„Die aufbrechende Radikalität und Gewalt in der ehemaligen DDR kann man als Symptom einer gewalttätigen Gesellschaft interpretieren.“ schreibt der ostdeutsche Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz in einem 1992 erschienen Aufsatz und verleiht damit einer weit verbreiteten Vermutung Ausdruck. Nach den Ausbrüchen rechtsextremistischer Gewalt in der Ex-DDR zu Beginn der 1990er Jahre fanden sich rasch Sozialwissenschaftler, die derartige Phänomene mit den Sozialisationsbedingungen in der früheren sozialistischen Diktatur begründeten. Dabei orientierten sich die meisten von ihnen an dem um 1950 von Adorno, Horkheimer und anderen entworfenen Konzept der ‚Autoritären Persönlichkeit’, das aus psychoanalytischer Perspektive die Wurzeln des NS-Faschismus erklären will. Dieser Ansatz wurde mit der Behauptung, die autoritäre DDR-Gesellschaft habe zur Entstehung autoritärer Charaktere geführt, die nun zu rechtsextremistischen Verhaltensweisen neigten, auf die Verhältnisse in Ostdeutschland übertragen. In der Fachwelt besteht allerdings alles andere als Einigkeit darüber, ob dadurch eine adäquate Erklärung der in den neuen Bundesländern zu beobachteten Fremdenfeindlichkeit gegeben ist.
Im Folgenden soll auf zwei Studien aus der Autoritarismusforschung Bezug genommen werden, deren durchaus widersprüchliche Ergebnisse einen guten Überblick über die Diskussion in der Forschung liefern. Zunächst allerdings soll in einem ersten Kapitel kurz die in diesen Arbeiten aufgegriffene Thematik der rechten Gewalt in Ostdeutschland verdeutlicht, der Begriff des Rechtsextremismus geklärt, sowie das Autoritarismuskonzept und sein Bezug zum Rechtsextremismus im Allgemeinen und zur Problematik in den neuen Bundesländern im Besonderen erläutert werden. Im zweiten Teil der Arbeit werden dann die Arbeiten von Gerda Lederer und Detlef Oesterreich vorgestellt, in denen unterschiedliche Antworten zu der geschilderten Fragestellung geliefert werden. In einem letzen Abschnitt sollen die Ergebnisse Lederers und Oesterreich gegenübergestellt und der Versuch einer Einordnung vorgenommen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rechtsextremismus in Ostdeutschland und der Zugang der Autoritarismusforschung
- Entwicklung der Situation in Ostdeutschland
- Rechtsextremismus und Autoritarismus
- Die Situation in Ostdeutschland aus der Perspektive der Autoritarismusforschung
- Ergebnisse der Autoritarismusforschung
- Gerda Lederer - Psychoanalytische Begründung rechtsextremistischen Verhaltens
- Detlef Oesterreich – Umweltfaktoren als Ursache
- Gegenüberstellung und Beurteilung beider Ansätze
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob das Gesellschaftssystem der DDR als Ursache für rechtsextremistische Gewalt in Ostdeutschland betrachtet werden kann. Sie untersucht verschiedene Erklärungsansätze aus der Autoritarismusforschung und analysiert, ob diese den Anstieg rechter Gewalt in den neuen Bundesländern nach der Wende erklären können.
- Rechtsextremismus in Ostdeutschland nach der Wende
- Autoritarismus und seine Verbindung zu Rechtsextremismus
- Psychoanalytische Ansätze zur Erklärung von Rechtsextremismus
- Umweltfaktoren und ihre Rolle bei der Entstehung von Rechtsextremismus
- Gegenüberstellung und Bewertung verschiedener Erklärungsansätze
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Entwicklung der rechtsextremen Gewalt in Ostdeutschland nach der Wende. Es beleuchtet die besonderen Herausforderungen in den neuen Bundesländern und stellt die Frage, ob das DDR-System als Ursache für die Zunahme rechter Gewalt betrachtet werden kann. Das zweite Kapitel stellt zwei Studien aus der Autoritarismusforschung vor: Die Arbeit von Gerda Lederer, die eine psychoanalytische Perspektive auf rechtsextremes Verhalten einnimmt, und die Arbeit von Detlef Oesterreich, die sich auf Umweltfaktoren konzentriert. Das letzte Kapitel setzt die Ergebnisse beider Studien zueinander in Beziehung und bewertet deren Beitrag zur Erklärung der Problematik.
Schlüsselwörter
Rechtsextremismus, Ostdeutschland, Autoritarismus, Autoritäre Persönlichkeit, Psychoanalyse, Umweltfaktoren, Sozialisation, DDR, Wende, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Ideologie.
- Citation du texte
- Andreas Schiel (Auteur), 2004, Das Gesellschaftssystem der DDR als Ursache rechtsextremistischer Gewalt in Ostdeutschland? - Eine Darstellung von Erklärungsansätzen aus der Autoritarismusforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41888