Die Literatur ist seit jeher für viele Schriftsteller nicht nur Möglichkeit, ihrem literarischen Schaffen und ihrer Phantasie Ausdruck zu verleihen, sondern auch um Kritik an den Mißständen ihrer Zeit zu üben. Dies ermöglicht insbesondere die Gattung der Satire, die individuelle, gesellschaftliche oder allgemeinmenschliche Schwächen meist in Form von Ironie und karikierender Überspitzung aufzeigt.
Namen wie John Updike, Friedrich Dürrenmatt oder Günter Grass, die zu den renommiertesten Satirikern der Gegenwart zählen, sind hier von großer Bedeutung.
Ihren Ursprung hat die Satire in der Antike, in der Autoren wie Horaz oder Juvenal dieser Literatur zu großem Ruhm verholfen haben.
Im 19. Jahrhundert jedoch, in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Wandels, konnte sich eine spezielle Form der Satire behaupten. Neben Ludwig Tieck gehörte Joseph Freiherr von Eichendorff zu den Schriftstellern, die mit Hilfe der Literatursatire ihre Zeit und die damaligen Umstände gekonnt darstellten.
Eichendorff verwirklicht dies insbesondere in seinem dramatischen Märchen „Krieg den Philistern“, das 1823 entstanden ist. Es handelt sich um eine zeitkritische Philistersatire, in der der Autor kritisch mit seiner Gegenwart in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Eigenheiten abrechnet. Dabei ist zu beachten, dass die Literatursatire stets an ihr soziohistorisches Umfeld gebunden ist. Außerdem stellt sie eine „Sonderform der Literaturkritik [dar], bei der in dichterischer Form [...] mit den sprachlichen Kunstmitteln der Satire und der Parodie literarische Werke, Persönlichkeiten und Stilrichtungen verspottet werden“ (Meyers Kleines Lexikon Literatur 1986; 260).
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, zunächst den Gegenstand der Satire auf politischer, gesellschaftlicher und literarischer Ebene herauszuarbeiten und dabei auf die Rolle der Umsetzung dieser Problematik sowie wesentliche Randbedingungen einzugehen, die für das Verständnis der Satire von Bedeutung sind. Auch soll geklärt werden, inwiefern „Krieg den Philistern“ eine moralische Intention verfolgt. Darüber hinaus soll das Werk in einen Gesamtzusammenhang eingeordnet werden, um die Bedeutung des Werkes für das 19. Jahrhundert hervorzuheben.
INHALT
0. EINLEITUNG
1. POLITISCHE SATIRE IN KRIEG DEN PHILISTERN
1.1. Geschichtlicher Hintergrund
1.2. Eichendorff als Romantiker
2. GESELLSCHAFTSKRITIK
2.1. Philister
2.2. Poetische
2.3. Dilettantismus und Nachahmung
3. LITERARISCHE SATIRE
3.1. Poesie und Realität
3.2. Der Riese Grobianus
3.3. Romantische Ironie und Satire
4. KRIEG DEN PHILISTERN ALS MORALSATIRE
4.1. Eichendorff als Satiriker
4.2. Intention Eichendorffs
5. ZUSAMMENFASSUNG
6. LITERATURVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
KdP (Seitenangabe, Vers) Krieg den Philistern, Hg. Wolfgang Frühwald (1988)
0. Einleitung
Die Literatur ist seit jeher für viele Schriftsteller nicht nur Möglichkeit, ihrem literarischen Schaffen und ihrer Phantasie Ausdruck zu verleihen, sondern auch um Kritik an den Mißständen ihrer Zeit zu üben. Dies ermöglicht insbesondere die Gattung der Satire, die individuelle, gesellschaftliche oder allgemeinmenschliche Schwächen meist in Form von Ironie und karikierender Überspitzung aufzeigt.
Namen wie John Updike, Friedrich Dürrenmatt oder Günter Grass, die zu den renommiertesten Satirikern der Gegenwart zählen, sind hier von großer Bedeutung.
Ihren Ursprung hat die Satire in der Antike, in der Autoren wie Horaz oder Juvenal dieser Literatur zu großem Ruhm verholfen haben.
Im 19. Jahrhundert jedoch, in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Wandels, konnte sich eine spezielle Form der Satire behaupten. Neben Ludwig Tieck gehörte Joseph Freiherr von Eichendorff zu den Schriftstellern, die mit Hilfe der Literatursatire ihre Zeit und die damaligen Umstände gekonnt darstellten.
