Im Mittelalter ist die lateinische Sprache die Schriftsprache einer intellektuellen Minderheit. Latein ist die Kirchensprache, die Universitätssprache und die Literatursprache. Die Mehrheit des Volkes hingegen besteht zum Großteil aus Analphabeten. 960 nach Christus werden die Placiti Cassini (Eidesformeln) bei Gericht in der Volkssprache vorgelesen und protokolliert.
Die erste bedeutende Literaturtradition Italiens entstand erst in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, also wesentlich später als die der provenzalischen und französischen Literatur, und zwar vornehmlich am süditalienischen Hof des Staufers Friedrich II. Sie war dem Vorbild der provenzalischen Lyrik verpflichtet, verwendete aber das Sizilianische. Es handelt sich hierbei um die Scuola siciliana. Damit entstand eine erste italienische Schriftsprache. Auch die am Hof lebenden toskanischen Dichter verwenden dieses entdialektalisierte Sizilianisch. In der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts liegt dann die Überlieferung der Scuola siciliana in toskanischen Händen, denn Pisa, Lucca und Arezza entwickeln sich zu kulturellen Zentren, in denen die Tradition der Scuola siciliana fortgeführt wird.
Im dreizehnten Jahrhundert wächst auch die politische Bedeutung von Florenz und Siena und je mehr diese Bedeutung wächst, umso mehr verstärkt sich ab Mitte des dreizehnten Jahrhunderts dort der Gebrauch des Volgare fiorentino bei der Abfassung schriftlicher Texte, das heißt sowohl bei der Erstellung von Urkunden als auch im literarischen Bereich. Natürlich gibt es auch in Florenz wichtige Dichter, doch zum eigentlichen Durchbruch kommt es erst, als Florenz den dolce stil nuovo, eine Tradition, die von Bologna ausgeht, übernimmt und zum führenden kulturellen und literarischen Zentrum wird.
Dante Alighieri verfasst eine Darstellung der italienischen Dialekte. Er befürwortet volkssprachige Predigten, Prosa und Lyrik. Im florentinischen Dialekt schreibt Dante seine Divina Commedia. Auch Boccaccio und Petrarca schreiben im toskanischen Dialekt. Zusammen mit Dante werden diese drei großen Autoren des vierzehnten Jahrhunderts Le tre corone bezeichnet. Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts wurde das Florentinische nicht mehr als Volgare betrachtet, sondern war zur Schrift- und Literatursprache geworden. Dem zugrunde liegt aber die Questione della lingua, die mit der Erfindung des Buchdrucks zusammenhängt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Die Vorgeschichte der italienischen Literatur
- 2. Die Questione della lingua
- 2.1. Die Questione della lingua im Cinquecento (16. Jh.)
- 2.2 Die Bedeutung der Questione della lingua für die anderen romanischen Sprachen
- 3. Die Gründung der Accademia della Crusca und ihre Ziele
- 4. Die verschiedenen Auflagen des Wörterbuchs
- 4.1 Die erste Auflage des Wörterbuchs
- 4.2. Die zweite Auflage
- 4.3. Die dritte Auflage
- 4.4.1. Die vierte Auflage
- 4.4.2. Der Zusammenschluss der florentinischen Akademien
- 4.4. Die Neugründung der Accademia und die fünfte Auflage (1863- 1923)
- 5. Die weitere Geschichte der Accademia
- 6. Die Accademia della Crusca heute
- 7. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Werk verfolgt das Ziel, die Entstehung und Entwicklung der Accademia della Crusca zu beleuchten. Es untersucht die historischen und sprachlichen Hintergründe, die zur Gründung der Akademie führten, und beschreibt deren bedeutende Rolle in der Entwicklung der italienischen Sprache. Die Arbeit analysiert die "Questione della lingua" und deren Einfluss auf die Standardisierung des Italienischen.
- Die Vorgeschichte der italienischen Literatur und die Entwicklung des Volgare.
- Die "Questione della lingua" im 16. Jahrhundert und die verschiedenen Lösungsansätze.
- Die Gründung der Accademia della Crusca und ihre Ziele zur Sprachreinigung und -förderung.
