Die europäische Staatsschuldenkrise und die Diskussionen um den Grexit sind bis heute allgegenwärtig. Mit der drohenden Staatsinsolvenz ist Griechenland in den Fokus der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank und EU-Kommission gerückt.
Mittlerweile ist das dritte Rettungspaket angelaufen, doch eine Rettung des Landes ist nicht in Sicht. Felix Stehr fasst in seiner Publikation die Reform- und Sparmaßnahmen der Troika kritisch zusammen. Er gibt außerdem einen Überblick über die Geschichte und den Aufbau des IWF.
Stehr stellt die wichtigsten Ereignisse chronologisch dar und erklärt, wie sich die Eurozone in den letzten Jahren aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht entwickelt hat. Sein Buch deckt auf, welche Rolle der IWF in der griechischen Staatsschuldenkrise wirklich spielt.
Aus dem Inhalt:
- Internationaler Währungsfonds;
- IWF;
- Griechenlandkrise;
- Grexit;
- Europäische Staatsschuldenkrise
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Methodische Vorgehensweise
2 Der internationale Währungsfonds
2.1 Geschichtlicher Hintergrund des IWF
2.2 Struktureller Aufbau und Organe des IWF
2.3 Die Stimmrechtverteilung und die Rolle der Sonderziehungsrechte (SZR) innerhalb des IWF
2.4 Die verschiedenen Finanzpolitiken des IWF
3 Die griechische Staatsschuldenkrise
3.1 Interne Ursachen für die Krise
3.2 Externe Ursachen für die Krise
3.3 Auswirkungen der internen und externen Ursachen der Staatsschuldenkrise auf Griechenland und die EU und die Notwendigkeit der Rettung
4 Rettungsmaßnahmen des IWF in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission, der EZB und dem ESM
4.1 Ziele der Rettungsmaßnahmen
4.2 Die Rettungspakete I und II für Griechenland
4.3 Schuldenschnitt der privaten Gläubiger im Frühjahr 2012
4.4 Forderungsrückkauf durch Griechenland
4.5 Zinserlass und Laufzeitverlängerung durch die Troika
4.6 Das dritte Rettungspaket (2015 – 2018)
5 Kritische Einschätzung der Hilfs- und Sparmaßnahmen des IWF und der anderen Institutionen
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Der Zusammenbruch des weltweiten Systems fester Wechselkurse, des Bretton-Woods-Systems, raubte dem IWF seine Kernaufgabe und es schien, als sei dem IWF seine Existenzgrundlage entzogen worden. Ursprünglich dazu gedacht, kurzfristige Ausgleichskredite zu vergeben, gewährt der Währungsfonds seit der Finanzmarktkrise 2007 auch längerfristige Unterstützungen mit zunehmend schärferen Bedingungen und Eingriffen in Europa.
Besonders Griechenland ist seit der Verkündung der androhenden Staatsinsolvenz im Zuge der Griechenlandkrise in den Fokus der Troika, bestehend aus IWF, EZB und EU-Kommission, gerückt. Mittlerweile ist das dritte Rettungspaket angelaufen und eine Rettung Griechenlands ist noch nicht in Sicht. Die vorliegende Bachelorarbeit gibt eine kritische Einschätzung zu den Reform- und Sparmaßnahmen der Troika im Verlauf der Griechenlandkrise und verschafft abschließend einen Ausblick über die Zukunft des Landes.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Staatsverschuldung Griechenlands im Vergleich zum BIP von 2005 bis 2015; Quelle: eigene Darstellung (Daten: IWF)
Abbildung 2: Prognose zum Umfang der Schattenwirtschaft in ausgewählten OECD-Ländern im Jahr 2017 (in Prozent des BIP); Quelle: eigene Darstellung (Daten: IAW)
Abbildung 3: Entwicklung der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen Griechenlands von 1998 bis 2016; Quelle: eigene Darstellung (Daten: Bloomberg)
Abbildung 4: Griechenlands Zahlungsverpflichtungen in Mrd. Euro bis Ende Oktober 2015; Quelle: eigene Darstellung (Daten: IWF)
Abbildung 5: Zusammensetzung der Staatsverschuldung Griechenlands Ende 2015; Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an IWF Country Report No. 16/130
Abbildung 6: Staatsverschuldung Griechenlands von 2005-2018 in Relation zum BIP; Quelle: eigene Darstellung (Daten: IWF 2016f); *Beginn der Hilfsmaßnahmen durch die Troika; **Schuldenschnitt im Frühjahr 2012; ***Prognosen
