Faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen, die Einhaltung von Umweltstandards, Klimaschutz, die Wahrung der Menschenrechte: das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) formuliert umfassende gesellschaftlich-normative Erwartungen an Unternehmen. Diese Erwartungen werden dabei von verschiedenen Anspruchsgruppen an die Unternehmen herangetragen. Durch die zunehmende „Moralisierung der Märkte“ hinterfragen immer mehr Verbraucher, unter welchen Bedingungen Waren hergestellt werden. Und die Politik setzt sich mit unterschiedlichen Initiativen immer intensiver mit Fragen nach transparenten Lieferketten und nachhaltiger Produktion auseinander.
Die Einhaltung von Mindeststandards in der Lieferkette ist vor allem in der stark von der Globalisierung geprägten Bekleidungsindustrie von besonderem öffentlichem Interesse. Die Produktionsstätten der großen börsennotierten Unternehmen liegen oft in Entwicklungs- oder Schwellenländern. So stammen über 70 Prozent der in die EU importierten Bekleidung aus Asien, wobei China und Bangladesch die größten Produzenten sind. In diesen Produktionsländern gelten oft weitaus geringere Sicherheits-, Umwelt- und Sozialstandards als in Deutschland und der EU. Ereignisse wie der Einsturz der Rana Plaza-Textilfabrik in Bangladesch mit über 1.000 Todesopfern haben zu einer intensiven gesellschaftlichen und politischen Diskussion über die Verantwortung der produzierenden Unternehmen für die Arbeits- und Sicherheitsstandards geführt. Ergebnis in Deutschland: die Gründung des so genannten „Textilbündnisses“ im Jahr 2014. Dessen Mitglieder haben sich verpflichtet „die Bedingungen in der weltweiten Textilproduktion [zu] verbessern“ (TEXTILBÜNDNIS 2018).
Auch auf der europäischen Politik-Ebene gewinnt CSR an Bedeutung. Die Europäische Kommission beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit der politischen Verankerung von gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung. Mit dem 2001 vorgestellten Grünbuch „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung von Unternehmen“ (KOM 2001) stieß die Kommission eine Debatte darüber an, wie die Europäische Union (EU) die soziale Verantwortung der Unternehmen auf europäischer und auf internationaler Ebene fördern kann.
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung: Soziale Unternehmensverantwortung und die Bekleidungsindustrie
1.1 Problemaufriss und Fragestellung
1.2 Forschungsstand
2. Gesellschaftliche Verantwortung von Bekleidungsunternehmen
2.1 Definition: Der Unternehmensbegriff
2.2 Definition: borsennotiertes Unternehmen
2.3 Definition: Der Verantwortungsbegriff
2.4 Corporate Social Responsibility: Begriffsbestimmung und definitorische Abgrenzung
2.4.1 Corporate Social Responsibility (CSR)
2.4.2 Corporate Citizenship (CC)
2.4.3 Corporate Sustainability (CS)
2.5 Veranderungen der Marktgegebenheiten und Problemfelder in der Bekleidungsindustrie ll
2.5.1 Okonomische Dimension
2.5.2 Okologische Dimension
2.5.3 Soziale Dimension
2.6 Zwischen-Fazit
3. CSR als strategische Herausforderung
3.1 Begriffsbestimmung: Unternehmensfuhrung
3.2 Strategische CSR als Wettbewerbsvorteil fur Unternehmen
3.3 Konzepte der Unternehmensfuhrung
3.3.1 Der wertbasierte Ansatz (value-based-view)
3.3.2 Der marktbasierte Ansatz (market-based-view)
3.3.3 Der ressourcenbasierte Ansatz (resource-based-view)
3.4 Erfolgswirkungen durch CSR
3.4.1 Vorokonomische Erfolgswirkungen
3.4.1.1 Positiver Reputationsaufbau und dessen Folgewirkungen
3.4.1.2 Risikovermeidungen
3.4.1.3 Produkt- und Prozessinnovationen
3.4.2 Okonomische Erfolgswirkungen
3.4.2.1 Positive Auswirkungen auf finanzielle Performance
3.4.2.2 Kosteneffizienz
3.5 Zwischen-Fazit
4. Die Richtlinie 2014/95/EU (CSR-Richtlinie)
4.1 CSR in der EU - von der Freiwilligkeit zur Verbindlichkeit
4.2 Abgrenzung unterschiedlicher Standards und Richtlinien
4.2.1 UN Global Compact
4.2.2 OECD-Leitsatze fur multinationale Unternehmen
4.2.3 Global Reporting Initiative
4.2.4 ISO-Norm 26000 zur sozialen Verantwortung
4.3 Die CSR-Richtlinie
4.3.1 Ziele der Richtlinie
4.3.2 Anwendungsbereich
4.3.3 Inhalte der ,,nichtfinanziellen Erklarung"
4.3.3.1 Soziale Belange und Arbeitnehmerbelange
4.3.3.2 Lieferkette
4.3.3.3 Menschenrechte
4.3.4 Art der Berichterstattung
4.3.5 Sanktions- und UberprufungsmaBnahmen
4.4 Zwischen-Fazit
5. CSR-Berichterstattungen in der Bekleidungsindustrie
5.1 Verhaltenskodizes und Initiativen in derTextilbranche
5.1.1 Der Verhaltenskodex von H&M
5.1.2 Der Verhaltenskodex der HUGO BOSS AG
5.1.3 Label und Gutesiegel in der Textilwirtschaft
5.1.4 Zwischen-Fazit: Verhaltenskodizes und Gutesiegel
5.2 CSR-Berichterstattungen in der europaischen Bekleidungsindustrie
5.3 Praxisbeispiele HUGO BOSS und H&M
5.3.1 Unternehmensprofil: HUGO BOSS
5.3.1.1 Format der Berichterstattung
5.3.1.2 Schwerpunkt: Lieferkette
5.3.2 Unternehmensprofil: H&M
5.3.2.1 Format der Berichterstattung
5.3.2.2 Schwerpunkt: Lieferkette
5.3.3 Zwischen-Fazit: Grenzen der Vergleichbarkeit von HUGO BOSS und H&M
6. Fazit und Ausblick: Chancen und Risiken der CSR-Berichtspflicht
7. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modell der Corporate Social Responsibility von Carroll
Abbildung 2: Kurzprofil der Unternehmen HUGO BOSS und H&M
Abbildung 3: Nachhaltigkeitsbericht-Matrix von Hugo Boss und H&M
1. Einleitung: Soziale Unternehmensverantwortung und die Bekleidungsindustrie
Faire Lohne und gute Arbeitsbedingungen, die Einhaltung von Umweltstandards, Klimaschutz, die Wahrung der Menschenrechte: das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR)1 formuliert umfassende gesellschaftlich-normative Erwartun- gen an Unternehmen (Curbach 2009:26). Diese Erwartungen werden dabei von verschiedenen Anspruchsgruppen an die Unternehmen herangetragen. Durch die zunehmende „Moralisierung der Markte" (Stehr 2007) hinterfragen immer mehr Verbraucher, unter welchen Bedingungen Waren hergestellt werden. Und die Po- litik setzt sich mit unterschiedlichen Initiativen immer intensiver mit Fragen nach transparenten Lieferketten und nachhaltiger Produktion auseinander.
