Die Schöpfung von Vokalwerken begleitete Johannes Brahms (1833-1897) durch seine gesamte Schaffenszeit: Über einen Zeitraum von 45 Jahren schrieb er weit über 300 Vokalwerke, darunter 204 Sololieder, 20 Duette und 60 Quartette. Als einziger Komponist im späten 19. Jahrhundert sah Brahms im mehrstimmigen Vokalsatz keine untergeordnete Aufgabe, sondern durchaus einen Prüfstein kompositorischen Könnens. Betrachtet man seine Werke, so ist es ein Genre, in dem man ihm spätestens seit Arnold Schönberg (1874-1951) große Meisterschaft zugesteht.
In Brahms letzter, zwölfjähriger Schaffensphase, in der er sich in geistiger Hinsicht von der Welt und damit auch vom Schaffen großer Kompositionen weitgehend abgewandt hatte, entstanden die „Zigeunerlieder“. Die Werke dieser Zeit zeugen eher von einer melancholischen Stimmung,4 umso mehr müssen daher die temperamentvollen, mitten im Leben stehenden Zigeunerlieder in jener Phase herausgestochen sein.
Brahms wählte diesen Titel, obwohl als Vorlage eine Sammlung „Ungarischer Liebeslieder“ gedient hatte. Zwar übte das freie Leben der Zigeuner und „ihre“ Musik auf die von der Romantik geprägte westeuropäische Gesellschaft des 19. Jahrhundert eine gewisse Faszination aus, doch bedurfte Brahms, der sich auf dem Höhepunkt seines Ruhmes befand, sicherlich keiner Namensgebung, welche diese Mode bediente.
Daher soll nun festgestellt werden, ob es sich bei dem Liederzyklus tatsächlich um „Zigeunermusik“, um ungarische Musik oder um Kunstlieder handelt oder inwieweit diese verschiedenen Stile in die Komposition einfließen. Im Folgenden werden dazu die Entstehungsgeschichte der Lieder, Brahms` Verbindung zu Ungarn und die kulturgeschichtlichen Gegebenheiten und musikalischen Entwicklungen des Landes erläutert. Außerdem soll die Vorlage der „Ungarischen Liebeslieder“ mit Brahms´ Liederzyklus im Hinblick auf ihre kompositorische Umsetzung verglichen und schließlich das erste und das achte der Zigeunerlieder op. 103 analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Das Vokalwerk von Johannes Brahms
- 2. Die Zigeunerlieder op. 103
- 2.1 Entstehung und Publikation der „Zigeunerlieder“
- 3. Brahms' Beziehung zu Ungarn
- 4. Musikalische Entwicklungen Ungarns im 19. Jahrhundert
- 4.1 Ungarische Musikstile
- 4.1.1 Das Volkslied neuen Stils
- 4.1.2 Verbunkos und Csárdás
- 4.1.3 Das volkstümliche Kunstlied (magyar nóta)
- 4.2 Zusammenfassung der wichtigsten Stilmerkmale
- 4.3 Zigeunermusiker und ihre Vortragsweise
- 4.4 Die Integration der verschiedenen Stile in die westeuropäische Kunstmusik
- 5. Die Zigeunerlieder op. 103 und die „Ungarischen Liebeslieder“
- 5.1 Verwandtschaft
- 5.2 Anlage der Werke
- 5.3 Form
- 5.4 Beispiele für die Umsetzung des ungarisch-zigeunerischen Stils
- 5.5 Schlussfolgerung
- 6. Analyse der Lieder Nr. 1 und Nr. 8
- 6.1 Lied Nr. 1: „He, Zigeuner, greife in die Saiten ein“
- 6.1.1 Textbetrachtung
- 6.1.2 Musikalische Analyse
- 6.2 Lied Nr. 8: "Horch, der Wind klagt in den Zweigen traurig sacht"
- 6.2.1 Textbetrachtung
- 6.1.2 Musikalische Analyse
- 7. Brahms' Ausdruck ungarisch-zigeunerischer Musik in der Kunstform
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entstehung, den kulturellen Hintergrund und die musikalische Analyse der Zigeunerlieder op. 103 von Johannes Brahms. Sie beleuchtet die Beziehung Brahms' zu Ungarn und die Einflüsse ungarischer Musikstile auf seine Kompositionen. Die Analyse fokussiert sich auf die Integration verschiedener musikalischer Elemente und die Umsetzung des ungarisch-zigeunerischen Stils in Brahms' Werk.
- Die Entstehung und Publikation der Zigeunerlieder op. 103.
- Der Einfluss ungarischer Musik und Kultur auf Brahms' Kompositionen.
- Der Vergleich der Zigeunerlieder mit den „Ungarischen Liebesliedern“ als Vorlage.
- Die musikalische Analyse ausgewählter Lieder (Nr. 1 und Nr. 8).
- Die Integration verschiedener ungarischer Musikstile in die westeuropäische Kunstmusik.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Das Vokalwerk von Johannes Brahms: Das Kapitel gibt einen Überblick über das umfangreiche Vokalwerk von Johannes Brahms, das sich über 45 Jahre erstreckte und mehr als 300 Werke umfasst. Es hebt Brahms' hohe Wertschätzung des mehrstimmigen Vokalsatzes hervor, der für ihn nicht nur eine Nebensächlichkeit, sondern ein Prüfstein kompositorischen Könnens darstellte. Der Kontrast zwischen Brahms' späterer, melancholischer Schaffensperiode und der temperamentvollen Natur der Zigeunerlieder wird hervorgehoben, wobei ein Zitat von Theodor Billroth diesen Kontrast unterstreicht. Die Wahl des Titels "Zigeunerlieder" wird im Kontext der damaligen Faszination für die Zigeunerkultur diskutiert, wobei die Frage nach der genauen musikalischen Einordnung der Lieder aufgeworfen wird.
