Zu Beginn des Jahres 2002 erregte eine Kampagne namens ”Kraft zum Leben“ die Gemüter in Deutschland. Stein des Anstoßes war jedoch nicht der bloße Inhalt der Kampagne. ”Kraft zum Leben“ , eine christliche Erweckungsbewegung, erreichte vielmehr dadurch ihre hohe Medienpräsenz, dass sie gegen geltendes deutsches Recht verstieß, indem sie ihre Botschaft nicht nur über Plakate, sondern auch über das Fernsehen verbreitete. Laut Rundfunkstaatsvertrag ist weltanschauliche und religiöse Fernsehwerbung in Deutschland nämlich verboten. In der Folge wurde die Ausstrahlung untersagt, was die deutschen Medien jedoch nicht davon abhielt, sich weiter mit dem KL-Phänomen zu befassen. Im Zentrum der Debatten stand die Frage nach dem Hintergrund der Kampagne, deren Initiatorin – die amerikanische DeMoss-Stiftung – sich sehr im Hintergrund hielt und so der ganzen Aktion eine Aura des Mysteriösen gab.
Entscheidend soll hier jedoch die Frage nach der systematischen Verortung der KLBewegung in der religionssoziologischen Nomenklatur sein. Zu diesem Zwecke werden nach der Darstellung der Fakten (Historie, Hintergründe und Rezeption der Bewegung in Deutschland und in ihrem Ursprungsland, den USA) drei religionssoziologische Analyseebenen eingeführt und systematisch auf die Merkmale der KL-Bewegung angewendet: Max Webers richtungsweisende These von der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus sowie einige Weiterentwicklungen; Auffassungen von spezifisch US-amerikanischer bürgerlicher Religion unter dem Signum ”Zivilreligion“; zuletzt ein historischer und systematischer Überblick der protestantisch fundamentalistischen sowie evangelikalen Bewegungen in den Vereinigten Staaten. Das zentrale Argument dieser Arbeit ist, dass die KL-Bewegung in Deutschland deshalb auf Unverständnis und ergo Ratlosigkeit getroffen ist (welche zu vielfältigen Protesten und in letzter Konsequenz zu ihrer juristisch legitimierten Verbannung von den Bildschirmen geführt hat), weil sie auf den drei genannten Ebenen auf spezifisch nordamerikanische, protestantisch-reformierte Ideen von Religion und Religiosität rekurriert, die es in Deutschland in dieser Form nicht gibt...
Inhaltsverzeichnis
1 Vorbemerkung
1.1 Gegenstand und Methodik
1.2 Die Kampagne „Kraft zum Leben“
2 Analyseebenen
2.1 Max Webers religionssoziologisches Programm
2.1.1 Die protestantische Ethik und der Mythos vom Erfolg
2.1.2 Die protestantischen Sekten und die Individualisierung
2.2 Das Konzept der Zivilreligion
2.3 Fundamentalismus und Evangelikalismus
3 Interpretation und Einschätzung
4 Quellennachweise
4.1 Bibliografie
4.2 Internetseiten zum Thema
1 Vorbemerkung
1.1 Gegenstand und Methodik
Zu Beginn des Jahres 2002 erregte eine Kampagne namens „Kraft zum Leben“ die Gemüter in Deutschland. Stein des Anstoßes war jedoch nicht der bloße Inhalt der Kampagne, auf welchen im folgenden Abschnitt einzugehen sein wird. „Kraft zum Leben“ (im Folgenden: KL), eine christliche Erweckungsbewegung, erreichte vielmehr dadurch ihre hohe Medienprüsenz, dass sie gegen geltendes deutsches Recht verstieß, indem sie ihre Botschaft nicht nur über Plakate, sondern auch über das Fernsehen verbreitete: Laut Rundfunkstaatsvertrag ist weltanschauliche und religioüse Fernsehwerbung in Deutschland nümlich verboten.[1]
In der Folge wurde die Ausstrahlung untersagt,[2] was die deutschen Medien jedoch nicht davon abhielt, sich weiter mit dem KL-Phanomen zu befassen. Im Zentrum der Debatten stand die Frage nach dem Hintergrund der Kampagne, deren Initiatorin - die amerikanische DeMoss-Stiftung - sich sehr im Hintergrund hielt und so der ganzen Aktion eine Aura des Mysteriüsen gab.
