlichen Überzeugung begründete Heiligkeit des menschlichen Lebens, das als Geschenk Gottes an den Menschen angesehen wird ("donum vitae"[3] ).
Die Päpstliche Kongregation der Glaubenslehre schreibt in ihrer "Erklärungüber den Schwangerschaftsabbruch", dass "die Kirche [...] sich ihrer Aufgabe [...] bewusst ist, den Menschen gegen alles, was ihn zerstören oder erniedrigen könnte, zu schützen"[4]. Laut der Lehre der katholischen Kirche gilt jeder Mensch als Bruder von Jesus Christus. Aus diesem Grund gilt das menschliche Leben als besonders schützenswert und wertvoll. Die Ablehnung des Schwangerschafts-abbruchs resultiert sowohl aus dem biblischen Zitat "Gott hat den Tod nicht geschaffen und hat keine Freude am Untergang des Lebens" (Weish 1,13) als auch dem fünften Gebot "Du sollst nicht töten" (Exodus 20,13).
Der Mensch gilt zwar als frei in seinen Entscheidungen, dennoch behält sich die katholische Kirche vor, "das menschliche Gewissen zu unterrichten"[5], indem sie den Menschenüber seine Rechte belehrt. Als höchstes Recht wird das Recht auf Leben angesehen, da es "grundlegend, weil Voraussetzung für alle anderen"[6] ist. Würde einem Schwerkranken dieses Recht auf Leben abgesprochen werden, so wäre dies nach der katholischen Kirchenlehre "diskriminierend"[7] gegenüber den gesunden Menschen (siehe auch Fallbeispiel "Schwangerschaft mit einem nachweislich kranken oder behinderten Ungeborenen").
Aus Sicht der katholischen Glaubenslehre beginnt der ungeborene Mensch im Augenblick der Zeugung zu existieren und bekommt von diesem Moment an seine Menschenwürde. Jeder direkte, d.h. von außen erfolgende Schwanger-schaftsabbruch bedeutet also nach kirchlicher Auffassung die Tötung ungeborenen Lebens, die grundsätzlich untersagt ist.
Das Recht, einen ungeborenen Menschen zu töten, wird von "dem göttlichen Gesetz und der natürlichen Vernunft"[8] zwar abgelehnt, dennoch ist sich die katholische Kirche auch bewusst, dass die Beweggründe der Schwangeren für einen Abbruch nicht verallgemeinert werden können, sondern nach dem jeweiligen Einzelfall differenziert bewertet werden müssen.
Die wichtigsten Gründe, die heute für einen Schwangerschaftsabbruch angeführt werden, sind eine mögliche Gefährdung des Lebens der Mutter während der Schwangerschaft oder der Geburt, jugendliches Alter der Schwangeren, die Last eines weiteren oder ungewollten Kindes, sozialer Abstieg sowie das Risiko eines kranken oder behinderten Neugeborenen.
Darüber hinaus erwähnt die Kirche auch die Bedeutung des wissenschaftlichen und medizinischen Fortschritts, der die möglichen Komplikationen während eines Schwangerschaftsabbruchs weitgehend minimiert hat. Wenngleich es heutzutage für die Gesundheit der Frau bedeutend risikoärmer ist, eine Schwangerschaft abzubrechen, weil die Wissenschaft verträglichere Methoden entwickelt hat, so sollte dies nicht zu einem allzu sorglosen Umgang mit der Option des Schwangerschaftsabbruchs führen[9].
Ein weiterer Grund, warum sich die katholische Kirche gegen Schwanger- schaftsabbrüche ausspricht, ist das Verbot, sich nach einem "unmoralischen Gesetz"[10] zu richten. Laut der katholischen Kirche fällt der Schwangerschafts-abbruch unter diese Gesetze und ist daher für Christen unzulässig.
