Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das in der Lage ist, sich selbst vorsätzlich zu töten. Noch bis heute ist der Suizid eines der größten gesellschaftlichen Tabus geblieben, das am liebsten verdrängt wird.
Personen, die Suizid begehen, konfrontieren ihre Umwelt mit der Absage an ein scheinbar sinnlos gewordenes Leben, was ihre Mitmenschen dazu bewegt, über den Sinn des Lebens und die eigene Sterblichkeit nachzudenken.
Gerade deshalb ist es wichtig, sich näher mit diesem komplexen Untersuchungsgegenstand zu beschäftigen.
Die vorliegende Arbeit soll das Phänomen „Suizid“ im Wandel der Zeit darstellen und einen Überblick darüber geben, wie sich die gesellschaftliche Haltung gegenüber der Selbsttötung bis heute verändert hat.
Um zu erläutern, wie es zu suizidalem Verhalten kommt, werden einzelne Erklärungsansätze aus den Bereichen Psychologie, Soziologie, Medizin und Biologie vorgestellt.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt besonders auf den verschiedenen Bereichen der Prävention und der Therapie. Es sollen Hilfsangebote sowohl für Betroffene als auch für deren Angehörige aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionen
3 Der Suizid in seiner historischen Darstellung
4 Epidemiologie
4.1 Globale Daten
4.2 Bundesdeutsche Daten
5 Theorien suizidalen Verhaltens
5.1 Genetische und biochemische Faktoren
5.1.1 Genetische Faktoren
5.1.2 Biochemische Faktoren
5.2 Soziale Theorien
5.2.1 Die soziologische Theorie DURKHEIMs
5.2.1.1 Egoistischer Suizid
5.2.1.2 Altruistischer Suizid
5.2.1.3 Anomischer Suizid
5.2.1.4 Fatalistischer Suizid
5.2.2 Imitationshandlungen
5.3 Psychoanalytische Theorien
5.3.1 Die Psychoanalytische Theorie FREUDs
5.3.2 Die Narzissmustheorie HENSELERs
5.4 Medizinische Theorie - Das präsuizidale Syndrom
6. Risikogruppen
7 Prävention
7.1 Primärprävention
7.1.1 Strukturelle Maßnahmen
7.1.2 Kommunikative Maßnahmen
7.2 Sekundärprävention
7.2.1 Telefondienste
7.2.2 Samaritans
7.2.3 Suizidpräventionszentren
7.3 Tertiärprävention
8 Therapie
8.1 Krisenintervention
8.2 Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung
8.2.1 Medikamentöse Behandlung
8.2.2 Psychotherapeutische Behandlung
8.2.2.1 Psychodynamische Verfahren
8.2.2.2 Verhaltenstherapeutische Verfahren
8.3 Spezielle Einrichtungen zur Behandlung von Suizidpatienten
9 Medieneinfluss
10 Schluss
1 Einleitung
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das in der Lage ist, sich selbst vorsätzlich zu töten. Noch bis heute ist der Suizid eines der größten gesellschaftlichen Tabus geblieben, das am liebsten verdrängt wird.
Personen, die Suizid begehen, konfrontieren ihre Umwelt mit der Absage an ein scheinbar sinnlos gewordenes Leben, was ihre Mitmenschen dazu bewegt, über den Sinn des Lebens und die eigene Sterblichkeit nachzudenken.
Gerade deshalb ist es wichtig, sich näher mit diesem komplexen Untersuchungsgegenstand zu beschäftigen.
Die vorliegende Arbeit soll das Phänomen „Suizid“ im Wandel der Zeit darstellen und einen Überblick darüber geben, wie sich die gesellschaftliche Haltung gegenüber der Selbsttötung bis heute verändert hat.
Um zu erläutern, wie es zu suizidalem Verhalten kommt, werden einzelne Erklärungsansätze aus den Bereichen Psychologie, Soziologie, Medizin und Biologie vorgestellt.
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt besonders auf den verschiedenen Bereichen der Prävention und der Therapie. Es sollen Hilfsangebote sowohl für Betroffene als auch für deren Angehörige aufgezeigt werden.
2. Definitionen
Da zum Thema „Suizid“ die verschiedensten Definitionen existieren, sollen zunächst die wichtigsten Begriffe zum Thema näher erläutert werden. Sie werden analog in der vorliegenden Arbeit verwendet.
„ Suizidalität meint die Summe aller Denk- und Verhaltensweisen von Menschen, die in Gedanken, durch aktives Handeln oder passives Unterlassen oder durch Handelnlassen den eigenen Tod anstreben bzw. als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf nehmen.“ (Wolfersdorf 2002, S. 97)
DURKHEIM (1993) versteht unter Suizid „…jeden Todesfall, der direkt oder indirekt auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die vom Opfer selbst begangen wurde, wobei es das Ergebnis seines Verhaltens im voraus kannte.“ (Durkheim 1993, S. 27)
Diese Definition beinhaltet den Umstand, dass der eigene Tod auch durch Nicht-Handeln, wie Verweigerung von Nahrung und lebensrettenden Maßnahmen herbeigeführt werden kann.