Entscheidend soll hier jedoch die Frage nach der systematischen Verortung der KL- Bewegung in der religionssoziologischen Nomenklatur sein. Zu diesem Zwecke werden nach der Darstellung der Fakten (Historie, Hintergründe und Rezeption der Bewegung in Deutschland und in ihrem Ursprungsland, den USA) drei religionssoziologische Analyseebenen eingefuührt und systematisch auf die Merkmale der KL-Bewegung angewendet: Max Webers richtungsweisende These von der protestantischen Ethik und dem Geist des Kapitalismus sowie einige Weiterentwicklungen; Auffassungen von spezifisch US-amerikanischer bürgerlicher Religion unter dem Signum „Zivilreligion“; zuletzt ein historischer und systematischer Uberblick der protestantisch fundamentalistischen sowie evangelikalen Bewegungen in den Vereinigten Staaten.
Das zentrale Argument dieser Arbeit ist, dass die KL-Bewegung in Deutschland deshalb auf Unverständnis und ergo Ratlosigkeit getroffen ist (welche zu vielfaltigen Protesten und in letzter Konsequenz zu ihrer juristisch legitimierten Verbannung von den Bildschirmen geführt hat), weil sie auf den drei genannten Ebenen auf spezifisch nordamerikanische, protestantisch-reformierte Ideen von Religion und Religiosität rekurriert, die es in Deutschland in dieser Form nicht gibt. Dieses deutsche (oder auch, auf einer erweiterten und modifizierten Ebene, westeuropaische) Unverständnis steht im Einklang mit Bassam Tibis Argumentation, der christliche Fundamentalismus sei innerhalb der westeuropäischen „kulturellen Moderne“ faktisch bedeutungslos geworden (vgl. Tibi 2002: 56ff.).
Wissenschaftliche Literatur zum Thema ist im Uberfluss vorhanden, da sich Forscher unterschiedlicher Disziplinen wie z. B. der Religionssoziologie, Religionswissenschaft, Theologie, Politikwissenschaft und nicht zuletzt Kulturwissenschaft dazu äußern. Gerade im historischen Kontext des beginnenden 21. Jahrhunderts - des erhähten politischen Einflusses der Religiäsen Rechten in den USA seit der Wahl George W. Bushs und der verstarkten Beachtung religiäsen Fundamentalismus’ nach den Terroran- schlagen vom 11. September 2001 - sind viele Uberblickswerke und Deutungen erschienen. Es gilt daher, sich aus der Vielfalt der verschiedenen Ansatze und Interpretationen einen Uberblick zu verschaffen und geeignete Werke als Argumentationshilfen heranzuziehen. Aspekte der weberschen religionssoziologischen Studien sind die Basis des ersten Kapitels. Sie sind den von Johannes Winckelmann in einem Band herausgegebenen Aufsaätzen zur protestantischen Ethik entnommen. Wichtige Erkenntnisse in Bezug auf Webers Werk verdanke ich den Schriften von Wolfgang Schluchter. Ein Aufsatz des Soziologen Daniele Hervieu-Leger bildet das Fundament meiner Argumentation im zweiten Teil des ersten Kapitels, bei der ich auf Ernst Troeltschs Thesen zur Sektenbildung Bezug nehme. Wichtige Quellen fär das Verständnis der US-amerikanischen religiäsen Landschaft bieten die Schriften von Bryan Wilson und Robert Wuthnow, wobei die Dissertation von Thomas Hase die ausfuährlichste und differenzierteste Auseinandersetzung mit dem Konzept der amerikanischen Zivilreligion liefert. Die Texte von Shmuel Eisenstadt und Bassam Tibi geben hervorragende Erklärungsansatze für Fundamentalismus als Bewegungen im Kontext der Moderne und das Buch von Darryl Hart kann als maßgeblich fär die historische Entwicklung und die heutige Beurteilung der Evangelikalen gelten. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass gerade fär ein Thema von solcher Aktualitaät das Internet eine unerschoäpfliche Quelle interessanter Berichte, Stellungnahmen und Deutungen war. Einige wichtige Websites sind in der Bibliografie aufgefährt.