3. Fallbeispiele: Wie würde die Kirche in den folgenden Fällen urteilen?
3.1. "Versehentliche" Schwangerschaft
Hierbei handelt es sich genau genommen um zwei ganz unterschiedliche Fallkonstellationen. Die "versehentliche" Schwangerschaft meint den Umgangssprachlichen "Unfall", d.h. eine Schwangerschaft aufgrund eines leichtfertigen Verzichts auf Empfängnisverhütung, bei dem eine ungewollte Schwangerschaft in Kauf genommen wird und ein Abbruch gewissermaßen als gängiges Mittel zur "Fehlerbeseitigung" gesehen wird.
Davon zu unterscheiden wäre der Fall, bei dem eine mögliche Empfängnis bewusst nicht geplant ist und es trotz Anwendung von Verhütungsmitteln zu einer Schwangerschaft kommt.
Beide Fallbeispiele habe ich trotz ihrer unterschiedlichen Ausgangssituationen zusammengefasst, da die Position der katholischen Kirche in beiden Fällen dieselbe ist.
Die katholische Kirche lehnt den Abbruch einer versehentlichen oder ungeplanten Schwangerschaft (aufgrund fehlender oder unzureichender Empfängnisverhütung) nicht hauptsächlich aus dem Grund ab, weil der Abbruch den Tod des Unge-borenen zur Folge hätte, sondern weil der Geschlechtsverkehr mit "sündhaften Absichten"[11] ohne den Wunsch, "Nachkommen zu zeugen"[12], stattgefunden hat. Die Kirche beruft sich in diesem Fall auf das gottgegebene Geschenk des Lebens, das "vom Augenblick der Empfängnis an absolut zu achten ist"[13]. Ein Schwanger-schaftsabbruch wird für die katholische Kirche daher auch abgelehnt, wenn die Familie durch ein weiteres oder ungeplantes Kind eine zusätzliche finanzielle Belastung bewältigen müsste, dadurch ein sozialer Abstieg drohen und das Kind im schlimmsten Fall von der Familie beschuldigt werden würde, der Grund dafür zu sein. Auch jugendliches Alter der werdenden Mutter ist für die katholische Kirche ebenfalls kein triftiges Argument für einen Abbruch. Denn diese Gründe "geben objektiv nicht das Recht,über das Leben [...] zu verfügen"[14]
Als Einwand auf die Position der katholischen Kirche wird vielfach der Wunsch der Frau angeführt,über ihren Körper selber bestimmen zu wollen. Die Kirche argumentiert hier dagegen, weil "alleöffentliche Freiheit immer als Grenze das bestimmte Recht eines Anderen hat"[15]. Das Recht auf Leben, das dem Eingeborenen zukommt, schränkt danach die Selbstbestimmung der Frau ein.
[...]
[1] http://www.dbk.de/katholische-kirche/katholische-kirche-deutschland/ (10.10.2012)
[2] http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article2206330/Weniger-Abtreibungen-2011-in- Deutschland.html (10.10.2012)
[3] Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärungüber den Seim anger Schaftsabbruch http://www.vatican.va/roman curia/congregations/cfaitli/documents/rc con cfaith doc 19741118 de claration-abortion ge,html (2.10.2012)
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] ebd.
[7] ebd.
[8] ebd.
[9] ebd.
[10] ebd.
[11] Kamiinsky, Carnieri: Embryonen, Ethik und Verantwortung-eine kritische Analyse der Statusdiskussion als Problemlösungsansatz angewandter Ethik. O.o: Mohr Siebeck 1998, S.79
[12] ebd.
[13] Kongregation für die Glaubenslehre: Klarstellung zur vorsätzlichen Abtreibung http://www.vatican.va/r01nan curia/congregations/cfaitli/documents/rc con cfaith doc 20090711 ab orto-procurato ge.html (2.1Ē2012)
[14] Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärungüber den Schwangerschaftsabbruch http://www.vatican.va/r01nan curia/congregations/cfaitli/documents/rc con cfaith doc 19741118 de claration-abortion ge.html (2.10.2012)
[15] ebd.
- Quote paper
- Nina Kelli (Author), 2012, Die Position der katholischen Kirche zum Schwangerschaftsabbruch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429429
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