Abbildung 7: Reales verfügbares Einkommen der Haushalte in den EU-Krisenländern und der EU von 2005 bis 2015 in Euro; Quelle: eigene Darstellung (Daten: Eurostat)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Angekündigte Tranchenzahlungen der EU und des IWF an Griechenland von 2010 bis 2013 in Mrd. Euro; Quelle: eigene Darstellung (Daten: FAZ)
Tabelle 2: Reform- und Strukturanpassungsprogramme in Griechenland; Quelle: eigene Darstellung (Daten: IWF)
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
In der Vergangenheit kam es in vielen Ländern, wie beispielsweise in Mexico (1982), Brasilien (1987) und Russland (1997) zu nationalen Finanz- und Staatsschuldenkrisen. Mit der Asienkrise (1997) wirkten sich diese erstmals auf eine gesamte Region aus und waren ab 2007 mit der globalen Banken- und Finanzkrise auch in Europa anzutreffen. Was in den USA als Immobilienmarktkrise begann, weitete sich innerhalb kürzester Zeit zu einer globalen Krise aus, die bis heute noch nicht überwunden ist und sich in vielen Ländern als Staatsschuldenkrise verfestigt hat. In der Eurozone führte dies gar zu der Diskussion, ob die Währungsunion auseinanderbrechen könnte. Vor allem Griechenland wurde in Teilen der öffentlichen Diskussion der Austritt aus der Eurozone nahegelegt.[1]
„Arbeitslosigkeit in Griechenland - Hunderttausende Familien ohne Stütze“, „Griechischer Geldschwund - Strand voll, Kasse leer?“, „Griechenlandverhandlungen–Keine Angst vorm Grexit“.[2] Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit werden seit 2010 unter den zuvor aufgeführten Schlagzeilen diese öffentlichen Diskussionen geführt. Die US-Immobilienmarkt- und die Griechenland-Krise sind immer noch die am meist diskutierten wirtschaftspolitischen Themen. Egal ob in der Politik, in Schulen oder in Universitäten, die europäische Staatsschuldenkrise und die damit verbundene Griechenland-Tragödie ist heute noch, wie vor sieben Jahren allgegenwärtig. Wie in jeder Krise gibt es auch im Falle Griechenlands verschiedene Akteure, die die Krise durch ihre Entscheidungen und Maßnahmen beeinflussen und somit beenden wollen. In diesem Fall ist die Rede von der Troika, bestehend aus der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Kommission und dem Internationalen Währungsfond. Die Rolle des IWF war dabei nicht immer eindeutig definiert. Die Hauptaufgabe des IWF bestand und besteht darin, Währungskrisen einzelner Länder rechtzeitig einzudämmen, um der Gefahr einer Ausdehnung der Krise auf das Weltwirtschaftssystem vorzubeugen.[3]
Seit 2010 stellt die Troika Griechenland finanzielle Mittel zur Verfügung, um eine mögliche Staatsinsolvenz zu verhindern. Im Gegenzug muss sich die griechische Bevölkerung Strukturanpassungsprogrammen und Sparreformen der Troika unterziehen. Durch die Umsetzung dieser Reformen sollen die griechischen Staatsschulden auf ein nachhaltig tragfähiges Niveau sinken.[4] Mittlerweile sind sieben Jahre seit der Verkündung der androhenden Staatsinsolvenz vergangen und es wurden zahlreiche Maßnahmen getroffen und von der griechischen Regierung umgesetzt.
1.2 Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, einen detaillierten Überblick über die gesamte Geschichte und den Aufbau des IWF zu geben und die Rolle der Troika während der Griechenlandkrise zu verstehen. Der Leser dieser Arbeit soll durch die chronologische Darstellungsweise und Erklärungen aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht einen guten Einblick in die durchaus unübersichtlichen Geschehnisse der letzten Jahre innerhalb der Eurozone bekommen. Am Ende dieser Arbeit sollte der Leser in der Lage sein, auch ohne große wirtschaftliche Vorkenntnisse, die Rolle der Troika, insbesondere die des IWF, während der griechischen Staatsschuldenkrise zu bewerten und einzuordnen.