- Die verschiedenen Auflagen des Wörterbuchs der Accademia und deren Bedeutung für die Sprachgeschichte.
- Die Entwicklung und der Einfluss der Accademia della Crusca bis in die Gegenwart.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Vorgeschichte der italienischen Literatur: Die Einleitung beschreibt die sprachliche Situation im mittelalterlichen Italien, wo Latein die Sprache der Elite war, während die Mehrheit der Bevölkerung Analphabeten war. Die Entstehung der italienischen Literatur wird mit der Scuola siciliana am Hof Friedrichs II. in Verbindung gebracht, die ein sizilianisch-basiertes Schriftsprachmodell schuf. Die anschließende Übernahme dieser Tradition durch toskanische Zentren und der Aufstieg von Florenz als kulturelles Zentrum legten den Grundstein für die Entwicklung des florentinischen Volgare als Grundlage der zukünftigen italienischen Schriftsprache. Die Rolle von Dante, Petrarca und Boccaccio als "Tre corone" und die Entwicklung des Florentinischen zur Literatursprache gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird angedeutet, wobei der Einfluss der "Questione della lingua" bereits hier erwähnt wird.
2. Die Questione della lingua: Dieses Kapitel befasst sich mit der Debatte um die geeignete Sprache für die italienische Literatur und die Herausbildung einer nationalen Schriftsprache im 16. Jahrhundert. Angetrieben durch den Buchdruck, wurden verschiedene Positionen vertreten, von der Verwendung des archaischen Toskanisch des Trecento (Bembo) bis hin zu modernen florentinischen Varianten (Machiavelli) und einer zusammengesetzten Sprache, die Elemente aus verschiedenen italienischen Dialekten einbezog (Muzio). Die unterschiedlichen Ansätze, einschließlich der Betonung einer höfischen Sprache ("lingua cortigiana") und der Nutzung des Toskanischen als Basis mit dialektalen Einflüssen (Speroni), werden ausführlich erläutert. Der Einfluss dieser Debatte auf die Entwicklung von Grammatiken und Wörterbüchern wird hervorgehoben, und die Bedeutung der "Questione della lingua" für die Herausbildung der Accademia della Crusca wird vorbereitet.
2.1. Die Questione della lingua im Cinquecento (16. Jh.): Dieser Unterabschnitt beschreibt detailliert die verschiedenen Positionen in der "Questione della lingua" des 16. Jahrhunderts. Die Vertreter der jeweiligen Ansätze und deren Argumente werden vorgestellt: Pietro Bembo mit seinem Fokus auf das archaische Toskanisch der "Tre Corone", Machiavelli mit seiner Bevorzugung des modernen Florentinisch, Girolamo Muzio mit seiner Idee einer "lingua composta" und weitere Positionen werden detailliert analysiert. Die Bedeutung der Debatte für die Entwicklung der italienischen Schriftsprache wird im Kontext der verschiedenen Vorschläge und deren Einfluss auf die spätere Standardisierung der Sprache beleuchtet. Die Schlussfolgerung deutet auf Bembos letztendlich siegreichen Ansatz hin, mit dem er einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der italienischen Schriftsprache hatte.
2.2 Die Bedeutung der Questione della lingua für die anderen romanischen Sprachen: Dieser Abschnitt behandelt den Einfluss der italienischen Sprachdebatte auf Frankreich und Spanien. Er argumentiert, dass die dort stattfindenden sprachlichen Diskussionen im 16. Jahrhundert stark von den Entwicklungen in Italien und dem italienischen Humanismus beeinflusst waren, jedoch kein vergleichbares Problem darstellten.
3. Die Gründung der Accademia della Crusca und ihre Ziele: Dieses Kapitel behandelt die Gründung der Accademia della Crusca im späten 16. Jahrhundert in Florenz. Es beschreibt die Anfänge der Akademie als informellen Zusammenschluss von Gelehrten, deren Ziel es war, die Reinheit und die Förderung der italienischen Sprache zu gewährleisten. Die Symbolik der Mehlmühle und die Beinamensgebung der Mitglieder werden erläutert. Der Beitritt von Leonardo Salviati wird als Wendepunkt dargestellt, der den Beginn ernsthafter philologischer Arbeit markierte. Die Festlegung maßgeblicher Regeln und das Programm "Separare il fior di farina dalla crusca" werden als zentrale Aspekte der Akademieziele hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Accademia della Crusca, Questione della lingua, Volgare, Florentinisch, Toskanisch, italienische Sprache, Sprachstandardisierung, Sprachreinigung, Humanismus, Literaturgeschichte, Philologie, Wörterbuch.