Eichendorff verwirklicht dies insbesondere in seinem dramatischen Märchen „Krieg den Philistern“, das 1823 entstanden ist. Es handelt sich um eine zeitkritische Philistersatire, in der der Autor kritisch mit seiner Gegenwart in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Eigenheiten abrechnet. Dabei ist zu beachten, dass die Literatursatire stets an ihr soziohistorisches Umfeld gebunden ist. Außerdem stellt sie eine „Sonderform der Literaturkritik [dar], bei der in dichterischer Form [...] mit den sprachlichen Kunstmitteln der Satire und der Parodie literarische Werke, Persönlichkeiten und Stilrichtungen verspottet werden“ (Meyers Kleines Lexikon Literatur 1986; 260).
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, zunächst den Gegenstand der Satire auf politischer, gesellschaftlicher und literarischer Ebene herauszuarbeiten und dabei auf die Rolle der Umsetzung dieser Problematik sowie wesentliche Randbedingungen einzugehen, die für das Verständnis der Satire von Bedeutung sind. Auch soll geklärt werden, inwiefern „Krieg den Philistern“ eine moralische Intention verfolgt. Darüber hinaus soll das Werk in einen Gesamtzusammenhang eingeordnet werden, um die Bedeutung des Werkes für das 19. Jahrhundert hervorzuheben.
1. Politische Satire in Krieg den Philistern
1.1. Geschichtlicher Hintergrund
Eichendorffs Satire spielt in einer Zeit, die der Schriftsteller voller Skepsis betrachtet. Diese Skepsis teilt er mit dem Verleger Friedrich Perthes (Ries 1997; 81):
Fast ein Jahrzehnt hindurch haben böse, giftige Räsonneurs auf der
rechten wie auf der linken Seite alle Thatsachen falsch ausgeprägt
und die edelsten Strebungen und Gefühle in der Menschenbrust zu
faulen Geschwüren gemacht. Möglich, daß jetzt für den großen ba-
bylonischen Turmbau der europäischen Politik die Glocke der Zeit-
lichkeit schlägt; aber wird hinter der dunkeln Mitternachtsstunde
ein neuer Tag erscheinen?
Man sollte hierbei allerdings nicht vergessen, dass sich zwar ein Bild der damaligen politischen Lage ergibt, diese aber aus der einseitigen Perspektive des Romantikers reflektiert wird. Unberührt von dieser subjektiven Betrachtung bleibt dennoch die Tatsache, dass Eichendorff in einer Zeit lebt, die einen bedeutungsvollen Abschnitt der innenpolitischen preußisch - deutschen Geschichte darstellt. Dabei geht es in erster Linie um den Kampf für die Verfassung. Folge davon sind die Freiheitskriege, an denen auch Eichendorff von 1813 bis 1816 teilnimmt (vgl. Koopmann 1971; 420). Die Hoffnungen der deutschen Patrioten auf eine Einigung und Erneuerung Deutschlands erfüllen sich nicht. Auf dem Wiener Kongreß unter Österreichs führendem Minister Metternich werden die Zustände Europas vor der Revolution wiederhergestellt. Das Zeitalter der Restauration beginnt. Es kommt zur Heiligen Allianz zwischen den Herrschern von Rußland, Österreich und Preußen zur Wahrung des Friedens und zur Unterdrückung demokratisch - liberaler und nationaler Bewegungen. Die deutsche Burschenschaftsbewegung entsteht. Sie stellt wiederum den Ausgangspunkt des Liberalismus dar. Die Karlsbader Beschlüsse von 1819 verschärfen die Situation weiter. Das öffentliche Leben wird eingeengt durch die Überwachung der Universitäten, die Einsetzung der Zentraluntersuchungskommission und durch die Fesselung der Presse. Die Willkür der Fürsten stellt in diesem Zusammenhang ein weiteres Problem dar. Sie verweigern zum großen Teil das Recht auf eine landständische Verfassung. Die Volksfreiheit ist dadurch gefährdet, das Vertrauen zu den Regierungen erschüttert und es herrscht eine allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Diese politische Unmündigkeit und Unfreiheit des deutschen Volkes gibt den Anlass für die fortschreitende Ausprägung des Liberalismusgedankens. Vorbild hierbei ist Frankreich und seine Julirevolution 1830. Das Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts ist durch die fehlende innenpolitische Konstitution ein Angriffspunkt für viele Bewegungen, wobei der Liberalismus und seine Forderungen nach Freiheit und Gleichheit dominieren und zur bestimmenden Kraft werden.
1.2. Eichendorff als Romantiker
Eichendorffs Philistersatire bewegt sich innerhalb zweier bedeutender Strömungen. Auf der einen Seite handelt es sich um die Spätromantik, als deren wichtigster Vertreter Eichendorff gilt, und auf der anderen Seite um die Epoche des Biedermeier.