1.3 Methodische Vorgehensweise
In der vorliegenden Bachelorarbeit wird zunächst der geschichtliche Hintergrund des Internationalen Währungsfonds, sowie dessen Struktur und Organe erklärt. Anschließend wird auf die Bedeutung der Stimmrechtverteilung innerhalb des IWF eingegangen und die verschiedenen Finanzpolitiken erläutert. Das darauffolgende Kapitel wird sich detailliert mit den Ursachen und den Auswirkungen der griechischen Staatsschuldenkrise innerhalb der Europäischen Währungsunion beschäftigen, wobei die Ursachen in interne und externe Ursachen unterteilt werden. Im vierten Kapitel werden die bisher durchgeführten Rettungsmaßnahmen der Troika und später der Quadriga chronologisch auf- und ausgeführt. Hier wird speziell auf die jeweiligen Beteiligungen der einzelnen Institutionen an den Hilfsprogrammen eingegangen und zum Schluss die aktuelle Situation der griechischen Staatsschuldenkrise aufgezeigt.
Abschließend kommt es zu einer kritischen Einschätzung der getätigten Hilfsmaßnahmen und der Reformen für Griechenland, welche im Fazit nochmals untermauert wird.
2 Der internationale Währungsfonds
2.1 Geschichtlicher Hintergrund des IWF
Im Jahre 1944 wurde in Bretton Woods (USA, New Hampshire) unter Führung der USA mit der Einführung des IWF eine der Welthandelsordnung entsprechende Weltfinanzordnung geschaffen. Die USA waren zusammen mit Großbritannien die führenden Mächte des Aushandlungsprozesses, an dem 44 Nationen teilnahmen. Die vereinbarten Normen und Regelungen sollten die liberalen Handelsbeziehungen stützen, aber gleichzeitig Handlungsspielräume für eine erfolgreiche ökonomische Steuerung und ein stabiles Sicherungssystem gewähren.[5]
Das Bretton-Woods-Abkommen verpflichtete die Staaten, die freie Konvertibilität ihrer Währungen zu garantieren und ihre Währung in einem gegenüber dem, durch die Golddeckung gebundenen US-Dollar, weitgehend festen Wechselkursverhältnis zu halten. Die Aufgabe des IWF lag darin, die Aufrechterhaltung dieser Währungsordnung zu überwachen. Außerdem diente der IWF als Währungspuffer, indem er vorübergehende Zahlungsdefizite einzelner Staaten mit kurzfristigen Überbrückungskrediten unterstützte. Diese Währungspuffer gaben den Staaten, trotz des Systems fester Wechselkurse, Möglichkeiten für eine freie Ausgestaltung ihrer nationalen Wirtschaftspolitik.[6]
Die starke Ausweitung des internationalen Handels sorgte für ein dauerhaftes US-Zahlungsbilanzdefizit. Die Glaubwürdigkeit an die Golddeckung des US-Dollar sank und wurde somit 1971 unter US-Präsident Nixon abgeschafft. Gleichzeitig verabschiedete sich auch das System fester Wechselkurse. Der IWF wurde 1978 neu reformiert und mit der Überwachung der Wechselkurspolitik aller Mitgliedsstaaten beauftragt. Die neue Aufgabe bestand darin, die Wechselkurse so konstant wie möglich zu halten.[7]
Seit den 1980er Jahren fungiert der IWF außerdem als Krisenmanager bei der Bewältigung internationaler Finanzkrisen. Bei einer vorliegenden Zahlungsunfähigkeit eines Landes, in den 1980er und 1990er Jahren waren es meist Entwicklungsländer, half der IWF mit zusätzlichen Krediten. Damit sollte verhindert werden, dass durch den Zahlungsausfall dieser Länder das weltweite Finanzsystem zusammenbricht, da die Banken der Industriestaaten Kredite an diese Länder vergeben hatten. Die Kreditvergabe des IWF wurde allerdings an sogenannte Strukturanpassungsprogramme geknüpft. Diese sollten für eine zukünftige Rückzahlung des gewährten Kredites sorgen und waren gekennzeichnet durch die Privatisierung von öffentlichen Gütern, Pensionskürzungen, sowie einer Liberalisierung und Deregulierung der Finanz- und Kapitalmärkte in den betroffenen Ländern.[8]
