Diese Arbeit beinhaltet folgende Punkte: (1) Die Rolle der Mündlichkeit im frühen Zeitsprachenerwerb, (2) Grammatische Phänomene bei Gedichten für das Generative Schreiben, (3) Die Sprache der Lehrkraft unter Bezugnahme der Literatur und (4) Scaffolding nach Gibbons.
1. Rolle der Mündlichkeit im frühen Zweitspracherwerb
Primärer Ort des mündlichen Spracherwerbs war für die Deutsch als Fremdsprachenlerner bis zum Eintritt in die Schule primär zunächst fast ausschließlich die familiäre Umgebung. Zum Zeitpunkt des Schulbesuchs ist diese Entwicklung, so die Forschung, ״auf der phonetisch- phonologischen und der grammatischen Ebene weitgehend abgeschlossen, nicht aber auf der semantischen, pragmatischen und diskursiven Ebene“[1]. Der Beginn institutionalisierter Bildung erfordert von der Kindern das Erlernen neuer sprachlicher Flandlungsmuster. Explizite Regeln der Kommunikation (wie beispielsweise sich melden müssen) und implizite Regeln der Kommunikation (wie beispielsweise seine Meldefrequenz so anzupassen, dass ein Schulerfolg garantiert ist, ohne als Streber zu gelten) werden erst in der Schule kennengelernt. Die Anforderungen an das Sprechen und Zuhören werden komplexer, weil nun die Sprache als eine Form der Wissensvermittlung angesehen werden muss.
Die mündliche Kommunikation ist eine ״face-to-face-lnteraktion“[2], bei der Sprecher und Flörer gleichzeitig anwesend sind. Es findet ״turn-taking“[3] statt, ein regelmäßiger Sprecher-HörerWechsel, bei dem non-verbale (Gestik, Mimik etc.) und paraverbale (Intonation, Lautstärke, Stimmlage etc.) Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Mündlichkeit wird relativ schnell ״produziert“, die Äußerungen sind meist kurz mit eher einfachem Wortschatz. Es können Interjektionen wie ״mhm“ Vorkommen.[4] Die Flüchtigkeit des Gesprochenen erfordert eine kontinuierliche Planung der eigenen Gesprächsbeiträge parallel zum Sprechen und Zuhören. Die Sprechersprache selbst unterliegt Ellipsen, Satzabbrüchen und vielem mehr. Es gibt kommunikative Muster und Schemata, die im mündlichen Sprachgebrauch in situationsadäquater Gestaltung umgesetzt werden müssen.
Die mündliche Kommunikation in Form eines Unterrichtsgesprächs kann im Rahmen des Deutsch als Fremdsprachenunterrichts ״Lernziel, Lernmedium (...) [oder auch einfach] Lernkontext“[5] sein. Als Lernziel soll die Fähigkeit zur mündlichen Kommunikation verbessert werden. Als Lernmedium werden über und durch Sprache Lerninhalte vermittelt, mündliche Fähigkeiten auf unterrichtlichen Gesprächsformen aufgebaut. Eine Unterrichtskommunikation soll als Lernkontext schließlich systematisch Gesprächsformen fördern und damit ermöglichen, dass sich Interaktionsmuster konstituieren, auch unter dem Aspekt der Reflexion über sprachliche Strukturen und deren Gebrauchsspuren.
