Die Solidarische Landwirtschaft befindet sich in Deutschland auf deutlichem Wachstumskurs. In dieser Arbeit wird sie anhand ihrer Entstehungsgeschichte und ihren ideellen Bezügen als transformative Praxis interpretiert. Sie wird in Nachhaltigkeitsdiskurse eingeordnet, in Bezug zur nachhaltigen Stadtentwicklung gesetzt und dabei auch als Phänomen des informellen Urbanismus diskutiert. Mit Hilfe von Leitfadeninterviews werden der Reyerhof und die SoLaWiS-Initiative in Stuttgart auf ihre Abhängigkeiten und Interaktionen untereinander und mit der Stadtverwaltung, -politik und -gesellschaft hin untersucht. Die Arbeit schließt mit Vorschlägen, wie eine Großstadt die Solidarische Landwirtschaft und den Öko-Landbau unterstützen und damit deren Potenziale für die nachhaltige Stadtentwicklung besser erschließen kann.
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.2 Methoden
1.2.1 Merkmale qualitativer Interviewführung
1.2.2 Interview-Leitfäden
1.2.3 Akquise der Interviewpartner*innen und Interview-Durchführung
1.2.4 Transkription und Auswertung der Interviews
1.3 Formale Hinweise
2 Solidarische Landwirtschaft - Gesellschaftliche und Ideelle Hintergründe
2.1 Entwicklungen in Land- und Lebensmittelwirtschaft
2.2 Entstehung und Wachstum der CSA-Praxis und -Bewegung
2.2.1 Anfänge in Japan – die Teikeis
2.2.2 Mega-CSA-Struktur in Südkorea - Hansalim
2.2.3 Erste CSA in Europa
2.2.4 Erste CSAs in den USA
2.2.5 Erste CSA in Deutschland – der Buschberghof
2.2.6 Die Bedeutung der Netzwerke für die Verbreitung
2.3 Die Idee und ihr ideelles Umfeld
2.3.1 Anthroposophie
2.3.2 Gemeinwohl-Ökonomie
2.3.3 Solidarische Ökonomie
2.4 Nachhaltigkeitsdiskurse und nachhaltige Stadtentwicklung
2.4.1 Nachhaltigkeitsdiskurse und -ansätze
2.4.2 Beitrag der Solidarischen Landwirtschaft zur Nachhaltigkeit
2.4.3 Beitrag zur Nachhaltigen Stadtentwicklung
3 Solidarische Landwirtschaft in Stuttgart
3.1 Parameter der Solidarischen Landwirtschaft in Stuttgart
3.1.1 Landwirtschaft in Stuttgart
3.1.2 Urbane Ernährungsbewegung in Stuttgart?
3.1.3 Der Reyerhof
3.1.4 Die SoLaWiS-Initiative
3.2 Was gibt der Hof der Stadt?
3.2.1 Kulturlandschaft im Stadtgebiet
3.2.2 Kurze Wege für Nahrungsmittel und Erholung
3.2.3 Bildung für die Stadtbevölkerung
3.3 Was gibt die Stadt dem Hof?
3.3.1 Direktvermarktung als Vertriebsweg in Ballungsräumen
3.3.2 Potenzial für die Solidarische Landwirtschaft
3.3.3 Flächenknappheit und Entwicklungsrestriktionen
3.4 Neue Perspektiven durch die Solidarische Landwirtschaft
3.4.1 Reyerhof und SoLaWiS
3.4.2 SoLaWiS in Stuttgart
3.4.3 Gründung eines Stuttgarter Ernährungsrats
4 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis
ABSTRACT
Die Solidarische Landwirtschaft befindet sich in Deutschland auf deutlichem Wachstumskurs. In dieser Arbeit wird sie anhand ihrer Entstehungsgeschichte und ihren ideellen Bezügen als transformative Praxis interpretiert. Sie wird in Nachhaltigkeitsdiskurse eingeordnet, in Bezug zur nachhaltigen Stadtentwicklung gesetzt und dabei auch als Phänomen des informellen Urbanismus diskutiert. Mit Hilfe von Leitfadeninterviews werden der Reyerhof und die SoLaWiS-Initiative in Stuttgart auf ihre Abhängigkeiten und Interaktionen untereinander und mit der Stadtverwaltung, -politik und -gesellschaft hin untersucht. Die Arbeit schließt mit Vorschlägen, wie eine Großstadt die Solidarische Landwirtschaft und den Öko-Landbau unterstützen und damit deren Potenziale für die nachhaltige Stadtentwicklung besser erschließen kann.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Entwicklungstrend der Solidarischen Landwirtschaft
Anstieg der Mitgliederzahlen und des Jahresbudget-Betrags 2013 bis 2017
Nachhaltigkeitskriterien für die Vergabe kommunaler Pachtflächen
1 Einleitung
Seit einiger Zeit mehren sich Bewegungen, Unternehmungen und Aktionen, die die industrielle Land- und Lebensmittelwirtschaft nicht primär mit politischen Forderungen, sondern durch transformative Praktiken in Frage stellen.[1] Dabei sind diese häufig in Städten zu finden: In Städten, umso mehr in großen Städten, entstehen seit jeher soziale Innovationen, wirtschaftliche Geschäftsmodelle und politische Ansprüche.
Kropp und Müller bringen die gesellschaftliche Bedeutung für die Stadtentwicklung und die unterschiedliche Wahrnehmung von Projekten und Netzwerken aus dem Ernährungsbereich wie folgt auf den Punkt:
„Die als alternative Ernährungsnetzwerke bezeichneten Kristallisationskerne einer neuen Bewegung präsentieren sich als nahräumlich eingebundene, beteiligungsorientierte Ansätze eines transformativen Wirtschaftens, in dessen Rahmen gleichermaßen Ernährungspraktiken und -fähigkeiten, -räume und -wirtschaftsweisen, Produktions- und Konsumtionsformen umkodiert und rekonfiguriert werden. Medial werden sie mal als Pioniere einer Ernährungswende gefeiert, als Treiber einer großen Transformation im Ernährungsbereich, mal auch als Nische und Vergemeinschaftungsidylle einer saturierten Jungelite mit begrenztem Wirkungsbereich abgetan […].“[2]
Zu den sozialen Innovationen mit transformativer Praxis[3] gehört die Solidarische Landwirtschaft (Solawi), im englischen Sprachraum als Community Supported Agriculture (CSA) bekannt. Solidarische Landwirtschaft meint, dass landwirtschaftliche Betriebe und Verbrauchergemeinschaften eine enge („solidarische“) Kooperation eingehen. Sie reagieren damit auf verschiedene krisenhafte Entwicklungen im Bereich der Land- und Lebensmittelwirtschaft, insbesondere die zunehmenden Konzentrations- und Industrialisierungsprozesse und die damit einhergehenden Marktzwänge für die landwirtschaftlichen Betriebe, auf die ökologischen und sozialen Folgen sowie die Unsicherheiten bezüglich der Lebensmittelqualität und -herkunft für die Verbraucher*innen. Bemerkenswert ist die aktuell rasante Zunahme der Zahl von Solawi-Initiativen in Deutschland.
Bei Kooperationen im Rahmen der Solidarischen Landwirtschaft unterstützt eine gemeinschaftlich organisierte Anzahl von Personen einen Landwirtschafts- und Gärtnereibetrieb, indem sie monatlich oder jährlich einen vereinbarten Betrag an den Betrieb zahlt und dafür wöchentlich Produkte des Betriebes erhält. Die Verbrauchergemeinschaft trägt das Anbau- und Ertragsrisiko des Betriebes mit, indem sie akzeptiert, dass es keine Garantien zur Menge und zur Qualität der Produkte gibt. Dies befreit den Betrieb je nach Solawi-Anteil vollständig oder teilweise von der Abhängigkeit von Witterungs- und Schädlingsrisiken, Marktschwankungen und der Preisgestaltung von Handelsunternehmen. Die Verbrauchergemeinschaft kann dafür die Produktpalette, die Anbaumethoden und die Arbeitsverhältnisse auf dem Betrieb mitgestalten. Die Mitglieder können den Betrieb im Jahreslauf erleben, z. B. bei freiwilligen Arbeitseinsätzen. Dies ermöglicht den Verbraucher*innen Kontakt und Verbundenheit mit den Menschen, den Böden, Pflanzen und Tieren, den Arbeiten, Gesetzmäßigkeiten und Zyklen in der Lebensmittelproduktion. Es fördert darüber hinaus das Bewusstsein für ökologische, ökonomische und soziale Zusammenhänge, also die Dimensionen der Nachhaltigkeit in diesem Bereich und die Verbundenheit mit dem Ort, der Landschaft und der jeweiligen Region.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehung und Ausbreitung der Solidarischen Landwirtschaft unter den agrarökonomischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, ihren ideellen Grundlagen und Bezügen zu Nachhaltigkeitsdiskursen sowie den Bedingungen der Solidarischen Landwirtschaft in der Großstadt. Letztere werden gezielt an einer exemplarischen Initiative und einem Solidarhof in Stuttgart untersucht. Dabei wird auch gefragt, welchen Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung eine solche Kooperation leisten und wie eine Stadtverwaltung sie dabei unterstützen kann.
1.1 Problemaufriss
Es gibt trotz zahlreicher Veröffentlichungen bisher keine systematischen Standardwerke zu den Themen Solidarische Landwirtschaft und Nachhaltige Stadtentwicklung. Beide Themenkreise sind in der Praxisentwicklung begriffen. Während es sich bei der Solidarischen Landwirtschaft um ein zivilgesellschaftliches Konzept handelt, adressiert das Governance-Modell „Nachhaltige Stadtentwicklung“ staatliche, insbesondere kommunale Strukturen, allerdings unter expliziter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Verbindungen zwischen beiden Themenkreisen wurden nach Kenntnis der Verfasserin bislang nicht untersucht.
Es gibt bereits etliche Untersuchungen zu rechtlichen, betrieblichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Solidarische Landwirtschaft[4] sowie zu ihren Potenzialen in Bezug auf Natur- und Umweltschutzziele[5].
Wenig untersucht ist dagegen, welche Wechselwirkungen ein „Solidarhof“ und die damit verbundene Initiative mit der Stadtgesellschaft und der Stadtverwaltung entfalten und welchen Beitrag sie zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten können.[6]
Solawi-Initiativen und -Betriebe gibt es mittlerweile in zahlreichen deutschen Großstädten von Aachen bis Ulm[7]. Nicht nur die Verbraucher*innen leben in der Großstadt, sondern auch der jeweilige Betrieb mit seinen landwirtschaftlichen Flächen muss mit den spezifischen Bedingungen des Ballungsraums umgehen.
In Großstädten ist die Verfügbarkeit von Anbauflächen für den landwirtschaftlichen Betrieb problematischer als in ländlichen Regionen: Die Kaufpreise sind häufig von Baulandpreisen geprägt und auch die Pachtpreise sind häufig aufgrund der großen Nachfrage sehr hoch. Jede landwirtschaftliche Fläche im Stadtgebiet einer Großstadt dient auch der Naherholung, daher sind landwirtschaftliche Betriebe in einer solchen Lage auch ohne Kooperation viel mehr in Berührung mit und unter Beobachtung von Erholungssuchenden und Anwohner*innen.
Eine interessante Frage ist, welche Haltung und Rolle die Kommunalpolitik und ‑verwaltung zu einer Solawi in ihrem Einzugsbereich einnehmen, insbesondere wenn es sich um eine Großstadt handelt mit Personalressourcen für Stadtentwicklung und Agrarstruktur und – wie im Falle der Stadt Stuttgart – mit landwirtschaftlichen Flächen im städtischen Eigentum.
Die Verfasserin dieser Arbeit vertritt die These, dass in der Solidarischen Landwirtschaft Potenzial für die nachhaltige Stadtentwicklung mit ökologischen, sozialen und regional-ökonomischen Bezügen liegt, welches Kommunalverwaltungen sinnvoll unterstützen können.
Zu einer wirksamen Unterstützung ist es wichtig, die gesellschaftspolitischen, agrarstrukturellen und historischen Hintergründe der Solidarischen Landwirtschaft zu kennen, denn ohne deren Verständnis könnte eine Intervention seitens Kommunalpolitik und -verwaltung auch kontraproduktiv ausfallen.
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Aufgrund der in Kapitel 1.1 dargelegten Problemstellung und These sind Ziele dieser Arbeit
- Idee und Praxis der Solidarischen Landwirtschaft anhand ihrer ideellen Hintergründe, der Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft und die Genese der Solidarischen Landwirtschaft im In- und Ausland zu skizzieren,
- die Solidarische Landwirtschaft in Nachhaltigkeitsdiskurse einzuordnen,
- am konkreten Beispiel der Reyerhof KG und der SoLaWiS-Initiative sowie der Stadtverwaltung Stuttgart zu untersuchen, welche spezifischen Bedingungen in einer Großstadt für eine solche Kooperation herrschen und welchen Beitrag sie für die nachhaltige Stadtentwicklung leisten kann und schließlich
- abzuleiten, wie kommunale Gremien und Verwaltungen Solawis unterstützen können.
Entsprechend der skizzierten Situationsbeschreibung und der genannten Zielsetzungen wird in Kapitel 2 zunächst der globale agrarstrukturelle Hintergrund in groben Zügen entwickelt (Kapitel 2.1) und die bisherige Entwicklung der Solawi-Bewegung beschrieben (Kapitel 2.2).
Anschließend werden in Kapitel 2.3 Idee und Praxis der Solidarischen Landwirtschaft ideengeschichtlich und gesellschaftspolitisch verortet, um eine Vorstellung zu den Hintergründen und Anliegen der Solidarischen Landwirtschaft zu vermitteln.
In Kapitel 2.4 wird die Solawi dann in aktuelle Nachhaltigkeitsdiskurse eingeordnet, insbesondere auch mit Bezug auf die nachhaltige Stadtentwicklung.
In Kapitel 3 werden schließlich drei konkrete Organisationen – die Initiative Solidarische Landwirtschaft Stuttgart, die Reyerhof KG und die Stadt Stuttgart mit ihren für die jeweils anderen beiden Organisationen relevanten Charakteristika beschrieben. Anschließend werden die wechselseitigen Interaktionen betrachtet und Empfehlungen für mögliche weitergehende Interaktionen abgegeben.