2. Die Zigeunerlieder op. 103: Dieses Kapitel beschreibt die Veröffentlichung der Zigeunerlieder op. 103 im Oktober 1888 durch den Musikverlag Simrock. Es werden die elf Lieder des Zyklus vorgestellt und die Besonderheit des Eröffnungliedes, das einen Zigeunermusiker erwähnt, hervorgehoben. Die thematischen Schwerpunkte der Lieder (Liebe, Untreue, Trennung, Wiedersehen) werden ebenfalls genannt, zusammen mit Informationen zu den zeitgleichen Veröffentlichungen von Klavierarrangements und einer Fassung für eine Singstimme und Klavier. Schließlich wird die Einordnung der Zigeunerlieder unter op. 103 im Kontext der weiteren „Zigeunerlieder“ unter op. 112 begründet.
2.1 Entstehung und Publikation der „Zigeunerlieder“: Der Ursprung der Zigeunerlieder wird in einer Sammlung ungarischer Liebeslieder von Hugo Conrat erörtert. Das Kapitel beschreibt den Entstehungsprozess, von der Übersetzung der Texte über die Anpassung der Versformen bis hin zur Auswahl der Lieder durch Brahms. Brahms' eigenständige Anordnung der Lieder und seine Abänderungen des Textes werden ebenfalls hervorgehoben. Der Zeitraum der Komposition und die mögliche Inspiration während einer Konzertreise nach Ungarn werden erwähnt.
Schlüsselwörter
Johannes Brahms, Zigeunerlieder op. 103, Ungarische Liebeslieder, ungarische Musik, Zigeunermusik, Volkslied, Csárdás, Verbunkos, magyar nóta, vierstimmiger Satz, musikalische Analyse, kultureller Kontext, 19. Jahrhundert.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Analyse der Zigeunerlieder op. 103 von Johannes Brahms
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Zigeunerlieder op. 103 von Johannes Brahms. Der Fokus liegt auf der Entstehung, dem kulturellen Hintergrund, und der musikalischen Struktur der Lieder. Die Beziehung Brahms' zu Ungarn und der Einfluss ungarischer Musikstile werden untersucht.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entstehung und Veröffentlichung der Zigeunerlieder, den Einfluss ungarischer Musik und Kultur auf Brahms, einen Vergleich mit den „Ungarischen Liebesliedern“, eine detaillierte musikalische Analyse ausgewählter Lieder (Nr. 1 und Nr. 8), und die Integration ungarischer Musikstile in die westeuropäische Kunstmusik.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Kapitel 1 bietet einen Überblick über Brahms' Vokalwerk. Kapitel 2 behandelt die Zigeunerlieder op. 103 im Allgemeinen, während Kapitel 2.1 sich auf deren Entstehung und Veröffentlichung konzentriert. Kapitel 3 und 4 befassen sich mit Brahms' Beziehung zu Ungarn und den ungarischen Musikstilen des 19. Jahrhunderts. Kapitel 5 vergleicht die Zigeunerlieder mit den „Ungarischen Liebesliedern“. Kapitel 6 analysiert die Lieder Nr. 1 und Nr. 8 im Detail, und Kapitel 7 fasst den Ausdruck ungarisch-zigeunerischer Musik in Brahms' Kunstform zusammen.
Welche ungarischen Musikstile werden diskutiert?
Die Arbeit diskutiert verschiedene ungarische Musikstile, darunter das Volkslied neuen Stils, Verbunkos, Csárdás und das volkstümliche Kunstlied (magyar nóta). Der Einfluss dieser Stile auf die Zigeunerlieder wird analysiert.
Wie werden die Lieder Nr. 1 und Nr. 8 analysiert?
Die Analyse der Lieder Nr. 1 und Nr. 8 umfasst sowohl eine Textbetrachtung als auch eine detaillierte musikalische Analyse. Es werden die musikalischen Strukturen, Harmonien und Melodien untersucht, um den ungarisch-zigeunerischen Einfluss zu belegen.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit untersucht, wie Brahms ungarisch-zigeunerische Elemente in seine Kompositionen integriert und in der Kunstform umgesetzt hat, und präsentiert eine detaillierte Analyse der musikalischen und kulturellen Einflüsse auf die Zigeunerlieder op. 103. Die genauen Schlussfolgerungen finden sich im letzten Kapitel.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Johannes Brahms, Zigeunerlieder op. 103, Ungarische Liebeslieder, ungarische Musik, Zigeunermusik, Volkslied, Csárdás, Verbunkos, magyar nóta, vierstimmiger Satz, musikalische Analyse, kultureller Kontext, 19. Jahrhundert.
Wo finde ich weitere Informationen zu den Zigeunerliedern?
Weitere Informationen finden sich in den angegebenen Quellen der Arbeit (nicht im vorliegenden Auszug enthalten).
- Citar trabajo
- Astrid Wille (Autor), 2016, Brahms "Zigeunerlieder op. 103". Entstehung, kultureller Hintergrund und Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427245