Was es bedeutet, mit einem anderen Menschen befreundet zu sein, erleben wir von Kindesbeinen an, und dennoch scheint es beinahe unmöglich, die Frage „Was versteht man unter Freundschaft?“ aus dem Stehgreif zu beantworten. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Frage nach dem Wesen der Freundschaft auch unter den in der antiken Ethik erörterten Fragestellungen einen festen Platz einnahm.
Unsere frühsten Zeugnisse davon reichen bis auf Empedokles zurück, der sein Verständnis der φιλία und φίλησις jedoch noch nicht auf zwischenmenschliche Beziehungen beschränkte. Das änderte sich erst mit Xenophon und Platon, dessen Dialog Lysis jedoch noch in einer Aporie endete. Erst Aristoteles gelang es mit den Büchern VIII und IX der Nikomachischen Ethik, eine systematische Freundschaftslehre zu verfassen, die es bis dahin in dieser Ausführlichkeit und Detailliertheit noch nicht gab.
Die vorliegende Arbeit widmet sich nun der Fragestellung, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Freundschaftslehre sich zwischen dem „alten“ Stoiker Aristoteles und dem „neuen“ Stoiker Seneca aufzeigen lassen. Zunächst soll ein allgemeiner Einblick in den Freundschaftsbegriff der Antike gegeben werden, bevor Aristoteles und Senecas Freundschaftslehren nacheinander unter den Aspekten des Wesens der Freundschaft, der Notwendigkeit von Freunden und ihrer Auswahl, das Schließen, Führen und Enden einer Freundschaft sowie die Fragen, was die Liebe von der Freundschaft unterscheidet und ob eine Freundschaft zwischen Sklaven und ihren Herren möglich ist, betrachtet werden. Dabei werden sich die Untersuchungen bei Aristoteles hauptsächlich auf die Bücher VIII und IX der Nikomachischen Ethik beschränken und bei Seneca auf die Epistulae Morales. Die anderen Schriften der Autoren werden jeweils nur punktuell herangezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die Ausgangspunkte von Aristoteles und Seneca
- II.1. Der Freundschaftsbegriff: qıλía – amicitia
- II.2. quia und amicitia vor und nach Aristoteles und Seneca
- II.3. Aristoteles und seine Ethiklehre
- II.4. Seneca und seine Schriften
- III. Der Freundschaftsbegriff bei Aristoteles und Seneca
- III.1. Was ist Freundschaft?
- III.2. Die Notwendigkeit von Freunden
- III.3. Freunde finden, Freundschaft schließen
- III.4. Freundschaft will gepflegt werden
- III.5. Wenn die Freundschaft ein Ende nimmt
- III.6. Der Tod eines Freundes
- III. 7. φιλία und φίλησις, amicitia und amor
- III.8. Sklaven- humiles amici?
- III.9. Auswirkung der Darstellungsform
- IV. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Freundschaftslehre von Aristoteles und Seneca. Sie beleuchtet die Frage, wie sich das Verständnis von Freundschaft bei den beiden stoischen Denkern unterscheidet und welche Gemeinsamkeiten sie trotz ihrer unterschiedlichen Zeiträume aufweisen.
- Der Freundschaftsbegriff in der Antike
- Die Definition und Bedeutung von Freundschaft bei Aristoteles und Seneca
- Die verschiedenen Arten von Freundschaft
- Die Rolle der Freundschaft in der Gesellschaft
- Die Auswirkungen von Macht und Status auf Freundschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel I führt in die Thematik ein und stellt die Frage nach dem Wesen der Freundschaft in den Mittelpunkt. Kapitel II beleuchtet die Ausgangspunkte von Aristoteles und Seneca und vergleicht ihre jeweiligen philosophischen Ansätze. Kapitel III befasst sich mit dem Freundschaftsbegriff bei den beiden Denkern und behandelt Themen wie die Notwendigkeit von Freunden, die Auswahl und Pflege von Freundschaften sowie das Ende von Freundschaften.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe der Arbeit sind Freundschaft, qıλía, amicitia, Ethik, Stoizismus, Aristoteles, Seneca, Liebe, Beziehung, Macht, Status.
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- Anja Bülles (Author), 2017, Freundschaft bei Aristoteles und Seneca. Freundschaftsbegriff in der Antike, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/426179