1.2 Methoden
Für die vorliegende Arbeit wurden Dokumente sowie journalistische und wissenschaftliche Arbeiten recherchiert und ausgewertet.
Darüber hinaus wurden leitfadengestützter Expert*inneninterviews als Element qualitativer Sozialforschung eingesetzt, um eine Solawi-Initiative (die Solidarische Landwirtschaft Stuttgart – kurz SoLaWiS), einen Solawi-Betrieb (die Reyerhof KG) und die Stadtverwaltung Stuttgart auf Interaktionen und Wechselwirkungen hin zu untersuchen.
Die Informationen und Schlüsse aus dem empirischen Teil der Arbeit, den Expert*inneninterviews, werden schwerpunktmäßig in Kapitel 3 dargestellt. Wo möglich und sinnvoll werden auch schon in den vorhergehenden Kapiteln Bezüge hergestellt. Entsprechend werden die Informationen aus den Expert*inneninterviews vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse aus der Literatur interpretiert und eingeordnet.
Neben den Erkenntnissen aus den Leitfadeninterviews und aus der Literatur fließen auch Informationen und Eindrücke aus eigenen Beobachtungen in dem Forschungsfeld, sowohl aus der Teilnahme an Aktivitäten und Veranstaltungen der SoLaWiS-Initiative als auch aus Gesprächen mit SoLaWiS-Aktiven, in die Untersuchung mit ein.
Die Verfasserin bedient sich bei der Interpretation von Aussagen und Beobachtungen und bei der Thesenbildung der Methodik des „abduktiven Schlusses“. Jenseits von „induktiver[8] Verallgemeinerungssicherheit“ und „deduktiver[9] Ableitungsgewissheit“ ermöglicht der „abduktive[10] Schluss“ eine syllogistische Hypothesenbildung, also „begründetes Vermuten“ zur Erklärung von Beobachtungen und Phänomenen. Dies geschieht in einem Prozess fortlaufender Verknüpfung und Abwägung zwischen der Deutung von Beobachtungen und Aussagen einerseits und Hypothesenelementen andererseits.[11]
Die folgenden Unterkapitel gehen vertieft auf die Methodik, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Expert*inneninterviews ein.
1.2.1 Merkmale qualitativer Interviewführung
In der qualitativen (Sozial-)Forschung werden zur Gewinnung verbaler Daten qualitative Interviews – teilstandardisierte oder offene Interviews – eingesetzt. Sie bieten die Möglichkeit, Alltagstheorien, Situationsdeutungen, Selbstinterpretationen und Handlungsmotive der Interviewpartner*innen differenziert und offen zu erheben.[12]
Die Interviews in der vorliegenden Arbeit sollen dazu dienen, das jeweilige Selbstverständnis, die gegenseitigen Einschätzungen und die Beschreibungen der erlebten Wechselwirkungen der drei Akteursgruppen (Reyerhof, SoLaWiS, Stadtverwaltung Stuttgart) herauszuarbeiten.
Für diese Zielsetzung bietet sich als Interviewtyp das problemzentrierte Interview, auch themenzentriertes Interview genannt, an. Diese Art der Interviewführung wurde seit 1982 insbesondere von Andreas Witzel entwickelt und zielt auf die Darstellung spezifischer Problem- bzw. Themenstellungen aus Sicht der Befragten. Beim problemzentrierten Interview wird im Gegensatz zum narrativen Interview[13] auf die autonom durch den bzw. die Befragte*n gestaltete Haupterzählung verzichtet, die bei Letzterem einen großen Teil des Interviews einnimmt und mehr an konkreten Handlungsabfolgen als an den Ideologien und Rationalisierungen des bzw. der Befragten orientiert ist.[14]
Gleichzeitig enthalten die für diese Arbeit geführten Interviews auch starke Elemente von Expert*inneninterviews. Nach Kruse stellt das Expert*inneninterview keine eigene Interviewform dar, sondern eine anwendungsfeldbezogene Variante von Leitfadeninterviews. Das Spezifische dieses Interviewtypus ist vor allem die Zielgruppe, die Expert*innen. Die „Expert*innen“ – im vorliegenden Fall jeweils zwei Repräsentant*innen der Reyerhof KG, der SoLaWiS-Initiative und der Stadtverwaltung Stuttgart – bieten einen Zugang zu Informationen und Deutungen zu einem Themen- oder Handlungsfeld, die sich so nicht aus anderen Quellen erschließen lassen. Die „Expert*innen“ stehen dabei nicht als „ganze Person“ im Fokus des Forschungsinteresses, sondern als Repräsentant*innen für die Handlungsweisen, Sichtweisen und Wissenssysteme einer bestimmten Gruppe.[15]
Zusammenfassend sind die im Rahmen dieser Arbeit geführten Interviews als theoriegenerierende Expert*inneninterviews mit Elementen des problemzentrierten Interviews zu klassifizieren.
1.2.2 Interview-Leitfäden
Der Begriff „Leitfadeninterview“, dessen Methodik sich das Expert*inneninterview in der Regel bedient, bezeichnet eher ein Interviewverfahren als einen Interviewtyp.[16] Bei der Durchführung eines Leitfadeninterviews orientiert sich der Interviewer bzw. die Interviewerin an einem zuvor ausgearbeiteten Leitfaden mit einem der Fragestellung angepassten Strukturierungsniveau. Wichtig ist dabei laut Kruse die flexible und dynamische Handhabung von Strukturierung und Offenheit, zunächst im Leitfaden und dann im Interviewgespräch. Der Leitfaden soll aus offenen Erzähl- bzw. Explikationsaufforderungen (Stimuli) oder offenen Fragestellungen bestehen. Diese sollen zwar thematisch fokussieren, um die Forschungsfragen ergiebig bearbeiten zu können, aber nicht auf bestimmte Aussagen hinwirken. Kruse empfiehlt je Themenblock eine übergeordnete Leitfrage bzw. Erzählaufforderung und darunter die drei Kategorien von erstens inhaltlich steuernden Fragen, zweitens „Aufrechterhaltungsfragen“ (auch „Sondierungen“[17] ), die nicht inhaltlich steuern, sondern zum Weitersprechen auffordern, z. B. zur Vertiefung oder Erläuterung des Gesagten und drittens „Konkrete Nachfragen“, die Themenfelder vertiefen, wenn diese nicht ausreichend ausgeführt worden sind.[18]
Für diese Arbeit wurden drei Interview-Leitfäden für die drei Gruppen SoLaWiS-Initiative, Reyerhof KG und Stadtverwaltung entwickelt (vgl. Anlagen A 1 bis A 3). Dabei flossen die Aufarbeitung des Forschungsstandes zu Solidarischer Landwirtschaft und die theoretischen Vorüberlegungen zu den Zielsetzungen dieser Arbeit mit ein.
1.2.3 Akquise der Interviewpartner*innen und Interview-Durchführung
Da das Selbstverständnis und die gegenseitigen Beziehungen der drei Organisationseinheiten „Reyerhof“, „SoLaWiS“ und Stadtverwaltung Stuttgart erfasst werden sollten, wurden zwei Interviewpartner*innen je Organisationseinheit ausgewählt und angefragt.
Während der frühere und der aktuelle Betriebsleiter des Reyerhofs und die beiden Mitorganisator*innen der SoLaWiS-Initiative sowie die Landwirtschaftsbeauftragte der Stadt Stuttgart relativ schnell zusagten, kamen bei der Suche nach einem bzw. einer weiteren Interviewpartner*in bei der Stadtverwaltung zunächst viele Absagen. Der zunächst angefragte Städtebau- und Umweltbürgermeister reagierte nicht auf die Anfrage, eine Nachfrage bei seinem Mitarbeiter ergab eine Delegation an den Leiter des Stadtplanungsamtes. Auch dieser sagte ab mit der Begründung, dass die Solawi nicht im Fokus der Stadtentwicklung stehe, weil es dafür keine personellen Kapazitäten gebe. Der parallel angefragte Beauftragte für Bürgerengagement sagte ebenfalls ab, da ihm die SoLaWiS nicht bekannt sei. Sein Fokus liege auf der Organisation von Großveranstaltungen des Oberbürgermeisters, auf denen bürgerschaftliches Engagement gewürdigt werde. Eine weitere Anfrage beim Umweltamt ergab dann die Interviewmöglichkeit mit der Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde (UNB).
Für die Durchführung der Interviews wurden die Interviewpartner*innen an ihrem jeweiligen Dienstsitz (Stadtverwaltung) bzw. Lebens- und Arbeitsort (Reyerhof KG) aufgesucht. Die SoLaWiS-Initiative verfügt über keine eigenen Räumlichkeiten, so dass die Treffen mit den zwei Interviewpartner*innen am Arbeitsort der Interviewerin vereinbart wurden. Den Interviewpartner*innen, die dies wünschten, wurden die Fragen vor dem Interview zugesandt.
Die sechs Interviews fanden zwischen dem 15.08. und 22.09.2017 statt und dauerten zwischen 40 und 97 Minuten (vgl. Anhang A 1).
Die Interviews folgten in freier Reihenfolge den Leitfäden, der Wortlaut der Fragestellungen wurde situativ abgewandelt. Die Interviews wurden mit dem „Smart Voice Recorder“, einer Smartphone-Anwendung, aufgenommen.
1.2.4 Transkription und Auswertung der Interviews
Die sechs Interviews wurden von einer Transkriptions-Firma nach einfachen Transkriptionsregeln wortgetreu transkribiert. Dabei wurden nur die Äußerungen der Interviewerin und des bzw. der Befragten transkribiert. Stottern, Wiederholungen, Einwürfe, Betonungen, Pausen, Änderungen von Tonhöhe und Sprachmelodie wurden nicht wiedergegeben, da es für die vorliegende Untersuchung auf den Inhalt des Gesagten ankommt. Anschließend nahm die Interviewerin noch einzelne Glättungen an den Transkriptionen vor.
Die Auswertung der Interviews erfolgte mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel.[19] Den Fragestellungen dieser Arbeit entsprechend wurden Kategorien gebildet, an denen entlang die Interviews auf ihren jeweilige Aussagegehalt ausgewertet wurden.
Die Transkripte der sechs Interviews sind als Anlagen zu dieser Arbeit dokumentiert (Anlagen A 5 bis A 10). Im Text der Master-Thesis wird auf Aussagen aus den sechs Interviews verwiesen, indem jeweils der Zeitstand angegeben wird, der das Ende des Interviewabsatzes markiert, dem die jeweilige Aussage entnommen wurde.
1.3 Formale Hinweise
Wortwörtliche Zitate werden in dieser Arbeit durch Einrücken und geringeren Zeilenabstand kenntlich gemacht, umformulierte übernommene Inhalte durch Quellenangaben in Fußnoten. Informationen und Zitate aus den für diese Arbeit geführten Interviews werden in der jeweiligen Fußnote mit der Anlagennummer und dem Zeitstand am Ende des Absatzes, der die Information oder das Zitat enthält, gekennzeichnet.
Für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung erhobene oder gespeicherte personenbezogene Daten müssen nach § 40 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz anonymisiert werden, sobald der Forschungszweck dies zulässt. Diese Regelung schließt durch qualitative Interviews erhobene persönliche Daten mit ein. Weil die Namen der Interviewpartner*innen zur Bearbeitung des Forschungszwecks dieser Arbeit nicht notwendig sind, werden sie nicht genannt, auch wenn sie im Einzelfall über die Funktionsbezeichnung und die Nennung der Namen in dieser Arbeit identifizierbar sind. Darüber hinaus gaben alle Interviewpartner*innen ihr mündliches Einverständnis zur Veröffentlichung der Interviews.
Für Gruppen-, Berufs- und Personenbezeichnungen wurde die Schreibweise mit * (Genderstern) gewählt, sobald die Bezeichnung mehr als ein Geschlecht einschließt und keine adäquate geschlechtsneutrale Formulierung existiert.
2 Solidarische Landwirtschaft - Gesellschaftliche und Ideelle Hintergründe
„Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi)[20] ist der deutsche Begriff für den älteren US-amerikanischen Begriff „Community Supported Agriculture“ (CSA)[21]. Während letzterer bereits gut dreißig Jahre alt ist, wurde ersterer erst vor wenigen Jahren, nämlich 2010, eingeführt und beim Gründungstreffen des bundesweiten Netzwerks Solidarische Landwirtschaft sowie des Trägervereins Solidarische Landwirtschaft e.V. auch organisatorisch verankert.[22]
Die Solidarische Landwirtschaft verfolgt einen emanzipatorischen „Do-it- yourself-Ansatz“[23] ohne Einbeziehung staatlicher Strukturen und Mittel. Indem die Mitglieder nicht Kaufpreise für Lebensmittel entrichten, sondern Kostenbeiträge an den lebensmittelproduzierenden Betrieb, heben sie die Warenförmigkeit der Produkte auf. Die Initiativen der Solidarischen Landwirtschaft beschreiten damit einen „Dritten Weg“ zwischen Markt und Staat oder man könnte auch sagen: Sie fordern im Sinne von Meluccis „Challenging Codes“ in ihrem Rahmen die Marktgesetze heraus. Dies jedoch ohne bislang in Konflikt mit Akteur*innen des Staates oder der Privatwirtschaft zu geraten und ohne in der Praxis marktgesellschaftliche Regelungen grundsätzlich in Frage zu stellen, da sowohl Solawi-Mitglieder als auch die Erzeuger*innen außerhalb der Solawi weiter in Marktzusammenhängen leben und interagieren.[24]
Im Folgenden werden die makro- und mikroökonomische Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die das Aufkommen von CSA begründet und begleitet haben, sowie die Entwicklung der CSA und Solawi selbst betrachtet. Anschließend wird versucht, die Solidarische Landwirtschaft ideengeschichtlich zu verorten. Schließlich wird das Themenfeld Nachhaltigkeit näher in den Blick genommen: Was ist nachhaltig an Solidarischer Landwirtschaft? Und welche Aspekte der Solidarischen Landwirtschaft haben Berührungspunkte zu nachhaltiger Stadtentwicklung?
