Heute stellt sich die offene Kinder- und Jugendarbeit noch immer vielfach als stationäre Einrichtung dar, beinhaltet aber längst auch mobile und aufsuchende Angebote, unterschiedlich in den jeweiligen Konzeptionen, abhängig vom regionalen Bedarf des Landkreises, der Stadt oder Großstadt oder einer Kleinstadtstruktur. Das Grundgerüst der Konzeptionen bleibt jedoch weitgehend einheitlich.
Es geht um das Schaffen von Bildungsgelegenheiten und Räumen für Rückzugs-, Erfahrungs-, Entfaltungs- und Aneignungsmöglichkeiten. Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit Schulen im Sinne von Angeboten zur Ganztagsbetreuung, nicht nur, aber zum Beispiel auch zur Hausaufgabenbetreuung. Im Zuge der Entwicklung hin zu mehr Ganztagsschulen scheint sich hier auch ein wachsender Bedarf abzuzeichnen, welcher die Frage aufwirft, ob und inwieweit die Offene Kinder- und Jugend-arbeit diesen Anforderungen gerecht werden kann und will – in Relation zum eigenen Anspruch bzw. der originären Zielsetzung.
Denn neben der Option, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit mehr und mehr Teil von Ganztagsschulen wird, bliebe auch wenigstens eine weitere, bei der die Offene Kinder- und Jugendarbeit eher außerschulische Lernorte bietet und Teil einer kommunalen Bildungsplanung ist, bei der sie weitgehend eigene Bildungsansätze nutzt und so am Lebensort der Kinder- und Jugendlichen ein breites Spektrum von Lernorten und -inhalten entstünde.
1 Einleitung
Heute stellt sich die „Offene Kinder- und Jugendarbeit“ noch immer vielfach als stationäre Einrichtung dar, beinhaltet aber längst auch mobile und aufsuchende Angebote, unterschiedlich in den jeweiligen Konzeptionen, abhängig vom regionalen Bedarf des Landkreises, der Stadt oder Großstadt oder einer Kleinstadtstruktur. Das Grundgerüst der Konzeptionen bleibt jedoch weitgehend einheitlich. Es geht um das Schaffen von Bildungsgelegenheiten und Räumen für Rückzugs-, Erfahrungs-, Entfaltungs- und Aneignungsmöglichkeiten, wie Deinet (2008, vgl. S. 467–468) es beschreibt. Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit Schulen im Sinne von Angeboten zur Ganztagsbetreuung, nicht nur, aber zum Beispiel auch zur Hausaufgabenbetreuung. Im Zuge der Entwicklung hin zu mehr Ganztagsschulen scheint sich hier auch ein wachsender Bedarf abzuzeichnen, welcher die Frage aufwirft, ob und inwieweit die Offene Kinder- und Jugendarbeit diesen Anforderungen gerecht werden kann und will – in Relation zum eigenen Anspruch bzw. der originären Zielsetzung (vgl. Deinet 2008, S. 468). Denn neben der Option, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit mehr und mehr Teil von Ganztagsschulen wird, bliebe auch wenigstens eine weitere, bei der die Offene Kinder- und Jugendarbeit eher außerschulische Lernorte bietet und Teil einer kommunalen Bildungsplanung ist, bei der sie weitgehend eigene Bildungsansätze nutzt und so am Lebensort der Kinder- und Jugendlichen ein breites Spektrum von Lernorten und -inhalten entstünde (ebd.).
Offene Kinder- und Jugendarbeit, quo vadis?
2 Hauptteil
Betrachtet man zunächst die Kooperation von Schule mit außerschulischen Lernorten der Offenen Kinder- und Jugendhilfe, lassen sich Vorteile der räumlichen und organisatorischen Trennung aufzeigen, wie die oftmals gute Ausstattung der Räumlichkeiten, ein häufig großer Erfahrungsschatz in Freizeit- und Erlebnispädagogik, den bewertungsfreien Raum eines außerschulischen Gesprächsorts und die leichtere Erreichbarkeit einer großen, heterogenen Zielgruppe (vgl. Deinet 2008, S. 470). Demgegenüber bringt auch die Anbindung an Schule damit einhergehende Vorteile, wie den Qualitätszuwachs des schulischen Angebots, die Niederschwelligkeit solcher Angebote und deren leichtere Wahrnehmung, die Qualitätsverbesserung der Hausaufgabehilfe und die gute Erreichbarkeit der Angebote auch für jüngere Kinder, die das Gelände dann z. B. nicht verlassen müssen (ebd.).