Vor der Betrachtung der einzelnen Analyseebenen steht eine kurze Einfährung in den Gegenstand der Erörterung: Der nachste Absatz gibt einen Uberblick äber das Vorgehen, die Inhalte und die Rezeption der KL-Kampagne. Die zentralen Quellen sind dabei Medienberichte, wobei neben der Tagespresse verstärkt Quellen im Internet, z.B. private Homepages, genutzt worden sind.
1.2 Die Kampagne „Kraft zum Leben“
Laut Medienberichten wurde in den USA bereits im Jahre 1999 mit Anzeigen, Fernsehwerbespots und Plakaten für die kostenlose Publikation „Power for Living“ geworben. Das Time Magazine berichtete, die Kampagne (deren Spots zeitweise bis zu fünfzig mal tüglich auf CNN ausgestrahlt worden seien) habe über die sechsmonatige Dauer dieser Werbeoffensive (Oktober 1998 - Mürz 1999) mehr als $27,8 Mio. gekostet; eine Summe, die selbst die Medienkosten eines Prasidentschaftswahlkampfes übersteige (Van Biema 1999).
Anfang des Jahres 2002 startete die Kampagne unter dem Titel „Kraft zum Leben“ auch in Deutschland, mit 12.000 Plakaten (vgl. Peters 2002) und Zeitungsannoncen. Uber den umstrittenen und schließlich verbotenen TV-Werbespot schrieb die Süddeutsche Zeitung:
Gerade hat sich das Kameraauge in steilem Schragflug den Buchstaben genahert, da ist es mit der Herrlichkeit der Schrift auch schon vorbei. Das sanfte Lücheln des Golfstars Langer drängt sich stattdessen ins Bild. Vom Gegenstand, für den hier so pastellfarbig geworben wird, vom Buüchlein und seinem geheimnisvollen Inhalt bleiben nur Andeutungen auf dem Bildschirm zuruück, Wortruinen und Satzsplitter.
Wer das Mysterium enträtseln will, muss eben zum Hörer greifen und die 134 Seiten starke Erbauungslektüre anfordern. Dann aber soll Kraft zum Leben eine enorme Wirkung entfalten. Der Werbespot endet mit einem siegreichen Golfprofi, der im spätnachmittäglichen Gegenlicht eine Trophae in die Hohe reckt. (Kissler 2002 [1])
Bernhard Langer ist einer der Prominenten, welche in Deutschland für das Buch warben. Neben ihm finden sich im Büchlein „Kraft zum Leben“ noch Testimonials von Cliff Richard (Popsanger), Brita Baldus (Kunstspringerin), Paulo Sergio (Fußballer beim FC Bayern München), Philip Prinz von Preußen, Rene Müller (Fußballer), Andrea Zangemeister (Chefredakteurin von Bild der Frau) und Heinz-Horst Deichmann, dem geschüftsführenden Gesellschafter des gleichnamigen Schuhhandels (Buckingham 2001: 6-21). Mit dieser Auswahl bleibt die Kampagne ganz in der Tradition ihres US-Vorlüu- fers, da in der amerikanischen Originalausgabe auch eine Reihe so genannter celebrities, erfolgreicher Personen aus dem üffentlichen Leben, unter anderem der Baseballspieler Andy Pettitte und die ehemalige Miss America, Heather Whitestone McCallum, für die Qualitat des Buches werben (vgl. Van Biema 1999).