Die Romantik, deren Wurzeln noch im Sturm und Drang zu finden sind, ist als Gegenstoß gegen den Rationalismus der Aufklärung zu sehen. In ihr spricht sich ein Lebensgefühl aus, das einerseits von einer philosophisch - kritischen Besinnung und Geistesschärfe, andererseits von einem verstärkten Subjektivismus und Irrationalismus dominiert wird.
Eichendorff selbst ist überzeugter Romantiker, abgeschreckt durch die Vormachtstellung der Vernunft in der Aufklärung. Für ihn bedeutet die Biedermeierzeit eine Bedrohung und die Auswüchse dieser Epoche – die Liberalen – deren Personifikation, „der ausgeborne Feind aller Idee, aller Begeisterung, alles Genies und aller freien göttlichen Schöpfung“ (Heyer 1973; 56).
Die Biedermeier - Epoche ist als kulturhistorischer Hintergrund für „Krieg den Philistern“ zu sehen. Zwar suggeriert diese Ära Beschaulichkeit, Zufriedenheit und Gemütstiefe, unwillkürlich aber auch Kleinbürgerlichkeit und Engstirnigkeit, die Feindbilder vieler geistig hochstehender Menschen wie Eichendorff selbst. Diese Zeit ist somit von zwei sich gegenüberstehenden Parteien geprägt. Auf der einen Seite kämpfen die Liberalen auf politischer Ebene gegen den Druck der staatlichen Bevormundung, auf der anderen Seite die Romantiker auf literarischer Ebene gegen die geistige und emotionale Beschränktheit der Bevölkerung (vgl. Heyer 1973; 54). Dabei ist von Bedeutung, dass die Romantiker die Liberalen als Träger aufklärerischer Ideen verachten. Eichendorffs Einstellung dem Liberalismus gegenüber ist folglich sehr negativ behaftet. Er zweifelt an der Aufrichtigkeit der liberalen Bestrebungen und kann ihre Beweggründe und Ziele nicht nachvollziehen. Die Liberalismusbewegung bedeutet für Eichendorff nicht die Wirksamkeit neuer Kräfte, sondern die Unterbrechung der natürlichen Entwicklung, wodurch er einen Rückfall in die Aufklärung befürchtet. Denn alles, was die Romantiker bekämpfen, lebt in liberaler Richtung wieder auf (vgl. Heyer 1973; 19). Liberalismus symbolisiert für Eichendorff ein Leben, dass seine treibende Kraft aus dem Eigennutz zieht. Ein Leben, für das Freiheit eigene Handlungsfreiheit bedeutet und fremdes Freiheitsverlangen nicht toleriert werden darf. Es ist somit nicht verwunderlich, dass „Eichendorffs satirisches Erstlingswerk „Krieg den Philistern“ [...] uns den Liberalismus im Anfangsstadium [zeigt] [...]“ (Heyer 1973; 21).
2. Gesellschaftskritik
2.1. Philister
Der Philister in Eichendorffs Werk stellt das Bürgertum des beginnenden 19. Jahrhunderts dar. Materialistisch ausgerichtet, selbstgenügsam und nur auf die eigene individuelle Prosperität bedacht (KdP, 46, V.22):
Nun, nun, wir sind eine respektable
Macht [...] es geht doch nichts über
einen wohlgenährten Staat, der so
recht breit auf den Beinen steht.
Es zeigt keinerlei Interesse, aus den ihm gesetzten Grenzen und seiner politischen als auch gesellschaftlichen Abstinenz auszubrechen. Vaterlandsliebe wird zum rein dekorativen „Patriotismus“. Soziale Verantwortungslosigkeit und unmoralisches Vorteilsdenken treten an die Stelle des christlich – ethischen Solidaritätsgedankens (KdP, 66, V.22):
Hol der Henker die Stadt!
Erst salvier ich m i c h!
Das materialistisch ausgerichtete Denken der Philister zeigt sich auch daran, dass sowohl der Mensch, die Gesellschaft als auch die Natur ausschließlich dem Nützlichkeitsdenken folgend fixiert werden (KdP, 59, V.14):
Die Roheit selbst der verworrnen Natur
Wir richten sie ab zur bequemen Kultur.
Eichendorff kritisiert auch den restaurativen Staat seiner Zeit, in dem eine „hohe Obrigkeit“ (Ries 1997; 123) darauf bedacht ist, dass „alles [...] ruhig beim Alten“ bleibt (KdP, 59, V.24). Dieser wird durch die Sozialstruktur des Philisterstaates symbolisiert, die deutlich das Beharren im „status quo“ und die Erhaltung des Zustands von Stagnation und Unbeweglichkeit widerspiegelt. „Gestützt wird dieser Staat von einer Bürokratie, deren Selbstverständnis zum Staatsverständnis mutiert: Wir machen den Staat aus “ (Ries 1997; 123).
[...]
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