In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren wandten sich immer mehr verschuldete Staaten den privaten Kapitalmärkten zu, was die Bedeutung des IWF und insbesondere die Strukturanpassungsprogramme (SAP) zunehmend in Frage stellte. Erst durch die Weltfinanzmarktkrise im Jahre 2007 gewann der IWF als Kreditgeber letzter Instanz (Lender of last Resort) wieder an Aufsehen, da er ab 2010 auch innerhalb von Europa Kredite an die PIIGS-Staaten, wie Griechenland, Spanien, Italien und Portugal vergab.[9]
2.2 Struktureller Aufbau und Organe des IWF
Die zwei wichtigsten Organe des IWF bilden der Gouverneursrat (Board of Governors) und das Exekutivdirektorium (Executive Board). Der Gouverneursrat bildet hierbei das höchste Organ und setzt sich aus jeweils einem Vertreter beziehungsweise Gouverneur eines jeden der 189 Mitgliedsstaaten zusammen. Die Gouverneure sind in der Regel der zuständige Finanzminister oder der jeweilige Notenbankpräsident. Anlässlich der Jahresversammlung von IWF und Weltbank treffen sich die Vertreter der Mitgliedsstaaten einmal im Jahr. Dort wird über wichtige Entscheidungen, wie beispielsweise die Aufnahme von neuen Mitgliedern diskutiert und entschieden. Außerdem delegiert der Gouverneursrat anfallende Aufgaben und Geschäfte an das Exekutivdirektorium.[10] Das Exekutivdirektorium besteht wiederum aus 24 Direktoren, welche den geschäftsführenden Direktor jeweils für 5 Jahre wählen. Der geschäftsführende Direktor ist gleichzeitig auch der oberste Vorgesetzte für den internationalen Mitarbeiterstab, der aktuell circa 2700 Mitarbeiter aus 148 Ländern umfasst.[11] Während die USA, Japan, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien durch einen eigenen Exekutivdirektor vertreten sind, werden die anderen Mitglieder in sogenannte Stimmrechtsgruppen mit bis zu 22 Ländern zusammengefasst. Jede Stimmrechtsgruppe wird von einem Direktor vertreten.[12]
2.3 Die Stimmrechtverteilung und die Rolle der Sonderziehungsrechte (SZR) innerhalb des IWF
Die Stimmrechtverteilung richtet sich nach dem finanziellen Anteil jedes Mitgliedslandes im IWF. Jedes Mitglied bekommt Basisstimmen und zusätzlich eine Stimme pro 100.000 Einheiten an Sonderziehungsrechten seiner Quote. Die Mitgliedstaaten mit den größten Stimmanteilen sind: USA (16,53 %), Japan (6,1 %), China (6,06 %), Deutschland (5,33 %), Frankreich (4,04 %), Vereinigtes Königreich (4,04 %) und Italien (3,03 %). Seit der Gründung des IWF besitzen die USA den größten Stimmrechtanteil und mit über 16 Prozent auch ein Vetorecht, da wichtige Entscheidungen nur mit einem Zustimmungsquorum von 85 Prozent durchgesetzt werden können.[13] Neben der Stimmrechtverteilung entscheiden insbesondere die bereits erwähnten Quoten über die Einzahlungsverpflichtungen jedes Mitgliedstaates und die Höhe der in Anspruch zunehmenden Kredite. Die Quote ergibt sich aus einer Formel, die sich als gewichteter Durchschnitt aus dem Anteil des Bruttoinlandsprodukts des Mitgliedstaates an der gesamten Weltwirtschaft (50%), dem Offenheitsgrad (30%), der ökonomischen Variabilität (15%) und dem Anteil an den internationalen Reserven (5%) berechnet. Bei Eintritt in den Fonds muss das Land bis zu 25 % der Einlagen (Reservetranche) entweder in SZR oder in allgemein akzeptierten Währungen des IWF (US-Dollar, Euro, Yen, Renminbi oder Pfund Sterling) bezahlen. Der Rest der Einlagen wird anschließend in der Währung des jeweiligen Landes getätigt.[14]
