Zu Beginn der Beschäftigung mit dem Themengebiet Risikomanagement im Krankenhaus stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit. Das Krankenhaus als System besteht, um Leiden zu lindern, zu verbessern, wenn nicht gar zu heilen. Die Realität sieht leider anders aus. Das Gesundheitswesen ist nicht so sicher wie es sein sollte.
Im Jahr 2000 wurde der Bericht „To Err is Human“ durch das Institute of Medicine der US-amerikanischen National Academy of Sciences veröffentlicht. Dieser erregte international großes Aufsehen und rückte das Thema „Medizinische Risiken, Fehler und Patientensicherheit“ zunehmend in den Blickpunkt des fach-wissenschaftlichen Interesses.
„To Err is Human“ bezieht sich u.a. auf zwei große Studien in New York (1984) und in den Staaten Colorado und Utah (1992). Die Auswertung von 30.000 (New York) bzw. 15.000 (Colorado/Utah) stationären Fällen ergab Komplikationsraten von 2,9 und 3,7 Prozent. 6,6 bzw. 13,6 Prozent dieser Komplikationen verliefen dabei tödlich. In beiden Studien konnten in über 50 Prozent der Fälle medizinische Behandlungsfehler und in über 25 Prozent der Fälle Nachlässigkeiten bzw. Unterlassungen als Ursachen definiert werden.
Rechnet man diese Zahlen auf die 33,6 Millionen Behandlungen in den USA im Jahr 1997 hoch, wie dies in der Veröffentlichung getan wurde, sterben jährlich 44.000 - 98.000 US-Amerikaner an den Folgen medizinischer Fehler. Das bedeutet: auch bei vorsichtigen Hochrechnungen rangieren medizinische Behandlungsfehler auf Platz 8 der wichtigsten Todesursachen in den USA, noch vor Autounfällen (43.458), Brustkrebs (42,297) oder AIDS (16.516) .
Die verursachten nationalen Gesamtkosten liegen nach Schätzung von Kohn/Corrigan/Donaldson zwischen 17 und 29 Milliarden US-Dollar. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Steuerung, Überwachung und Gesetzgebung
- 1.2 Ziele dieser Arbeit
- 1.3 Aufbau der Arbeit
- 2. Darstellung der zentralen Begriffe dieser Arbeit
- 2.1 Sicherheit
- 2.2 Fehler
- 2.3 Behandlungsfehler
- 2.4 Risiko
- 2.5 Problem
- 3. Risikomanagement
- 3.1 Das Risikomanagement-System
- 3.2 Risikostrategie
- 3.3 Risikoidentifikation
- 3.4 Risikoanalyse und -bewertung
- 3.5 Risikobewältigung und -steuerung
- 3.6 Risikoüberwachung
- 3.7 Risikodokumentation
- 3.8 Risikokommunikation
- 3.9 Werkzeuge des Risikomanagements
- 3.9.1 Die Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA)
- 3.9.2 Die Szenariotechnik
- 3.9.3 Die Fehlerbaum-Analyse
- 4. Die Forderungen zur Einführung des Risikomanagements im Krankenhaus
- 4.1 Gründe für Sicherheitsprobleme im Krankenhaus
- 4.2 Fehler im Krankenhaus - der Faktor „Mensch“
- 4.3 Der Umgang mit Risiken im Krankenhaus
- 5. Der Zusammenhang von Risikomanagement und Haftpflicht
- 5.1 Behandlungsfehler und Haftpflichtentwicklungen
- 5.2 Einführung in das Haftungsrecht im Krankenhaus
- 5.3 Zivilrechtliche Haftung
- 5.3.1 Haftung aus Vertrag
- 5.3.2 Haftung aus Delikt
- 5.4 Strafrechtliche Haftung
- 5.5 Haftungsrechtlich relevante Bereiche der Krankenhausleitung
- 5.6 Haftungsbereiche der Krankenpflege
- 6. Haftungsbereiche der Krankenpflege, Beispiel Dekubitus
- 6.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen
- 6.2 Die Häufigkeit von Dekubitus in deutschen Krankenhäusern
- 6.3 Das Auftreten von Dekubitus und der damit verbundene finanzielle Schaden
- 6.4 Der Expertenstandard Dekubitus
- 6.5 Dokumentationsanforderungen hinsichtlich des Dekubitusrisikos und der umgesetzten Maßnahmen