2.1 Entwicklungen in Land- und Lebensmittelwirtschaft
Auffällig ist, dass bis Mitte der 1960er Jahre weltweit keine CSA-Praxis existierte. Landwirtschaftliche Einkaufs- und Kreditgenossenschaften gibt es schon seit einigen, landwirtschaftliche Kollektive und Kommunen ohne Privatbesitz an Böden und sonstigen Produktionsmitteln (z. B. in Form von Klöstern) seit vielen Jahrhunderten. Nicht jedoch solidarische Zusammenschlüsse zwischen landwirtschaftlichen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen. Hier bestimmte die längste Zeit der marktwirtschaftliche Handel das Verhältnis, soweit die Verbraucher*innen sich nicht als Prosument*innen[25] selbst oder über familiäre Bezüge versorgten.
Zwei zusammenhängende Entwicklungen machten das CSA- Modell offensichtlich erst notwendig und attraktiv: Die Industrialisierung (verstärkter Einsatz von Maschinen und chemisch-synthetischen Produktionsmitteln) und die Globalisierung der Landwirtschaft. Auch die Bereiche der Lebensmittelverarbeitung[26] und der Lebensmitteldistribution[27] haben entsprechende Industrialisierungs- und Globalisierungsprozesse erfahren.
Für die Verbraucher*innen hatten diese Entwicklungen zur Folge, mit Schwermetall- und Pestizidbelastungen der Lebensmittel konfrontiert zu werden und nicht mehr nachvollziehen zu können, wo die Lebensmittel herkommen. Die Reaktion darauf ist die Nachfrage nach biologisch und regional[28] angebauten und verarbeiteten Lebensmitteln, auch wenn diese bis heute nur Anteile im einstelligen Prozentbereich[29] des gesamten Lebensmittelumsatzes erreichen. Für die Landwirt*innen bedeutet die Industrialisierung in erster Linie das Setzen auf Skalen- bzw. Masseneffekte (Vereinheitlichung der Anbaukulturen, Massentierhaltung) zur Erhöhung der Produktivität. Diese Praxis beinhaltet einen erhöhten Bedarf an zugekauften Produktionsmitteln, Investitionen und Anbauflächen. Dieser erhöhte Bedarf wiederum erzeugt eine größere Abhängigkeit von Krediten und betrieblichen Gewinnen. Die zunehmende Konzentration der Lebensmittelverarbeitung und des Lebensmittelhandels auf immer weniger und immer größere Konzerne mit rabiater Preispolitik setzt die landwirtschaftlichen Betriebe zusätzlich unter Druck. All diese Prozesse führen zu einer Verstärkung der zwischenbetrieblichen Konkurrenz, die durch die Zunahme von Importen von Produktionsmitteln und Exporten von veredelten Produkten (Globalisierung) und zunehmend finanzmarktgetriebenen Preisschwankungen noch weiter angeheizt wird. Dazu kommt eine jahrzehntelange Agrarpolitik der Europäischen Union und der nationalen Regierungen, die durch die Gestaltung ihrer Subventionen und der landwirtschaftlichen Ausbildung und Beratung diesen Trend zugunsten finanzmarktbasierter Investitionen und großer Betriebe gestützt haben. Die Konsequenz aus der marktwirtschaftlichen Konkurrenzspirale und der Subventionspolitik ist das „Wachsen oder Weichen“ der Betriebe bzw. das „Höfesterben“. Von rund 2.264.000 landwirtschaftlichen Betriebe im Jahr 1950[30] auf dem Gebiet der heutigen Bunderepublik Deutschland existieren heute noch rund 275.000[31], in den letzten 65 Jahren mussten demnach 88 % aufgeben. Dieselbe Entwicklung lief und läuft teilweise etwas schwächer und nachholend[32], jedoch insgesamt vergleichbar im Gebiet der gesamten Europäischen Union und weltweit ab, ein Ende ist nicht abzusehen. Fast die einzigen Überlebenschancen für kleine landwirtschaftliche Betriebe liegen in der Direktvermarktung[33] und/oder in der Weiterverarbeitung der eigenen Produkte unter Vermeidung des Zwischenhandels bzw. der lebensmittelverarbeitenden Industrie, um der geschilderten Konkurrenzspirale, dem Wachstumszwang und der damit verbundenen Überschuldungsgefahr zu entgehen. CSA oder Solawi ist in diesem Kontext als eine Form der Direktvermarktung zu betrachten, die eine besonders enge Beziehung zwischen Erzeuger*in und Verbraucher*in herstellt.[34]
2.2 Entstehung und Wachstum der CSA-Praxis und -Bewegung
Die Entstehung von CSA-Modellen fand weitgehend unabhängig voneinander auf verschiedenen Kontinenten und in verschiedenen Ländern statt. Anders als in Deutschland geht die CSA-Tradition in Japan, Lateinamerika und verschiedenen europäischen Ländern bis in die Anfänge der 1970er Jahre zurück.
2.2.1 Anfänge in Japan – die Teikeis
Die ältesten CSAs gibt es in Japan. Sie heißen dort “Sanshoteikei“ (Zusammenschluss von Erzeugern und Verbrauchern) oder kurz „Teikei“. Teikeis beinhalten unterschiedliche Beziehungsmodelle zwischen einzelnen Produzent*innen und Verbraucher*innen bzw. deren Zusammenschlüssen. Allen gemeinsam jedoch ist, dass es keinen Zwischenhandel gibt.[35] Die ersten Teikeis wurden Mitte der 1960er Jahre gegründet in Reaktion auf die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft und das Auftreten von Krankheiten infolge industrieller Umweltverschmutzung und Lebensmittelkontamination.[36] Die Teikeis waren eng verbunden mit der Entwicklung des ökologischen Landbaus in Japan, die 1971 in die Gründung der Japan Organic Agriculture Association (JOAA), eines Verbandes aus Erzeuger*innen und Verbraucher*innen, mündete.[37] Die Entwicklung eines alternativen Distributionsweges in Form der Teikeis war für den ökologischen Landbau elementar, weil die Landwirtschaftspolitik damals bereits auf industrielle Massenproduktion und der Handel auf standardisierte Produkte setzte. Ein weiteres wichtiges Motiv für die Teikeis war das Vertrauensverhältnis zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen, welches bereits vor der Einführung von Kontrollsystemen im Ökolandbau gewährleistete, dass die Lebensmittel gesund und nachhaltig erzeugt werden und die Erzeuger*innen die Sicherheit des zuverlässigen Absatzes ohne Marktpreisschwankungen haben.[38] Zu Beginn der 1990er Jahre war jeder vierte japanische Haushalt Mitglied in einer Teikei[39], das entspricht über 30 Millionen Menschen. 25 Jahre später sind ökologische Lebensmittel längst im Groß- und Einzelhandel angekommen und die Außer-Haus-Verpflegung hat zugenommen. In der Folge beklagen Teikeis einen gewissen Mitgliederschwund.[40]
2.2.2 Mega-CSA-Struktur in Südkorea - Hansalim
Die größte existierende CSA-Organisation[41] weltweit ist Hansalim in Südkorea mit mittlerweile rund 2.160 landwirtschaftlichen Betrieben mit über 4.200 Hektar landwirtschaftlicher Fläche und 540.000 Haushalten (2,55 % der Bevölkerung) und einem Jahresumsatz von rund 362 Millionen Dollar.[42] Auch diese Organisation kann auf eine 30-jährige Geschichte zurückblicken, die Initiative startete 1986. Die Verwaltung der Hansalim Foundation erfolgt mit rund 100 Angestellten und ist nicht gewinnorientiert. Neben den über 2.000 landwirtschaftlichen Betrieben gehören rund 150 weiterverarbeitende Betriebe mit rund 2.800 Beschäftigten zu Hansalim. Die Verteilung der Lebensmittel erfolgt über 22 Verbraucher*innen-Kooperativen, 204 Bioläden und einen Online-Shop mit eigenem Liefersystem für die Haustürlieferung[43] und bietet allein über 2.000 (Teilzeit-)Arbeitsplätze. 75 % der Einnahmen gehen an die Erzeuger-Betriebe, nur 25 % werden für die Distribution der Produkte und die Organisation benötigt (im Vergleich zu 50-70 % Kostenanteil für Lebensmittel in Supermärkten). Die benötigten Produktionsmengen und Produktpreise werden von einem Exekutiv-Vorstand zentral ermittelt. Die Verbraucher*innen-Kooperativen und die Produzent*innen haben ihre eigenen Assoziationen innerhalb von Hansalim. Für alle Mitglieder gibt es ein ausgeklügeltes Beteiligungssystem und zahlreiche Aktivitätsmöglichkeiten. Besondere solidarische Elemente sind die Produkt- und Preis-Stabilisierungs-Fonds, in die alle Hansalim-Mitglieder einzahlen und aus denen Grundeinkommen für Bäuer*innen z. B. bei Ernteausfällen finanziert werden[44], aber auch Spendensammlungen, z. B. für afghanische Flüchtlinge oder Erdbebenopfer in Nepal. Eine wichtige Aufgabe der Hansalim Foundation ist die Wissensvermittlung zu Landwirtschaft und Ernährung: Jedes neue Mitglied erhält einen entsprechenden Einführungskurs. Hansalim hat darüber hinaus explizite politische Anliegen und Ziele, unter anderem die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades von Südkorea mit landwirtschaftlichen Produkten. Verschiedene Initiativen, die aus Hansalim hervorgegangen oder Teil von Hansalim sind, machen Kampagnen zu umwelt- und landwirtschaftspolitischen Themen wie Agro-Gentechnik, Klimawandel, atomare Bedrohung, Energiewende, Freihandelsverträge etc.[45]
2.2.3 Erste CSA in Europa
In Europa und in den USA setzte die Entwicklung von CSAs erst rund zehn Jahre nach der in Japan ein, wohl weitgehend in Unkenntnis der asiatischen Pionier-Organisationen. Im Folgenden werden einige mitteleuropäische Pionierprojekte eingehend beschrieben, weil diese Standards setzten, an denen sich die Solidarische Landwirtschaft in dieser Region bis heute orientiert. Einige ihrer Gründer*innen haben mit Publikationen und Vorträgen stark zur Verbreitung der Idee beigetragen beziehungsweise tun dies bis heute.
In der Schweiz gründete eine Gruppe um den Agronomen Reto Cadotsch 1978 die „Les Jardins de Cocagne“[46] bei Avusy, Kanton Genf. Cadotsch begann mit dem Gemüseanbau in den Gärten mehrerer Wohngemeinschaften und wendete dabei ein Abonnementsystem an, das er von einer Gruppe Tierärzte in der Bretagne übernommen hatte: Weder seine Arbeitsleistung noch die Produkte wurden direkt bezahlt, stattdessen wurde vereinbart, dass das produzierte Gemüse zu gleichen Teilen an die Mitglieder der Initiative verteilt wird und diese dafür einen Geldbetrag entrichten. „Agriculture contractuelle de proximité“, kurz ACP, heißt die Praxis der Solidarischen Landwirtschaft in der französischen Schweiz.[47] Vermutlich ist das Projekt „Les Jardins de Cocagne“, das bis heute existiert, die erste und älteste heute noch existierende CSA[48] in Europa. 1979 wurde eine Genossenschaft zu dem Projekt begründet, die Anbaufläche auf einen Hektar zusammenhängendes Ackerland verlegt und mit drei Gärtnern bewirtschaftet. Die Genossenschaft existiert bis heute, die Anbaufläche ist gewachsen und versorgt 400 Haushalte mit Gemüse. Die Mitglieder bezahlen abgestufte Jahresbeiträge nach Einkommen, und ein Prozent der Jahresbeiträge geht an bäuerliche Organisationen in Westafrika. Mit dem Projekt „L’Affaire Tournerêve“ ist 2004 ein regionaler Zusammenschluss von Verbraucher*innen und 15 Landwirt*innen dazu gekommen. Letztere bauen Getreide, Hülsenfrüchte, Ölsaaten etc. an und verarbeiten diese teilweise auch. Für einen Teil der Landwirt*innen war die Beteiligung an der „L’Affaire Tournerêve“ und die mit der Vertragslandwirtschaft verbundene ökonomische Absicherung der Anstoß, um auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Der Kanton Genf ist ein Hotspot der Solidarischen Landwirtschaft: Rund ein Dutzend Projekte gibt es im Kanton mit insgesamt 2 500 bis 3 000 Haushalten.[49]
2.2.4 Erste CSAs in den USA
Als erste CSA-Gründungen in den USA beschreibt McFadden zwei Initiativen, die nur 80 km voneinander entfernt im Osten der USA und im Austausch miteinander entstanden. Jeweils ein Mitgründer der beiden Initiativen brachte Ideen aus Europa mit.[50]
Der US-Amerikaner Jan VanderTuin war Anfang der 1980er Jahre in die Schweiz gegangen, nachdem er aus wirtschaftlichen Gründen seine Farm hatte aufgeben müssen, um nach alternativen Lösungsansätzen für eine nachhaltige Landwirtschaft zu suchen. Dabei hatte er die „Jardins de Cocagne“ kennengelernt und war von der Idee der Solidarischen Landwirtschaft begeistert. Er lernte Robyn Van En kennen, die auf ihrer „Indian Line Farm“ bei South Egremont, Massachusetts, bereits Gemüse für einen festen lokalen Kundenstamm anbaute. Gemeinsam mit anderen bauten Jan VanderTuin und Robyn Van En die CSA „Indian Line Farm“ auf, die in ihrem erstem Jahr 1985 30 Haushalte versorgte, nach vier Jahren 300 Personen.