Doch ist es Ziel und Interesse der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Träger dieser Vorteile am Standort Schule als Teil einer Ganztagsbildung zu sein und den engen, schulischen Begriff von Bildung abzusichern? Die Grundfeste der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sind seit jeher Partizipation, Freiwilligkeit und meist eine sozialräumliche Orientierung des Angebots (vgl. Deinet 2008, S. 472–473). Finden diese Prinzipien in den engen Strukturen einer Ganztagsschule Platz, wenn der Bedarf der Eltern zumindest im Elementarbereich – aber nicht nur dort - meist eine sichergestellte Betreuung der Kinder während der Arbeitszeit der Eltern ist? Es hängt wohl am Bildungsverständnis der Kooperationspartner, ob die Offene Kinder- und Jugendarbeit sich hier über den engen Bildungsbegriff der Schule hinaus situieren kann (vgl. Deinet 2008, S. 474). Löst man den Begriff der Ganztagsschule ab und rückt eine Ganztagsbildung in den Fokus, wird eben jener Spielraum frei, in welchem sich die Soziale Arbeit in Offener Kinder- und Jugendarbeit notwendigerweise entfalten kann und die wechselseitigen Vorteile der Kooperation zum Tragen kommen. So kann ein partnerschaftliches Verhältnis von Schule und Sozialer Arbeit etabliert werden, in welchem der erweiterte Bildungsbegriff eben nicht nur schulische Bildung, sondern auch emotionale, soziale und ästhetische Bildung, Partizipation und individuelle Aneignung der Wirklichkeit im persönlichen Entfaltungsprozess ermöglicht und gefördert werden (ebd.). Die Offene Kinder- und Jugendarbeit ergänzt und erweitert unter diesen Voraussetzungen das schulische Bildungsangebot und bietet Erfahrungsraum für Selbstwirksamkeit, Anerkennung und die Entwicklung von Selbstwertgefühl, wie es im engen schulischen Setting oft nicht leicht möglich ist. Auch bietet sich in der Kooperation auf Augenhöhe die Möglichkeit zur Öffnung der Schule hin zum Sozialraum und weiteren Kooperationspartnern (ebd.). In einem dies ermöglichenden, kommunalen Bildungsplan kann dann Jugendbildung in geteilter Trägerschaft (Schule und Offene Kinder- und Jugendarbeit) organisiert werden, ohne den tradierten, wechselseitigen Vorurteilen weiter Nahrung zu geben, indem die jeweiligen Kooperationspartner geringschätzig auf bestimmte Teilleistungen reduziert werden. Einer teils gewachsenen Feindschaft kann entgegengewirkt werden, wenn nicht ein Partner nur „der Lückenbüßer“ des anderen ist, weil z. B. Finanzierungsengpässe zugesagter oder notwendiger Betreuung durch externe Träger gewährleistet werden, während die Lehrkräfte am Vormittag „die richtige Arbeit“ machen (vgl. Coelen, S. 248). Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch das Vorurteil der mangelhaften sozialpädagogischen Leistungsfähigkeit von Schulen – und damit Lehrern –, weshalb dann die „wichtige Arbeit“ am Nachmittag von Sozialpädagogen erledigt werden muss (vgl. Coelen, S. 249).
Im Begriff der Ganztagsbetreuung, der ebenso zur Debatte steht, schränkt sich das Spektrum des Wirkens Sozialer Arbeit automatisch auf protektive Betreuungsaufgaben ein und fokussiert familienersetzende Erziehungszeit (vgl. Deinet 2008, S. 470), ohne selbst Ziele nonformaler, wohl aber informeller und formaler Bildung zu verfolgen (vgl. Dieckerhoff 2010, S. 9–10). Unter dieser Perspektive würde die Offene Kinder- und Jugendarbeit zum Leistungsträger schulischer Betreuungsaufgaben degradiert, um die Landeskassen, die Lehrkräfte bezahlen, zu entlasten und Kreise und kreisfreie Städte finanziell am Ganztagsangebot zu „beteiligen“, da die Träger der Sozialen Arbeit häufig nicht länder-, sondern kreis- oder stadtfinanziert sind (vgl. Deinet 2008, S. 474).