- 7. Haftungsbereiche der Krankenpflege, Beispiel - Sturz
- 7.1 Die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit Patientenstürzen
- 7.2 Die Sturzhäufigkeit in Krankenhäusern
- 7.3 Patientenstürze im Krankenhaus und damit verbundene Folgekosten
- 7.4 Die Einschätzung des Sturzrisikos und mögliche Präventionsmaßnahmen
- 7.5 Die Ansätze der Sturzpräventionsprogramme
- 7.6 Die Einschätzung des Sturzrisikos und Maßnahmenplanung
- 7.7 Ein interdisziplinäres Sturz-Präventionsmodell
- 7.8 Patientenstürze im Krankenhaus und Dokumentationsanforderungen
- 8. Das System Krankenhaus und der Einfluss auf die Risikogefährdung
- 8.1 Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Krankenhaus
- 8.2 Die horizontale Aufgabenverteilung im Krankenhaus und mögliche Problemstellungen
- 8.3 Die vertikale Arbeitsverteilung im Krankenhaus und mögliche Problemstellungen
- 8.4 Problemstellung der interdisziplinären Arbeit im Krankenhaus - Beispiel Medikamentengabe, Infusionen, Injektionen
- 8.4.1 Die Problemstellung der Delegation
- 8.4.2 Möglichkeiten zur Prävention medikamentenbedingter Fehler
- 9. Möglichkeiten der Implementierung des Risikomanagements im Krankenhaus
- 9.1 Stellenwert der Risikopolitik im Krankenhaus bei der Umsetzung des Risikomanagements
- 9.1.1 Die Etablierung einer neuen Fehlerkultur
- 9.1.2 Die Formulierung von Zielen als Baustein des Risikomanagements im Krankenhaus
- 9.1.3 Interne Kommunikation des Risikomanagements und notwendige Schulungsmaßnahmen
- 9.2 Das Bestimmen möglicher Risiken im Krankenhaus
- 9.2.1 Die Erfassung bereits eingetretener Schäden
- 9.2.2 Die Erfassung von Beinahe-Ereignissen
- 9.2.3 Probleme bei der Sammlung von Daten über Ereignisse, Vorfälle und Fehler
- 10. Chancen und Grenzen des Risikomanagements
- 10.1 Das Problem der Aufwands-Nutzen Analyse
- 10.2 Risikomanagement vs. Qualitätsmanagement
- 10.3 Problem der Inkonsequenz in der Umsetzung des Risikomanagements
- 10.4 Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die haftungsrechtliche Relevanz des Risikomanagements im Krankenhaus für die Pflege. Ziel ist es, die zentralen Begriffe zu definieren, das Risikomanagement-System darzustellen und den Zusammenhang zwischen Risikomanagement und Haftpflicht zu beleuchten. Besondere Aufmerksamkeit wird den Haftungsbereichen der Krankenpflege gewidmet.
- Definition und Abgrenzung zentraler Begriffe (Risiko, Fehler, Behandlungsfehler)
- Darstellung des Risikomanagement-Systems im Krankenhaus
- Haftungsrechtliche Relevanz von Risikomanagement für die Pflege
- Analyse von konkreten Beispielen (Dekubitus, Sturz)
- Möglichkeiten der Implementierung eines effektiven Risikomanagements
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Dieses Kapitel führt in das Thema ein, beschreibt die Relevanz von Steuerung, Überwachung und Gesetzgebung im Krankenhauskontext und definiert die Ziele und den Aufbau der vorliegenden Arbeit. Es dient als Grundlage für die nachfolgenden Kapitel, welche sich detailliert mit den Aspekten des Risikomanagements und der damit verbundenen rechtlichen Implikationen befassen.
2. Darstellung der zentralen Begriffe dieser Arbeit: Dieses Kapitel legt die semantische Grundlage der Arbeit, indem es die zentralen Begriffe Sicherheit, Fehler, Behandlungsfehler, Risiko und Problem präzise definiert und voneinander abgrenzt. Diese Definitionen sind essenziell für das Verständnis des gesamten Textes und bilden die Basis für die spätere Analyse des Risikomanagements im Krankenhaus.