Die Einhaltung von Mindeststandards in der Lieferkette ist vor allem in der stark von der Globalisierung gepragten Bekleidungsindustrie von besonderem of- fentlichem Interesse. Die Produktionsstatten der groBen borsennotierten Unternehmen liegen oft in Entwicklungs- oder Schwellenlandern. So stammen uber 70 Prozent der in die EU importierten Bekleidung aus Asien, wobei China und Bang- ladesch die groBten Produzenten sind (Lietz 2017). In diesen Produktionslandern gelten oft weitaus geringere Sicherheits-, Umwelt- und Sozialstandards als in Deutschland und der EU. Ereignisse wie der Einsturz der Rana Plaza-Textilfabrik in Bangladesch mit uber 1.000 Todesopfern haben zu einer intensiven gesell- schaftlichen und politischen Diskussion uber die Verantwortung der produzieren- den Unternehmen fur die Arbeits- und Sicherheitsstandards gefuhrt. Ergebnis in Deutschland: die Grundung des so genannten „Textilbundnisses" im Jahr 2014. Dessen Mitglieder haben sich verpflichtet „die Bedingungen in der weltweiten Tex- tilproduktion [zu] verbessern" (Textilbundnis 2018).
Auch auf der europaischen Politik-Ebene gewinnt CSR an Bedeutung. Die Europaische Kommission beschaftigt sich bereits seit vielen Jahren mit der politi- schen Verankerung von gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung. Mit dem 2001 vorgestellten Grunbuch „Europaische Rahmenbedingungen fur die soziale Verantwortung von Unternehmen" (KOM 2001) stieB die Kommission eine Debatte daruber an, wie die Europaische Union (EU) die soziale Verantwortung der Unternehmen auf europaischer und auf internationaler Ebene fordern kann. In ihrem Diskussionspapier betrachtete die Kommission CSR als ein Konzept, „das den Un- ternehmen als Grundlage dient, auf freiwiiiiger Basis soziale Belange und Umwelt- belange in ihre Unternehmenstatigkeit und in die Wechselbeziehung mit ihren Sta- keholdern zu integrieren" (KOM 2001:7; eigene Hervorhebung).
Mit der 2014 von den zustandigen EU-Organen verabschiedeten Anderung der EU-Richtlinie 2013/34/EU (im Folgenden: CSR-Richtlinie), hat die Europaische Union erstmals eine umfassende CSR-Berichtspflicht fur borsennotierte Unterneh- men eingefuhrt. Dadurch erhofft sich die EU, CSR bei den Unternehmen starker zu verankern, die Qualitat der bisherigen CSR-Berichterstattung hinsichtlich Da- tenqualitat und -vergleichbarkeit zu verbessern und so das Vertrauen von Investo- ren und Verbrauchern in die Unternehmen zu starken und langfristig Wachs- tumsimpulse zu setzen.
1.1 Problemaufriss und Fragestellung
Der offentliche Druck auf Unternehmen der Bekleidungsindustrie, Rechenschaft vor allem uber die Herstellungsbedingungen und die Lieferkette abzulegen, steigt. Initiativen wie die „Clean Clothes Campaign" oder die „Fair Wear Foundation" set- zen sich mit unterschiedlichen Problemen in der textilwirtschaftlichen Lieferkette, wie beispielsweise den Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken, auseinander (CCC; FWF 2018). Sie zeigen offentlichkeitswirksam Missstande auf und fordern die Unternehmen auf, MaBnahmen zur Verbesserung der Produktionsbedingun- gen zu ergreifen. Durch die stete mediale Aufmerksamkeit hat eine Sensibilisie- rung der Verbraucher eingesetzt und der ethische Konsum hat sich zu einem T rend entwickelt (Blumberg/ Droge 2008). Die Verbraucher orientieren sich bei ihrer Kaufentscheidung nicht mehr ausschlieBlich am Preis und der Qualitat einer Marke. Sie ziehen vermehrt auch den „gesellschaftlichen Markenwert", also das soziale und okologische Engagement eines Unternehmens, in ihre Erwagungen mit ein (ebd.).2
Die fragmentierten Lieferketten in der Textilindustrie sind jedoch komplex und umfassen vielschichtige Rohstoffgewinnungs-, Verarbeitungs- und Herstel- lungsprozesse, die eine luckenlose Kontrolle unter CSR-Aspekten erschweren (BMZ 2015:3). Gleichwohl steigt der Transparenzanspruch an die Unternehmen. Offentlichkeit, Politik, Investoren und Mitarbeiter gleichermaBen erwarten, dass soziale und rechtliche Mindeststandards eingehalten werden. Umso wichtiger sind daher die CSR-Aktivitaten der Unternehmen. Denn wahrend in Deutschland und Europa das gesetzliche Schutzniveau fur Beschaftige sehr hoch ist, sieht es in der globalen Liefer-und Wertschopfungskette ganz anders aus. Die ArbeiterInnen in Landern au&erhalb der EU sind oft auf freiwillige Ma&nahmen und die unverbind- liche Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards angewiesen (vgl. Deinert 2015:69).
Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz kommt der CSR-Berichterstat- tung besondere Bedeutung zu.3 Seit den 1970er Jahren veroffentlichen Unternehmen in strukturierter Form nichtfinanzielle Informationen (Fifka 2014:3). Mittler- weile gehort die CSR- oder Nachhaltigkeitsberichterstattung fur viele global tatige Unternehmen zum Tagesgeschaft. Die vorliegende Arbeit untersucht die Nachhal- tigkeitsberichterstattung borsennotierter Bekleidungsunternehmen im Hinblick auf die von der EU eingefuhrte CSR-Berichtspflicht und beantwortet die folgenden Fra- gen:
- Wie wird die CSR-Richtlinie die CSR-Berichterstattung verandern und wel- che Auswirkungen kann dies auf die europaische Bekleidungsindustrie ha- ben?