Hinter dem 1983 vom Baptistenprediger Jamie Buckingham verfassten Buch „Power for Living“ und der groß angelegten Werbekampagne steht die Arthur S. DeMoss Stiftung, eine nach eigenen Angaben „philanthropische Organisation“, die ihren Sitz in Palm Beach, Florida hat. Die fehlende Transparenz über Ziele und Motivationen der Kampagne führte zu großen Irritationen unter den Beobachtern. Die Stiftung war zwar bekannt, galt aber selbst amerikanischen Journalisten als one of the most secretive“ (Van Biema 1999). Zeitungen und Internetbeitrage stimmen darin überein, dass die DeMoss-Stiftung, 1979 nach dem Tode des Versicherungsmagnaten Arthur S. DeMoss mit seinem hinterlassenen Vermügen von rund $ 360 Mio. gegründet (vgl. Kissler 2002 [1]), auf Grund der von ihr gesponsorten Aktivitaten dem evangelikalen Spektrum zuzuordnen sei.[3] Die „voraufklürerische Bibeltreue“ des Buches zeige darüber hinaus, dass die DeMoss-Stiftung eine Erweckungsbewegung in der Tradition des 18. Jahrhunderts sei (vgl. Kany 2002).
Die Stiftung selbst trug nicht dazu bei, das Geheimnis um die Kampagne zu lüften; ihre Pressemitteilungen und eine Pressekonferenz von Mark DeMoss wirkten eher kontraproduktiv, da sie die Erklaürung von Hintergruünden und Zielen wiederum der Deutung der Journalisten überließen.[4] Einer schriftlichen Erklarung der DeMoss-Stiftung ist lediglich zu entnehmen, das Ziel der Kampagne sei, so viele Menschen wie moüglich mit dem biblischen Bericht vertraut zu machen, wie man Gott auf einer persönlichen Ebene kennen lernen kann.“ Das versendete Buch sei „konfessionell nicht gebunden“ und Spenden, in welcher Form auch immer, sind weder erwuünscht noch werden sie akzeptiert“.[5]
Im Zuge der Recherche für diese Arbeit bestellte auch ich ein Exemplar des Buches, und zwar über die deutsche Website der Kampagne, kraftzumleben.de. Nach etwa fünf Wochen ging das kostenlose Buch per Post ein. Im gleichen Umschlag befand sich ein Begleitbrief, der von Nancy DeMoss, der Witwe des Multimillionaürs Arthur S. De- Moss, unterzeichnet war, nebst einem Faltblatt mit einer fünfseitigen Erklärung des Namensgebers („Wie wir sicher sein künnen...“) und einer 54-seitigen, eng gedruckten Broschüren-Ausgabe des Johannes-Evangeliums in der deutschen Übersetzung des christlichen Hanssler-Verlags. Eine beiliegende Bestellkarte versprach weitere Informationen. Diese zweite Sendung enthielt wiederum einen kurzen Begleitbrief sowie eine Hanssler-Übersetzung des Neuen Testaments und zwei Broschüren, „Kids haben Fragen“ und „Schritte zur christlichen Reife“. Letzteres gibt noch konkretere Hinweise zur Umsetzung des Glaubens als „Kraft zum Leben“, so z.B. mit Lernzielfragen, Lückentexten und praktischen Handlungsanweisungen.[6] Das Versprechen der Kampagne, ungefragt keine weiteren Schreiben mehr an die Adresse des Bestellers zu senden, wurde bis dato eingehalten.