3. Risikomanagement: Hier wird das Risikomanagement-System umfassend dargestellt, von der Risikostrategie über die Identifikation, Analyse und Bewertung bis hin zur Bewältigung, Steuerung, Überwachung und Dokumentation. Es werden verschiedene Werkzeuge wie FMEA, Szenariotechnik und Fehlerbaum-Analyse vorgestellt, die für eine effektive Risikominimierung eingesetzt werden können. Der Abschnitt ist fundamental für das Verständnis der praktischen Umsetzung eines Risikomanagementsystems.
4. Die Forderungen zur Einführung des Risikomanagements im Krankenhaus: Dieses Kapitel beleuchtet die Gründe für Sicherheitsprobleme im Krankenhaus, wobei der "Faktor Mensch" eine zentrale Rolle spielt. Es analysiert den Umgang mit Risiken im Krankenhaus und legt die Grundlage für die Notwendigkeit eines strukturierten Risikomanagementsystems. Der Abschnitt hebt die Problematik auf, die durch mangelhaftes Risikomanagement entstehen kann.
5. Der Zusammenhang von Risikomanagement und Haftpflicht: Dieses Kapitel beschreibt den engen Zusammenhang zwischen Risikomanagement und Haftpflicht. Es beleuchtet die Entwicklungen im Haftungsrecht, differenziert zwischen zivil- und strafrechtlicher Haftung und untersucht die haftungsrechtlich relevanten Bereiche der Krankenhausleitung und der Krankenpflege. Es bildet den Brückenpfeiler zwischen den theoretischen Aspekten des Risikomanagements und den konkreten rechtlichen Folgen.
6. Haftungsbereiche der Krankenpflege, Beispiel Dekubitus: Dieses Kapitel fokussiert sich auf die Haftung der Krankenpflege am Beispiel von Dekubitus. Es analysiert die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Häufigkeit von Dekubitus, die damit verbundenen finanziellen Schäden und den Expertenstandard. Die Anforderungen an die Dokumentation des Dekubitusrisikos und der getroffenen Maßnahmen werden detailliert beschrieben. Dieser Abschnitt verdeutlicht die konkreten Implikationen von Risikomanagement und deren Bedeutung für die Vermeidung von Haftungsfällen.
7. Haftungsbereiche der Krankenpflege, Beispiel - Sturz: Ähnlich wie Kapitel 6 konzentriert sich dieses Kapitel auf die Haftung der Krankenpflege, jedoch anhand des Beispiels "Patientensturz". Es untersucht die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Sturzhäufigkeit, Folgekosten, die Risikoeinschätzung, Präventionsmaßnahmen und relevante Dokumentationsanforderungen. Das Kapitel verdeutlicht die Notwendigkeit von Sturzpräventionsprogrammen und deren Einbindung in das Gesamtkonzept des Risikomanagements.
8. Das System Krankenhaus und der Einfluss auf die Risikogefährdung: Dieses Kapitel analysiert das Krankenhaus als System und dessen Einfluss auf die Risikogefährdung. Es untersucht die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die horizontale und vertikale Arbeitsverteilung und die damit verbundenen Problemstellungen, insbesondere im Kontext der Medikamentengabe. Die Delegation von Aufgaben und Möglichkeiten zur Fehlerprävention werden ausführlich diskutiert. Dieses Kapitel unterstreicht die systemischen Aspekte, die die Risikolage im Krankenhaus beeinflussen.
9. Möglichkeiten der Implementierung des Risikomanagements im Krankenhaus: Dieses Kapitel beschreibt konkrete Möglichkeiten zur Implementierung des Risikomanagements im Krankenhaus. Es beleuchtet den Stellenwert der Risikopolitik, die Etablierung einer neuen Fehlerkultur, die Formulierung von Zielen und die interne Kommunikation. Die Erfassung bereits eingetretener Schäden und Beinahe-Ereignisse wird als wichtiger Bestandteil der Risikominimierung dargestellt. Hier werden praxisnahe Lösungsansätze für die Umsetzung des Risikomanagements vorgestellt.