- Stellt die gesetzliche Regelung ein Risiko fur das marktorientierte Fuh- rungskonzept dar oder kann die Berichtspflicht neue Impulse fur die Wett- bewerbsfahigkeit der Unternehmen in der Bekleidungsindustrie setzen (Chancen)?
Die Arbeit geht dabei wie folgt vor: Zunachst wird der theoretische Rahmen gesetzt und der Begriff CSR bestimmt, um ihn dann in einen Zusammenhang mit Unter- nehmensfuhrungskonzepten zu bringen und zu erortern, welche Bedeutung CSR fur den Unternehmenserfolg haben kann. Im vierten Kapitel folgt die Analyse der CSR-Richtlinie. Daran anschlie&end wird ein Blick auf die CSR-Politik europai- scher borsennotierter Bekleidungsunternehmen geworfen und diese kritisch disku- tiert. Die Arbeit schlie&t mit einer Zusammenfassung der Untersuchungsergeb- nisse und einem Ausblick auf die moglichen Konsequenzen fur die Berichterstat- tung der borsennotierten Bekleidungsunternehmen.
1.2 Forschungsstand
Der Literaturkorpus zum Thema CSR ist mittlerweile sehr umfangreich und er- streckt sich uber eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen. Neben einschlagigen Werken aus der Betriebswirtschaftslehre (Schneider/ Schmidpeter 2012; Burck- hardt 2014; Jonker/ Stark/ Tewes 2010) setzen sich vor allem die Rechtswis- senschaften (Walden/ Depping 2015) mit dem Thema unternehmerische Verant- wortung auseinander. Charakteristisch fur die gesamte theoretische und prakti- sche Diskussion des Themas CSR ist das Fehlen einer allgemeingultigen, wissen- schaftlich anerkannten Definition von CSR (siehe dazu auch Kapitel 2.4 dieser Arbeit).
Fur die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung sind Forschungsar- beiten mit Bezug auf das CSR-Berichtswesen. Der von Matthias S. Fifka (2014) herausgegebene Band „CSR und Reporting" vereint theoriebezogene und praxis- orientierte Ansatze fur das CSR-Berichtswesen aus interdisziplinarer Sicht. In sei- nem Beitrag erlautert Fifka die Chancen der CSR-Berichterstattung fur Unterneh- men. So diene ein CSR-Bericht als umfassende Informationsquelle fur unter- schiedliche Stakeholder, die zu mehr Offenheit fuhre und damit beispielsweise Lie- feranten oder Investoren eine transparente Entscheidungsgrundlage biete. Dar- uber hinaus trage ein CSR-Bericht zur Optimierung von Strategien, operativen Pro- zessen und Produkten bei und nicht zuletzt sehe auch die Offentlichkeit, wie das Unternehmen handelt und welche Auswirkungen dieses Handeln mit sich zieht. Die Moglichkeiten, die vor allem die beiden letzten Aspekte fur Unternehmen bo- ten, seien mithin die starksten Argumente fur die Einfuhrung einer Berichtspflicht im Rahmen der CSR-Richtlinie (Fifka 2014:11 ff.).
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit eben dieser CSR-Richtlinie wird bislang meist aus einer juristischen Perspektive gefuhrt. So zeichnet Rehbin- der (2015) die stetige Verrechtlichung von CSR auf nationaler und europaischer Ebene nach. Mit der CSR-Richtlinie habe die EU einen neuen „Markstein in der Entwicklung der CSR gesetzt" (Rehbinder 2015:22). Dagegen kritisiert Schrader (2015) die Richtlinie als „ein Stuck unvollstandiger Rechtsetzung", da zwar berich- tet werden musse, die Richtlinie aber nicht zwingend vorschreibe, was und wie berichtet werden muss (Schrader 2015:38). Empirische Untersuchungen zur Berichtspflicht liegen noch nicht vor, was vor allem der Aktualitat des Themas ge- schuldet ist. Diese Arbeit macht diesbezuglich einen ersten Versuch, die Berichtspflicht im Zusammenhang mit zwei konkreten Unternehmensbeispielen zu unter- suchen.
2. Gesellschaftliche Verantwortung von Bekleidungsunter- nehmen
Dieses Kapitel schafft die theoretische Grundlage zur Untersuchung des Themas gesellschaftlicher Verantwortung von borsennotierten Unternehmen. Hierzu wer- den zunachst die Begriffe „Unternehmen“ und „borsennotiert“ definiert und in Ver- bindung zum Konzept der unternehmerischen Verantwortung gebracht. CSR wird anhand der Verantwortungspyramide nach Archie B. Carroll prazisiert und von anderen Konzepten wie Corporate Citizenship und Corporate Sustainability abge- grenzt. SchlieBlich werden die speziellen Anforderungen unternehmerischer Verantwortung an die Bekleidungsindustrie erlautert.