Trauger Groh, der zuvor lange den biodynamisch bewirtschafteten Buschberghof in Schleswig-Holstein mitgeführt hatte und 1984 in die USA ausgewandert war, diskutierte ab Herbst 1985 mit Lincoln Geiger und Anthony Graham die Gründung eines Gemeinschaftshofs mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft. Im Frühjahr 1986 gründeten sie gemeinsam mit anderen die Initiative zur Temple-Wilton Community Farm in New Hampshire. In ihren ideellen Zielen orientierten sie sich an den in Kapitel 2.3.1 skizzierten Ideen der anthroposophischen Dreigliederung, unter anderem wollten sie „Gesellschaftsformen schaffen, die Anstellungsverhältnisse und jede Form von bezahlter Arbeit ausschließen“[51]. Ein Problem des ersten Jahrzehnts war die starke Streulage der insgesamt 80 Hektar Wald, Weiden und Ackerland in den Gemeinden Temple und West-Wilton. Die CSA existiert bis heute. Einer der Gründer, Anthony Graham, ist heute noch als Gemüsebauer in der CSA aktiv, ein weiterer Mitgründer Lincoln Geiger, der 20 Jahre lang die Kuhherde betreute, ist 2016 in Ruhestand gegangen. Ebenfalls 2016, im 31. Jahr ihres Bestehens, konnte die Temple-Wilton Community Farm endlich die Ländereien und Gebäude ins Eigentum übernehmen, auf bzw. mit denen sie schon lange wirtschaftet. Zu diesem Zweck wurde eine Genossenschaft gegründet[52]. Die Mitglieder der CSA-Genossenschaft zahlen durchschnittlich 130 US-Dollar pro Monat für einen Anteil (Richtwert; Zahlung nach Selbsteinschätzung) und können sich dafür zweimal wöchentlich im hofeigenen Laden mit Gemüse und Milch eindecken. Allerdings müssen verarbeitete und veredelte Produkte wie Brot, Milchprodukte, Eier und Fleisch, die auch auf dem Hof produziert werden, auch von den Genossenschaftsmitgliedern zu Festpreisen gekauft werden.[53]
2.2.5 Erste CSA in Deutschland – der Buschberghof
Als erste CSA in Deutschland gilt der bereits in Kapitel 2.2.4 erwähnte Buschberghof bei Hamburg und die mit ihm verbundene „Wirtschaftsgemeinschaft“. Bereits 1968, 20 Jahre vor Beginn der Solawi, wurde das Eigentum an Hof und Tieren sowie rund 100 Hektar Landwirtschaftsfläche durch Schenkung aus Familieneigentum in die „Gemeinnützige Landbauforschungsgesellschaft Fuhlenhagen mbH“ überführt. Die vormalige Eigentümerfamilie, die den Hof bereits biologisch-dynamisch bewirtschaftete, arbeitete mit zwei anderen Familien fortan im Rahmen einer Betriebsgemeinschaft. Die aktiven Landwirt*innen, die als Selbständige auf dem Hof arbeiten, besitzen seitdem nur das Umlaufkapital. Investitionen werden durch die „Landwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft Buschberghof“, bestehend aus etwa 40 Personen, ermöglicht, die entweder selbst investieren oder Bankkredite durch Bürgschaften absichern. Seit dieser Zeit ist der Buschberghof auch sozialtherapeutische Einrichtung und damit für rund zwölf Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Erkrankungen Arbeits- und Lebensort.
Im Austausch mit dem nach New Hampshire ausgewanderten Groh (vgl. Kap. 2.2.3) startete eine neue Bewirtschafter*innengeneration nach einer Vorbereitungsphase die Solawi auf dem Buschberghof: Ab 1988 wurde die Hälfte der Erträge des Hofes an 45 Haushalte mit 180 Menschen verteilt, bereits in den Folgejahren wurde der gesamte Ertrag an 70-90 Haushalte abgegeben. Vor Beginn der Solawi hatte der Buschberghof wie viele andere Höfe auch einen mehr oder weniger festen Abnehmerkreis für Frischmilch („Milchkreis“) und einen Hofladen. Eine wesentliche Motivation der Mitglieder zur Beteiligung an der Solawi war laut Kraiß der „Tschernobyl-Schock“ infolge des Atomunfalls in der Ukraine, der 1986 in ganz Mitteleuropa zur radioaktiven Verseuchung großer Landstriche führte und die Frage nach der Beschaffenheit von Nahrungsmitteln stärker ins öffentliche Bewusstsein rückte.[54] Nachdem sich die Solawi etabliert hatte und auf rund 90 Haushalte angewachsen war, war der Hofladen für die Direktvermarktung nicht mehr nötig und wurde im Jahr 1989 geschlossen. Heute sind es 95 Haushalte mit rund 300 Menschen, die sich an der Solawi beteiligen und die Erträge von 100 Hektar Ackerland, 30 Kühen, 35 Schweinen, 14 Schafen und 200 Hühnern, Enten und Gänsen erhalten. Im Jahr 2011 betrugen die Monats-Richtwerte für Erwachsene 150 Euro, für Kinder 75 Euro. Die tatsächlichen Zahlungen an die „Wirtschaftsgemeinschaft“ erfolgen nach Selbsteinschätzung.[55] Die Solawi ermöglicht neben der Finanzierung der laufenden Kosten auch den Aufbau von Rücklagen für Reparaturen und Investitionen im Landwirtschaftsbereich. Die jährliche Fluktuation der Solawi-Mitglieder beträgt etwa 10 % pro Jahr und auf der Warteliste stehen meist mehr Haushalte als aufgenommen werden können.[56]
2.2.6 Die Bedeutung der Netzwerke für die Verbreitung
Über 20 Jahre später als in der Schweiz und 15 Jahre später nach den ersten Solawis in Deutschland, nämlich im Jahr 2001 gründete das Landwirts-Ehepaar Daniel und Denise Vuillion in Frankreich die erste AMAP (Association pour le maintien de l’agriculture paysanne). 16 Jahre später gibt es die meisten CSAs in Europa eben dort: Über 2.000 AMAPs mit rund 4.000 landwirtschaftlichen Betrieben und 100.000 Mitgliedern existierten im Jahr 2017 in Frankreich. Die Ursache dieser – für europäische Verhältnisse – rasanten Entwicklung scheint in der gezielten Unterstützung der AMAPs durch die französischen Öko-Landbauverbände und den Staat[57] zu liegen.[58] So wurde das CSA-Modell dort viel schneller bekannt und verbreitet.
Während die Zahl der CSA-Betriebe seit den ersten Gründungen Ende der 1980er Jahre in den USA ebenfalls schnell zunahm (so schreibt McFadden von einem stetigen Wachstum auf 1.500 bis 1.700 CSAs im Jahr 2004[59] ), gab es in Deutschland trotz einiger Pionierbetriebe erst rund 30 Jahre später ab dem Jahr 2011 eine dynamische Entwicklung. Von 19 bekannten Solawi-Kooperationen im Jahr 2011 stieg die Zahl auf 166 im Jahr 2017[60] an – immer noch wenig im Vergleich beispielsweise zu den USA oder Frankreich. Auch wenn die Zahlen und Ausgangsbedingungen nicht immer vergleichbar sein mögen (so werden in den USA wohl teilweise auch Abo-Kisten-Systeme mitgezählt und in Frankreich gibt es weniger Einkaufsmöglichkeiten für Bio-Lebensmittel im Einzelhandel[61] ), scheint es evident, dass die Zunahme von Solawi-Kooperationen von der Verbreitung der Idee und von Netzwerkarbeit abhängig ist.
Anders als in den USA und in Frankreich fehlten in Deutschland in den ersten Jahrzehnten unterstützende Organisationen und kommunizierende Protagonist*innen. Erst im Jahr 2011 wurde in Deutschland das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft mit dem Trägerverein Solidarische Landwirtschaft e. V. gegründet. Es bietet Netzwerk- und Unterstützungsstrukturen für bestehende Solawi-Kooperationen und solche in Planung und Aufbau58. Zweimal im Jahr werden bundesweite Netzwerktreffen veranstaltet. Seitdem steigen die Solawi-Gründungen in Deutschland mit steilem Trend (vgl. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Entwicklungstrend der Solidarischen Landwirtschaft[62]
Die Betrachtung der Entwicklungen in den genannten Staaten zeigt, dass es zur Verbreitung einer Praxis wie CSA oder gar der Formierung einer sozialen Bewegung publizierende, referierende beziehungsweise politisch aktive Protagonist*innen braucht, vor allem aber auch koordinierende, verbindende Netzwerke und/oder unterstützende Strukturen, womöglich mit hauptamtlichen Ansprechpartner*innen und Angeboten zur Gründungsberatung.
Solche Strukturen sind mittlerweile in vielen Ländern und sogar transkontinental etabliert: 2008 wurde das internationale CSA-Netzwerk Urgenci in Frankreich gegründet, das u.a. internationale CSA-Symposien veranstaltet.[63]
2.3 Die Idee und ihr ideelles Umfeld
Der Kerngedanke des Konzepts ist die Entlastung des produzierenden Betriebes von wirtschaftlichen Risiken infolge von Ernte- und Preisschwankungen durch eine solidarische Kundschaft. Im Gegenzug erhält die solidarische Kundschaft ein gewisses Mitspracherecht insbesondere über den Produktanbau, je nach Ausprägung der Initiative aber auch über weitere betriebliche Bereiche. Häufig wird die Verbindung zwischen Betrieb und Kundschaft auch über Arbeitseinsätze auf dem Betrieb oder gemeinsame Veranstaltungen gefördert.[64]
Zum Selbstverständnis der Solidarischen Landwirtschaft gehört auch der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen und in der Konsequenz in der Regel der ökologische Anbau der Lebensmittel.
Das Modell beinhaltet eine jährliche Vereinbarung zwischen einem Landwirtschafts- oder Gartenbau-Betrieb und einer Anzahl Verbraucher*innen, die sich in einer Initiative, einem Verein, einer Genossenschaft oder ähnlichen Struktur organisieren. Die Vereinbarung enthält in der Regel Absprachen über die Höhe der jährlichen Zahlungen der Verbraucher*innen an den Betrieb, die angebauten Produkte, die Anbauflächen, die Anbaumethoden sowie die Zeitpunkte und Örtlichkeiten der Bereitstellung der Produkte durch den Betrieb.
Da sich die Höhe der Zahlungen nicht an der Erntemenge, sondern am kalkulierten Anbauaufwand (Betriebsmittel, Löhne, Pacht, Maschinen) des Betriebs orientiert, übernehmen die Verbraucher*innen das Anbaurisiko, je nach Ausgestaltung zumindest teilweise. Die Verteilung des Anbaurisikos auf mehrere Schultern begründet die Verwendung des Begriffs „solidarisch“ bzw. „community supported“. Der Betrieb gibt im Gegenzug einen Teil der Autonomie seiner unternehmerischen Entscheidungen auf.
Kraiß et al. beschreiben die Grundannahmen der Solidarischen Landwirtschaft wie folgt:
- „Innerhalb der Gesellschaft hat die Landwirtschaft die Aufgabe, die Menschen mit gesunden und guten Lebensmitteln zu versorgen, die Umwelt gesund zu erhalten und einen Lehrauftrag zu erfüllen.
- Ein nach einem Kreislaufprinzip wirtschaftender Betrieb kann genügend Lebensmittel erzeugen, um eine Verbrauchergemeinschaft damit zu versorgen.
- Der Mensch ist von Natur aus kooperativ.
- Für viele Menschen ist es eine große Befriedigung, sich nicht nur um ihr eigenes Essen zu kümmern, sondern auch für die Menschen zu sorgen, die ihre Lebensmittel erzeugen, und für die Umwelt zu sorgen, die diese Lebensmittelerzeugung möglich macht.“[65]
An diesen Grundannahmen wird deutlich, dass das Konzept Solidarische Landwirtschaft sich nicht auf effiziente und gesunde Nahrungsmittelerzeugung und ‑verteilung beschränkt, sondern einen umwelt- und gesellschaftspolitischen Anspruch verfolgt. Häufig wird formuliert, dass die Solidarische Landwirtschaft besonders wichtig sei, um landwirtschaftliche Betriebe vor dem Wachstums- und Rationalisierungsdruck zu schützen, der seit Jahrzehnten zur Konzentration von Böden und Betriebsmitteln und damit zu einem kontinuierlichen „Höfesterben“ führt.[66]
Bezüge zu geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Ansätzen
Die bislang veröffentlichte Literatur zu CSA bzw. Solidarischer Landwirtschaft behandelt überwiegend Praxisgesichtspunkte oder soziologische Fragestellungen. Im Folgenden soll versucht werden, die Solidarische Landwirtschaft aus der Perspektive des deutschen Sprachraumes ideen- und theoriegeschichtlich zu verorten bzw. Bezüge zu einigen geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Ansätzen herzustellen. Letzteren ist gemeinsam, dass sie sich unter dem Begriff „Ökosoziale Transformation“[67] subsummieren lassen. Die Notwendigkeit des ökosozialen Wandels und des Wechsels in eine Postwachstumsökonomie wird aktuell mit der „Vielfachkrise im finanzmarktdominierten Kapitalismus“[68] begründet: Finanz- und Wirtschaftskrisen seit 2008 im euro-amerikanischen Wirtschaftsraum, Ernährungs-, Armuts- und Regierungskrisen im globalen Süden, Klimawandel mit zunehmenden Umweltkrisen und Naturkatastrophen, zunehmende Konkurrenz um natürliche Ressourcen, Zunahme an Kriegen, bewaffneten Konflikten und terroristischen Anschlägen, weiträumige Krisenmigration, Biodiversitätskrise. Allerdings zeigt ein Blick in die Vergangenheit am Beispiel der 100 Jahre alten Anthroposophie, dass weder die Elemente der ökosozialen Transformation gänzlich neu sind noch die empfundene Dringlichkeit ihrer Umsetzung für ein menschenwürdiges Leben und Miteinander (vgl. Kapitel 2.3.1).
Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass die aufgeführten theoretischen Ansätze auf die Notwendigkeit von sozialen (Basis-)Bewegungen und Selbstorganisation verweisen, weil die erforderlichen Paradigmenwechsel so einschneidend sind, dass von den wirtschaftlichen und politischen Hegemonen eine schnelle und umfassende Umsteuerung nicht zu erwarten ist.[69] Tatsächlich scheint allen CSA-Initiativen gemeinsam zu sein, dass sie auf privater bzw. bürgerschaftlicher Initiative beruhen. Es ist kein Staat, keine Kommune, keine große Körperschaft und kein Konzern bekannt, der bzw. die CSA-Projekte propagiert, gegründet, initiiert oder finanziell substanziell gefördert hätte. Es handelt sich demnach um Bottom-Up-Projekte und -Initiativen kleinerer Unternehmen bzw. von Privatpersonen, die dem Dritten Sektor zuzurechnen sind, weil sie sich ausdrücklich vom Markt distanzieren.
