Im Jugendstrafrecht existiert abweichend vom allgemeinen Strafrecht das Institut der Vorbewährung, welches gemäß §§ 61, 61a und b JGG die nachträgliche Entscheidung über Aussetzung der Vollstreckung einer verhängten Jugendstrafe zur Bewährung durch Beschluss zulässt.
Voraussetzung für einen solchen Vorbehalt der Entscheidung ist, dass zum einen keine günstige Legalprognose zum Urteilszeitpunkt vorliegt, aber bestimmte Umstände oder Ansätze in der Lebensführung des Jugendlichen in absehbarer Zeit zu einer solchen Prognose führen können, § 61 I JGG. Zum anderen ist der Aufschub möglich, wenn eine solche Prognose zwar eventuell schon zum Urteilszeitpunkt gerechtfertigt wäre, jedoch zunächst weitere Ermittlungen notwendig macht, § 61 II JGG.
In den letzten Jahren gab es kontroverse Entscheidungen der obergerichtlichen Rechtsprechung zu der Frage, wie der Prüfungsmaßstab der Prognose bei der Aussetzungsentscheidung nach Ablauf der Vorbewährungszeit gemäß §§ 61, 61a JGG auszusehen hat, die zum Teil auf große Kritik in der Literatur gestoßen sind.
Diese Arbeit beschäftigt sich u.a. mit dem Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015, in dem der Senat maßgeblich zu entscheiden hatte, wie eine solche Prüfung zu erfolgen hat. Hierbei werden in dieser Arbeit die maßgeblichen Entscheidungsgründe im Hinblick darauf analysiert, ob diese im Einklang mit dem gesetzgeberischen Ziel der §§ 61ff. JGG stehen und jugendstrafrechtsdogmatischen und jugendkriminologischen Erkenntnissen gerecht werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung: Problemaufriss und Gang der Darstellung
- 2 Theoretische Grundlagen zur Vorbewährung
- 2.1 Alte Rechtslage bis 06.12.2012
- 2.2 Einführung der §§ 61, 61a und b JGG – Gesetzgeberische Intention
- 2.3 Formelle Voraussetzungen
- 2.3.1 Gewährung der Vorbewährung nach § 61 I JGG
- 2.3.2 Gewährung der Vorbewährung nach § 61 II JGG
- 2.3.3 Bestimmung einer Vorbewährungszeit und Zuständigkeit, § 61a JGG
- 2.3.4 Ausgestaltung der Vorbewährungszeit
- 2.4 Materielle Voraussetzungen
- 2.4.1 Eine Ansicht: Beurteilung nach den materiellen Voraussetzung des § 21 JGG
- 2.4.2 Andere Ansicht: Primäre Beurteilung nach den im Urteil festgestellten positiven Ansätzen i.S.d. § 61 JGG
- 3 Beschluss des Kammergericht Berlin vom 18.12.2015
- 3.1 Verfahrensgang
- 3.2 Entscheidung hinsichtlich der Gewährung der Vorbewährung, § 61 I JGG
- 3.2.1 Feststellungen des Senats
- 3.2.2 Stellungnahme
- 3.3 Entscheidung über die nachträgliche Bewährungsaussetzung
- 3.3.1 Feststellungen des Senats
- 3.3.2 Stellungnahme
- 3.4 Auswirkungen der (Nicht-) Befolgung von Auflagen und Weisungen
- 3.5 Heranziehung der Polizei zur Kontrolle der erteilten Weisung
- 3.6 Einordnung der Entscheidung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des OLG Hamburg
- 3.7 Eigener Lösungsvorschlag
- 4 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015 zur Vorbewährung im Jugendstrafrecht (§§ 61, 61a JGG). Ziel ist es, die Entscheidungsgründe im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Ziel der §§ 61ff. JGG und ihre Berücksichtigung jugendstrafrechtsdogmatischer und jugendkriminologischer Erkenntnisse zu untersuchen.
- Die Rechtslage der Vorbewährung vor und nach der Gesetzesänderung 2012
- Formelle und materielle Voraussetzungen für die Gewährung der Vorbewährung
- Analyse des Urteils des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015
- Bewertung der Entscheidung im Kontext der Rechtsprechung anderer Obergerichte
- Entwicklung eines eigenen Lösungsvorschlags
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Problemaufriss und Gang der Darstellung: Die Einleitung stellt das Institut der Vorbewährung im Jugendstrafrecht vor und skizziert den Aufbau der Arbeit. Sie hebt die kontroversen Entscheidungen der Obergerichte zur Prognoseprüfung nach Ablauf der Vorbewährungszeit hervor und benennt das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015 als zentralen Gegenstand der Analyse. Die Arbeit untersucht, ob die Entscheidungsgründe des Gerichts mit dem Gesetzeszweck und den Erkenntnissen der Jugendstrafrechtsdogmatik und Jugendkriminologie übereinstimmen.