2.1 Definition: Der Unternehmensbegriff
In der Betriebswissenschaft bestehen unterschiedliche Auffassungen, inwiefern die Begriffe Betrieb, Unternehmung und Unternehmen zueinander abgrenzbar sind. Eine ausfuhrliche Darstellung der unterschiedlichen Ansatze findet sich bei Witte (2007:3ff.). Diese Arbeit folgt der grundlegenden Definition von Wohe/ Do- ring (2013:30), nach der eine Unternehmung einen „Betrieb im marktwirtschaftli- chen Wirtschaftssystem" bezeichnet. Unter einem Betrieb versteht W ohe/ Doring (2013:27) sehr weit gefasst „eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der Produktionsfaktoren kombiniert werden, um Guter und Dienstleistungen herzustel- len und abzusetzen." Unternehmen stellen demnach einen Unterbegriff derjenigen Betriebe mit privatrechtlicher Rechtsform dar (Heuermann/ Tomenendal 2011:26).4
Unternehmen verfolgen unterschiedliche Unternehmensziele. Diese be- schreiben die MaBstabe, an denen unternehmerisches Handeln gemessen werden kann und lassen sich grob in okonomische, soziale und okologische Ziele un- terteilen (Wohe/ DOring 2013:66-67). Hinsichtlich der Frage, wer die Festlegung von Unternehmenszielen in welchem MaBe beeinflusst, diskutiert die betriebswirt- schaftliche Literatur zwei verschiedene Ansatze: das Shareholder-Value-Konzept und den Stakeholder-Value-Ansatz. Ersterer zielt darauf ab, durch eine ausge- pragte Renditeorientierung den Eigenkapitalwert der Eigenkapitalgeber (Shareholder) zu steigern, insbesondere durch eine Erhohung der kurzfristigen Gewinne (Lang 2014:103). Der zweite Ansatz steht der einseitig orientierten Gewinnmaxi- mierung als oberstem Unternehmensziel kritisch gegenuber. Nach dem Stakehol- der-Ansatz mussen vielmehr die Interessen aller Anspruchsgruppen Eingang in die Formulierung der Unternehmensziele finden (Wohe/ Doring 2013:67). Dies bedeutet, dass nicht nur die okonomischen Ziele (also die Interessen der Shareholder), sondern auch die Belange der Arbeitnehmer (soziale Ziele) und offentliche Interessen, wie beispielsweise der Umweltschutz (okologische Ziele), berucksich- tigt werden mussen (ebd.). Dieser Interessenpluralismus im Zielbildungsprozess birgt allerdings Konfliktpotenzial, da die unterschiedlichen, sich in einem Span- nungsverhaltnis befindlichen Interessen, in ein ganzheitliches Zielsystem integriert werden mussen (vgl. Macharzina/ Wolf, 2015:213).
2.2 Definition: borsennotiertes Unternehmen
Allgemein ist unter einem borsennotierten Unternehmen ein Unternehmen zu ver- stehen, dessen Aktien an einer Borse gelistet sind und gehandelt werden (BAV 2010). Nach Bundesaktiengesetz I §3 AktG wird borsennotiert wie folgt definiert:
Borsennotiert im Sinne dieses Gesetzes sind Gesellschaften, deren Aktien zu einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und uberwacht wird, regelma&ig stattfindet und fur das Publikum mittelbar oder unmit- telbar zuganglich ist.
Eine territoriale Beschrankung des Begriffs der Borsennotierung sieht die aktien- rechtliche Definition hierbei nicht vor.5
2.3 Definition: Der Verantwortungsbegriff
Allgemein wird Verantwortung „als das Einstehen eines Akteurs fur die Folgen seiner Handlungen in Relation zu einer geltenden Norm" definiert (Heidbrink 2017:5). Das bedeutet, dass es nicht nur um die Einhaltung einer Regel oder Norm geht, sondern auch um die Berucksichtigung der Folgen, die sich daraus ergeben (ebd.). Entscheidend ist, dass Verantwortung nicht, wie beispielsweise eine Pflicht, auf eindeutig bestimmbare normative Handlungsanforderungen einzugrenzen ist, sondern auf weniger festgelegten Handlungserwartungen beruht (ebd.). Ein Akteur muss dabei nicht zwangslaufig ein Individuum sein. Verantwortung kann sich auch auf hoherstufige Handlungseinheiten wie Gruppen, Organisationen und eben Unternehmen beziehen (Heidbrink 2010:3).
Die Relevanz des Verantwortungsbegriffes fur die aktuelle Diskussion um unter- nehmerische Verantwortung liegt in seiner Ausrichtung nicht nur auf das rechts- konforme Handeln von Unternehmen bei ihrer Geschaftstatigkeit, sondern impli- ziert auch eine dezidiert ethische Komponente.6 Oder anders formuliert:
Aus Sicht des Verantwortungsprinzips wird nicht nur beurteilt, ob das Erwirtschaf- ten von Gewinnen innerhalb rechtlicher Rahmenregeln stattfindet, sondern auch, inwieweit dabei moralische Grundprinzipien eingehalten und verdienstliche Leis- tungen ubernommen werden (Heidbrink 2010:11).
Der amerikanische Wirtschaftsethiker Archie B. Carroll hat Ende der 1970er Jahre unterschiedliche Verantwortungsdimensionen in einer Verantwortungspyramide abgebildet. Carroll konzipiert unternehmerische Verantwortung auf vier unter- schiedlichen Ebenen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Modell der Corporate Social Responsibility von Carroll (Darstellung nach Crane/ Matten 2004:43)
Die Basis in Carrolls Modell bildet die von Shareholdern, Stakeholdern und Gesell- schaft vorausgesetzte okonomische Verantwortung, namlich das Erwirtschaften von Gewinnen. Die darauf aufbauende rechtliche Verantwortung schafft die Vo- raussetzung fur die Legitimitat eines Unternehmens. Die ethische Verantwortung beschreibt die Erfullung sozio-kultureller Erwartungen (moralische, soziale und okologische Grundstandards) aus dem unternehmerischen Umfeld und die phi- klare Anforderungen an die CSR von Unternehmen der Bekleidungsindustrie: Schaffung grdBtmdglicher Transparenz in der Lieferkette und damit verbunden ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, die Wahrung der Menschenrechte und global gultiger Arbeits- und Sozialstandards sowie die Beachtung von Umwelt- und Klimaschutz. Dass CSR und Gewinnstreben dabei keinen prinzipiellen Wider- spruch darstellen, sondern im Gegenteil eine gute dkonomische Performance erst den Grundstein fur das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens legt, wurde ebenso aufgezeigt.
Allerdings ist CSR bisher ein Konzept gewesen, das auf Freiwilligkeit be- ziehungsweise freiwilliger Selbstverpflichtung beruht. Warum also sollten Unternehmen, die sich im globalen Wettbewerb um Absatzmarkte und immer gunstigere Produktionsstandorte befinden, umfassende CSR-Aktivitaten verfolgen? Dieser Frage geht das folgende Kapitel nach.
3. CSR als strategische Herausforderung
Die folgenden Abschnitte diskutieren CSR als strategisches Instrument fur die Unternehmensfuhrung. Hierzu werden die drei Fuhrungskonzepte strategischer Unternehmensfuhrung und die Verankerung von CSR innerhalb dieser erlautert. Vor diesem Hintergrund wird dann das marktorientierte Konzept detaillierter beschrie- ben. Diesem Konzept wird besondere Aufmerksamkeit zuteil, da es die Verbindung von Gesellschaft und Umwelt thematisiert. AbschlieBend werden die Relevanz von CSR fur die Unternehmensfuhrung und Erfolgswirkungen von CSR aufgezeigt.