Der PSCHYREMBEL (1998) bezeichnet den Suizid als „absichtliche Selbsttötung, die als Reaktion auf eine Lebenskrise, Identitätskrise oder Ausdruck einer Autoaggression verstanden werden kann“. (Pschyrembel 1998, S. 1527) Hier wird der aktive Charakter solcher Handlungen deutlich.
Unter Suizidversuchen versteht man „Handlungen oder Unterlassungen eines Menschen, die zwar den eigenen Tod direkt oder indirekt bezwecken oder auf ihn verweisen, ihn jedoch nicht herbeiführen...“ (Seyfried 1995, S. 11).
3 Der Suizid in seiner historischen Darstellung
Schon bei den Naturvölkern suizidierten sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen. Beispielsweise erhängten sich Mütter der Indianerstämme Whapetou und Sioux nach dem Tod ihrer Lieblingskinder. (vgl Seyfried 1995, S. 3)
Kelten und Germanen begangen Suizid bevor ihre körperlichen Kräfte schwanden. Sie ließen „…denen, die den Freitod wählten, einen Himmel voller Seligkeit zuteil werden, und eine schreckliche Hölle denen die an Krankheit oder Altersschwäche starben.“ (Durkheim 1993, S. 243)
In Indien mussten Witwen noch bis 1829 ihren Ehemännern durch Tod auf dem Scheiterhaufen folgen, bis die britische Kolonialmacht dieses Vorgehen verbot. (vgl. Seyfried 1995, S. 3 f) Im Grunde aber betrachten Hinduismus und Buddhismus „…die Selbsttötung als ungeeignetes Mittel, um dem Kreislauf der Wiedergeburten zu entfliehen.“ (Seyfried 1995, S. 4)
In Japan war Harakiri bei den Samurai bis 1868 im Gesetz verankert. So war die Möglichkeit gegeben, sündenfrei zu sterben, wenn beispielsweise Dienstvergehen begangen wurden. Suizid war aber auch ein Mittel von Untergebenen, „…um einem Höhergestellten unbedingte Loyalität zu bezeigen…“ (Seyfried 1995, S. 4).
Außerdem galt Harakiri auch als ein Mittel, um gegen unverdiente Behandlungen zu protestieren. (vgl. ebd.)
„In der Antike war Suizid nicht nur Gegenstand philosophischer Reflexion, sondern anscheinend auch oftmals deren Konsequenz.“ (ebd.)
In der Periode der Naturphilosophen war der Selbstmord aus religiösen Gründen nicht zulässig. Für PYTHAGORAS stellte er als Eingriff in die natürliche Ordnung, ein sinnloses Aufbegehren gegen die Götter dar. Die unsterbliche Seele konnte nur durch Reinigung und Buße aus dem Körper des Menschen befreit werden und so zu ihrer göttlichen Herkunft zurückkehren. Gelang das nicht, so suchte sich die Seele einen anderen Körper und versuchte erneut, sich zu befreien.
(vgl. Noob 1998, S. 20 f)
Als Hauptvertreter des attischen Zeitalters verurteilten ARISTOTELES und PLATON den Suizid als unsittlich, da jeder Einzelne im Staat „...die Funktion eines von Gott eingesetzten Wächters innehabe, dem es nicht gestattet sei, seinen Posten ohne ausdrücklichen Befehl zu verlassen.“ (Noob 1998, S.22) Somit galt die Selbsttötung als Vergehen gegen den Staat, mit dem man sich die Chance auf ein besseres Leben nach dem Tod verwirkte.
Während ARISTOTELES in seiner „Nikomachischen Ethik“ keine Ausnahmen gelten ließ, rechtfertigten bei PLATON eine rechtskräftige Verurteilung, unheilbare Krankheit sowie unerträgliche Schande den selbst herbeigeführten Tod. Suizidierte sich jedoch ein Mensch aus Gründen wie Liebeskummer oder Armut, so wurden ihm die zeremoniellen Bestattungsriten verweigert.
(vgl. Noob 1998, S. 22 f)
In der Epoche der Stoiker wurde dem Suizid grundsätzlich zugestimmt, sofern er das Resultat einer vernunftgemäßen Entscheidung war.“ (Noob1989, S. 24) Somit war es jedem freigestellt, sich das Leben zu nehmen, um Hoffnungslosigkeit und Leiden zu entgehen.