Neben diesen teils praktischen Betrachtungsweisen, die eine angemessene Kooperation im Sinne einer Ganztagsbildung begründen, sollen auch gesellschafts- und bildungstheoretische Aspekt betrachtet werden. Schulrechtlich verankert zielt der formale Bildungsprozess in seiner curricularen und methodisch-didaktischen Ausrichtung auf Chancengleichheit (Gleichbehandlung, gleiche Aufgaben, gleiche Bewertungsmaßstäbe usw.), individuelle Förderung (via Binnendifferenzierung) und den Ausgleich von Ungleichheiten (durch individuelle Förderpläne usw.) ab. Die gleiche Zielsetzung kann der Sozialen Arbeit – hier der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – unverändert zugeschrieben werden. Lediglich die Wege zur Zielerreichung sind unterschiedlich und zumindest im Schulbereich kann systeminhärent eine gewisse Kontraproduktivität (Selektionsaufgabe, Reproduktion von Ungleichheit aufgrund familiärer Voraussetzungen usw.) unterstellt werden (vgl. Coelen, S. 253).
Die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen geschieht – als rudimentärer Einblick in eine gesellschaftspolitische Begründung für die Kooperation von Schule und Offener Kinder- und Jugendarbeit – sozialraumbezogen. Eine „kulturelle Identität“ entwickelt sich in kleineren Sozialräumen, die vom Individuum aber auch der Gesellschaft oder Gemeinde als Ganzes, gestaltbar und deren Gestaltung auch initiierbar, förderbar bzw. motivierbar ist - was als pädagogische Aufgabe auf dem Weg hin zu demokratischer Bildung[1] – als Teil des gesetzlichen Auftrags - betrachtet werden kann (vgl. Coelen, S. 256; vgl. Sturzenhecker 2008, S. 704 - 706).
Darüber hinaus korreliert das Zugehörigkeitsgefühl des Individuums nachgewiesener Maßen stark mit dem Partizipationsgrad an regionalen Aktivitäten – also dem Eingebundensein in der Kommune (vgl. Coelen, S. 256). Beides belegt die Sinnhaftigkeit einer sozialräumlichen Ausrichtung in einer oder durch eine Kooperation von Schule und Offener Kinder- und Jugendarbeit, welche Schule allein - schon aufgrund der strukturellen und zeitlichen Rahmenbedingungen - so nicht leisten kann.
Eine kooperierende, klare Arbeitsteilung beider, sich dann ergänzender Bildungsfelder, entlastet auch Schule aus dem Spannungsfeld, eine „Eierlegende Wollmilchsau“ zu sein. Der verlässliche Partner (die Offene Kinder- und Jugendarbeit) ermöglicht sodann die Konzentration auf das bisherige Kerngeschäft (formale Bildung und Erziehung), weil dann die Verantwortung abfällt, unter der viele Lehrerinnen und Lehrer auch etliche sozialpädagogische Aufgaben wahrnehmen, aus Angst oder in Kenntnis darüber, die Kinder und Jugendlichen hätten keine weiteren Anlaufpunkte, weil die Freiheitlichkeit der sozialpädagogischen Angebote und deren teils eingangsselektierenden Wirkweise eben bedingt, dass nur ein Teil der Adressaten erreicht werden kann. Ist die Zusammenarbeit klarer geregelt, konzeptionell verankert und zeitlich und räumlich in guter Erreichbarkeit könnten „fachfremde“ Aufgaben den eigentlichen Experten überlassen werden (vgl. Coelen, S. 258 - 259). Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle davor gewarnt sein, dass die beschriebene Entlastung missverständlich mit einem Zuschustern von Einzel- oder Problemfällen an Schulsozialarbeiter verwechselt werden könnte (vgl. Coelen, S. 261). Das Gegenteil ist der Fall. Es geht um das gelingende Formulieren und Umsetzen eines ganzheitlichen Konzeptes, welches gleichermaßen präventiv wie auch kurativ wirken kann und die individuellen Fachkompetenzen der Beteiligten Experten (Lehrer/-innen und Sozialarbeiter/-innen) in Einklang bringt, bei der Gestaltung einer gemeinsamen, kommunalen Jugendbildung (ebd.). Hieraus könnte eine gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Prinzipien (Pflicht und Freiwilligkeit), eine auf Dauer angelegte Kooperation der Sozial Arbeitenden und der Lehrkräfte, sowie ein echtes Ganztagsangebot (über den schulischen Ganztag von mindestens 3 Mal pro Woche bis 15 Uhr hinaus) erbracht werden (vgl. Coelen, S. 262 f.). Coelen führt weitere positive Aspekte eines echten Ganztagsangebotes an, wie z. B. den Einfluss, den Schule und Jugendeinrichtung aufeinander nehmen könnten (vgl. Coelen, S. 264).