3.1 Begriffsbestimmung: Unternehmensfuhrung
In der Betriebswirtschaft wird Unternehmensfuhrung als „die Aufgabe, den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung so zu gestalten, dass das (die) Unternehmensziel(e) auf hochstmoglichem Niveau erreicht wird (werden)" definiert (Wohe/ Doring 2013:47). Im Zentrum des Fuhrungshandelns „stehen Entscheidungen (Hervorhebung im Original), die festlegen, wie die Arbeit der Men- lanthropische Verantwortung verweist letztiich auf die an Unternehmen von Shareholders Stakeholdern und Gesellschaft herangetragenen Wunsche zu freiwilligem Engagement fur gesellschaftliche Zwecke (vgl. Heidbrink 2010:11f.).
2.4 Corporate Social Responsibility: Begriffsbestimmung und defini- torische Abgrenzung
Wie das Kapitel 1.2 zum Forschungsstand bereits angedeutet hat, existiert eine Vielzahl von CSR-Definitionen. Je nach wissenschaftlicher Perspektive und Er- kenntnisinteresse bestehen mehr oder weniger klare und greifbare Definitionen dieses einheitlich uneinheitlichen Konzepts. CSR entzieht sich demnach einer all- gemeingultigen Definition. Die folgenden Abschnitte sind daher eine Annaherung an den inhaltlichen Kern von CSR unter betriebswirtschaftlichen Vorzeichen.
2.4.1 Corporate Social Responsibility (CSR)
Ganz allgemein wird in der einschlagigen Fachliteratur unter CSR die generelle Verantwortung von Unternehmen gegenuber der Gesellschaft und ihrer Umwelt, in der sie tatig sind, verstanden (vgl. Hardtke 2010:18). Besonderes Merkmal von CSR ist es, dass sich die Unternehmensverantwortung in einem freiwilligen Beitrag au&ert, der uber die obligatorische Verantwortung des Unternehmens im Rahmen wirtschaftlicher und rechtlicher Verpflichtungen hinausgeht und das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung verfolgt (vgl. Schaltegger/ Muller 2008:18; zur nach- haltigen Entwicklung siehe weiter unten). Hier wird der besondere Aspekt von CSR bereits deutlich, denn das Adjektiv „social“ erweitert ein primar legalistisches Ver- standnis von unternehmerischer Verantwortung um eine soziale Dimension. CSR bedeutet demnach eine Verantwortung des Unternehmens fur eine Vielzahl von Stakeholderbedurfnissen und fur die Auswirkungen des unternehmerischen Han- delns auf die Menschen und ihre Umwelt (vgl. Hirschland 2006:7).
CSR stellt damit einerseits eine Reaktion auf die sich durch die Globalisie- rung stark veranderte Rolle des Staates dar, der seine Aufgaben nicht mehr aus- schlie&lich durch Regulierung durchsetzen kann, sondern auf eine Zusammenar- beit und Koordinierung mit Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren an- gewiesen ist (Rehbinder 2015:13). Andererseits ist CSR auch eine Antwort auf den stetig gestiegenen gesellschaftlichen Druck. Die Offentlichkeit erwartet heute von Unternehmen viel starker, dass sie ihren ethischen und sozialen Verpflichtungen nachkommen und daruber nachvollziehbar Rechenschaft ablegen (vgl. Kirch- hoff 2006:13).
Eine zentrale Rolle in der CSR-Diskussion nimmt das so genannte Triple-Bottom- Line-Konzept (profit, people, planet) ein, dass Ende der 1990er Jahre von John Elkington entwickelt wurde (Elkington 1998). Elkington forderte, dass Unterneh- men nicht nur entlang einer okonomischen Zieldimension (profit) handeln sollten, sondern auch soziale (people) und okologische (planet) Indikatoren in ihre betrieb- liche Wertschopfung integrieren sollten. Grundgedanke von CSR ist also, Unter- nehmen als Teil der Gesellschaft zu begreifen. Unternehmen tragen dementspre- chend Verantwortung fur ihr okonomisches, okologisches und soziales Handeln und gestalten ihr gesellschaftliches Umfeld freiwillig uber gesetzliche Vorgaben hinaus aktiv mit. CSR bedarf daher einer Integration in alle Geschaftstatigkeiten und einer klaren Stakeholderorientierung, womit sowohl Anleger als auch Kunden, Belegschaft, Nachbarn, Behorden sowie nicht-staatliche Organisationen gemeint sind.
2.4.2 Corporate Citizenship (CC)
Oft werden CSR und CC synonym verwendet. Bei genauerem Hinsehen lassen sich beide Konzepte aber voneinander abgrenzen. So beschreibt CC einen Teil- aspekt von CSR, in dessen Fokus das soziale Engagement des Unternehmens im jeweiligen lokalen Umfeld steht (Rat fur nachhaltige Entwicklung 2006:19). Schwerpunkt von CC sind also verschiedene Formen wohltatiger Handlungen ei- nes Unternehmens (Weber 2008). Ulrich und Kaiser (2001:29) sehen in CC die Gesamtorientierung eines Unternehmens an den Grundsatzen der Burgergesell- schaft, in der sich jeder einzelne Burger „dem Wohl des gesellschaftlichen Ganzen verpflichtet fuhlt". Loew et al. (2004:73) definieren CC in diesem Sinne wie folgt: ..Corporate Citizenship ist das uber die eigentliche Geschaftstatigkeit hinausge- hende Engagement des Unternehmens zur Losung sozialer Probleme im lokalen Umfeld des Unternehmens und seiner Standorte." Typische Instrumente hierfur sind Spenden oder Sponsoring (Corporate Giving), die Grundung gemeinnutziger Unternehmensstiftungen (Corporate Foundations) sowie im Rahmen des Corporate Volunteering die Forderung des gesellschaftlichen Engagements unter direk- tem Einbezug der Mitarbeiter (Loew et al. 2004:12).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen CSR und CC liegt in der normativen Begrundung von CC, die prinzipiell losgelost von der wirtschaftlichen Dimension und dem klaren Geschaftstatigkeitsbezug von CSR ist. Wahrend Unternehmen bei CSR auf gesellschaftliche und politische Erwartungshaltungen reagieren, liegt es bei CC am Unternehmen selbst, in welcher Form es freiwillig einem gesellschaftlichen Wunsch entspricht (Jorgensen/ Polterauer 2007).