CSA bzw. Solawi-Initiativen dürften dem Social Entrepreneurship (Sozialunternehmertum) zuzurechnen sein, insofern man darunter nicht nur Unternehmungen aus dem Wohlfahrtsbereich, sondern allgemein solche mit Gemeinwohlbezug unter Betonung sozialer und ökologischer Belange versteht.[70]
2.3.1 Anthroposophie
Die von Rudolf Steiner[71] begründete Anthroposophie verbindet Elemente der esoterisch geprägten Theosophie[72], der Gnosis, des deutschen Idealismus, der Weltanschauung Goethes, christlicher Mystik, fernöstlicher Lehren sowie der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu Steiners Zeit miteinander.
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft geht auf Ideen Steiners zurück, die dieser 1924 in einer Reihe von acht Vorträgen auf Gut Koberwitz in der Nähe von Breslau skizzierte. Sie zeichnet sich u. a. durch Verzicht auf chemisch-synthetische Produktionsmittel, hohe Anforderungen an Tierwohl und Pflanzenzüchtung sowie eine spezielle biologisch-dynamische Präparatekunde aus. Biologisch-dynamisch wirtschaftende Landwirt*innen gründeten 1927 die Verwertungsgenossenschaft Demeter.
Anknüpfungspunkte für die solidarische Gemeinschaftsbildung zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen finden sich bei Steiners Forderung nach „Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben“. Diese ist Bestandteil seines Konzepts der „sozialen Dreigliederung“. Die soziale Dreigliederung beschreibt eine Sozialordnung, in der die Koordination der gesamtgesellschaftlichen Prozesse nicht zentral durch einen allzuständigen Staat oder eine einzige Führungselite erfolgt. Vielmehr werden die gesellschaftlichen Prozesse getrennt in drei autonomen, gleichrangigen Sphären, dem Geistes-, dem Rechts- und dem Wirtschaftsleben, gelebt und entwickelt. Der Begriff der „Brüderlichkeit“ ist dabei den Idealen der Aufklärung (und später Parolen der französischen Revolution) entlehnt, und soll das Grundprinzip im Wirtschaftsleben darstellen, so wie die Freiheit für das Geistesleben und die Gleichheit für das Rechtsleben (Staat im engeren Sinne) Leitmotive sein sollen. Nach diesem Konzept sollen Assoziationen (Genossenschaften) von Verbraucher*innen, Händler*innen und Produzent*innen in einem freien Markt gerechte Preise sowie eine gerechte Güterverteilung ermöglichen, wobei die Produktionsmittel von Privateigentum in Treuhandeigentum überführt werden sollen. Das auf diese Weise neutralisierte Kapital kann weder verkauft noch vererbt, sondern nur in einer Art Schenkung an neue Eigner*innen übertragen werden. Ein weiteres Prinzip dieses Konzepts ist die Überzeugung, dass Arbeit nicht bezahlbar ist. Der Warencharakter der menschlichen Arbeit ist nach Ansicht Steiners ein Überbleibsel der Sklaverei, deren vollständige Überwindung erst mit der Abschaffung des Lohnprinzips gegeben ist. Stattdessen sollen die Arbeitenden einen vereinbarten Anteil des Unternehmensgewinns, jedenfalls ein leistungsunabhängiges Einkommen erhalten.[73] Häufig wurde und wird das anthroposophische Wirtschaftsmodell als „Dritter Weg“ zwischen Privatkapitalismus und Staatssozialismus/-kommunismus bezeichnet.[74]
Anthroposophie in der Solawi-Bewegung
Die erste Solawi in Deutschland entstand 1986 auf dem Buschberghof in Fuhlenhagen (vgl. Kapitel 2.2.4), der bereits seit der Hofübernahme durch Carl-August Loss 1954 biologisch-dynamisch bewirtschaftet wurde. Das Ehepaar Heiloh und Carl-August Loss schenkte den Buschberghof mit rund 100 Hektar Land 1968 einer gemeinnützigen Trägerschaft[75] und arbeitete fortan mit den zwei Landwirtsfamilien Groh und Lehmann ohne eigenen Grundbesitz auf dem Buschberghof. Kennzeichnend für diese Hofgemeinschaft war, dass sie sich intensiv mit den gesellschaftspolitischen Ideen Rudolf Steiners auseinandersetzte. Wolfgang Stränz, 25 Jahre lang Schatzmeister der „Wirtschaftsgemeinschaft Buschberghof“ und heute Berater des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft bezieht sich explizit auf die anthroposophische „Dreigliederung des sozialen Organismus“[76].
Trauger Groh gründete in New Hampshire eine der ersten US-amerikanischen CSAs (vgl. Kapitel 2.2.4), während auf dem Buschberghof die Nachfolge-Generation die erste deutsche Solawi ins Leben rief). Die Gründerin von CSA North America[77], Robyn Van En, war als ausgebildete Waldorf-Erzieherin[78] ebenfalls anthroposophisch orientiert, ebenso ihre Mitstreiter*innen bei der Gründung der CSA „Indian Line Farm“ 1986.[79]
Heute wird rund ein Fünftel der an Solawis in Deutschland beteiligten Betriebe, darunter der in dieser Arbeit betrachtete Reyerhof, biologisch-dynamisch bewirtschaftet[80]. Der neue Betriebsleiter des Reyerhofs vermutet, dass für Demeter-Betriebe die Zusammenarbeit mit Solawi-Initiativen besonders einfach und naheliegend ist, weil die Anbau-Richtlinien z. B. in Fragen des Tierwohls und der Kreislaufwirtschaft sehr anspruchsvoll sind. Außerdem gründeten Demeter-Betriebsleiter*innen auch häufig selbst eine Solawi-Initiative, weil diese Art der Zusammenarbeit ihrem gesellschaftlichen Verständnis entgegenkäme.[81] Es liegt also nahe, die ideengeschichtlichen Wurzeln der Solawi (auch) in der Anthroposophie zu suchen.
Van Elsen und Kraiß zitieren Steiners „soziales Hauptgesetz“ aus dessen Schrift „Geisteswissenschaft und soziale Frage“ von 1905 als handlungsleitend für die Solidarische Landwirtschaft:
„Das Heil einer Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen ist umso größer, je weniger der einzelne die Erträgnisse seiner Leistungen für sich beansprucht, das heißt, je mehr er von diesen Erträgnissen an seine Mitarbeiter abgibt, und je mehr seine eigenen Bedürfnisse nicht aus seinen Leistungen, sondern aus den Leistungen der anderen befriedigt werden.“[82]
In der Solidarischen Landwirtschaft sind mehrere Elemente des „brüderlichen Wirtschaftslebens“ verwirklicht: Die Assoziationen zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen einerseits und die Abkopplung des von den Verbraucher*innen gezahlten Entgeltes von der konkreten Ware und von der in der Ware enthaltenen menschlichen Arbeit der Erzeuger*innen andererseits. In etlichen SoLaWiS sind zudem auch die Produktionsmittel vergesellschaftet, so dass sie nicht Eigentum der Betriebsleiter*innen sind, sondern beispielsweise einer Stiftung, einer Kommanditgesellschaft (wie der in dieser Arbeit betrachtete Reyerhof) oder einer Genossenschaft gehören.
2.3.2 Gemeinwohl-Ökonomie
Obgleich in dem Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ von Christian Felber[83] Rudolf Steiner nur ganz am Rande vorkommt, darf das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie wohl in einem Zusammenhang mit anthroposophischen Ideen gesehen werden.
Wo die Anthroposophie die soziale Dreigliederung mit den aufklärerischen Werten „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verbindet, stellt Felber den universalen Wert der Menschenwürde als Voraussetzung von Freiheit und Gleichheit bzw. Gleichwertigkeit aller Menschen in den Vordergrund. Er postuliert, dass diese nicht gewährleistet werden könnten, wenn im Wirtschaftsleben nicht dieselben Werte handlungsleitend sind wie im Privatleben, nämlich Empathie, Kooperation, Solidarität, Verantwortungsübernahme etc.[84]
Aus diesem Paradigma leitet Felber ebenfalls einen „Dritten Weg“ zwischen Privatkapitalismus und Staatssozialismus ab („Kooperative Marktwirtschaft“), der private Wirtschaftsunternehmen zwar zulässt, jedoch die Rechtsordnung so gestalten will, dass „die Systemweichen der Marktwirtschaft von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation umgestellt werden“[85]. Hierfür sollen Unternehmens-, Körperschafts- und Staatsbilanzen auf Gemeinwohl-Bilanzen mit den messbar gemachten Elementen Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Demokratie umgestellt werden. Körperschaften und Unternehmen mit höheren Bilanzerträgen sollen staatlich belohnt, solche mit niedrigen Bilanzergebnissen sanktioniert werden, so dass sie sich nicht dauerhaft halten können.[86] Die Struktur der Gemeinwohl-Bilanzen, also die Definition und Gewichtung der Kriterien, soll demokratisch erarbeitet und Verfassungsbestandteil werden.[87]
Der Unternehmensgewinn wird vom Unternehmensziel zum Mittel zur Erreichung der Unternehmensziele herabgestuft. Dies soll dazu beitragen, dass Unternehmen vom „Wachstums- und Fresszwang“ erlöst werden und die den Unternehmenszielen angepasste Größe erreichen und beibehalten können, soweit sie einen ausreichenden Gemeinwohl-Beitrag leisten.[88] Ab einer Mindestanzahl von Beschäftigten sollen private und öffentliche Unternehmen der Mitbestimmung und dem Miteigentum von Beschäftigten und Allgemeinheit unterliegen.
Privates Einkommen und Vermögen sollen auf einen demokratisch vereinbarten Maximalwert begrenzt werden. Privates Eigentum an Naturgütern, insbesondere an Boden bzw. Grundflächen soll es nach Felbers Vorschlag gar nicht mehr geben. Vielmehr werden Grundflächen für verschiedene Bedarfe wie Wohnen, Landnutzung oder Gewerbe von den Gemeinden kostenlos oder gegen Nutzungsgebühren zugeteilt. Die Zuteilung und die Nutzungsbedingungen sollen sich an den Gemeinwohlbilanzen der Unternehmen orientieren.[89]
Explizit bezieht sich Felber auf andere Initiativen, die das Bruttosozialprodukt als Erfolgsparameter und Wohlstandsindikator für Volkswirtschaften ablösen wollen[90], sowie auf die Genossenschafts- und Commons-Bewegungen[91].
CSA bezeichnet Felber aufgrund der wechselseitigen Verantwortungsübernahme und dem Beziehungsaufbau zwischen Erzeuger*innen und Verbraucher*innen als Beispiel bzw. Vorbild für die Umsetzung der Gemeinwohl-Ökonomie[92].
Gemeinwohl-Ökonomie in Praxis und Politik
Die von Felber entworfene Gemeinwohl-Ökonomie hat ihre größten Stärken sicherlich weniger in ihrer Theoriebildung, als vielmehr in der Dynamik, die sie bereits ausgelöst hat: Seit 2010 haben sich in neun Ländern Dachverbände gegründet, die die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie mit Regionalgruppen und Akteur*innengruppen voranbringen wollen. 120 Unternehmen überwiegend aus dem Dienstleistungsbereich, aber auch 14 Landwirtschafts- und Gärtnereibetriebe, haben eine Gemeinwohl-Unternehmensbilanz nach Felberss Vorschlägen veröffentlicht[93], was einen längeren Bilanzierungsprozess mit einem externen Audit voraussetzt.
Die Gemeinwohl-Ökonomie und die Gemeinwohl-Bilanzierung haben verschiedentlich auch Eingang in regierungsamtliche Strukturen gefunden. So hat der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union (EWSA) im September 2015 eine Erklärung verabschiedet, in der unter anderem betont wird, dass sich die Gemeinwohl-Ökonomie „innerhalb“ der Marktwirtschaft realisieren lasse. Der EWSA fordert, die Gemeinwohl-Ökonomie solle in die europäische und nationale Gesetzgebung aufgenommen werden, damit eine „europäische ethische Marktwirtschaft, die soziale Innovationen, Beschäftigung und Umweltschutz fördert“ realisiert werden könne.[94]
Im Koalitionsvertrag der Landesregierung Baden-Württemberg vom Mai 2016 verpflichtet sich die Landesregierung aus Bündnis 90/Die Grünen und CDU auf ein „Pilotprojekt Gemeinwohlbilanz“ bei einem Unternehmen mit Landesbeteiligung, dessen Ergebnisse „privatwirtschaftlichen Betrieben, die dies wünschen“ zur Verfügung gestellt werden sollen. Darüber hinaus begrüßen die Koalitionspartnerinnen „neue Formen des Wirtschaftens wie Gemeinwohlökonomien, weil sie als soziale Innovationen die Bürgergesellschaft stärken können“.[95]
In Stuttgart gibt es eine recht rege Gemeinwohl-Ökonomie-Szene. Im Jahr 2012 wurde anlässlich eines Vortrags von Felber in der Stuttgarter Volkshochschule von 88 Unternehmer*innen und Bürger*innen (darunter mindestens ein SoLaWiS-Aktiver) die „Initiative Gemeinwohlökonomie (GWÖ) Region Stuttgart“ gegründet. Sie hat derzeit rund 30 aktive Mitglieder.[96] Nachdem in den Folgejahren einige Stuttgarter Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt hatten und es eine Informationsveranstaltung bei der Stuttgarter Industrie- und Handelskammer gegeben hatte, ist auch die Stadt Stuttgart aktiv geworden: Auf Antrag der Grünen Gemeinderatsfraktion im Jahr 2015[97] wurde von der Stadt ein Konferenzreihe „Zukunftsinvestition Gemeinwohl“ initiiert und die städtische Wirtschaftsförderung beauftragt, bei vier städtischen Unternehmen eine Gemeinwohlbilanz-Erstellung anzustoßen und zu finanzieren.
