„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche.“ Dieser häufig zitierte Satz Kaiser Wilhelms II steht augenscheinlich für die Besiegelung des „Burgfriedens“ zwischen der Reichsregierung und den Parteien des deutschen Reichstages, insbesondere der Sozialdemokraten. Doch was sind die eigentlichen Gründe für den scheinbar so plötzlichen Kurswechsel der pazifistisch gesonnenen Sozialisten? Wie vollzog sich der innerparteiliche Streit, der diesem Tag folgte und in der Spaltung der Sozialdemokratie seinen Ausgang fand?
Der vierte August 1914 war das entscheidende Datum in der Geschichte der Sozialdemokratie des zwanzigsten Jahrhunderts. Denn der Tag, an dem die sozialdemokratische Fraktion des Reichstages den Kriegskrediten einstimmig zustimmte, führte „(...) von einer Fundamentalopposition gegen Kapital und Staat zur Kooperation mit den herrschenden Klassen (...)“ und somit „zur offenen Spaltung der Arbeiterparteien mit unterschiedlichen Konzeptionen (...), die bis heute die Entwicklung der Arbeiterbewegung prägen.“
Die Geschichte diskutiert dieses Ereignis äußerst kontrovers: Die Meinungen der Autoren, die dieses Thema bearbeiten, schwanken zwischen „‘Verrat‘ der Parteiführung“, die die Ideale der sozialistischen Internationale fallengelassen habe, bis hin zu der These, die Bewilligung der Kriegskredite „habe ‚der marxistischen, sozialistischen Tradition‘ entsprochen.“ Beachtet werden muß dabei selbstverständlich die politische Gesinnung der Autoren selbst. Ein sozialistischer Autor betrachtet diesen Tag sicherlich aus einem anderen Blickwinkel als ein liberaler oder konservativer Autor. Trotz dieser Diskussionen kann man das Thema durchaus als hervorragend erforscht ansehen.
Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, einen möglichst objektiven Überblick über das Geschehen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie zwischen dem vierten August 1914 und der Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im April 1917 zu geben. Dabei werden die Streitpunkte innerhalb der Partei und besonders innerhalb der Reichstagsfraktion erörtert. Auf einen Ausblick auf die Ereignisse der Novemberrevolution und die Politik in der jungen Weimarer Republik wird auf Grund des knapp bemessenen Rahmens dieser Proseminararbeit verzichtet. Allein die Ereignisse der knapp drei Jahre bis zur organisatorischen Trennung der Partei reichen aus, um weit mehr als eine solche Arbeit zu erstellen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Hauptteil
- 2.1 Die Entstehungsgeschichte der Abstimmung am vierten August
- 2.2 Profilierung der innerparteilichen Opposition
- 2.3 Öffentliche Aktionen der Opposition
- 2.4 Die endgültige Spaltung der Fraktion und die Gründung der USPD
- 3. Schlußbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Spaltung der deutschen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg, insbesondere mit den Ereignissen zwischen dem 4. August 1914 und der Gründung der USPD im April 1917. Sie verfolgt das Ziel, einen objektiven Überblick über die Entwicklung der innerparteilichen Konflikte und die Entstehung der Opposition zu bieten.
- Die Rolle der deutschen Sozialdemokratie vor und während des Kriegsausbruchs
- Die Gründe für die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten am 4. August 1914
- Die Entstehung der innerparteilichen Opposition gegen den Krieg
- Die öffentliche Agitation der Opposition
- Die Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD)
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Einleitung und dem historischen Kontext der Spaltung der deutschen Sozialdemokratie. Es werden die Ereignisse des 4. August 1914 und die kontroversen Meinungen zum Verhalten der Sozialdemokraten in dieser Zeit erläutert. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Entstehungsgeschichte der Abstimmung am 4. August und den unterschiedlichen Standpunkten innerhalb der Partei. Hierbei werden die politischen und ideologischen Argumente der Sozialdemokraten sowie die Rolle der Reichsregierung im Kontext des Kriegsausbruchs beleuchtet. Das dritte Kapitel analysiert die Profilierung der innerparteilichen Opposition gegen den Krieg. Die Kapitel 2.3 und 2.4 schildern die öffentlichen Aktionen der Opposition sowie die endgültige Spaltung der Fraktion und die Gründung der USPD. Die Schlußbetrachtung bietet abschließend eine Zusammenfassung und Wertung der Ereignisse und der Bedeutung der Spaltung der deutschen Sozialdemokratie für die spätere Entwicklung der Arbeiterbewegung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die zentralen Themen der deutschen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg, insbesondere die Spaltung der Partei, die Entstehung der USPD, die Zustimmung zu den Kriegskrediten, die öffentliche Agitation der Opposition und die Ideologie des „Burgfriedens“. Die Analyse betrachtet die politischen und ideologischen Hintergründe der Spaltung, die innerparteilichen Konflikte und die Auswirkungen auf die Arbeiterbewegung in Deutschland.
- Quote paper
- Thorsten Mohr (Author), 2002, Die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Vom 4. August 1914 bis zum Gründungsparteitag der USPD im April 1917, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42623