3 Fazit
Betrachtet man noch einmal die Ausgangslage der Kinder- und Jugendhilfe, die Grundlage der Offenen Kinder- und Jugendarbeit ist, fallen die Begriffe Freiwilligkeit, Interessen der Jugendlichen, Mitbestimmung und Mitgestaltung besonders ins Auge (vgl. Sturzenhecker 2003, S. 48). Wird die Offene Kinder- und Jugendarbeit schlicht Teil einer verpflichtenden (Schulpflicht!) Ganztagsschule, können die gesetzlich vorgegebenen Ziele der Kinder- und Jugendhilfe nicht mehr in die Praxis umgesetzt werden. Gleichzeitig erlischt eine Ganztagsbetreuung (verwirklicht durch die Soziale Arbeit) als Option, weil der Erziehungs- und Betreuungsauftrag der dem Begriff anhaftet, nicht Teil von Partizipation, Freiwilligkeit und nicht zweifelsfrei im Interesse der jungen Erwachsenen liegen kann. Einzig der erweiterte Bildungsbegriff, der non- und informelle Bildung und damit die Herausbildung von emotionaler, kreativer und sozialer Bildung inkludiert, bietet den Rahmen, in dem Offene Kinder- und Jugendarbeit als gleichwertiger Partner in einem gemeinschaftlichen Konzept von Ganztagsbildung fungiert oder anders gesagt, ein echtes, Ganztagsangebot ermöglicht, in welchem sich die Soziale Arbeit nicht als Handlanger von Bildungsinstitutionen verkauft und deren Marktwert erhöht. (Otto und Coelen 2004)
4 Literaturverzeichnis
Coelen, Thomas: "Ganztagsbildung" - Integration von Aus- und Identitätsbildung durch die Kooperation zwischen Schulen und Jugendeinrichtungen, S. 247–267.
Deinet, Ulrich (2008): Offene Kinder- und Jugendarbeit. In: Thomas Coelen und Hans-Uwe Otto (Hg.): Grundbegriffe Ganztagsbildung. Das Handbuch. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss, S. 467–475.
Dieckerhoff, Katy (2010): O10.4a: Bildung in Kindheit und Jugend. Besondere Herausforderungen und Kooperationen. Wiesbaden.
Otto, Hans-Uwe; Coelen, Thomas (Hg.) (2004): Grundbegriffe der Ganztagsbildung. Beiträge zu einem neuen Bildungsverständnis in der Wissensgesellschaft. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss.
Sturzenhecker, Benedikt (2003): Zum Bildungsanspruch von Jugendarbeit. für Hans Joachim Stahl. Universtität Hamburg. Hamburg. Online verfügbar unter www.epb.uni-hamburg.de/node/678, zuletzt aktualisiert am 12/2013, zuletzt geprüft am "nicht mehr online verfügbar".
Sturzenhecker, Benedikt (2008): Demokratiebildung in der Jugendarbeit. In: Thomas Coelen und Hans-Uwe Otto (Hg.): Grundbegriffe Ganztagsbildung. Das Handbuch. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss, S. 704–713.
[...]
[1] Ergänzung: Demokratie kann in Schule, so die These Sturzenheckers, ohnehin nur exemplarisch gelehrt und gelebt werden, weil nur kleine Teile des Schulwesens echte Demokratie zulassen (z. B. Schülervertretung, Elternbeirat usw.) während viele, die Kinder- und Jugendlichen betreffenden Sachverhalte, institutionell und klar hierarchisch geregelt sind und keine Demokratie zulassen (z. B. Rahmenlehrpläne, Curricula, Organisationsstruktur nach Klassen in Jahrgängen – nicht nach Interessen) (vgl. Sturzenhecker 2008, S. 711).
- Quote paper
- Maike Gehlert-Orth (Author), 2017, Offene Kinder- und Jugendarbeit. Kann der Bildungsanspruch der Kinder- und Jugendarbeit in der Ganztagsschule umgesetzt werden?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419158
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