Auch die in dieser Arbeit betrachtete Reyerhof KG hat gemeinsam mit zwei weiteren privaten Unternehmen einen Gemeinwohl-Bilanzierungsprozess durchlaufen und im September 2017 ihre Gemeinwohl-Bilanz gemeinsam mit den städtischen Unternehmen im Stuttgarter Rathaus vorgestellt.[98] Nach Ansicht des früheren Betriebsleiters hat die Gemeinwohlbilanz Bezüge zur Solawi, bezieht aber als systematischer Ansatz Aspekte mit ein, die noch nicht Thema zwischen Reyerhof und SoLaWiS waren.[99]
2.3.3 Solidarische Ökonomie
Die Gemeinwohl-Ökonomie lässt sich einordnen in die vielfältigen theoretischen und praktischen Ansätze der „Solidarischen Ökonomie“. Der Diskurs zur Solidarischen Ökonomie ist häufig deckungsgleich beziehungsweise hat viele Überschneidungen mit dem etwas wissenschaftlicher klingenden Begriff des „Transformativen Wirtschaftens“[100].
Nachdem der Begriff „Solidarische Ökonomie“ bereits in den 1970er Jahren in Lateinamerika, u. a. in Brasilien (portugiesisch „economia solidária“) geprägt wurde, war ein wichtiger Meilenstein für die Auseinandersetzung mit diesem Begriff in Deutschland der Kongress „Solidarische Ökonomie im globalisierten Kapitalismus“ in Berlin mit 1.400 Teilnehmer*innen und Referent*innen aus 13 Ländern im Jahr 2006.[101] Es existieren in Mitteleuropa bzw. im deutschsprachigen Raum mittlerweile neben zahlreichen Veröffentlichungen[102] zu „Alternativer Ökonomie“, „Solidarökonomie“, „Solidarischer Ökonomie“, „Sozialer Ökonomie“ und „Commoning“/“Commons“[103] auch Lehrstühle und staatliche Einrichtungen zu diesem Themenkreis.[104] Dabei sind sich die Autor*innen weitgehend einig, dass es bisher keine wissenschaftlich anerkannte Definition des Begriffs „Solidarische Ökonomie“ gibt, sondern dass es sich um einen pluralistischen Praxisbegriff handelt.
Thomas Richter fasst neben gesellschaftlichen Transformationstheorien und der Produktion realer Güter in solidarökonomischen Unternehmen auch das Streben nach einem Gesamtkonzept einer neuen Lebens- und Arbeitsweise unter den Begriff „Solidarische Ökonomie“[105].
Allen Ansätzen gemeinsam ist, dass sie Lösungen von gesellschaftlichen Problemen und Möglichkeiten zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse „jenseits von Markt und Staat“[106], also ebenfalls einen „Dritten Weg“ suchen. Dies heißt nicht, dass die Existenz von Markt (zum Tausch von Waren und Dienstleistungen) und Staat (zur Setzung von Regeln und Normen) grundsätzlich abgelehnt würde. Vielmehr wird in den Ansätzen der Solidarischen Ökonomie und den damit einhergehenden Aneignungsprozessen das Potenzial gesehen, auch Markt und Staat besser an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten.
Den kleinsten gemeinsamen Nenner zur Kennzeichnung Solidarischer Ökonomie definiert Elisabeth Voß wie folgt:
- Alle wirtschaftliche Tätigkeit ist auf den Nutzen und nicht auf den Gewinn orientiert.
- Nicht die Menschen ordnen sich der Wirtschaft unter, sondern die Wirtschaft den Menschen.[107]
Andreas Exner dagegen vertritt – in dezidierter Abgrenzung zu Felbers Gemeinwohl-Ökonomie – eine weitergehende, „kapitalismusüberwindende“ Definition, welche das Leitbild der „Solidarischen Ökonomie“ in Brasilien wiedergebe. Diese Definition umfasst die vier Merkmale „Kooperation“, „Selbstverwaltung“, „ökonomische Funktion“ und „Solidarität mit der Gesellschaft“.[108] Exners weitergehende Definition grenzt allerdings viele Projekte und Bewegungen aus, die von mehreren Autor*innen unter „Solidarische Ökonomie“ subsummiert werden, sei es, weil nicht alle Beteiligten eines Projekts ein Einkommen daraus generieren oder weil im Projekt oder Betrieb keine vollständige Gleichberechtigung herrscht.
Solidarische Ökonomie und Solidarische Landwirtschaft
James B. Quilligan entwirft ein Bild der Commons, das gut auf die Solidarische Landwirtschaft passt:
„Diese Nutzergemeinschaften funktionieren im Grunde nach Produktions- und Managementprinzipien, wie sie im Neoliberalismus geradezu idealisiert werden: Spontaneität, sich selbst regulierende Freiheit (wie auf dem Markt) und regelbasierte Gleichberechtigung (wie jene, die vom Staat durchgesetzt wird). Wenn aber aus Konsumenten Koproduzenten von Gütern und Dienstleistungen werden, die sie selbst brauchen, dann überwindet ihr verbindendes Tun nicht nur Privatisierung und Zentralisierung, sondern auch die Vorstellung, dass Institutionen nur von oben verändert werden können. […]. Anders als in den Lieferketten der Warenproduktion oder im bürokratischen Herstellungsprozess der öffentlichen Dienstleistungen bleibt durch die kooperative Herstellung und Handhabe von Dingen die Entscheidungsfreiheit der Individuen gewahrt.“[109]
In der „Vision“ der SoLaWiS-Initiative wird explizit auf Commons Bezug genommen:
„Lebensnotwendige Ressourcen wie Wasser, Atmosphäre, Böden und Wälder sowie Wissen, Bildung, Produktionsmittel und Gesundheitswesen werden gemeinschaftlich als „Commons“ (Gemeingüter) organisiert und stehen allen gleichermaßen zur Verfügung. […] Anstelle von Konkurrenzdenken treten Zusammenarbeit und Austausch.“[110]
Die SoLaWiS-Initiative will sich explizit als „Knoten in einem solidarökonomischen Netzwerk“ verstehen und „Ansprechpartner für solidarisches und commonsbasiertes Wirtschaften“ sein[111]. Ein SoLaWiS-Aktiver bezeichnet die Solawi als „marktüberwindende Community“[112].
2.4 Nachhaltigkeitsdiskurse und nachhaltige Stadtentwicklung
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Nachhaltigkeitsbezüge und -vorteile die Solidarische Landwirtschaft aufweist, die sich auch in eine nachhaltige Stadtentwicklung integrieren lassen.
2.4.1 Nachhaltigkeitsdiskurse und -ansätze
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde im 18. Jahrhundert zunächst im Bereich der nachhaltigen Ressourcennutzung verwandt, so von dem sächsischen Forstwissenschaftler Hans Carl von Carlowitz, der von einer „nachhaltenden Nutzung“ schrieb[113] und damit meinte, dass nicht mehr Holz eingeschlagen werden dürfe als nachwächst. Es geht beim Thema Nachhaltigkeit demnach um die Endlichkeit der Ressourcen (zum Beispiel Trinkwasser und fruchtbare Böden, fossile und mineralische Rohstoffe) und in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch um die Endlichkeit des Naturhaushalts als Senke für menschliche Abfälle unterschiedlicher Aggregatzustände (zum Beispiel Atmosphäre und Meere als CO2-Senke).
Zum zentralen politischen Konzept wurde die „Nachhaltigkeit“ Ende der 1980er Jahre, als von internationalen Gremien und Konferenzen ein gemeinsames Leitbild zur Überwindung der Entwicklungskrise des globalen Südens und der Umweltkrise des globalen Nordens gesucht wurde. Zentrales Dokument dieser Zeit ist der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen von 1987.[114]
Dimensionen und Strategien der Nachhaltigkeit
Klassischerweise werden Handlungen und Politiken anhand der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales[115] und der drei Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz, Konsistenz, Suffizienz[116] interpretiert. Effizienz (Ergiebigkeit) verlangt dabei den geringstmöglichen Einsatz materieller Ressourcen zur Erreichung eines Ziels, Konsistenz (Verträglichkeit) die geringstmögliche Beeinträchtigung ökologischer und sozialer Schutzgüter, und Suffizienz (Genügsamkeit) die größtmögliche Sparsamkeit an Einsatz von Energie und Ressourcen bei gleichzeitiger Erfüllung der „echten“ Bedürfnisse (nicht Wünsche)[117] aller Menschen.
Ein Beispiel für die enge Verknüpfung der drei Strategien ist die nachhaltige Ernährung der Weltbevölkerung ist das Folgende: Wichtige Voraussetzung zur Ernährung der Weltbevölkerung sind laut Weltagrarbericht von 2008[118] der Erhalt der Biodiversität und damit der natürlichen Lebensgrundlagen (ökologische Dimension) und der Zugang zu Land für Klein- und Subsistenzbäuer*innen (soziale und ökonomische Dimension). Diese Ziele und Dimensionen erfordern die Schonung naturschutzrelevanter Flächen und den weitgehenden Ausschluss von chemisch-synthetischen Pestiziden und Kunstdüngern sowie Verteilungs- und Sicherungsmechanismen für landwirtschaftliche Flächen (Konsistenzstrategien). Die Folge sind geringere Erträge pro Flächeneinheit als in der industriellen Landwirtschaft, die fossile Rohstoffe als Produktionsmittel einsetzt. Damit die Lebensmittel dennoch für die Weltbevölkerung ausreichen, sind Suffizienzstrategien (Verringerung des Fleischverbrauchs und des Einsatzes landwirtschaftlicher Produkte als Treib- und Rohstoffe) und Effizienzstrategien (Verringerung der Abfallanteile in Land- und Lebensmittelwirtschaft) erforderlich. Das Beispiel zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht erreicht werden kann, wenn nicht mehrdimensional agiert und alle Strategien kombiniert werden.
Kritik am Drei-Säulen-Modell
Felix Ekardt, der eine umfassende „Theorie der Nachhaltigkeit“ vorgelegt hat, lehnt das häufig propagierte „Drei-Säulen-Modell“, nämlich die ausgewogene Verfolgung ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele, als zu weite Definition von Nachhaltigkeit ab. Er begründet dies mit einer zu großen begrifflichen Beliebigkeit und der suggerierten Gleichwertigkeit unterschiedlicher Ziele. So erlaube es das „Drei-Säulen-Modell“ beispielsweise, das Gewinnstreben von Unternehmen und das Ziel der Abschwächung des anthropogenen Klimawandels gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Ekardt verlangt dagegen, bei Nachhaltigkeitsbeurteilungen und -entscheidungen stets die intergenerationelle bzw. intertemporale und die globale Gerechtigkeitsperspektive zu berücksichtigen. Seine Nachhaltigkeitsdefinition mit Berufung u. a. auf den Brundtland-Bericht lautet entsprechend: „Nachhaltigkeit ist die dauerhafte und globale Praktizierbarkeit von Lebens- und Wirtschaftsweisen“.
Transformation in der Nachhaltigkeitsdebatte
Vor einigen Jahren ist der Begriff der Transformation in der Nachhaltigkeitsdebatte aktuell geworden. Denn alle, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, stellen fest, dass es leichter ist, Nachhaltigkeitsziele festzulegen, als den Weg dahin zu beschreiben und vor allem auch zu beschreiten. Transformation meint in diesem Zusammenhang den aktiv betriebenen Übergang in eine nachhaltig lebende und wirtschaftende Gesellschaft, die sowohl globalen als auch intergenerationellen Gerechtigkeitsansprüchen genügt. So hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sein Hauptgutachten von 2011 „Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ genannt.[119]
Der WBGU fordert einen „gestaltenden Staat, der ausbalanciert werden sollte durch erweiterte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger“. Demnach soll der Staat klare Nachhaltigkeitsziele, eine „entsprechende Makroordnung“ und ein „effektives rechtliches Instrumentarium“ setzen, um die Transformation zu realisieren.[120]
Von den sozial-ökologischen Vordenker*innen für transformatives Wirtschaften wird häufig eine Überwindung des kapitalistischen Gewinnstrebens und ebenfalls eine nicht (nur) marktorientierte, sondern gesellschaftspolitische Steuerung der Wirtschaft gefordert.[121] Dabei nehmen sie viel stärker als der WBGU, der sich vor allem an die Regierung(en) richtet, die Zivilgesellschaft in den Blick (vgl. Kapitel 2.3). Der Politikwissenschaftler Ulrich Brand verwendet ebenfalls den Begriff der sozial-ökologischen Transformation, kritisiert jedoch die implizite Annahme z. B. des WBGU, dass „der Staat“ per se ein Interesse an der Herstellung des Gemeinwohls habe, und fordert eine genauere Untersuchung der staatlichen und gesellschaftlichen Konstellationen und Steuerungsmöglichkeiten.[122] Dabei bezieht er sich auf den Wirtschaftssoziologen Karl Polanyi.[123] Der nutzte den Begriff der „Großen Transformation“ in seinem Werk „The Great Transformation“ von 1957 ursprünglich für die Bewegung in die umgekehrte Richtung: Er beschrieb am Beispiel der historischen Entwicklung in England im 19. Jahrhundert die Entstehung der „Marktgesellschaft“ durch die zunehmende – teilweise gegen Widerstände durchgesetzte – Vermarktung der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Geld als „fiktive Waren“ und damit einhergehend die Entkopplung des Marktgeschehens von sozialen Bezügen und Werten durch die fortschreitende kapitalistische Kommodifizierung aller gesellschaftlichen Strukturen. Polanyis Werk liefert eher kapitalismuskritische Analysegrundlagen denn eine Anleitung zur sozial-ökologischen „Rück-Transformation“[124], vermittelt jedoch die Zuversicht, dass die eine wie die andere gesellschaftliche Entwicklung politisch steuerbar ist und nicht unbeeinflussbar-evolutionär abläuft.
