Einleitung
Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) beschäftigte sich neben seinen ökonomischen Studien auch mit soziologischen und politikwissenschaftlichen Themen. In Capitalism, Socialism and Democracy entwirft er neben der Darstellung von Sozialismus und Kapitalismus auch eine Theorie der Demokratie. Diese sollte zwar in erster Linie im Hinblick auf die Verträglichkeit mit dem Sozialismus untersucht werden und war insofern nicht in erster Linie eine Auseinandersetzung mit der Demokratie an sich. Dennoch beinhaltete Schumpeters Theorie neue und später häufig zitierte Ansätze.
Seine Definition der Demokratie als Markt und Methode war ein erster Schritt in Richtung der ökonomischen Demokratietheorie, beispielsweise eines Anthony Downs, und wird häufig im Zusammenhang mit Rational- oder Public -Choice-Analysen und der sog. „rationalen“ Ausrichtung der modernen Demokratietheorie als grundlegend genannt.
Schumpeters Demokratietheorie scheint stark von den politischen Ereignissen seiner Zeit beeinflusst, dementsprechend skeptisch steht er dem Funktionieren einer Demokratie gegenüber. Er sieht viele Gefährdungen und nimmt der Demokratie an sich jeglichen moralischen Vorteil gegenüber anderen Systemen. Stark geprägt ist seine Theorie durch sein Menschenbild. Die Kombination seines Menschenbildes mit dem Marktvergleich lässt die Hypothese zu, dass die Demokratie nach Schumpeters Definition grundsätzlich durch Populismus gefährdet ist.
Mit der Herleitung seiner Demokratiedefinition setzt sich der erste Teil der Arbeit auseinander, die Funktionsweise der Demokratie wird im zweiten Teil der Arbeit dargelegt. Im Schlussteil werde ich dann auf die Kritik an Schumpeter und die Populismusproblematik eingehen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Schumpeters Demokratietheorie: Herleitung
2.1 Das Denkexperiment
2.2 Ablehnung der „klassischen Lehre“
2.3 Schumpeters Menschenbild
3. Schumpeters Demokratiedefinition: Methode und Markt
3.1 Methode
3.2 Markt
3.3 Ausgestaltung der Demokratie
3.3.1 Voraussetzungen
3.3.2 Wichtigste Elemente
3.3.3 Der Konkurrenzkampf um Wählerstimmen
3.3.4 Die Elite
4. Bewertung
4.1 Probleme und Vorteile der Demokratie
4.2 Lösung: Persönlichkeiten
5. Schluss
Literatur
1. Einleitung
Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) beschäftigte sich neben seinen ökonomischen Studien[1] auch mit soziologischen und politikwissenschaftlichen Themen. In Capitalism, Socialism and Democracy entwirft er neben der Darstellung von Sozialismus und Kapitalismus auch eine Theorie der Demokratie. Diese sollte zwar in erster Linie im Hinblick auf die Verträglichkeit mit dem Sozialismus untersucht werden und war insofern nicht in erster Linie eine Auseinandersetzung mit der Demokratie an sich. Dennoch beinhaltete Schumpeters Theorie neue und später häufig zitierte Ansätze.
Seine Definition der Demokratie als Markt und Methode war ein erster Schritt in Richtung der ökonomischen Demokratietheorie, beispielsweise eines Anthony Downs, und wird häufig im Zusammenhang mit Rational- oder Public-Choice-Analysen und der sog. „rationalen“ Ausrichtung der modernen Demokratietheorie als grundlegend genannt[2].
Schumpeters Demokratietheorie scheint stark von den politischen Ereignissen seiner Zeit beeinflusst, dementsprechend skeptisch steht er dem Funktionieren einer Demokratie gegenüber. Er sieht viele Gefährdungen und nimmt der Demokratie an sich jeglichen moralischen Vorteil gegenüber anderen Systemen. Stark geprägt ist seine Theorie durch sein Menschenbild. Die Kombination seines Menschenbildes mit dem Marktvergleich lässt die Hypothese zu, dass die Demokratie nach Schumpeters Definition grundsätzlich durch Populismus gefährdet ist[3].
Mit der Herleitung seiner Demokratiedefinition setzt sich der erste Teil der Arbeit auseinander, die Funktionsweise der Demokratie wird im zweiten Teil der Arbeit dargelegt. Im Schlussteil werde ich dann auf die Kritik an Schumpeter und die Populismusproblematik eingehen.