Auch die Epikureer befürworteten den Selbstmord als Ausweg, wenn der Mensch nicht in der Lage war, sein irdisches Leben vollends zu genießen - was nach ihrer Schule das höchste Ziel war. (vgl. Noob 1998, S. 24)
Das römische Recht erlaubte Suizid, allerdings nicht für Sklaven und Soldaten und ebenso wenig für Menschen, die versuchten, einer gerichtlichen Strafe zu entgehen, die eine Enteignung vorsah. In diesen Fällen zog die Tat eine Konfiszierung ihres Vermögens nach sich, wodurch oftmals sämtliche Verbliebenen in die Armut verbannt wurden. (vgl. Seyfried 1995, S.5)
Die Bibel schildert 10 Fälle der Selbsttötung. Das Alte Testament berichtet von neun Fällen der Selbsttötung, das Neue von einem - dem Suizid des JUDAS ISKARIOT (Matthäus 27, 5), der sich erhängte, nachdem er Jesus verraten hatte.
Diese Suizidhandlungen werden jedoch in der Bibel nicht moralisch gewertet. Auch sonst findet sich in der Bibel kein Hinweis auf Ächtung oder Verbot des Selbstmords. (vgl. Seyfried 1995, S. 6)
Als erster sprach der Kirchenvater AUGUSTINUS (413 - 427) in seinem Buch „Vom Gottesstaat“ das Selbstmordverbot explizit aus. Anlass dafür boten ihm die Massenselbsttötungen der verfolgten Christen, die unter der Herrschaft des römischen Reiches sehr zu leiden hatten. Für AUGUSTINUS aber galt die körperliche Schändung eines Unschuldigen nicht als Rechtfertigung, selbst Hand an sich zu legen. Er war vielmehr der Überzeugung, dass man durch den Suizid eine ungleich größere Sünde verüben würde. (vgl. Noob 1998, S. 27 ff)
Während dreier Kirchenkonzile (452 - 563) wurde der Suizid zum Verbrechen erklärt, Suizidanten wurde das kirchliche Begräbnis verweigert und es durften keine Messen mehr für sie gelesen werden. Derartige Strafen steigerten sich, bis Papst Nikolaus 860 den Suizid schließlich zur Todsünde erklärte. 1184 wurde diese Verdammung Bestandteil des Kanonischen Rechts.
(vgl. Seyfried 1995, S. 7)
Das Kanonische Recht wurde bald zum Staatsrecht, was zur Folge hatte, dass Selbsttötungsdelikte nun auch mit weltlichen Strafen geahndet wurden. Betroffene verloren jetzt ihre Besitztümer und Titel und ihr Testament wurde für nichtig erklärt. Diese Ächtung zog eine starke Verbreitung des Aberglaubens nach sich. (vgl. Noob 1998, S.34)
Die Zustände milderten sich erst im 17. Jh. im Zuge der Aufklärung. Neues Gedankengut verbreitete sich in Europa und man löste sich langsam von den mittelalterlichen Vorstellungen. Der Einfluss der Kirche schwand.
Ab 1751 wurden im Königreich Preußen Suizid und Suizidversuch nicht mehr strafrechtlich verfolgt, 1791 folgte Frankreich, 1813 Bayern und 1850 Österreich. In Großbritannien wurde dieses Verhalten noch bis 1961 bestraft. (vgl. Seyfried 1995, S. 8)
4 Epidemiologie
Nach Schätzungen der WHO starben im Jahr 2000 ca. 1 Mio. Menschen durch Suizid. In den letzten 45 Jahren stieg die Selbstmordrate weltweit um 60%; dieser Anstieg ist vor allem in den Industrienationen zu verzeichnen. Mit 90% sind psychische Störungen Hauptauslöser für Selbsttötungen. (vgl. www.who.int )
Im Verhältnis suizidieren sich drei- bis viermal mehr Männer als Frauen. Wesentlich mehr Frauen unternehmen einen Suizidversuch ohne dabei zu sterben. In der Pubertät und Adoleszenz (14 - 24 Jahre) ist das Risiko der Selbsttötung am höchsten, wobei diese Versuche jedoch selten tödlich enden. Die Zahl tödlich endender Suizidversuche steigt mit dem Alter der betroffenen Person.
(vgl. www.franz-ruppert.de )
4.1 Globale Daten
Die höchsten Suizidraten melden osteuropäische Länder. Nach Informationen der WHO ist Litauen das Land mit der höchsten Suizidrate der Welt. Die niedrigsten Zahlen findet man in südlichen Ländern, wie Griechenland, Spanien und Italien sowie in islamischen Nationen, wo Selbsttötungen aufgrund der Religion geächtet werden. (vgl. Tab.1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Suizidraten je 100.000 Einwohner
Quelle: WHO, Stand 04.11.2002
4.2 Bundesdeutsche Daten
In Deutschland starben 1999 11160 Personen an den Folgen eines Selbsttötungsversuches; 72% davon waren Männer und 28% Frauen. (vgl. Tab. 2) Für das Jahr 2001 meldet das Statistische Bundesamt Deutschland ähnliche Zahlen. (vgl. www.destatis.de)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Zahl der Suizide nach Altersgruppe und Geschlecht. Deutschland, 1999.
Quelle: WHO, Genf, 2002.
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- Arbeit zitieren
- Annett Warmschmidt (Autor:in), 2003, Der Suizid. Ein Phänomen im Wandel der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42044
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