Geschichte der Nachhaltigen Stadtentwicklung
Das Themenfeld der Nachhaltigen Stadtentwicklung beruht ebenfalls auf den Ergebnissen des bereits erwähnten Brundtland-Reports von 1987. Für die internationale Bewegung zur Nachhaltigen Stadtentwicklung war die „Agenda 21“ entscheidend, die auf dem „Weltgipfel“ von Rio de Janeiro, einer UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 verabschiedet wurde. In Kapitel 28 wurde die entscheidende Rolle der Kommunen dargestellt:
„Kommunen errichten, verwalten und unterhalten die wirtschaftliche, soziale und ökologische Infrastruktur, überwachen den Planungsablauf, entscheiden über die kommunale Umweltpolitik und kommunale Umweltvorschriften und wirken außerdem an der Umsetzung der nationalen und regionalen Umweltpolitik mit.“[125]
In Kapitel 28.3 wurde vorgeschlagen, dass alle Kommunalverwaltungen in einen Dialog mit ihren Bürger*innen, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eintreten und eine "Kommunale Agenda 21" beschließen sollen. Kommunale Leitlinien, Satzungen und Programme sollten mit Hilfe der Konsultationen auf ihre Nachhaltigkeit hin überprüft und angepasst werden.[126]
Tatsächlich entstanden in vielen deutschen Städten und Gemeinden „Lokale Agenda 21“-Initiativen und damit vielerorts erstmals eine formale Verbindung von bürgerschaftlichem Engagement zu lokalen Anliegen mit kommunalen Gremien und Verwaltungen. Heute, 25 Jahre später, gibt es in vielen deutschen Kommunen keinen lokalen Agenda 21-Prozess unter diesem Namen mehr. Der Ansatz hat sich in etlichen Kommunen in Projekten und Einzelaktionen (meist zu Umweltthemen) erschöpft, ohne tatsächlich eine nennenswerte Transformation der Kommunen in Richtung Nachhaltigkeit zu erreichen. Allerdings gab es in Baden-Württemberg auch im Jahr 2016 noch in rund 10 % der Städte und Gemeinden Agenda 21-Aktivitäten.[127]
Auf internationaler Ebene wurde im Jahr 2015 beim Gipfeltreffen der Vereinten Nationen die Agenda 21 von der Agenda 2030 abgelöst. Letztere enthält 17 globale Ziele[128] für die nachhaltige Entwicklung. Das Ziel Nr. 11 lautet: „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten.“ Teilziele des Ziels Nr. 11 betreffen die Bereiche Wohnen, Mobilität, Senkung der Umweltbelastung, zugängliche Grünflächen und öffentliche Räume.[129]
Manche Kommunen vollzogen entsprechend den Wechsel von einer „Lokalen Agenda 21“ zu einer „Lokalen Nachhaltigkeitsstrategie“, um einen neuen Anlauf mit mehr strategischer Planung zu nehmen. Der Gedanke der Nachhaltigen Stadtentwicklung unter Beteiligung der Bürgerschaft hat sich in vielen Städten und Gemeinden jedenfalls gehalten und die Diskurse zur nachhaltigen Stadtentwicklung wurden und werden vielerorts fortgesetzt und diversifiziert.
Nachhaltige Stadtentwicklung und alternative Ernährungsnetzwerke
Allerdings werden auch bei neueren kommunalen Nachhaltigkeitsstrategien die Belange der städtischen Ernährung und Versorgungsbeziehungen weitgehend außen vor gelassen. Dies findet sich auch in der internationalen Agenda 2030 wieder: Das Ziel 2 („Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern“) weist auch in seinen Teilzielen keine Verbindung zum Ziel 11 der nachhaltigen Stadtentwicklung auf.[130] Dasselbe gilt für die „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“, die 2007 von den zuständigen Ministern der EU-Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde.
Erst in jüngster Zeit werden landwirtschaftliche und gärtnerische Versorgungsstrukturen zumindest von den Raum- und Planungswissenschaften als urbanes Thema entdeckt.[131] Dazu haben weniger Aktivitäten und Entscheidungen der städtischen Verwaltung und Gremien als vielmehr zivilgesellschaftliche Initiativen beigetragen, wie z. B. urbane Gemeinschaftsgärten (Urban Gardening), Selbsternteprojekte, Ernährungsräte und eben die Solidarische Landwirtschaft, allesamt Erscheinungsformen des informellen Urbanismus[132] im Ernährungsbereich.
2.4.2 Beitrag der Solidarischen Landwirtschaft zur Nachhaltigkeit
Zur besseren Übersicht wird im Folgenden zur Nachhaltigkeitsbeurteilung der Solidarischen Landwirtschaft nach den drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales gegliedert.
Bei der Beschreibung und Bewertung der Nachhaltigkeitskriterien ist zu beachten, dass Solawis eine besondere Form der Direktvermarktung[133] darstellen und in aller Regel mit biologisch wirtschaftenden Landwirtschafts- oder Gärtnereibetrieben praktiziert werden. Beide Bedingungen haben spezifische Auswirkungen auf ökologische, ökonomische und soziale Aspekte, die aber von der speziellen Solawi-Praxis teilweise modifiziert oder verstärkt werden.
Ökologische Aspekte
Bei der Solidarischen Landwirtschaft, soweit sie – was die Regel ist – mit Bio-Betrieben kooperiert, kommen verschiedene Suffizienz- und Konsistenzvorteile des ökologischen Landbaus zum Tragen: Durch den Verzicht auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Pestizide werden der Einsatz von fossilen Rohstoffen, der Energieaufwand und damit auch die Emission klimawirksamer Gase pro Flächeneinheit deutlich reduziert, insbesondere im Ackerbau. Auch die Belastung von Boden, Grund- und Oberflächengewässern durch Stoffeinträge aller Art (mineralische und organische Düngemittel, Pestizide, Reinigungs- und Arzneimittel) ist in aller Regel geringer als in der konventionellen Landwirtschaft. Unter anderem deswegen, weil es für die Bio-Landwirtschaft Vorschriften zur Flächenbindung in der Tierhaltung gibt: In einem Betrieb darf nicht mehr tierischer Dünger erzeugt werden, als von den betrieblichen Flächen aufgenommen werden kann und es darf nur begrenzt Futter zugekauft werden[134]. Zu beachten ist, dass die ökologische Überlegenheit des Öko-Landbaus zwar durchgehend je Flächeneinheit, nicht in jedem Fall jedoch (insbesondere in Bezug auf organische Dünger und CO2-Emissionen) je Produkteinheit gilt, da im ökologischen Landbau regelmäßig geringere Erträge je Flächeneinheit erzielt werden.[135]
Generell lässt sich außerdem sagen, dass der ökologische Landbau vorteilhaft für die Biodiversität ist, also die Arten- und Sortenvielfalt sowie die genetische Vielfalt. Auf Bio-Anbauflächen leben regelmäßig mehr wildlebende Tier- und Pflanzenarten und -individuen als auf konventionell bewirtschafteten Flächen, auch das Bodenleben (z. B. Regenwürmer, Spinnmilben) ist in der Regel reicher und vielfältiger. Der Anteil an naturnahen Flächen ist bei Bio-Betrieben durchschnittlich höher als bei konventionell wirtschaftenden Betrieben.[136] Da gerade in der Agrarlandschaft die Biodiversität am stärksten bedroht ist, ist hier ein ganz wesentlicher Konsistenz- und damit Nachhaltigkeitsvorteil der Bio-Landwirtschaft zu sehen. Auch bei den Nutztieren und -pflanzen tragen etliche Bio-Betriebe zur biologischen Vielfalt bei, indem sie teilweise seltene Rassen und Sorten jenseits des „Mainstreams“ einsetzen, seien es alte Nutztierrassen und Pflanzensorten oder Neuzüchtungen, die sich zum Beispiel durch besondere Robustheit, Genügsamkeit oder Vielseitigkeit auszeichnen. Insgesamt ist die Fruchtfolge biologisch wirtschaftender Betriebe vielfältiger als die konventionell wirtschaftender, was weitere Biodiversitätsvorteile schafft.[137] Durch den generellen Ausschluss der Agro-Gentechnik und chemisch-synthetischer Pestizide folgt die Bio-Landwirtschaft dem ökologischen Vorsorgeprinzip und vermeidet damit die von diesen Stoffen und Organismen ausgehenden Biodiversitätsgefahren, zum Beispiel irreversible genetische Verunreinigung oder Verdrängung wildlebender Tier- und Pflanzenarten. Durch den gezielten Humusaufbau in den Ackerböden vieler ökologisch wirtschaftender Betriebe wird zudem die Bodenerosion vermindert.
Umweltvorteile durch Solidarische Landwirtschaft
Soweit der Betrieb schon zuvor ökologisch gewirtschaftet hat, werden die genannten Umweltvorteile des Öko-Landbaus nicht erst durch die Solawi verursacht. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen ein Betrieb erst veranlasst durch den Aufbau einer Solawi mit der Umstellung auf ökologischen Landbau begonnen hat oder ein biologisch wirtschaftender Betrieb im Rahmen einer Solawi neu aufgebaut wurde.
Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen die Solawi strengere oder weitergehende ökologische oder naturschutzfachliche Praktiken, die je nach Öko-Zertifizierungssystem nicht verpflichtend wären, einfordert: Beispielsweise eine größere Sortenvielfalt beim Gemüse, dem Hauptprodukt der meisten Solawis, oder eine sonstige Diversifizierung, z. B. bei der Tierhaltung. Denkbar wäre auch, dass eine Solawi ihren Betrieb zu einer Umstellung der Rinderfütterung von Wiesenschnitt und Ackergras zu Weidegang bzw. Gras- und Maissilage auf Heu bewegt, was zu einer Extensivierung und damit Biodiversitätsgewinnen auf den Wiesen führt.
Denkbar sind auch Anstöße zu und Mithilfe bei einer weitergehenden Hof- und Kulturlandschaftspflege, die der Biodiversität zugutekommen, wie zum Beispiel: Anlage, Erhalt und Pflege von Bauerngärten, Streuobstbäumen, Hecken, Kleingewässern, Blüh- und Bracheflächen, Saumstrukturen und weiteren Landschaftselementen sowie Nisthilfen für Bilche, Vögel, Fledermäuse und Insekten, die Anlage von Fassaden- oder Dachbegrünungen und/oder von offenen Bodenstellen für Vögel und Insekten. Bei all diesen Arbeiten – wie bei der Unkrautbekämpfung, Ernte, Verarbeitung etc. – ist eine Mithilfe von Solawi-Mitgliedern denkbar, so dass tendenziell mehr Kapazitäten für Naturschutz und Landschaftspflege zur Verfügung stehen und die entsprechenden Tätigkeiten ausgedehnt werden können.[138]
Weitere wichtige Nachhaltigkeitsaspekte der Solawi sind Abfallvermeidung bei der Verpackung der Produkte und Energieeinsparung beim Transport. Die Solawi-Produkte werden in der Regel lose in Mehrweg-Gemüsekisten, Pfandglas (Milchprodukte, Honig) und Papier (z. B. bei Käse, Brot oder Mehl) transportiert, die Mitglieder bringen ihr darüber hinaus benötigtes (Mehrweg-)Verpackungsmaterial selbst zu den Verteilstellen mit. Bei der Abfallvermeidung dürften die Solawi- Modelle gleichauf liegen mit anderen Systemen der Direktvermarktung im Bio-Bereich: Kisten-Lieferdienste und – mit Einschränkungen, weil hier noch mehr Papier- und Plastiktüten zum Einsatz kommen – Hofladen, Wochen- oder Bauernmarkt. Im Unterschied dazu werden dieselben Produktgruppen im Lebensmitteleinzelhandel mit deutlich mehr Verpackungsmaterial mit außerdem höherem Kunststoff- und geringerem Mehrweganteil verkauft. Nicht zu unterschätzen ist auch die Vermeidung organischer Abfälle im Einzelhandel: Die in Discountern und Supermärkten weggeworfenen Lebensmittel verursachen wiederum Ressourcenverbrauch und Emissionen beim Transport zu den Orten ihrer Verwertung bzw. Entsorgung.
Von der Länge der Transportwege her und damit vom Verbrauch fossiler Rohstoffe und von Primärenergie sowie der Emission von Schadstoffen dürften die zuvor genannten Direktvermarktungssysteme ebenfalls in etwa vergleichbar sein. Die Direktvermarktung ist auch beim Transport aus Nachhaltigkeitssicht in der Regel vorteilhafter als der Großhandel mit seinen bundesweiten und internationalen Lieferketten.[139] Dies gilt umso mehr, je größer der Direktvermarktungsanteil am Lebensmittelkonsum der beteiligten Haushalte ist und je größer der Wegeanteil, der zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird[140]. Allerdings dürfte es sich unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten lohnen, jedes (Solawi-)Modell einzeln zu betrachten und die Logistik auf kurze Wege und sparsame, emissionsarme Fahrzeuge zu optimieren.[141]
Ökonomische Aspekte
Bei den ökonomischen Auswirkungen der Solawi sind zunächst der landwirtschaftliche Betrieb und die bei ihm Beschäftigten in den Blick zu nehmen.
Biologisch wirtschaftende Betriebe erzielen in der Regel höhere Preise für ihre Produkte.[142] Soweit sie an den Bio-(Einzel-)Handel und nicht große Einzelhandelskonzerne verkaufen, können sie von einer höheren Preisstabilität und einer weniger konkurrenzgeprägten Handelsstruktur profitieren. Zudem haben sie in der Regel geringere Einkaufskosten für Produktionsmittel (insbesondere Dünger, Futter- und Pflanzenschutzmittel) als konventionelle Betriebe. Andererseits fallen für die Bio-Zertifizierung zusätzliche Kosten an.
Durchschnittlich kommen in Deutschland nur etwa 26 % der Verkaufspreise für Lebensmittel im Einzelhandel bei den landwirtschaftlichen Betrieben an[143]. Der Rest wird für Verarbeitung und Verpackung, Transport und Logistik, Werbung und Handel eingesetzt. Anders in der Direktvermarktung: 100 % des Verkaufspreises erhält der landwirtschaftliche Betrieb. Die Abhängigkeit von konventionellen Vermarktungswegen und dem Großhandel entfällt, die Verkaufspreise können selbständig gestaltet werden. Durch den regelmäßigen Absatz kann der Betrieb in der Regel eine höhere ständige Liquidität generieren als beim Absatz an den Großhandel. Beim Ab-Hof-Verkauf kommt dazu, dass die Vorgaben des Handelsklassengesetzes und der Vermarktungsnormen nicht eingehalten werden müssen[144], so dass beispielsweise Gemüse oder Obst mit Spuren von Schädlingsbefall noch verkäuflich ist und so weniger Lebensmittelabfall entsteht.
Andererseits haben direktvermarktende Betriebe in der Regel höhere Werbungs-, Logistik- und Arbeitskosten für die Warenlagerung (häufig Lager mit Kühlvorrichtungen), die Warenkonfektionierung (Portionieren, Verpacken), die Warenauslage (z. B. Hofladen, Automaten, Verkaufsstand, Online-Shop) und den Warentransport.