Der Stil des Buches ist zeitgemaß und das Sprachniveau alltüglich, was auf eine Zielgruppe wenig bis nicht gebildeter Leser hindeutet.[7] Auffallend ist die große Zahl an Anekdoten aus den verschiedensten Bereichen, z.B. Indianer-Weisheiten (vgl. Buckingham 2002: 27f.), Sportgeschichten (vgl. ebd.: 31 f.) und familiare Erlebnisse (vgl. ebd.: 55 f.), die ebenfalls die Identifikation des Lesers mit dem Gegenstand fürdern sollen. Ein Strukturmerkmal, das sehr an herkömmliche Ratgeber (self-help books) erinnert, ist die Zusammenfassung wichtiger Punkte am Ende eines jeden Kapitels ( “In a nutshell”), derer sich „Kraft zum Leben“ des (Öfteren bedient. Aufgelockert wird der Stil z. B. durch rhetorische Fragen wie „Klingt das nicht aufregend und gewaltig?“ (ebd.: 55) und die Darbietung konkreter Handlungsoptionen für den Leser: „Warum legen Sie dieses Buch nicht beiseite, bevor Sie weiterlesen, und danken Gott in einem Gebet für das, was er für Sie getan hat?“ (ebd.: 60). Um auch theologisch ernst genommen zu werden, untermauert der Verfasser alle seine Aussagen mit Bibelzitaten. In der deutschen Fassung wird hier die Bibelübersetzung „Neues Leben“ des Hünssler-Verlags verwendet. Charakteristisch für diese Übersetzung ist die große Nühe zur modernen und alltaglichen Sprache; nicht nur das Sprachniveau ist dem zeitgenüssischen Massengeschmack angepasst, sondern die Fassung ist teilweise mit Kommentierungen angereichert, die bereits eine Interpretation des Ürtexts vornehmen bzw. die Deutung in bestimmte Richtungen zu lenken versuchen. Diese Tendenz wird in der folgenden Gegenüberstellung des Verses 17 aus dem 5. Galater-Brief besonders deutlich, wenn man als Referenz die urtextnähere und somit philologisch „objektivere“ Zärcher Bibel heranzieht:
Galater 5,17
Zärcher Bibel:[8] „Denn das Fleisch gelästet wider den Geist, den Geist aber wider das Fleisch. Denn diese liegen miteinander im Streit, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt.“
Neues Leben: „Die alte sändige Natur liebt es, Bäses zu tun - genau das Gegenteil von dem, was der Heilige Geist will. Der Geist weckt in uns Wunsche, die den Neigungen unserer sändigen Natur widersprechen. Diese beiden Kräfte liegen in ständigem Streit miteinander, sodass ihr nicht das tun kännt, was ihr wollt.“
2 Analyseebenen
2.1 Max Webers religionssoziologisches Programm
2.1.1 Die protestantische Ethik und der Mythos vom Erfolg
Im Feuilleton der FAZ zieht Roland Kany zur KL-Kampagne folgendes Fazit:
Kraft zum Leben“ lehrt eine konfessionell gepräagte Religiositaät. In fast karikaturhafter Simplizität scheint hier noch einmal jene Form des Protestantismus reformierter Tradition auf, die Max Weber als maßgebliche Prägekraft des Kapitalismus ausmachen wollte. Hier gibt es keine wirksamen Sakramente, die dem Menschen in seiner Schwache Woche für Woche eine Starkung geben, bis zur nachsten Verfehlung. Zur lutheranischen Vorstellung von der Rechtfertigung allein aus Glaube und Gnade tritt die spezifisch calvinistische von der Vorherbestimmung. Entweder man ist erlöst oder verworfen. [...] Der wirtschaftliche Erfolg, die unermädliche Schaffenskraft sind der Beweis, von Gott erwählt zu sein. (Kany 2002)