2. Schumpeters Demokratietheorie: Herleitung
In seinem Werk Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (Capitalism, Socialism and Democracy)[4] setzt sich Schumpeter wie eingangs erwähnt neben der „Marxschen Lehre“, dem Kapitalismus und dem Sozialismus, auch mit dem Thema Demokratie auseinander. Er entwirft ein Modell der Demokratie als Markt und Methode[5], das viel zitiert aber auch kritisiert ist. Mit seinem Modell versucht er nach eigener Aussage eine „realistischere Theorie der Demokratie“ zu beginnen. Die Demokratie ist demnach kein Ziel mehr an sich, also kein moralischer Wert, sondern allein eine bestimmte „Arbeitsweise“ der Entscheidungsfindung in einer Gesellschaft.
Schumpeter entwickelt seine Demokratietheorie, indem er zuerst ein Denkexperiment kreiert, und dann die klassische Lehre untersucht und seine Kritikpunkte darlegt. Darauf aufbauend entwickelt er sein Gegenbild:
2.1 Das Denkexperiment
Mit seinem Denkexperiment versucht Schumpeter seinen Leser schon vor der Definition der Demokratie als Methode auf genau diese von ihm erdachte Tatsache hinzuweisen. So konstruiert Schumpeter eine Situation, in der ein allgemein als demokratisch anerkanntes System auf demokratische Weise die Entscheidung trifft, eine durch ein bestimmtes Merkmal gekennzeichnete Gruppe aus der Gesellschaft auszuschließen und zu verfolgen[6]. Er stellt die Frage, inwieweit eine demokratische Verfassung zu billigen wäre, die dies ermögliche. Er kommt zu dem Schluss, dass selbst der „[...]glühendste Demokrat[...]“ „[...]letzte Ideale und Interessen[...]“ kennt, die er „[...]über die Demokratie stellen wird[...]“.[7] Aus dieser Erkenntnis schlussfolgert Schumpeter, dass die Demokratie nichts anderes als eine politische Methode darstellt und dementsprechend kein „[...] Ziel an sich sein kann.“[8]
2.2 Ablehnung der „klassischen Lehre“
Schumpeter fasst die Demokratietheorie des 18. Jahrhunderts in einem Satz zusammen: „[...] die demokratische Methode ist jene institutionelle Ordnung zur Erzielung politischer Entscheide, die das Gemeinwohl dadurch verwirklicht, daß sie das Volk selbst die Streitfragen entscheiden läßt und zwar durch die Wahl von Personen, die zusammenzutreten haben, um seinen Willen auszuführen.“[9]
Der Ansatzpunkt seiner Kritik an der klassischen Lehre ist in erster Linie dessen Menschen- und Bürgerbild. Er bestreitet das gemeinsame Streben von Bürgern nach einem Gemeinwohl, im Prinzip generell die Existenz eines solchen und die eines ursprünglichen Volkswillens[10]. Schumpeter führt hier an, dass zwar möglicherweise in kleinen primitiven Gesellschaften es möglich ist sozusagen auf einen Nenner zu kommen, dass dies allerdings in großen, modernen, komplexen Gesellschaften völlig unmöglich ist. Er fügt hinzu dass, selbst wenn man sich auf einem sehr allgemeinen Niveau auf ein gemeinsames Ziel einigen könnte, spätestens bei der Durchführung Uneinigkeit über die Mittel vorprogrammiert wäre[11].
Ein weiteres Problem sieht Schumpeter im Begriff des Volkswillens: So man ihn auf einem sehr allgemeinen Niveau annimmt, ist er zunächst schwer zu ermitteln, zumindest im direktdemokratischen Sinne der „klassischen Lehre“. Zudem beinhaltet der Begriff des „Volkswillens“ das Problem, dass er sich auch auf undemokratische Systeme[12] anwenden lasse. Als Beleg führt er an, dass in Demokratien, nicht immer der Volkswille umgesetzt werden könne und dass im Gegenzug auch in undemokratischen Systemen dem Volkswillen gefolgt werden könne[13]..
Problematisch an Schumpeters Ablehnung der „klassischen Lehre“ ist zum einen nach Schmidt, dass er unter dem Begriff klassische Lehre verschiedene Theorierichtungen des 18. Jahrhunderts zusammenfasst, die in ihrer Demokratiedefinition doch sehr unterschiedlich waren[14].
Einige seiner Kritikpunkte laufen gewissermaßen ins Leere: Dass der Volkswillen zum Teil auch in nichtdemokratischen Systemen umgesetzt werden kann, war auch Vertretern der „klassischen Lehre“ bekannt und eine Trennung zwischen demokratischen und nicht-demokratischen Systemen ließe sich hier leicht durch eine Untersuchung des Prozesses der Umsetzung des Volkswillen erreichen. Reduziert man den Allgemeinwohlgedanken auf ein Mindestmaß, so lässt sich hier ein Minimalkonsens finden. Allein der Tatsache, dass man bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung dieses Minimalkonsens in Streit geraten wird, ist schwer zu entgegnen.