2 Theoretische Grundlagen zur Vorbewährung: Dieses Kapitel beleuchtet die theoretischen Grundlagen der Vorbewährung. Es vergleicht die Rechtslage vor und nach der Gesetzesänderung von 2012, beschreibt die Intention des Gesetzgebers und erläutert die formalen und materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Vorbewährung. Dabei werden verschiedene Meinungen und Interpretationen zu den materiellen Voraussetzungen diskutiert, insbesondere die Frage, ob die Beurteilung nach § 21 JGG oder nach den im Urteil festgestellten positiven Ansätzen erfolgen sollte. Das Kapitel legt die Basis für die spätere Analyse des Kammergerichtsurteils.
3 Beschluss des Kammergericht Berlin vom 18.12.2015: Dieser Abschnitt analysiert detailliert das Urteil des Kammergerichts Berlin. Er beschreibt den Verfahrensgang, die Entscheidungen bezüglich der Gewährung der Vorbewährung nach § 61 I JGG und die nachträgliche Bewährungsaussetzung. Der Fokus liegt auf den Feststellungen des Senats und einer kritischen Stellungnahme zu diesen. Weiterhin werden die Auswirkungen der (Nicht-)Befolgung von Auflagen und Weisungen, die Rolle der Polizei bei der Kontrolle und die Einordnung der Entscheidung im Lichte der Rechtsprechung des OLG Hamburg untersucht. Das Kapitel schließt mit einem eigenen Lösungsvorschlag des Autors.
Schlüsselwörter
Vorbewährung, Jugendstrafrecht, §§ 61, 61a JGG, Prognose, Bewährung, Jugendstrafe, Kammergericht Berlin, Rechtsprechung, Gesetzgebung, Jugendkriminologie, Jugendstrafrechtsdogmatik.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015 zur Vorbewährung im Jugendstrafrecht
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015 zur Vorbewährung im Jugendstrafrecht (§§ 61, 61a JGG). Sie untersucht die Entscheidungsgründe des Gerichts auf ihre Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Ziel der §§ 61ff. JGG und ihre Berücksichtigung jugendstrafrechtsdogmatischer und jugendkriminologischer Erkenntnisse.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Rechtslage der Vorbewährung vor und nach der Gesetzesänderung 2012, die formalen und materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Vorbewährung, eine detaillierte Analyse des Urteils des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015, eine Bewertung der Entscheidung im Kontext der Rechtsprechung anderer Obergerichte und die Entwicklung eines eigenen Lösungsvorschlags.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zu den theoretischen Grundlagen der Vorbewährung, eine detaillierte Analyse des Urteils des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015 und ein Fazit. Die Einleitung stellt das Thema vor und skizziert den Aufbau. Das Kapitel zu den theoretischen Grundlagen beleuchtet die Rechtslage vor und nach 2012, die Intention des Gesetzgebers und die formalen und materiellen Voraussetzungen der Vorbewährung. Die Analyse des Kammergerichtsurteils umfasst den Verfahrensgang, die Entscheidungen zur Vorbewährung und nachträglichen Bewährungsaussetzung, die Auswirkungen der (Nicht-)Befolgung von Auflagen, die Rolle der Polizei und einen Vergleich mit der Rechtsprechung des OLG Hamburg. Die Arbeit schließt mit einem eigenen Lösungsvorschlag.
Welche Rechtslage wird untersucht?
Die Arbeit untersucht die Rechtslage der Vorbewährung im Jugendstrafrecht, insbesondere die §§ 61 und 61a JGG, sowohl vor als auch nach der Gesetzesänderung von 2012. Dabei wird der Fokus auf die formalen und materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Vorbewährung gelegt.
Welche konkreten Fragen werden in Bezug auf das Kammergerichtsurteil gestellt?
Die Arbeit untersucht, ob die Entscheidungsgründe des Kammergerichts Berlin vom 18.12.2015 mit dem Gesetzeszweck und den Erkenntnissen der Jugendstrafrechtsdogmatik und Jugendkriminologie übereinstimmen. Sie analysiert die Feststellungen des Senats kritisch und bewertet die Entscheidung im Kontext der Rechtsprechung anderer Obergerichte.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Vorbewährung, Jugendstrafrecht, §§ 61, 61a JGG, Prognose, Bewährung, Jugendstrafe, Kammergericht Berlin, Rechtsprechung, Gesetzgebung, Jugendkriminologie, Jugendstrafrechtsdogmatik.
Welche unterschiedlichen Meinungen werden zu den materiellen Voraussetzungen der Vorbewährung diskutiert?
Die Arbeit diskutiert unterschiedliche Meinungen zur Frage, ob die Beurteilung der materiellen Voraussetzungen der Vorbewährung nach § 21 JGG oder nach den im Urteil festgestellten positiven Ansätzen i.S.d. § 61 JGG erfolgen sollte.
Was ist der Beitrag des Autors?
Der Autor liefert eine detaillierte Analyse des Kammergerichtsurteils, vergleicht es mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte und entwickelt einen eigenen Lösungsvorschlag.
- Quote paper
- Sebastian Graaf (Author), 2016, Die Vorbewährung im Jugendstrafrecht. Umfang des Prognosemaßstabs nach Ablauf der Vorbewährungszeit gem. §§ 61, 61a JGG, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417945