2.4.3 Corporate Sustainability (CS)
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit CSR darf ein Begriff nicht feh- len: Nachhaltigkeit (sustainability). Grundsatzlich wird Nachhaltigkeit sehr weit ge- fasst. Die sogenannte Brundtland-Kommission bestimmte bereits 1987 das politi- sche Leitprinzip Nachhaltigkeit folgenderma&en: „Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs” (UN 1987). Nachhaltiges Handeln hei&t also, gleicherma&en den Bedurfnissen heutiger sowie zukunftiger Generati- onen gerecht zu werden. Das bedeutet konkret, dass alle Menschen das Recht besitzen, ihre individuellen Bedurfnisse befriedigen zu konnen.
Fur die Nachhaltigkeitsdefinition von grower Bedeutung ist das historisch gewachsene so genannte Drei-Saulen-Modell, das von der Pramisse getragen ist, dass okonomische, soziale und okologische Entwicklung zusammen gedacht werden muss und sich nicht widerspricht (vgl. Kleine 2009:5). Die Verantwortung von Unternehmen bezieht sich korrespondierend mit den drei Saulen der Nachhaltigkeit auf die okonomische, okologische und soziale Komponente. Wahrend sich die okonomische Verantwortung auf eine effiziente Ressourcennutzung zur Erstellung von Produkten und Dienstleistungen (Erwartung von Kunden) mit dem Ziel der Ge- winnmaximierung (Erwartung der Shareholder) und der langfristigen Sicherstel- lung der Existenz (Erwartung der Mitarbeiter) ausdruckt, steht bei der Wahrneh- mung okologischer Verantwortung ein umweltvertraglicher Herstellungsprozess sowie Verantwortung gegenuber der gesamten Menschheit und zukunftigen Ge- nerationen im Vordergrund (Habisch et al. 2005:80f.).
Vergleicht man CSR und CS, lassen sich folgende Unterschiede identifizie- ren: wahrend CSR eher rezeptiv-reaktiv ist, also Unternehmen auf gesellschaftli- che Themen oder offentlichen Druck hin reagieren, beinhaltet CS im Kern eine proaktive, strukturpolitische Gestaltungsrolle des Unternehmens (Petersen / Schaltegger 2016). CSR ist also eher Stakeholder bezogen, CS dagegen impli- ziert eine umfassende, globale und prinzipiell an alle Menschen (und zukunftige Generationen) adressierte Verantwortung (vgl. Brauweiler 2010:66-67). Nachhaltiges Handeln bildet daher die Grundlage fur CSR (vgl. FiNKERNAGEL 2007:14).
2.5 Veranderungen der Marktgegebenheiten und Problemfelder in der Bekleidungsindustrie
Nach den theoretischen Ausfuhrungen in den vorangegangenen Abschnitten soil nun ein Blick auf das Thema Verantwortung in der Bekleidungsindustrie geworfen werfen. Unter dem Sammelbegriff Bekleidungsindustrie werden Unternehmen der letzten Produktionsstufe in der textilen Wertschopfungskette verstanden, die ver- schiedene Materialien zu fertigen Bekleidungsstucken weiterverarbeiten. Dies um- fasst ferner den Kollektionsentwurf, die Organisation der Beschaffungskette sowie Qualitatskontrolle, Verwaltung und den Vertrieb von Bekleidungsprodukten (vgl. Ahlert et al. 2009:42).7 Die Bekleidungsindustrie ist besonders von der Verant- wortungsdiskussion betroffen, da sie einen der am starksten globalisierten Wirt- schaftszweige darstellt, dessen Produktions- und Distributionslinien zwar sehr eng miteinander verwoben sind, sich aber uber viele geographische Regionen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Regulierungs- Arbeits-, Umwelt- und Lohnstandards erstrecken (Perry/ Towers 2013:7). Dies macht die Ruckverfolgbarkeit und Transparenz der Lieferkette von Unternehmen schwierig (EU 2017). Die okonomi- schen, sozialen und okologischen Verantwortungsdimensionen werden daher in der Bekleidungsindustrie besonders deutlich und sollen im Folgenden kurz erlau- tert werden.
Die 177.700 Firmen in der EU-28 T extil- und Bekleidungsindustrie, darunter etwa 120.000 Bekleidungshersteller und ca. 53.000 Produzenten von Textilien und synthetischen Fasern, erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von 171 Milliarden Euro. Insgesamt beschaftigt die europaische Bekleidungs- und Textilindustrie zu- sammen mehr als 1,7 Millionen Menschen (Euratex 2017). Die Textil- und Beklei- dungsbranche gehort deshalb zu einem wichtigen Wirtschaftssektor, der einen be- trachtlichen Beitrag zur Beschaftigung und zur Wertschopfung in der globalen Wirt- schaft leistet (Fashion United 2014). Vor allem im Fast Fashion Sektor ist ein enormer Zuwachs zu verzeichnen. Das zeigt eine aktuelle Rangliste der groBten europaischen Modeunternehmen, veroffentlicht von der Fachzeitschrift Textil Wirtschaft (2017). Vier der zehn umsatzstarksten Bekleidungshersteller in Eu- ropa lassen sich dem Fast Fashion Sektor zuordnen, darunter H&M, Inditex, Pri- mark und C&A. Aufgrund ihrer GroBe und Marktabdeckung kommt ihnen eine be- sondere unternehmerische Verantwortung zuteil.
2.5.1 Okonomische Dimension
In den vergangenen Jahren haben sich in der Bekleidungsindustrie zwei zentrale Trends herausgebildet, die in der Literatur als Fast Fashion und Slow Fashion be- zeichnet werden (Barnes/ Lea-Greenwood 2006; Choi/ Cheng 2015). Kenn- zeichnend fur die Fast Fashion-Strategie ist eine deutliche Verkurzung der lead time (Produktion, Distribution etc.) mit dem Ziel, zeitlich die groBtmogliche Flexibility bei der Reaktion auf Trends zu erreichen und neue Produkte so schnell wie moglich auf den Markt zu bringen (Choi/ Cheng 2015:3). Dagegen bezeichnet Slow Fashion einen eher ganzheitlichen Ansatz, der die gesamte Lieferkette in den Blick nimmt. Eine sozial und okonomisch verantwortungsvolle Rohstoffbeschaf- fung, Verbraucherbildung- und Sensibilisierung fur die Herstellungsbedingungen und den Gebrauch der Produkte nach dem Kauf sowie der gesamte Lebenszyklus eines Produktes stehen dabei im Mittelpunkt (Choi / Cheng 2015:14). Der Slow Fashion Ansatz geht aber uber Nachhaltigkeit hinaus und pladiert fur grundsatzli- che Veranderungen in der Infrastruktur und den Herstellungsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie auf Basis kultureller, sozialer, ethischer und oko- nomischer Werte (ebd.).