Schlüsselwörter
Risikomanagement, Krankenhaus, Pflege, Haftung, Behandlungsfehler, Dekubitus, Sturz, Prävention, Fehleranalyse, Qualitätsmanagement, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Recht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Dokument: Risikomanagement im Krankenhaus und seine haftungsrechtliche Relevanz für die Pflege
Was ist das zentrale Thema des Dokuments?
Das Dokument behandelt die haftungsrechtliche Relevanz des Risikomanagements im Krankenhaus für die Pflege. Es untersucht den Zusammenhang zwischen Risikomanagement und der Vermeidung von Behandlungsfehlern, die zu zivil- oder strafrechtlicher Haftung führen können.
Welche zentralen Begriffe werden definiert?
Das Dokument definiert und grenzt die zentralen Begriffe Sicherheit, Fehler, Behandlungsfehler, Risiko und Problem präzise voneinander ab. Diese Definitionen bilden die Grundlage für das Verständnis des Risikomanagements.
Wie wird das Risikomanagement-System im Krankenhaus dargestellt?
Das Dokument beschreibt das Risikomanagement-System umfassend, von der Risikostrategie über die Identifikation, Analyse und Bewertung bis hin zur Bewältigung, Steuerung, Überwachung und Dokumentation. Es werden verschiedene Werkzeuge wie FMEA, Szenariotechnik und Fehlerbaum-Analyse vorgestellt.
Welche konkreten Beispiele werden im Dokument analysiert?
Das Dokument analysiert die Haftungsbereiche der Krankenpflege anhand von zwei konkreten Beispielen: Dekubitus (Druckgeschwüre) und Patientenstürze. Es untersucht die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Häufigkeit, Folgekosten und Präventionsmaßnahmen für beide Fälle.
Welche rechtlichen Aspekte werden behandelt?
Das Dokument beleuchtet den Zusammenhang zwischen Risikomanagement und Haftpflicht. Es differenziert zwischen zivil- und strafrechtlicher Haftung und untersucht die haftungsrechtlich relevanten Bereiche der Krankenhausleitung und der Krankenpflege. Es werden die rechtlichen Folgen von Behandlungsfehlern im Kontext des Risikomanagements erläutert.
Wie wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Krankenhaus betrachtet?
Das Dokument analysiert die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Krankenhaus und deren Einfluss auf die Risikogefährdung. Es untersucht die horizontale und vertikale Arbeitsverteilung und die damit verbundenen Problemstellungen, insbesondere bei der Medikamentengabe und Delegation von Aufgaben.
Welche Möglichkeiten zur Implementierung eines effektiven Risikomanagements werden vorgestellt?
Das Dokument beschreibt Möglichkeiten zur Implementierung des Risikomanagements im Krankenhaus, inklusive der Etablierung einer neuen Fehlerkultur, der Formulierung von Zielen, interner Kommunikation und der Erfassung von Schäden und Beinahe-Ereignissen.
Welche Chancen und Grenzen des Risikomanagements werden diskutiert?
Das Dokument diskutiert die Chancen und Grenzen des Risikomanagements, einschließlich der Aufwands-Nutzen-Analyse, des Verhältnisses zu Qualitätsmanagement und des Problems der Inkonsequenz in der Umsetzung.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für das Dokument?
Schlüsselwörter sind: Risikomanagement, Krankenhaus, Pflege, Haftung, Behandlungsfehler, Dekubitus, Sturz, Prävention, Fehleranalyse, Qualitätsmanagement, interdisziplinäre Zusammenarbeit, Recht.
Welche Kapitel umfasst das Dokument?
Das Dokument umfasst zehn Kapitel, beginnend mit einer Einleitung und endend mit einer Schlussbetrachtung. Die Kapitel behandeln die Definition zentraler Begriffe, das Risikomanagement-System, die rechtlichen Aspekte, konkrete Fallbeispiele (Dekubitus und Sturz), die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Implementierung sowie die Chancen und Grenzen des Risikomanagements.
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- Olga Platzer (Author), 2004, Risikomanagement im Krankenhaus. Haftungsrechtliche Relevanz für die Pflege, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42007