Mündliche Kommunikation stellt für die DAZ-Lernenden eine große Flerausforderung dar, weil immer die Alltagssprache der Bildungssprache gegenüber steht.[6] Die Alltagssprache ist ״die Sprache des Verstehens“[7], während die Bildungssprache ״die Sprache des Verstandenen“[8] ist. Die Aussprache enthält kontrastive Aspekte. Der Bereich der Syntax ist aufgrund der Wortstellungsregeln problematisch. Die Lexik enthält komplizierte Inhalts- und Funktionswörter (Präpositionen, Konjunktionen, Modalpartikel). Bei der Morphologie gilt es, die Verbflexion, die Nominalflexion im Bereich der Pluralformen und des Genus und des Kasus sowie die Genitivattribute zu beachten.[9]
Die Gesprächskompetenz entwickelt sich in drei Bereichen: ״in der Fähigkeit zur Vertextung, in der Fähigkeit zur Kontextualisierung und in der Fähigkeit zur Markierung“[10]. Die Fähigkeit zur Vertextung zeigt sich darin, satzübergreifende Einheiten gemäß den Anforderungen des Gesprächstyps angemessen zu produzieren. Die Fähigkeit zur Kontextualisierung ermöglicht, eine Gesprächseinheit in einen Kontext einzupassen. Die Fähigkeit zur Markierung meint, sprachliche Formulierungen so einzusetzen, wie es der Gesprächstyp und die Modalität erfordern. Die Tatsache, dass Gesprächstypen bzw. dass die Kontextualisierung kulturgesprägt ist, stellt für die DAZ-Lernenden die ganz besondere Flerausforderung dar. Es gibt Unterschiede beim Siezen und Duzen, beim Unterbrechen von Gesprächspartnern, beim Blick- und beim Schweigeverhalten.
Die Mündlichkeit ist ״die Sprache zur Bewältigung der Alltagskommunikation, die wiederum die Grundlage für den Erwerb der Schriftsprache darstellt“[11]. Die Merkmale der Alltagssprache sind, dass sie ungezwungen, informell, dialogisch und situationsgebunden ist. Die Kommunikationspartner sind sichtbar präsent. Hier geborene DAZ-Lernende haben häufig den mündlichen Sprachgebrauch ihrer Muttersprache sehr gut entwickelt, aber sehr viel weniger im Deutschen. Seiteneinsteiger verfügen meistens sogar über keine oder nur gering ausgeprägte mündliche Fertigkeiten in der deutschen Sprache. Fehlender Wortschatz und eine Dominanz von Fehlern im Bereich der Morphosyntax erschweren das Deutschlernen. Dies kann dazu führen, dass SuS Vermeidungsverhalten anwenden, dem im Unterricht entgegen gewirkt werden muss. Die DAZ-Lehrkraft muss es sich zum Ziel setzen, die Fähigkeiten im mündlichen Sprachgebrauch bei den DAZ-Lernenden kontinuierlich zu erweitern. Bei der Vermittlung von ״rezeptivem Hörverstehen“[12] geht es einerseits um die produktive Ebene des Sprechens und andererseits um die kognitive Ebene des Wortschatzes.
2. Grammtisches Phänomen bei einem Gedicht für das Generative Schreiben
Beim Generativen Schreiben produzieren die Kinder auf der Basis von kurzen ästhetischen Texten eigene Texte, indem sie Teile des Originaltextes übernehmen. Der Text wird wiederholt gelesen und eingeprägt. Anschließend setzend die SuS eigene Verben, Präpositionen, Nomen etc. ein.[13]
Generatives Schreiben ist eine Form des kreativen Schreibens im Sprachunterricht, dem Schreiben nach literarischen Textvorlagen. Eine weitere Möglichkeit des kreativen Schreibens wären assoziative Verfahren. Generatives Schreiben kann durchaus ein effektives Mittel gegen Schreibunlust oder Schreibhemmungen sein. Es kann differenziert gearbeitet werden, womit die Lehrkraft schwächeren DAZ-Lernern positiv entgegen kommen kann. Die expressive Einsatz- und Funktionsmöglichkeit von Sprache an sich wird gefördert. Außerdem wecken die Texte die Neugierde der SuS. Schreiben nach literarischen Vorbildern ist eine Möglichkeit, die SuS an Literatur heranzuführen. Pommerin und Mummert fanden im Jahr 1999 heraus, ״dass sich das Generative Schreiben positiv auf kognitive und analytische Prozesse beim Sprachenlernen auswirkt“[14]. Brock schreibt im Buch ״Kreatives Schreiben“, dass ״der Erwerb einer Zweit- oder Fremdsprache der Aktivierung des individuellen kreativen Potentials des Lerners bedarf, um erfolgreich zu verlaufen“[15].