Die Sonderziehungsrechte (SZR) sind ein internationaler Reservewert, den der IWF 1969 geschaffen hat, um die offiziellen Reserven seiner Mitgliedsländer zu ergänzen. Die SZR gelten als potenzieller Anspruch auf die frei nutzbaren Währungen der IWF-Mitgliedsstaaten. Außerdem dienen die SZR als Rechnungseinheit des IWF und anderer internationaler Organisationen. Der Wert der SZR wurde ursprünglich als äquivalent zu 0,888671 Gramm feinem Gold definiert, was damals ebenfalls einem US-Dollar gleichwertig war.[15]
Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 wurden die SZR als Währungskorb neu definiert. Ab dem 1. Oktober 2016 besteht der SZR-Korb aus dem US-Dollar, dem Euro, dem chinesischen Renminbi, dem japanischen Yen und dem britischen Pfund. Der Wert der SZR in Bezug auf den US-Dollar wird täglich ermittelt und auf der Internetseite des IWF veröffentlicht. Er wird berechnet als die Summe der spezifischen Beträge der einzelnen Korbwährungen, die in US-Dollar geschätzt werden, und zwar auf der Grundlage der am Mittag auf dem Londoner Markt verzeichneten Wechselkurse. Somit verhält sich der Wert von einem SZR schwankend, wie eine Aktie am Kapitalmarkt. Mitglieder mit SZR können diese Währungen auf zwei verschiedene Arten erhalten. Sie können entweder eine Vereinbarung über einen freiwilligen Tausch mit einem jeweiligen Land treffen. Oder aber ein Land mit starken externen Positionen erwirbt durch Tausch SZR von Ländern mit schwachen externen Positionen. Im März 2016 wurden 204,1 Mrd. SZR (entsprechend etwa 285 Mrd. US-Dollar) generiert und den Mitgliedern zugewiesen.[16]
2.4 Die verschiedenen Finanzpolitiken des IWF
Mitgliedsländer mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten können unverzüglich Kredite (auch Ziehungen genannt) in Höhe ihrer Reserveposition in Anspruch nehmen. Die Reserveposition setzt sich zusammen aus der Reservetranche, die 25 Prozent der hinterlegten Quote entspricht und dem Umfang der Kreditgewährung an den IWF. Die Reservetranchen-Position spiegelt die Reserveaktiva wider, welche dem IWF überwiesen worden sind.[17] Sie wird daran gemessen, wie sehr seine Quote die IWF-Bestände an seiner Währung übersteigt. Eine solche Ziehung bedeutet keine Inanspruchnahme von IWF-Krediten, da die Reserveposition eines Landes als Teil der Devisen des Mitglieds angesehen wird und somit keiner Rückzahlungspflicht unterliegt.[18] Jedoch muss ein Mitgliedsland, das die ihm zugeteilten SZR nutzt um Zahlungsbilanzschwierigkeiten abzubezahlen, darauf den SZR-Zinssatz zahlen. Andersherum bekommt ein Mitgliedsland, welches SZR über seine Zuteilung hinaus erwirbt, Zinsen in Höhe des SZR-Zinssatzes. Der wöchentliche SZR-Zinssatz wird auf Basis eines gewichteten Mittels von Zinssätzen kurzfristiger Schuldtitel festgesetzt, die auf den Märkten, der im SZR-Bewertungskorb enthalten Währungen gehandelt werden. Ausgedrückt wird der Zinssatz entsprechend als jährliche Anleihenrendite.[19]
Eine Vergabe von weiteren Krediten ist an Bedingungen des IWF geknüpft. Um die Freigabe der Kredite von einer Umsetzung der Kreditbedingungen abhängig zu machen, zahlt sie der IWF in Tranchen aus.[20] Es besteht die Möglichkeit für jedes Mitgliedsland bis zu vier weitere Kredittranchen, meist in Form von Bereitschaftskreditabkommen (Stand-By Arrangements), zu erhalten. Diese sind jedoch mit höheren Bearbeitungs- und Bereitstellungsgebühren, Zinsen und Bedingungen verbunden. Zu diesen Bedingungen gehören auch die Strukturanpassungsprogramme (SAP). Die konkreten Auflagen, die an die Vergabe von Krediten geknüpft sind, können von unverbindlichen Empfehlungen bis hin zu harten Reformen reichen. Bei einer nicht erfolgreichen Durchsetzung dieser Sparreformen werden die Kredittranchen eingefroren, bis die Reformen parlamentarisch durchgesetzt wurden.