Die Forschungsarbeit über die rechtsgeschichtlichen und –philosophischen Implikationen von Kleists Erzählung „Michael Kohlhaas“ entstand im Sommersemester 2001 im Rahmen des Thematischen Proseminars Kleist und Kant an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Im Mittelpunkt stehen die Rebellion des Protagonisten und die sich hieran knüpfende Frage nach der Legitimität politischen Widerstands. Denn mit dieser Fragestellung thematisiert der Text eine zwischen 1808 und 1810, also zur Zeit seiner Niederschrift, wegen diverser Aufstände gegen die Napoleonische Fremdherrschaft aktuelle rechtsphilosophische Debatte. Aber auch die Einordnung der zahlreichen Rechtsakte – von der Beschlagnahme der Rappen bis zu Kohlhaasens Hinrichtung – ist für ein umfassendes Textverständnis unverzichtbar.
Das rechtlich relevante Vorgehen des Kohlhaas ist grob in drei Phasen darstellbar: Bis zur Übernahme des Geschäfts der Rache verfolgt er seine Interessen als Staatsbürger mit legitimen Rechtsmitteln, um daraufhin als Rebell zur „Keule“ zu greifen. In der Hinterlegung der Kriegsbeute manifestiert sich seine wiedergekehrte Akzeptanz der Obrigkeit, die schließlich im klaglosen Einverständnis mit der verhängten Todesstrafe mündet. Entsprechend dieses wechselnden Verhaltens des Protagonisten werden zuerst die juristischen Implikationen seines Auftretens als Staatsbürger und danach die rechtlichen Aspekte seiner Rebellion thematisiert. Hierauf folgt der genannte rechtsphilosophische Diskurs mit der Darstellung der einschlägigen Positionen, soweit sie Eingang in die Erzählung gefunden haben. Die Ansicht des Reformators Luther wird dort expressis verbis angedeutet. Aber auch die anderen Auffassungen haben mittelbar den Text beeinflusst: Der ehemalige Jurastudent Heinrich von Kleist hatte früh Rousseau und Kant rezipiert, mit Adam Müller war er befreundet. Die Lehre von Hobbes gehört gleichfalls in diesen Kontext, da sie vor allem für Rousseaus Denken die Grundlage darstellt.
Eine umfangreiche Bibliographie rundet die aufschlussreiche Untersuchung ab.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Hauptteil
- Juristische Probleme
- Rechtsprobleme in den bürgerlichen Phasen des Kohlhaas
- Rechtliche Aspekte von Kohlhaas' Rebellion
- Rechtsphilosophische Aspekte des Widerstandsrechts
- Reformation: Die Negation des Widerstandsrechts bei Luther
- Absolutismus: Die Negation des Widerstandsrechts bei Hobbes
- Aufklärung: Die Modifizierung der Vertragstheorie durch Rousseau
- Romantik: Die Negation des Widerstandsrechts bei Adam Müller
- Exkurs: Die Bedeutung Kants im „Michael Kohlhaas“
- Juristische Probleme
- Nachwort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die juristischen und rechtsphilosophischen Aspekte in Kleists „Michael Kohlhaas“ und untersucht die rechtliche Einordnung des Protagonisten, seine Rebellion und die philosophischen Hintergründe des Widerstandsrechts.
- Die rechtliche Komplexität der Novelle und die unterschiedlichen Rechtsordnungen im Kontext des 16. Jahrhunderts
- Kohlhaas' Rebellion als ein Beispiel für den Konflikt zwischen Individuum und staatlicher Macht
- Die Entwicklung des Widerstandsrechts in der Geschichte und die Positionen verschiedener Denker wie Luther, Hobbes und Rousseau
- Der Einfluss Kants auf die Darstellung des Widerstands in „Michael Kohlhaas“
- Die Rolle der Geschichte und der gesellschaftlichen Strukturen in der Konzeption des Widerstandsrechts
Zusammenfassung der Kapitel
Der Hauptteil der Arbeit konzentriert sich auf die juristische und rechtsphilosophische Analyse von Kohlhaas' Verhalten. Zunächst wird das rechtliche Vorgehen Kohlhaas' in den einzelnen Phasen seines Lebens betrachtet: von seinem Handeln als Bürger bis hin zur Rebellion und seiner Rückkehr zur Akzeptanz der Obrigkeit.
Im weiteren Verlauf werden die rechtlichen Aspekte seiner Rebellion näher untersucht, insbesondere der Bezug zur Fehde und die Parallelen zu den Bauernkriegen. Des Weiteren wird die historische Entwicklung des Widerstandsrechts anhand der Werke von Luther, Hobbes, Rousseau und Adam Müller beleuchtet.
Abschließend widmet sich ein Exkurs der Bedeutung Kants für das Verständnis des Widerstands in „Michael Kohlhaas“.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen und Themen wie Recht, Gesetz, Widerstandsrecht, Rebellion, Individuum, Staat, Geschichte, Philosophie, Reformation, Absolutismus, Aufklärung, Romantik, Kant, Kleist, "Michael Kohlhaas".
- Quote paper
- Dr. phil. Ass. iur. M.A. Reiner Scheel (Author), 2001, Heinrich von Kleist: Juristische und rechtsphilosophische Aspekte im "Michael Kohlhaas", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42652