FAQ: Entstehung und Entwicklung der Accademia della Crusca
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Accademia della Crusca, einer wichtigen italienischen Akademie, die maßgeblich zur Standardisierung der italienischen Sprache beigetragen hat. Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf der "Questione della lingua" (der Frage nach der italienischen Sprache) im 16. Jahrhundert und der Rolle der Akademie bei der Lösung dieser Frage.
Welche Themen werden im Dokument behandelt?
Das Dokument behandelt folgende Hauptthemen: Die Vorgeschichte der italienischen Literatur und die Entwicklung des Volgare, die "Questione della lingua" im 16. Jahrhundert und die verschiedenen Lösungsansätze, die Gründung der Accademia della Crusca und ihre Ziele, die verschiedenen Auflagen des Wörterbuchs der Accademia und deren Bedeutung für die Sprachgeschichte, sowie die Entwicklung und der Einfluss der Accademia della Crusca bis in die Gegenwart. Es wird auch der Einfluss der italienischen Sprachdebatte auf andere romanische Sprachen wie Französisch und Spanisch betrachtet.
Was ist die "Questione della lingua"?
Die "Questione della lingua" bezeichnet die sprachliche Debatte im 16. Jahrhundert in Italien über die geeignete Sprache für die italienische Literatur und die Herausbildung einer nationalen Schriftsprache. Es gab verschiedene Positionen, von der Verwendung des archaischen Toskanisch bis hin zu modernen florentinischen Varianten und einer zusammengesetzten Sprache aus verschiedenen Dialekten.
Welche Rolle spielte die Accademia della Crusca bei der Standardisierung der italienischen Sprache?
Die Accademia della Crusca spielte eine entscheidende Rolle bei der Standardisierung des Italienischen. Gegründet im späten 16. Jahrhundert, setzte sie sich zum Ziel, die Reinheit und Förderung der italienischen Sprache zu gewährleisten. Ihre Wörterbücher, die über mehrere Auflagen erschienen, hatten einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der italienischen Schriftsprache und die Festlegung sprachlicher Normen.
Wie viele Auflagen hatte das Wörterbuch der Accademia della Crusca?
Das Dokument erwähnt mehrere Auflagen des Wörterbuchs der Accademia della Crusca, beginnend mit der ersten Auflage und endend mit der fünften Auflage (1863-1923). Die einzelnen Auflagen werden zwar nicht im Detail beschrieben, aber ihre Bedeutung für die Sprachgeschichte wird hervorgehoben.
Welche Bedeutung hatte die Accademia della Crusca für die Entwicklung anderer romanischer Sprachen?
Das Dokument argumentiert, dass die italienische Sprachdebatte und die Entwicklungen um die Accademia della Crusca einen Einfluss auf die sprachlichen Diskussionen in Frankreich und Spanien im 16. Jahrhundert hatten. Allerdings werden die Unterschiede zu den sprachlichen Problemen in diesen Ländern herausgestellt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt des Dokuments am besten?
Schlüsselwörter, die den Inhalt des Dokuments gut beschreiben, sind: Accademia della Crusca, Questione della lingua, Volgare, Florentinisch, Toskanisch, italienische Sprache, Sprachstandardisierung, Sprachreinigung, Humanismus, Literaturgeschichte, Philologie, Wörterbuch.
Welche Personen werden im Dokument erwähnt?
Das Dokument erwähnt wichtige Persönlichkeiten der italienischen Literatur und Sprachgeschichte, wie Dante, Petrarca, Boccaccio, Pietro Bembo, Machiavelli, Girolamo Muzio und Leonardo Salviati. Ihre Beiträge zur "Questione della lingua" und zur Entwicklung der italienischen Schriftsprache werden diskutiert.
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- Lisa Helfer (Author), 2007, Entstehung und Entwicklung der Accademia della Crusca, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427759