[21] Durch den Wandel der Aufgaben des IWF wurden auch andere Kreditarten notwendig. Anfang der 90er Jahre wurden die Strukturanpassungsfazilitäten (SAF) um die erweiterten SAF (ESAF) ergänzt. Sie sollten die ärmsten Mitglieder des IWF langfristig bei ihren Bemühungen unterstützen, rasches Wirtschaftswachstum und eine nachhaltige Verbesserung ihrer Zahlungsbilanz zu erreichen. Mit der Fazilität für Armutsbekämpfung und Wachstum (Poverty Reduction and Growth Facility, PRGF) wurden die erweiterten SAF Im Jahr 1999 abgelöst.[22]
Zurzeit haben 80 einkommensschwache Länder Anspruch auf die PRGF. Die Darlehen werden im Rahmen von dreijährigen Vereinbarungen vorbehaltlich der Einhaltung von Erfüllungskriterien und der Durchführung von Programmüberprüfungen vergeben. Die Darlehen haben einen jährlichen Zinssatz von 0,5 Prozent, eine tilgungsfreie Zeit von fünfeinhalb Jahren und eine Laufzeit von zehn Jahren. Somit wurden die fälligen Zinsen für die PRGF-Länder nochmals gesenkt und die Laufzeiten weiter ausgedehnt.[23] Als ebenfalls sehr langfristige Kreditlinie führte der IWF im Jahr 2006 die Fazilität für exogene Schocks (Exogenous Shocks Facility, ESF) ein. Die ESF-Kredite dienen dazu, einkommensschwache Mitgliedsländer bei exogenen Schocks, wie Naturkatastrophen, Öl- oder Nahrungsmittelpreisschocks unterstützen zu können, obwohl sie keine PRGF-Vereinbarung mit dem IWF haben. Diese Notfallkredite unterliegen den gleichen Rückzahlungsmodalitäten wie jene der PRGF-Fazilität.[24]
Der IWF vergibt seit 2007 auch langfristige Kredite innerhalb Europas, besonders Griechenland erhält viele Gelder des Währungsfonds. Im anschließenden Kapitel wird die griechische Staatsschuldenkrise detailliert beleuchtet und externe und interne Ursachen für die Krise werden aufgezeigt.
3 Die griechische Staatsschuldenkrise
Seit 1981 ist Griechenland Teil der Europäischen Union (EU) und seit 2001 auch Teil der Europäischen Währungsunion (EWU). Die Probleme Griechenlands und das Ausmaß der Verschuldung kamen erst durch den Regierungswechsel 2009 ans Tageslicht. Dabei fand die neue griechische Regierung (PASOK) ein Haushaltsdefizit von 12,7 Prozent des BIP vor, weit mehr, als die vorherige Regierung eingeräumt hatte.[25] Dieses Defizit für 2009 wurde nachträglich auf 13,6 Prozent und letztendlich von Eurostat sogar auf 15,4 Prozent korrigiert.[26]
Die Staatsverschuldung von Griechenland hat sich seit der Finanzmarktkrise stark erhöht und betrug 2015 rund 314 Mrd. Euro.[27] Die Staatsverschuldungsquote stieg im gleichen Zeitraum von 109 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 178 Prozent. Griechenland ist damit der in der EU am höchsten verschuldete Staat.[28] Die Abbildung eins macht nochmal die wachsende Verschuldung deutlich. Zwar konnten die Griechen seit 2013 die Zunahme der Staatsverschuldung bremsen und die Schulden konstant halten, gleichzeitig wurde ging jedoch die Wirtschaft zurück und das BIP sank.[29]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Staatsverschuldung Griechenlands im Vergleich zum BIP von 2005 bis 2015; Quelle: eigene Darstellung (Daten: IWF)[30]
Es gibt verschiedene Gründe und Ursachen für die Staatsschuldenkrise in Griechenland. Daher werden sie im nächsten Abschnitt in interne und externe Ursachen aufgeteilt und erklärt. Unter internen Gründen für die Krise werden solche verstanden, die Griechenland direkt selbst über politische oder wirtschaftliche Maßnahmen beeinflussen konnte. Die externen Gründe hingegen konnte Griechenland nicht direkt oder gar nicht beeinflussen. Dennoch trugen sie zu der heutigen Krisensituation bei.