Diese beiden Trends stellen die Bekleidungsindustrie vor groBe Herausfor- derungen: Einerseits mussen die Unternehmen immer schneller auf Modetrends reagieren und die Produkte schnell auf den Markt bringen. Das bedeutet, dass die gesamte Lieferkette effizient gestaltet und Produktionskosten moglichst gering ge- halten werden mussen. Insbesondere fuhrt der Kostendruck oftmals zu einer Ver- lagerung der Produktion in „low-cost-Lander", in denen fragwurdige Arbeitsbedin- gungen herrschen, die nicht den europaischen Standards entsprechen. Anderer- seits thematisieren Konsumenten zunehmend die ethischen Aspekte des Kon- sums, insbesondere auch hinsichtlich Fast Fashion und stellen kritische Fragen nach den okologischen und sozialen Produktionsbedingungen von Bekleidung (Koszewska 2011).
2.5.2 Okologische Dimension
Die Produktion von Textilien und Bekleidung ist sehr ressourcenintensiv. Bei der Herstellung der weltweit bedeutendsten Rohfasern Baumwolle und Polyester werden groBe Mengen Wasser, Energie und andere Rohstoffe, wie beispielsweise Erdol, verbraucht (Uba 2014). Polyester basiert auf dem nicht nachwachsenden Rohstoff Erdol, rund 0,8 Prozent des global geforderten Erdols wird fur die Produk- tion von Chemiefasern verwendet (UBA 2014). Allein die Forderung von Erdol ist schon mit erheblichen Belastungen fur Natur und Umwelt, hohen CO2-Emmissio- nen und einem groBen Energiebedarf verbunden. Ein weiterer Nachteil der Faser wird zunehmend starker thematisiert: Mikroplastik. Denn beim Waschen von Be- kleidungsstucken aus der Kunstfaser losen sich kleinste Plastikpartikel, die fur eine umfangreiche Verschmutzung der Weltmeere verantwortlich gemacht werden. Auch bei der Naturfaser Baumwolle rucken Umweltaspekte immer starker in den Vordergrund, insbesondere der Einsatz von Pestiziden und der enorme Wasser- verbrauch. Pro Tonne Baumwolle werden beispielsweise zwischen 3.600 und 26.900 m3 Wasser gebraucht und rund 25 Prozent des weltweiten Insektizidmark- tes und 10 Prozent des Pestizidmarktes entfallen auf den Baumwollanbau (UBA 2014). Auch bei der Textilveredelung (Farben, Impragnieren etc.) werden hohe Mengen Wasser benotigt. Die eingesetzten Chemikalien werden in den Produktionslandern dabei oft ungefiltert in den Wasserkreislauf gebracht und gefahrden sowohl Umwelt als auch die Menschen, die mit den gesundheitsgefahrdenden Stoffen arbeiten oder in Beruhrung kommen (Pirow 2015:153).
Vor allem die Textil- und Bekleidungsindustrie ist in diesem Zusammen- hang von dem so genannten „Pollution Haven-Probiem“ betroffen. Vertreter der Pollution Haven-Hypothese argumentieren, dass Wirtschaftszweige mit hohem SchadstoffausstoB ihre Produktion in Entwicklungslander auslagern, in denen ge- ringere Umweltauflagen gelten (Anguelov 2015). Preis- und Margendruck setze ein race-to-the-bottom in den Produktionslandern in Gang; jedes Land versuche, durch moglichst noch niedrigere Umweltstandards Investitionen anzuziehen (Diet- sche 2011:21). Sind Verbesserungen bei den Umweltstandards sichtbar, wie beispielsweise in China, wandern Unternehmen in andere Lander des globalen Su- dens, wie Bangladesch, Myanmar oder Vietnam ab, in denen noch geringere Standards herrschen oder Umweltgesetze umgangen werden konnen (vgl. ebd.).
2.5.3 Soziale Dimension
Die veranderten Marktbedingungen fuhren dazu, dass die Unternehmen unter einem enormen Kostendruck stehen. Dies wiederum wirkt sich direkt auf die Zulie- ferer in den Produktionslandern aus, vor allem in Landern wie China, Bangladesch, Kambodscha, Vietnam oder Indien geht die Herstellung oftmals mit Verletzungen grundlegender Menschen- und Arbeitnehmerrechte einher (Lietz 2017).
Da uber 70 Prozent der in die EU importierten Bekleidung aus Asien stammt, hat dieser Aspekt besondere Beachtung im politischen Diskurs auf EU-Ebene gefun- den. So hat das Europaische Parlament 2017 die „EU-Leitinitiative fur die Bekleidungsbranche" auf den Weg gebracht. Ziel dieser Initiative ist eine EU-weite Eini- gung auf Arbeits- und Umweltstandards fur die Bekleidungsbranche, die wahrend des gesamten Produktionsprozesses sowie in der Lieferkette eingehalten werden mussen. In seiner EntschlieBung zur Initiative listet das Europaische Parlament einen ganzen Katalog an Mangeln auf, unter denen ein GroBteil der weltweit rund 60 Millionen Beschaftigten in der Bekleidungsbranche, vor allem in den Landern des globalen Sudens, leidet. So seien unter anderem die Verweigerung des Grundrechts, einer Gewerkschaft beizutreten oder eine Gewerkschaft zu grunden, die Zahlung von Hungerlohnen und das Vorenthalten von Lohnzahlungen, Zwangsbeschaftigung und Kinderarbeit, willkurliche Beschaftigungsverhaltnisse und die physische und sexuelle Belastigung am Arbeitsplatz insbesondere bei Frauen in der Bekleidungsindustrie vor allem in den Entwicklungslandern an der Tagesordnung (EU 2017). Das Parlament fordert die Kommission daher auf, die soziale Verantwortung der Unternehmen durch verbindliche Rechtsvorschriften uber Sorgfaltspflichten uber den derzeit fur die Bekleidungsindustrie geltenden Rahmen hinaus auszuweiten, damit dafur gesorgt ist, dass die EU und ihre Han- delspartner sowie die Unternehmen der Verpflichtung Rechnung tragen, die Men- schenrechte zu wahren und moglichst strikte Sozial- und Umweltstandards umzu- setzen (EU 2017:11).
