1. Einführung
1985 veröffentlichte das Collège de France die Vorschläge für das Bildungswesen der Zukunft. 50 in ihrer Fachrichtung bedeutende Mitglieder des Collège hatten unter Federführung von Pierre Bourdieu diese Empfehlungen abgegeben. Es sind wichtige kulturpolitische Forderungen, die sehr konkrete Vorstellungen machen, wie Bildung aufgebaut sein sollte. Insgesamt entwickelt das Collège neun Thesen für das „Bildungssystem der Zukunft“. In der vorliegenden Arbeit werde ich zunächst die neun Punkte vorstellen und sie zusammenfassen. In den nächsten Abschnitten werde ich darauf eingehen inwieweit diese Thesen in den heutigen Bildungskonzepten Anklang finden und sie miteinander vergleichen.
2. Ich stelle nun die neun Punkte vor und erläutere sie:
1. Einheit der Wissenschaft und Pluralität der Kulturen. Ein ausgeglichenes Bildungswesen muss in der Lage sein, den dem naturwissenschaftlichen Denken eigene Universalismus mit dem Relativismus der Humanwissenschaften, denen es um die Pluralität der kulturgebundenen Lebensweisen, Erkenntnisformen und Arten des Empfindens geht, in Einklang zu bringen. Eine Bildung mit stark historischem Akzent, aber auch mit der Öffnung zu fremden Kulturen und Religion, soll Toleranz, Solidarität zwischen den Kulturen, Zusammenleben und Kommunikation von Angehörigen verschiedener Kulturen ermöglichen. Es soll sich ein neues interkulturell-geistesgeschichtliches und zugleich kritisch-sozialwissenschaftliches fundiertes Bewusstsein entwickeln. Vereinfacht kann man sagen, man muss sich aus der Historie heraus seiner eigenen Kultur bewusst werden und die Unterschiede verschiedener Kulturkreise, nicht wertend erkennen. Man muss einen realistischen Sinn für kulturelle Unterschiede entwickeln.
2. Ein breiteres Spektrum der Formen von Leistung/ Hochbegabung. Das Bildungssystem muss alles daran setzen, die monistische Vorstellung von „Intelligenz“ zu bekämpfen, die dazu führt, die Unterschiedlichen Formen von Leistung zu hierarchisieren und einer bestimmten Form unterzuordnen; und es muss statt dessen für eine größere Vielfalt sozial anerkannter Formen kultureller Leistung sorgen.
In diesem Postulat geht es darum, einer Bewertung von Intelligenz entgegenzuwirken. Das theoretische Wissen darf gegenüber dem praktischen Wissen nicht höher bewertet werden. Künstlerische Begabung, manuelle Fähigkeiten und sportliche Gewandtheit sollen gleich bewertet werden wie mathematische und sprachliche Fähigkeiten.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einführung
2. Darstellung der Vorschläge des Collège de France
3. Heutige Zielrichtung der Bildung anhand des 5-Punkte-Programms des Bundesministerium für Bildung und Forschung und des BLK-Programms 21, im Vergleich zu den neun Punkten des Collège de France
3.1. Das 5-Punkte –Programm „Zukunft Bildung“ des Bundesministerium für Bildung und Forschung
3.2. Bildung 2015- Entwurf eines Bildungskonzepts der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
3.3. Vergleich des Bildungskonzepts der GEW mit den Vorschlägen des Collège de France
4. Schluss
1. Einführung
1985 veröffentlichte das Collège de France die Vorschläge für das Bildungswesen der Zukunft. 50 in ihrer Fachrichtung bedeutende Mitglieder des Collège hatten unter Federführung von Pierre Bourdieu diese Empfehlungen abgegeben. Es sind wichtige kulturpolitische Forderungen, die sehr konkrete Vorstellungen machen, wie Bildung aufgebaut sein sollte. Insgesamt entwickelt das Collège neun Thesen für das „Bildungssystem der Zukunft“.
In der vorliegenden Arbeit werde ich zunächst die neun Punkte vorstellen und sie zusammenfassen. In den nächsten Abschnitten werde ich darauf eingehen inwieweit diese Thesen in den heutigen Bildungskonzepten Anklang finden und sie miteinander vergleichen.
2. Ich stelle nun die neun Punkte vor und erläutere sie:
1 .Einheit der Wissenschaft und Pluralität der Kulturen. Ein ausgeglichenes Bildungswesen muss in der Lage sein, den dem naturwissenschaftlichen Denken eigene Universalismus mit dem Relativismus der Humanwissenschaften, denen es um die Pluralität der kulturgebundenen Lebensweisen, Erkenntnisformen und Arten des Empfindens geht, in Einklang zu bringen.
Eine Bildung mit stark historischem Akzent, aber auch mit der Öffnung zu fremden Kulturen und Religion, soll Toleranz, Solidarität zwischen den Kulturen, Zusammenleben und Kommunikation von Angehörigen verschiedener Kulturen ermöglichen. Es soll sich ein neues interkulturell-geistesgeschichtliches und zugleich kritisch-sozialwissenschaftliches fundiertes Bewusstsein entwickeln.