3.1 Interne Ursachen für die Krise
3.1.1 Konsumtive Verwendung von Krediten
In Griechenland wurde über Jahre hinweg sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor eine Defizitkultur betrieben. Das bedeutet, es wurden Kredite zum Zwecke des Konsums aufgenommen, wodurch ein konjunktureller Aufschwung zustande gekommen ist. Dieser Aufschwung wurde jedoch nur durch die immer weitere Verschuldung des Staates ermöglicht und stellt somit ein Kernproblem Griechenlands seit der Euroeinführung dar.[31] Die Verschwendungskultur des öffentlichen Sektors lässt sich an der um 50 Prozent gestiegenen Staatsverschuldung im Zeitraum von 2001, dem Jahr vor der Euro- Einführung, bis zum Jahr 2006 erkennen. Die Investitionsausgaben sind währenddessen in vier von fünf Jahren zurückgegangen. Die aufgenommenen Mittel wurden unter anderem für enorme Lohnsteigerungen genutzt. Betrugen die Lohnsteigerungen im Jahre 2001 im öffentlichen Sektor noch 4,7 Prozent, stiegen sie im ersten Jahr des Euros um 15,1 Prozent an.[32]
Aber nicht nur der öffentliche Sektor hat über die eigenen Verhältnisse gelebt, sondern auch die Privathaushalte haben die besseren Bedingungen durch die Euro-Einführung für übermäßigen Konsum benutzt. Im privaten Sektor setzte eine steigende Anzahl an Konsumentenkrediten eine Spirale in Gang. Das Geld aus den Krediten floss in eine steigende Nachfrage, diese wiederum sorgte für steigende Löhne und die gestiegenen Löhne schließlich zu einer verschlechterten internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Landes.[33] Die verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit ließ parallel zu den Lohnerhöhungen die Exporte sinken und erhöhte die Importe. Dies führte im Jahr 2010, bezogen auf das BIP, zum größten Leistungsbilanzdefizit im gesamten Euro-Raum von 145 Prozent.[34] Mit zunehmender Wahrscheinlichkeit der Einführung des Euro stiegen die Konsumentenkredite im Verhältnis zum BIP immer weiter an. Betrugen die Konsumentenkredite 1990 noch 0,5 Prozent vom BIP, waren es ein Jahr vor der Euro- Einführung schon 4,1 Prozent und 2010 schließlich 15,2 Prozent vom BIP.[35]
Die Bank of Greece (BoG) nennt drei Gründe für diese Entwicklung im Zusammenhang mit der Euro-Einführung. Die Liberalisierung des Bankensektors in Griechenland aufgrund der Konvergenzschaffung innerhalb der zukünftigen Währungsunion gilt demnach als erster Grund. Außerdem trugen die fallenden Zinsen aufgrund des Konvergenzprozesses im Rahmen des Euro-Beitritts zur erhöhten Kreditnachfrage bei. Die mit der Euro-Einführung einhergehende Erwartung des Volkes von zukünftig höheren Einkommen gilt laut BoG als dritter und letzter Grund. Gleichzeitig begründet die Erwartung zukünftig höherer Einkommen die zurückgehenden Sparquoten der privaten Haushalte von 24,6 Prozent des BIP in den Jahren 1992 bis 1996 auf 12 Prozent des BIP in den Jahren 2002 bis 2010.[36]
3.1.2 Strukturelle Probleme im öffentlichen Sektor
Der Staat stellte mit zunehmend steigendem BIP auch immer mehr Staatsbedienstete ein. Eine erstmals durchgeführte Zählung der verbeamteten Bediensteten ergab, dass Griechenland mit 11,4 Mio. Einwohnern 768.000 Beamte beschäftigte.[37] Hinzu kamen noch genauso viele Staatsbedienstete mit Zeitverträgen. Ein Viertel der Bevölkerung lebte von einem Einkommen, das ein Familienmitglied im öffentlichen Dienst erwirtschaftete.[38] Dabei spielt auch eine Rolle, dass viele Griechen im öffentlichen Dienst die Lösung für das Problem fehlender Arbeitsplätze sahen. Viele Beamte und Parteien haben über Jahre hinweg Vetternwirtschaft betrieben und Freunde und Familienmitglieder eingestellt.[39] Zu der ohnehin schon hohen Anzahl an Beamten kamen Bonus- und Zusatzzahlungen wie zum Beispiel Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgeld hinzu, die die Kosten weiter in die Höhe trieben.[40] Die nicht vorhandenen Kontrollen im Verwaltungssystem haben zudem einen leichtfertigen Betrug des Sozialsystems ermöglicht. Im Jahre 2012 sollen sich 50.000 Griechen die Pensionen bereits verstorbener Angehöriger erschlichen haben. Einige Rentenbezieher hätten zu dem Zeitpunkt bereits 110 Jahre oder älter sein müssen. Stattdessen strichen jedoch die Hinterbliebenen das Geld ein.[41]