Kreatives Schreiben geht von der Grundannahme aus, dass jeder einzelne SuS ein kreatives Potential besitzt und selbst interessante eigene Texte produzieren kann. Es fördert zudem die Phantasie und Ausdrucksfähigkeit der Kinder. Grammatikunterricht kann in kreativem Umgang mit Texten verbunden werden. Der Basistext wird durch das Austauschen einzelner Elemente so variiert, dass neue Texte entstehen. Das unterrichtliche Vorgehen erfolgt in Schritten.[16] Als erster Schritt wird ein literarischer Text vorgegeben. Dann sollen die SuS den Text so oft lesen und laut sprechen, bis sie ihn fast auswendig können. Gemeinsam mit den Kindern werden die wichtigsten Wörter gesammelt. Nun dürfen gemeinsam Veränderungen vorgenommen werden und Wörter mit anderem Vokabular ersetzt werden wie zum Beispiel Verben oder Nomen. Im
Anschluss daran schreibt jeder SuS seine eigene Version auf. Die Texte dürfen sie sich am Ende gegenseitig oder auch der ganzen Klasse vorstellen, wobei niemand dazu gezwungen werden sollte. Die in den literarischen Textvorlagen auftretenden grammatischen Phänomene werden nicht explizit thematisiert. Die grammatischen Strukturen werden vielmehr von den Kindern implizit erworben, indem der Basistext häufig wiederholt auswendig gesprochen wird oder Wortmaterial für den eigenen Text gesammelt und eingesetzt wird.[17] So wird entdeckendes Lernen von Grammatikregeln möglich und die SuS lernen nach und nach die für die Reflexion über Sprache notwendigen Begriffe. Auch Kindern mit geringeren deutschen Sprachkenntnissen wird so die Produktion sprachlich korrekter Texte ermöglicht. Kindern mit guten Deutschkenntnissen wird viel Spielraum gegeben, durch den kreativen Einsatz ihrer Wörterden Texten immer wieder den von ihnen selbst gewünschten Sinn zu geben.
[...]
[1] vgl. Bickes, Hans / Pauli, Ute. Erst- und Zweitspracherwerb. 2009. s.70-74.
[2] vgl. Bickes, Hans / Pauli, Ute. Erst- und Zweitspracherwerb. 2009. s. 76.
[3] ebd.
[4] vgl. ebd.
[5] Klann-Delius, Gisela. Spracherwerb. Metzler 2008. s. 28.
[6] vgl. Rösch, Heidi. Deutsch als Zweit und Fremdsprache. 2011.
[7] ebd. S.32.
[8] ebd.
[9] vgl. Fuhrhop, Nanna / Peters, Jörg. Einführung in die Phonologie und Graphematik. 2013.
[10] Burwitz-Melzer, Eva. Perspektiven der Mündlichkeit. 2014. S.81.
[11] Hüttis-Graf, Petra / Wieler, Petra. Übergänge zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. 2012. S.17.
[12] Klann-Delius, Gisela. Spracherwerb. 2008. S.28.
[13] vgl. Brandt, Hanne. Sprachförderlicher Fachunterricht. 2016.
[14] ebd. S.19.
[15] ebd. S.20.
[16] vgl. Röhner, Charlotte. Fachbezogene Sprachförderung in Deutsch als Zweitsprache. 2013.
[17] vgl. Frickel, Daniela. Die Literaturdidaktik und ein neues Paradigma. 2016.
- Arbeit zitieren
- Kerstin Reule (Autor:in), 2017, Mündlichkeit im DaZ-Unterricht. Produktiver und rezeptiver Umgang mit Texten und Literatur/Fachsprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427574
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