Daruber hinaus fordern die Parlamentarier die Einfuhrung EU-weiter Vorschriften fur die Kennzeichnung fairer Kleidung", verbesserte Produktinformationen fur die Verbraucher uber die Nachhaltigkeit in der Bekleidungsbranche, den Herstellungs- ort der Erzeugnisse und daruber, inwiefern die Arbeitnehmerrechte eingehalten wurden sowie ein wirksames, verbindliches Berichterstattungssystem und entspre- chende Sorgfaltspflichten fur Bekleidungsprodukte, die in den EU-Binnenmarkt eingefuhrt werden (EU 2017:10-13).
2.6 Zwischen-Fazit
Die oben dargestellten strukturellen Veranderungen von Markt und Konsum gehen mit erheblichen negativen Umweltauswirkungen, Menschenrechtsverletzungen und VerstoBen gegen universelle Arbeits- und Sozialstandards einher. Diese negativen Effekte zeigen die Problemfelder auf, denen sich eine verantwortungsvolle Unternehmensfuhrung widmen muss. Die im Rahmen des Triple-Bottom-Line-An- satz in Abschnitt 2.4.1 diskutierten und in den folgenden Abschnitten prazisierten Verantwortungsdimensionen zeigen akute Schwachpunkte auf und formulieren klare Anforderungen an die CSR von Unternehmen der Bekleidungsindustrie: Schaffung grdBtmdglicher Transparenz in der Lieferkette und damit verbunden ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen, die Wahrung der Menschenrechte und global gultiger Arbeits- und Sozialstandards sowie die Beachtung von Umwelt- und Klimaschutz. Dass CSR und Gewinnstreben dabei keinen prinzipiellen Wider- spruch darstellen, sondern im Gegenteil eine gute dkonomische Performance erst den Grundstein fur das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens legt, wurde ebenso aufgezeigt.
Allerdings ist CSR bisher ein Konzept gewesen, das auf Freiwilligkeit be- ziehungsweise freiwilliger Selbstverpflichtung beruht. Warum also sollten Unternehmen, die sich im globalen Wettbewerb um Absatzmarkte und immer gunstigere Produktionsstandorte befinden, umfassende CSR-Aktivitaten verfolgen? Dieser Frage geht das folgende Kapitel nach.
3. CSR als strategische Herausforderung
Die folgenden Abschnitte diskutieren CSR als strategisches Instrument fur die Unternehmensfuhrung. Hierzu werden die drei Fuhrungskonzepte strategischer Unternehmensfuhrung und die Verankerung von CSR innerhalb dieser erlautert. Vor diesem Hintergrund wird dann das marktorientierte Konzept detaillierter beschrie- ben. Diesem Konzept wird besondere Aufmerksamkeit zuteil, da es die Verbindung von Gesellschaft und Umwelt thematisiert. AbschlieBend werden die Relevanz von CSR fur die Unternehmensfuhrung und Erfolgswirkungen von CSR aufgezeigt.
3.1 Begriffsbestimmung: Unternehmensfuhrung
In der Betriebswirtschaft wird Unternehmensfuhrung als „die Aufgabe, den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung so zu gestalten, dass das (die) Unternehmensziel(e) auf hochstmoglichem Niveau erreicht wird (werden)" definiert (Wohe/ Doring 2013:47).
[...]
1 In dieser Arbeit wird CSR mit dem deutschen Begriff „gesellschaftliche Unternehmensverantwortung" gleichgesetzt.
2 Studien kommen zu dem Ergebnis, dass rund 40 Prozent der Verbraucher lieber Produkte von Unternehmen kaufen, die sich fur die Losung sozialer oder okologischer Probleme einsetzen (Blumberg/ Droge 2008).
3 CSR-Berichterstattung wird dabei als die Offenlegung von „Informationen uber die okonomische, okologische und soziale Leistung sowie das Fuhrungsverhalten“ eines Unternehmens verstanden (GRI 2013). Fifka (2014:4) weist darauf hin, dass sich die Bezeichnungen der Reporte zwar hinsicht- lich ihrer Titel (beispielsweise Corporate Citizenship Report, Corporate Social Responsibility Report, Sustainability Report) unterscheiden, am Ende aber alle weitestgehend inhaltlich deckungsgleich sind. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Konzepten CSR und Sustainability werden naher in Kapitel 2 dieser Arbeit beleuchtet.
4 Im Folgenden wird statt Unternehmung der Begriff Unternehmen verwendet, da dieser in der neu- eren betriebswirtschaftlichen Literatur haufig Anwendung findet. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Betrieb, Unternehmung und Unternehmen ohnehin meist synonym verwendet.
5 Die Arbeit folgt der Definition des Aktiengesetzes.
6 Bedeutend fur die Diskussion um unternehmerische Verantwortung sind zudem die Ausfuhrungen des ehemaligen UNO-Sonderbeauftragten fur Unternehmen und Menschenrechte, John Ruggie. In seinem Werk „Leitfaden fur Unternehmen und Menschenrechte" legt er seine dr ei Grundprinzipen (Project, Respect, Remedy) dar und verpflichtete Unternehmen zu einer konsequenten Sorgfalts- pflicht („Due Diligence"), Menschenrechtsverletzungen bei ihren Aktivitaten und denen ihrer Ge- schaftspartner zu vermeiden (UN 2011:1).
7 Von der Bekleidungsindustrie ist die Textilindustrie, obwohl haufig synonym verwendet, zu unter- scheiden. Die Textilindustrie umfasst alle Unternehmen, die Textilwaren erzeugen oder verarbeiten. Darunter fallen Produktionsbereiche wie die Faseraufbereitung (Vorbereitung der Spinnstoffe), die Faserverarbeitung (Herstellung von Garnen), die Garnverarbeitung (Wirken, Stricken, Weben) und die Veredelung (Verarbeitung zu textilen Flachen beispielsweise Bekleidung, Heim- und Haustexti- lien sowie technische Textilien). Vergleiche dazu Altenburg et al., E-Business und KMU. Entwick- lungstrends und Forderansatze, Bonn 2002.
- Quote paper
- Anonymous,, 2018, Die Einführung der Corporate Social Responsibility-Berichtspflichten. Chancen und Risiken im marktorientierten Konzept börsennotierter Unternehmen der europäischen Bekleidungsindustrie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419731
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