2.3 Schumpeters Menschenbild
Sein Menschenbild entwirft Schumpeter ebenfalls als Gegenposition zur „klassischen Lehre“.
Er lehnt die „klassische“ Definition eines rational denkenden und handelnden Menschen ab und setzt dem entgegen, dass der Mensch nur begrenzt rational handelt. Seine rationale Denk- und Handlungsfähigkeit beschränkt sich demnach in erster Linie auf sein direktes alltägliches Leben, auf konkrete, einfach begreifbare Dinge[15]. Dies gilt insbesondere und verstärkt im politischen Bereich. Dadurch hat der Mensch auch ein geringes Interesse an politischen Bereichen, die sein Alltagsleben nicht betreffen oder außerhalb des nachvollziehbaren kommunalen Bereichs liegen. Insbesondere große nationale und internationale Felder erscheinen dem Menschen als fiktive Welt, sind kaum nachvollziehbar oder begreifbar. Ist der Mensch mit Entscheidungen in diesen Fragen konfrontiert, so reagiert er mit geringerer Rationalität oder gar außer rationalen Vorurteilen und Trieben[16], hat geringere moralische Anforderungen und ist beeinflussbar, formbar[17].
Zu diesem Effekt gesellt sich ein weiterer, ebenfalls gefährlicher: der Mensch in der Masse. Nach Schumpeter zeichnet sich der Mensch in der Masse durch ein vermindertes Verantwortungsgefühl, ein tieferes Niveau der Denkenergie, eine größere Empfänglichkeit für nicht-logische Einflüsse und das Verschwinden sittlicher Hemmungen aus[18].
Psychologische Untersuchungen über Massenveranstaltungen des Dritten Reiches beispielsweise würden dies sicher bestätigen. Man erinnere sich an Goebbels „Wollt ihr den Totalen Krieg?“ und die aus Filmmaterial bekannten Reaktionen, an die Gesichtsausdrücke der jubelnden Massenmenschen.
[...]
[1] Buisness Cycles..
[2] Vgl. z. B. I. Heinemann: Public Choice und moderne Demokratietheorie. Frankfurt/Main 1999. Hier S. 28.
[3] Unter Populismus soll hier die allgemeine Definition Nohlens verstanden werden: Der Begriff Populismus „[...] dient allg. als Bezeichnung für eine negativ bewertete Politik, die sich in der Gier nach Zustimmung von seiten des Volkes demagogischer Parolen bedient, dem Volke nach dem Munde redet, an Instinkte appelliert und einfache Lösungen propagiert sowie verantwortungsethische Gesichtspunkte weitestgehend außer acht läßt.“ D. Nohlen: Populismus. In: D. Nohlen (Hg.): Kleines Lexikon der Politik. München 2001. S. 405-406. Hier S. 405.
[4] J.A. Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. 2. Aufl. München 1950.
[5] Den Begriff „Methode“ definiert Schumpeter hier als „[...] eine gewisse Art institutioneller Ordnung, um zu politischen – legislativen und administrativen – Entscheidungen zu gelangen.“ Ebda. Hier S. 384.
[6] Vgl. ebda S. 383. Um darzulegen, dass sein Gedankenexperiment nicht sehr abwegig ist, nennt Schumpeter auf S. 382f. einige historische politische Ereignisse.
[7] Ebda. S. 384.
[8] Ebda.
[9] Schumpeter: Kapitalismus. Hier S. 397.
[10] Vgl. ebda S. 399ff.
[11] Vgl. ebda. S. 400.
[12] Schumpeter bezeichnet hier als undemokratische Systeme Regierungen, die nach allgemeinem Ermessen, als undemokratisch bezeichnet werden können.
[13] Vgl. ebda. S. 405f.
[14] Vgl. M. G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung. 3. Aufl. Opladen 2000. S. 202.
[15] Vgl. Schumpeter: Kapitalismus. S. 411.
[16] Vgl. ebda. S. 416f.
[17] Vgl. ebda. S. 418.
[18] Auch hier ist eine starke Beeinflussung durch seine Zeit zu vermuten.
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- Katharina Silo (Author), 2003, J.A Schumpeter: Demokratie als Markt und Methode 'Die Demokratie ist die Herrschaft des Politikers', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42453
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