Vereinfacht kann man sagen, man muss sich aus der Historie heraus seiner eigenen Kultur bewusst werden und die Unterschiede verschiedener Kulturkreise, nicht wertend erkennen. Man muss einen realistischen Sinn für kulturelle Unterschiede entwickeln.
2. Ein breiteres Spektrum der Formen von Leistung/ Hochbegabung. Das Bildungssystem muss alles daran setzen, die monistische Vorstellung von „Intelligenz“ zu bekämpfen, die dazu führt, die Unterschiedlichen Formen von Leistung zu hierarchisieren und einer bestimmten Form unterzuordnen; und es muss statt dessen für eine größere Vielfalt sozial anerkannter Formen kultureller Leistung sorgen.
In diesem Postulat geht es darum, einer Bewertung von Intelligenz entgegenzuwirken. Das theoretische Wissen darf gegenüber dem praktischen Wissen nicht höher bewertet werden. Künstlerische Begabung, manuelle Fähigkeiten und sportliche Gewandtheit sollen gleich bewertet werden wie mathematische und sprachliche Fähigkeiten.
3. Vervielfachung der Chancen im Leben. Es wäre wichtig, die Folgen negativer schulischer Urteile so gut wie möglich abzumildern und zu verhindern, dass schulischer Erfolg bzw. Misserfolg zur definitiven Garantie bzw. Verweigerung des Lebenserfolgs führen; dazu wäre eine breitere Auswahl von Bildungsgängen, eine stärkere Durchlässigkeit zwischen diesen und eine Abschwächung irreversibler Brüche erforderlich.
Hier geht es um die Sicherung der Chancengleichheit. Die sozialen und persönlichen Folgen der schulischen Auslese sind sehr gravierend. Versagungsängste, Entmutigung aber auch Stigmatisierung sind nur einige Folgen die durch das bisherige Ausleseverfahren zustande kommen. Die Auslese an sich soll nicht abgeschafft werden, nur die Ausgangschancen müssen gleich werden. Vor allem die Lehrer müssen umdenken und nicht den Bildungsweg diktieren durch abwertende Urteile über Fähigkeiten oder Persönlichkeit der Schüler, vielmehr sollen sie beratend vorgehen und den Schülern verschiedene Bildungsgänge vorstellen. Damit einhergehend folgt die Forderung nach einer größeren Vielfalt von Bildungsgängen und eine verbesserte Durchlässigkeit zwischen ihnen.
Der Wettbewerb zwischen den Schülern als eine individualisierte Leistungskonkurrenz soll abgeschafft werden und anstelle dessen soll der Wettbewerb zwischen Gemeinschaften oder Projekten treten, in denen Schüler und Lehrer gemeinsam arbeiten.
4. Einheit in und durch Pluralismus. Das Bildungssystem sollte den Gegensatz von Liberalismus und Etatismus überwinden, indem es die Bedingungen für einen wirklichen Wettstreit autonomer und verschiedenartiger Institutionen schafft, wobei zugleich benachteiligte Personen und Institutionen vor der Gefahr zu schützen sind, dass sie einer ungezügelten Konkurrenz zum Opfer fallen.
Durch die autonom miteinander wetteifernden Einrichtungen wird ein vielfältiges Bildungsangebot möglich. Vor allem auf Hochschulniveau wäre dieses Ziel zu erreichen, da neben einem algemeinverbindlichen Grundlehrstoff besondere Spezialisierungen möglich sind.
Verschieden Maßnahmen wären nötig um dieses Ziel zu erreichen. So sollten die Hochschuleinrichtungen volle Selbstbestimmung in Forschung und Lehre, Gestaltung der Abschlüsse und Regelung der Studentenströme haben. Die Haushaltsmittel der Universitäten sollen durch private, regionale und kommunale Stiftungsmittel aufgewertet werden, die staatlichen Mittel sollen vor allem in kulturell wichtige, aber wirtschaftlich nicht rentable Bildungsangebote fließen.
Das Collège hält fest das es diesen Wettstreit ja schon gibt, er sich aber in heimlicher Konkurrenz zeigt. Diese heimliche Konkurrenz soll nun durch einen offenen Wettstreit ersetz werden.
Die Rolle des Staates muss neu definiert werden, er muss vor allem Konkurrenznachteile von Individuen und Einrichtungen entgegenwirken. Die Verteilung der Fördermittel soll über eine Kommission geregelt werden, die sich aus Vertretern der Schule, aber auch aus Schulfremden zusammensetzt. Diese Gremien sollen die fachlichen und pädagogischen Qualitäten der Lehrer und Schulen bewerten und mit Rat und Tat verbessern.
5. Periodische Revision des Lehrstoffs. Die Lehrinhalte sollen einer ständigen Revision mit dem Ziel der Modernisierung durch Ausscheidung veralteten unwichtigen Wissensstoff und möglichst schnelle Aufnahme neuer Errungenschaften unterliegen, ohne das dabei in einen Modernismus um jeden Preis verfallen werden darf.