3.1.3 Mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit
Als Gradmesser für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nimmt man die Lohnstückkosten, welche maximal im selben Maße wie das Inflationsziel steigen dürfen. Im Euro-Raum liegt das Inflationsziel bei zwei Prozent. In Griechenland sind die Lohnstückkosten jedoch über Jahre hinweg deutlich stärker als das Inflationsziel und die eigene Produktivität gestiegen.[42] Um beispielsweise auf das Niveau der deutschen Lohnstückkosten zu kommen, hätten die Griechen 2010 die Löhne um 25 Prozent senken müssen.[43] Der Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit des Landes wurde auch in dem sogenannten Global Competitive Report des World Economic Forum dokumentiert.[44] Dort belegt Griechenland mit dem Gesamtplatz 96 den schlechtesten Platz der gesamten Europäischen Union. Als Hauptmerkmale für die schlechte Platzierung werden unter anderem die ineffiziente Bürokratie, Korruption und restriktive Arbeitsmarktvorschriften genannt.[45]
[...]
[1] vgl. Helleiner, E. (1994): S.169ff.
[2] vgl. Spiegel Online (2017c).
[3] vgl. Sandner, P., Sommer, M. (1987): S.59.
[4] vgl. Sandner, P., Sommer, M. (1987): S.42.
[5] vgl. Helleiner, E. (1994): S.25ff. & Gilpin, R. (2000): S.57ff.
[6] vgl. Helleiner, E. (1994): S.25ff.
[7] vgl. Volz, U. (2012): S.145ff.
[8] vgl. Helleiner, E. (1994): S.175ff.
[9] vgl. Kruck, A., Rittberger, V., Zangl, B. (2013): S.191.
[10] vgl. Weisbecker, J. (1992): S.4f.
[11] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016c).
[12] vgl. Gramlich, L., Krumnow, J. (2000): S.730.
[13] vgl. Volz, U. (2012): S.150ff. & Internationaler Währungsfonds (2017a).
[14] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016d).
[15] vgl. L. Coats Jr., Warren (1990): S.975ff.
[16] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016b).
[17] vgl. Dreher, A. (2003): S.11.
[18] vgl. Internationaler Währungsfonds (2000).
[19] vgl. Dreher, A. (2003): S.12.
[20] vgl. Dreher, A. (2003): S.11.
[21] vgl. Sandner, P., Sommer, M. (1987): S.42.
[22] vgl. Internationaler Währungsfonds (2001).
[23] vgl. Internationaler Währungsfonds (2001).
[24] vgl. Internationaler Währungsfonds Jahresbericht (2006).
[25] vgl. Euronews (2010).
[26] vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2010).
[27] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016e).
[28] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016f).
[29] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016e).
[30] vgl. Internationaler Währungsfonds (2016e) & Internationaler Währungsfonds (2017f).
[31] vgl. Konicz, T. (2010).
[32] vgl. Appenzeller, G. (2011).
[33] vgl. Brissimis et al. (2012): S.9ff.
[34] vgl. Sachverständigenrat (2010): S.72 & Internationaler Währungsfonds (2016f).
[35] vgl. Brissimis et al. (2012): S.9f.
[36] vgl. Brissimis et al. (2012): S.14.
[37] vgl. Die Welt (2010).
[38] vgl. Wehr, A. (2010): S.67.
[39] vgl. Landeszentrale für politische Bildung (2012).
[40] vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2010).
[41] vgl. Die Welt (2013).
[42] vgl. Bofinger, P. (2012): S.65ff.
[43] vgl. Landeszentrale für politische Bildung (2012).
[44] vgl. Schwab, K. (2012): S.28.
[45] vgl. Schwab, K. (2012): S.180.
- Quote paper
- Felix Stehr (Author), 2018, Der Internationale Währungsfonds während der griechischen Staatsschuldenkrise. Eine kritische Einschätzung der Maßnahmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/421004
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