In der Tat hatte Max Weber in seinen Studien zur protestantischen Ethik eine Wahlverwandtschaft zwischen der calvinistischen bzw. puritanischen innerweltlichen Askese“ , dem damit verbundenen Arbeitsethos und der Entwicklung des Kapitalismus als dominierende Wirtschaftsform der christlichen Moderne konstatiert: Da die Sände nicht, wie im Katholizismus, durch konkrete Handlungen (Gebete, Ablasse) der Menschen aufgeläst werden konnte, sondern als unäberbräckbare Kluft zwischen Gott und der Menschheit gesehen wurde, entwickelte sich die puritanische Vorstellung, „an seinem irdischen Erfolg den eigenen Gnadenstand ablesen zu kännen“ (Zehnpfennig 1988: 9). Durch den Erfolg als Ziel stieg der Grad der methodisch-rationalen Lebensfährung und entwickelte daraus den von Weber so bezeichneten „Geist“ des modernen Kapitalismus. Mehrere Autoren haben in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass es Weber darauf angekommen sei, mittels seiner Protestantismusstudie die Grenzen einer idealistisch-spiritualistischen Geschichtsauffassung aufzuzeigen und gerade nicht, zu behaupten, das Wirtschaftssystem des Kapitalismus sei ein Erzeugnis der Reformation (vgl. Schluchter 1998: 277f. und Kaesler 2000: 453). Zudem ist die These von der „Wahlverwandtschaft“ zwischen Religion und Wirtschaftsethik stets im weiteren Zusammenhang von Webers übergeordneter Frage nach der „Gesamtentwicklung des Rationalismus“ (Weber 1991: 64) zu sehen, was Kanys These von der „maßgeblichen Pragekraft“ überhaupt fraglich erscheinen lüsst.
Um dies zu überprüfen, sollen im Folgenden die wichtigsten Aspekte aus Webers Studie auf die KL-Bewegung angewendet und auf ihre Kompatibilitüt im weiteren we- berschen Kontext hinterfragt werden. Zunüchst ist die zwar triviale, aber dennoch fundamentale Feststellung zu treffen, dass KL ein deutliches Bekenntnis zur Praüdestina- tionslehre beinhaltet, was die puritanischen Wurzeln seiner Theologie verrüt.[9] Neben dem Postulat der Sündhaftigkeit aller Menschen[10] lehnt „Kraft zum Leben“ die Idee, der Mensch könne sich Gottes Gnade durch Arbeit erwirken, zunüchst explizit ab:
Erinnern Sie sich daran, dass Sie sich den Weg zur Gnade Gottes nicht erarbeiten künnen. Nein, Paulus [Anm.: in Philipper 2, 12-13] sprach von dem „Prozess“ der Erlüsung, bei dem man an Gnade gewinnt und sich zum Ebenbild von Gottes Sohn Jesus Christus verändert. Er sagte, dass das Wachstum als Christ die Kooperation Gottes verlangt. Er betonte sogar, dass, [sic!] man daran arbeiten muss. Dann wird Gott, der durch seinen Heiligen Geist in Ihnen wirkt, es geschehen lassen. (Buckingham 2002: 67)
Aus diesen Prämissen wird unter dem Titel „HILFSMITTEL ZUR ERFÜLLUNG DER AUFGABE“ (Buckingham 2002: 69ff.) die konkrete Durchführung der geforderten Askese abgeleitet:
1. Beten Sie tüglich zu Gott.
2. Lesen Sie tüglich Gottes Wort.
3. Gehorchen Sie Gott in jeder Minute.
4. Bezeugen Sie Jesus Christus durch Ihr Leben und Ihre Worte.
[...]
[1] x§ 7 Abs. 8 RStV: „Werbung politischer, weltanschaulicher oder religiöser Art ist unzulässig.“ Aus: Staatsvertrag uber den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 (GVBl. I S. 367 ff.), zuletzt geändert durch den Funften Rundfunkanderungsstaatsvertrag vom 26. September 2000 (GVBl. S. 474 ff.). Quelle: http://www.adicor.de/recht.htm (07.08.2003).
[2] Vgl. Pressemitteilung 01/2002 der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten vom 08.01.2002. Die Kernsätze darin lauten: „Dem Werbeverbot unterliegt auch die Anpreisung von Buächern, soweit darin fuär politische, weltanschauliche oder religioäse Inhalte geworben wird. Daher darf auch fär die Publikation ,Kraft zum Leben‘ im Rundfunk nicht geworben werden.“ Quelle: http://www.alm.de/gem_stellen/presse_wrev/pressemit/p080102.htm (08.08.2003).