Das Collège schlägt vor das eine Kommission gebildet wird die die Unterrichtinhalte immer wieder prüft und durch Anhebung oder Kürzung der Bildungsmittel lenkt. Diese ständige Revision des Lehrstoffs soll der schnellen Aufnahme neuer Bildungsinhalte dienen. Dies soll aber nicht auf kosten wichtiger Grundkenntnisse geschehen.
6. Innere Einheit der angebotenen Bildungsinhalte. Alle Schulen sollten ein Ensemble der auf jeder Stufe für erforderlich erachteten Kenntnisse anbieten, wobei deren historische Zusammengehörigkeit das verbindende Prinzip abgeben könnte.
Es wird gefordert, dass eine Verbindung zwischen den verschiedenen Wissenschaften geschaffen werden muss. Humanwissenschaftliche, Naturwissenschaftliche, ästhetische und praktische Aufgaben müssen vereint werden im Sinne eines schulischen Gesamtcurriculums. Die bis dato wenig oder gar nicht aufeinander bezogenen Lernbereiche müssen auf einander abgestimmt werden.
Dies soll interkulturell geschehen, da eine europäische Einheit der Hochschullehre und –titel angestrebt wird. Als Fernziel dient dabei die Bildung einer europäischen Fernuniversität.
7. Kontinuierliche Bildung im Wechsel mit Berufstätigkeit (alternierende Bildung). Der Bildungsprozeß sollte sich das ganze Leben lang fortsetzen, und es sollte alles getan werden, um den Bruch zwischen Ausbildungsende und Beginn des Erwerbslebens zu mildern.
In diesem Postulat geht es um eine Neubewertung des Begriffs der Arbeit. Arbeit und Ausbildung sollen nicht mehr zwei getrennte Begriffe sein, sondern vielmehr zusammengelegt werden. Studium und Berufstätigkeit könnten häufig nebeneinander und gleichzeitig ablaufen, die Universitäten würden dann als Fort- und Weiterbildungseinrichtungen fungieren. Das Endziel wäre die Realisierung des lebenslangen Lernens durch einen ständigen Austausch zwischen Bildungswesen und Arbeitswelt.
8. Nutzung der modernen technischen Verbreitungsmöglichkeiten und Medien.
Der Staat sollte die ihm zukommende Rolle der Motivierung, Orientierung und Unterstützung durch intensive und systematische Nutzung der modernen technischen Möglichkeiten der Bildungsverbreitung wahrnehmen, insbesondere des Fernsehens und der Telematik, denn mit ihrer Hilfe wäre es möglich, überall und für alle optimale Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen.
Da die Vorschläge des Collège im Jahre 1985 entstanden sind, kann man davon ausgehen, dass die Video Technik grade im Vormarsch war und als bedeutendes Medium zum Überbringen des Bildungsstoffes gesehen wurde. Der Einsatz der Videotechnik soll einheitliche Qualitätsstandards ermöglichen und geographische Nachteile von Bildungseinrichtungen abbauen. Das Fernsehen soll grade am Wochenende eine lernfördernde Umgebung schaffen.
9. Eine autonome und offene Schule. Die Schulen sollten Außenstehende an ihren Entscheidungen und Aktivitäten beteiligen, ihr Handeln mit den anderen Kulturvermittlungseinrichtungen(Museen…) abstimmen und selbst zum Kristallisationspunkt für ein neues Gemeinschaftsleben und damit Ort einer wirklichen staatsbürgerlichen Bildung werde; parallel dazu wäre die Autonomie der Lehrerschaft durch Steigerung ihrer fachlichen und pädagogischen Kompetenz zu stärken.
Hier geht es um die Verbindung der Schule mit ihrem lokalen und regionalen Umfeld, mit der Gemeinde oder dem Stadtteil, in der sie ihre Praxis entfaltet.[1]
Außenstehende sollen in die geschlossene Welt des Bildungswesens integriert werden. Sie sollen Mitverantwortung bekommen und aktiv mitgestalten, wie z.B. durch finanzielle Hilfe. Die Schule soll in den Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens gerückt werden und dabei alle außerschulischen Bildungseinrichtungen wie z.B. Fernsehen, oder aber auch Jugendzentren in ihre Arbeit mit einbeziehen, so dass ein Netz von veritablen Bildungsangeboten entsteht. Die Schule muss den Kontakt mit Eltern und der örtlichen Bevölkerung suchen und selbst zu einem Zentrum eines kulturellen und sozialen Lebens werden. Ziel ist es die Schule mehr ins Leben zu integrieren, einen Raum der Begegnung zwischen alt und jung, einheimisch und ausländisch zu schaffen.
[...]
[1] vgl. liebbau
- Quote paper
- Fabian Steinbrink (Author), 2005, Welche Form von Bildung und Erziehung ist möglich? Die Vorschläge des Collège de France unter Federführung von Pierre Bourdieu, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41877
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