[3] Als Beispiele für die finanzielle Unterstützung christlich-konservativer Projekte seitens der DeMoss- Stiftung werden genannt: Pat Robertsons „American Center for Law and Justice“, das gegen Abtreibung und Homosexualität kampfe und die Todesstrafe propagiere; die „Kampagne eines Zentrums, die Jugendliche vom vorehelichen Geschlechtsverkehr abhalten sollte“; sowie die „Plymouth Rock Foundation“, die sich fär die Einfährung biblischen Rechts einsetze (alle in: n-tv.de 2002); „70000 Dollar flossen etwa an die Organisation Gopac, die der ehemalige Rechtsaußen der Republikaner, Newt Gingrich, ins Leben rief. [...] Abtreibungsgegner und Gruppierung [sic!], die die Bärgerrechte von Homosexuellen beschneiden wollen, stehen ebenfalls auf der langen Zuwendungsliste“ (Kissler 2002 [1]).
[4] „ Auf einer Pressekonferenz in Hamburg gab der Stiftungsvorsitzende Mark DeMoss nun die Rolle des Großäkonomen, der laut pfeifend, aber blind durch den Dschungel seiner Wohltaten wandert. Abertausend Schecks habe er ausgestellt, das Ausstellen von Schecks sei die Hauptaufgabe der Stiftung, und an welche Initiativen diese Schecks adressiert sind, wisse er im einzelnen oft gar nicht: ,Wir halten uns aber an die Bibel.‘“ (Kissler 2002 [2])
[5] Zit. nach einer Pressemitteilung der DeMoss-Stiftung auf der privaten Internetpräsenz „Philosophisches Institut“ auf http://home.t-online.de/home/Todoroff/kzl.htm (29.08.2003).
[6] Als Primärquellen und Grundlage der vorliegenden Analyse dienen die Bücher „Kraft zum Leben“ (Buckingham 2001) und „Schritte zur christlichen Reife“ (Campus Crusade 1984), die auch in der Bibliografie zu finden sind.
[7] Beispiele: „Viele Menschen haben Angst vor Gott. Sie sehen ihn als eine Art ,Supercop‘, einen riesigen Polizisten, der mit seiner spirituellen Radarfalle hinter einer Wolke sitzt und darauf wartet, sie bei der Übertretung eines Gesetzes zu erwischen, damit er sie bestrafen kann“ (Buckingham 2002: 61). An anderer Stelle wird die Distanz zu Gott mit einem Aussteigen am falschen Flughafen verglichen, ein Gleichnis, das ebenfalls der Alltagserfahrung jedes durchschnittlichen Lesers entnommen sein konnte (vgl. ebd.: 3f.).
[8] Die Zürcher Bibel, die auf die Reformation Zwinglis zurück geht, wurde von 1907-1931 nach dem Urtext neu übersetzt. Sie zeichnet sich durch eine philologisch besonders große Nühe zum Urtext aus.
[9] So lautet der Titel des zweiten Kapitels z.B. „SIE SIND JEMAND BESONDERES FÜR GOTT“ und darin heißt es: „Sobald Sie sein Reich durch Ihre persönliche Beziehung zu Gott betreten haben, [...] können Sie selbstbewusst sagen: ,Ich gehöre zu denen, die von Gott gerufen wurden. Ich wurde auserwählt. Ich nehme einen Platz in der Geschichte ein.‘“ (Buckingham 2002: 33)
[10] „Die ,Sände‘ trennt uns von Gott und hält uns davon ab, so erfolgreich zu sein, wie Gott es eigentlich fur uns vorgesehen hat. Deshalb mussen wir, ehe wir etwas anderes tun, uns des Sündenproblems in unserem Leben annehmen.“ (Buckingham 2002: 31)
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