Die genannten Effekte führen unter dem Strich zu einer geringeren Abhängigkeit der Betriebe von Marktpreisen und Handelsunternehmen und damit zu einem verringerten Konkurrenzdruck[145], der zu dem in Kapitel 2.1 geschilderten Effekt des „Wachsen oder Weichen“ führt.
Ökonomische Vorteile durch Solidarische Landwirtschaft
Als zentrale ökonomisch entlastende Elemente für einen Solawi-Betrieb sind zu nennen: die Planungssicherheit, die Marktunabhängigkeit[146] und der Wegfall des finanziellen Ertragsrisikos. Das Gros der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe hat ständig mit Ertrags- und Marktunsicherheiten zu kämpfen, verbunden mit den Fragen: Wie werden sich die Marktpreise für die verschiedenen Produkte entwickeln? Was soll der Betrieb in welcher Menge produzieren? Wie fallen die Ernteerträge nach Menge und Qualität aus? Kann der Betrieb alle erzeugten Produkte auch verkaufen? Wann ist der richtige Verkaufstermin für die Erzielung des optimalen Preises? Reichen die Verkaufserlöse, um die aufgenommenen Kredite zu bedienen und zu tilgen? All diese Fragen haben sich für einen Solawi-Betrieb erledigt (oder relativieren sich zumindest, wenn der Betrieb neben der Solawi noch andere Absatzwege nutzt). Denn die Hofbelegschaft weiß schon vor Beginn des Kalenderjahres, welche Produkte in welcher Menge von der Solawi gewünscht werden und sie weiß, wie hoch das Solawi-Budget ausfallen wird. Sie kann darauf vertrauen, dass die Budgetbeiträge regelmäßig (meist monatlich) auf dem Konto eingehen. Sie kann weiter darauf vertrauen, dass die Solawi-Mitglieder toleranter sind als andere Kund*innen, was Produktmengenschwankungen und optische Produktqualitäten betrifft. Die kontinuierlichen Zahlungen mindern den in der Landwirtschaft üblichen Bedarf an Überbrückungskrediten. Die Planungssicherheit hilft bei betrieblichen Entscheidungen wie Diversifizierung (Erweiterung der Produktpalette) und Investitionen sowie Einkommenserhöhungen der Beschäftigten im Betrieb. Der Einwand, dass diese Planungssicherheit jeweils nur für ein Jahr bestehe, greift nicht vor dem Hintergrund, dass die ältesten Solawis in Deutschland nunmehr seit mehreren Jahrzehnten bestehen und trotz jährlicher Mitgliederfluktuation und Wechseln von Betriebsleiter*innen kontinuierlich funktionieren.[147]
Trotz der üblichen Fluktuation von Solawi-Mitgliedern, die aussteigen und neu hinzukommen, kann man bei der Solawi von einer sehr starken Kund*innenbindung sprechen, wobei die Solawi bewusst gerade nicht den Begriff „Kund*innen“, sondern den Begriff „Mitglieder“ verwendet.
Je nach Ausprägung der Solawi können für den landwirtschaftlichen Betrieb weitere günstige Effekte hinzukommen: Die Solawi-Mitglieder können je nach Finanzstärke und Interesse einen Pool für betriebliche Investitionsfinanzierungen (über Crowdfunding oder Crowdsourcing) bilden, so dass auf kommerzielle Finanzierungsformen verzichtet werden kann. Manche Aufgaben, z. B. bei der Ernte, auf Baustellen oder bei Naturschutz und Landschaftspflege können auf freiwilliger Basis von Solawis-Mitgliedern erledigt werden, so dass dem Betrieb nur geringe Kosten für Koordination und Verpflegung entstehen. Es ist aber zu beachten, dass freiwillige Arbeitsleistungen von Solawi-Mitgliedern nach Umfang und Qualität nicht dauerhaft planbar sind und daher eher als „soziales Top Up“ zu betrachten sind. Nach Unfällen und Schadereignissen könnte eine Solawi über finanzielle Unterstützung oder freiwillige Arbeitsleistungen den Betrieb auffangen – aber auch dies lässt sich nicht planen, sondern hängt im konkreten Fall von den gewachsenen persönlichen Beziehungen und den Kapazitäten der Solawi-Mitglieder ab.
Aus regionalwirtschaftlicher Sicht lassen sich folgende positiven ökonomischen Effekte der solidarischen Landwirtschaft ausmachen: Das Geld der Solawi-Mitglieder, dass diese für die Solawi einsetzen, bleibt in der Region. Oft kommt es nicht nur dem einen landwirtschaftlichen Betrieb und seinen Beschäftigten zugute, sondern weiteren kleinen regionalen produzierenden oder verarbeitenden Betrieben[148], womit der regionale Wirtschaftskreislauf gestärkt wird.[149]
Den ökonomischen Nachhaltigkeitszielen der Ergiebigkeit und Genügsamkeit entspricht die Tatsache, dass die Planungssicherheit der Solawi-Betriebe Überproduktion und damit Lebensmittelabfälle vermeiden hilft.
Um von volkswirtschaftlichen Auswirkungen zumindest auf regionaler Ebene zu sprechen, müsste man sicherlich CSA-Strukturen wie in Japan oder Südkorea (vgl. Kapitel 3.3) eingehender betrachten. Die relativ wenigen Solawis in Mitteleuropa mit ihren geringen Mengen und Umsätzen[150] lassen nur abstrakte Überlegungen zu, welche gesamtökonomischen Auswirkungen eine flächendeckende Umstellung auf Solawi hätte. Es ist davon auszugehen, dass viele der in Kapitel 3.2 geschilderten Effekte eine Trendumkehr erfahren würden: Es würde wieder mehr Arbeitsplätze je Flächen- und Produkteinheit in der Landwirtschaft geben; Großmärkte, Supermarkt- und Discounterketten würden Marktanteile an Frischwaren verlieren und damit auch an Marktmacht; Ferntransporte von Lebensmitteln würden abnehmen und Geldkreisläufe im Lebensmittelbereich teilweise regionalisiert werden.
Soziale Aspekte
Besondere Stärken weist die Solidarische Landwirtschaft im sozialen Bereich auf. Die Mitglieder einer Solawi-Initiative übernehmen finanzielle und inhaltliche Verantwortung für einen konkreten landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betrieb mit den Menschen, die dort ihr Einkommen erzielen, den Anbauflächen mit ihren Landschafts-, Vegetations- und Bodenstrukturen, und den Nutztieren, sofern solche gehalten werden. Den jeweiligen Betrieb gäbe es sonst nicht, oder er hätte, wie im Falle des Reyerhofs in Stuttgart, ein geringeres Einkommen für die Mitarbeitenden, weniger Planungssicherheit und geringere Entwicklungsmöglichkeiten. Die in den vorhergehenden Kapiteln genannten ökologischen und ökonomischen Vorteile kommen durch diese Verantwortungsübernahme zum Tragen. Sie beinhaltet auch das solidarische Mittragen der für die Landwirtschaft typischen Ertragsschwankungen durch die Mitglieder, indem phasenweise geringere Produktmengen und -qualitäten in Kauf genommen werden oder höheren Produktionskosten im Folgejahr durch ein höheres mitgliederfinanziertes Jahresbudget begegnet wird.
Der ökologische Landbau bietet auch im sozialen Bereich einige Vorteile: Die besseren Haltungsbedingungen kommen den tierethischen Ansprüche eines erheblichen Teils der Gesellschaft entgegen[151]. Die Vorschriften für die Bio-Tierhaltung beinhalten insbesondere bei den Anbauverbänden, aber auch generell im Öko-Landbau strengere Vorgaben als in der konventionellen Tierhaltung bezüglich körperlicher Unversehrtheit[152], artgerechter Fütterung, Platz im Stall sowie Auslauf bzw. Weidegang.[153] Durch die soziale Kontrolle in einer Solawi sind Missstände in der Tierhaltung unwahrscheinlich.
Medizinischen bzw. gesundheitlichen Anliegen kommt der im Vergleich zur konventionellen Tierhaltung stark eingeschränkte Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung und die viel geringere Pestizid-Belastung[154] und der höhere Anteil wertgebender Inhaltsstoffe[155] bei den biologisch erzeugten pflanzlichen Lebensmitteln entgegen. Darüber hinaus sind ökologisch bewirtschaftete Acker- und Grünlandflächen in der Regel struktur- und blütenreicher und haben einen höheren Weideanteil, was für die Erholungsnutzung attraktiv ist.
Das solidarische Verhalten der Solawi-Mitglieder gegenüber dem Betrieb wurde zu Beginn von Kapitel 2.3 schon beschrieben. Im Gegenzug ermöglicht der Betrieb den Solawi-Mitgliedern und ihren Kindern durch die zur Verfügung gestellten Lebensmittel die Grundlage für eine gesunde Ernährung. Mit einer transparenten Kommunikation, Angeboten für Arbeitseinsätze und Veranstaltungen bietet der Betrieb zahlreiche Kontakt‑, Kommunikations-, Betätigungs- und Erfahrungsmöglichkeiten. So bieten Initiative und Betrieb im Zusammenspiel Anknüpfungspunkte für Identifikation, emotionale Verbundenheit, Gemeinschaftserlebnisse sowie kognitive und sinnliche Erfahrungen[156] in zahlreichen Themenfeldern: Lebensmittelerzeugung und -zubereitung, Pflanzenbau und ggfls. Tierhaltung, Naturschutz und Landschaftspflege, natürliche Zusammenhänge wie Jahresrhythmen oder Bodeneigenschaften, Wetterereignisse und Kalamitäten, landwirtschaftliche Arbeiten, Regionalität, Landschaft und Heimat, Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Durch die Involvierung in die betrieblichen Abläufe, deren Grad die Solawi-Mitglieder in der Regel selbst bestimmen können, findet gleichsam eine „(Wieder-)Einbettung“ in die Produktionsverhältnisse statt.[157]
Viele Solawi-Initiativen ermöglichen die individuelle Anpassung des monatlichen oder jährlichen finanziellen Beitrags nach Selbsteinschätzung. Damit tragen sie der Tatsache Rechnung, dass die Einkommens- und Lebensverhältnisse der Mitglieder unterschiedlich sind und zeigen sich weniger zahlungskräftigen Mitgliedern gegenüber solidarisch.[158]
Ideell befördert die Solidarische Landwirtschaft den Gedanken der Ernährungssouveränität. Im Gegensatz zum Prinzip der Ernährungssicherheit, das allen Menschen lediglich jederzeit Zugang zu ausreichend nahrhafter und gesunder Nahrung gewährleisten will[159], geht die Ernährungssouveränität weiter: Sie verlangt die Mitbestimmung über und Teilhabe an den Produktionsweisen und -verhältnissen der Lebensmittel sowie die demokratische Regelung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Bedingungen der Lebensmittelproduktion.[160]
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Solidarische Landwirtschaft die dauerhafte Existenz landwirtschaftlicher Betriebe ermöglicht, die in der Regel ökologisch und sozial konsistenter und suffizienter wirtschaften als andere landwirtschaftliche Betriebe. Es handelt sich daher um eine dauerhaft und global praktizierbare und damit nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise.
2.4.3 Beitrag zur Nachhaltigen Stadtentwicklung
Anders als die mobileren Urban Gardening-Initiativen sind die Solawi-Initiativen an größere Anbauflächen gebunden, so dass sie in der Regel bestehende (selten ehemalige) landwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch genutzte Flächen und Strukturen nutzen. Diese finden sich meist in der Ortsrandlage oder im planerischen Außenbereich. Häufig liegen Solawi-Betriebe auf dem Gebiet oder in der Nachbarschaft von größeren Städten oder Ballungsräumen. Ihr Ernährungs- und Umweltbeitrag ist in der Regel durch den großflächigen und professionelleren Anbau deutlich größer als der der Urban Gardening-Initiativen. Insofern sind sie für die Kommunen ein ebenso wichtiges Thema wie letztere. Allerdings wurden sie bislang von Stadtpolitik und -verwaltung weniger beachtet, wohl weil sie im Stadtbild weniger präsent sind und wohl auch seltener im Konflikt mit anderen Nutzungsansprüchen. Auch stand das Thema „Räume und Versorgungsbeziehungen städtischer Ernährung“ bisher nicht im Fokus der Raum- und Planungswissenschaften[161], geschweige denn der Kommunalverwaltungen.
In Solawi-Initiativen eignen sich viele (oft mehrere hundert) Stadtbewohner*innen Wissen und Bezüge zu Arbeits- und Lebensbedingungen in der Landwirtschaft an.[162] Sie holen damit die Landwirtschaft ein Stück weit in die Stadt hinein, während sie ihr eigenes Leben wieder mehr auf die Herstellung ihrer Nahrungsmittel beziehen. Damit kehren sie den in Kapitel 2.4.1 beschriebenen Transformationsprozess in der Landwirtschaft, der in den letzten 150 Jahre Millionen von Menschen aus landwirtschaftlichen Zusammenhängen herauskatapultiert hat[163], wieder ein Stück weit um.
Solawi-Mitglieder stellen Fragen und setzen Normen zur Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion. Sie setzen letztere in ihrer Solawi um, soweit es unter den herrschenden Rahmenbedingungen und mit den kooperierenden Landwirt*innen oder Gärtner*innen möglich ist. Mit Veranstaltungen und Infoständen machen sie landwirtschaftliche Themen in der Stadt bekannt.[164] Anders als sonst häufig sind es nicht nur Bäuer*innen und Agrarfunktionär*innen, die „Politik für Bauern“[165] machen und betriebliche Entscheidungen beeinflussen.
3 Solidarische Landwirtschaft in Stuttgart
In Stuttgart wurde 2012 die Initiative Solidarische Landwirtschaft Stuttgart (SoLaWiS) gegründet, die sich dann einige Monate später mit der Reyerhof KG zusammentat. Im April 2013 begannen die wöchentlichen Lebensmittellieferungen. Seitdem wachsen die Mitgliederzahl und das Jahresbudget der Initiative stetig.
3.1 Parameter der Solidarischen Landwirtschaft in Stuttgart
Auf den folgenden Seiten werden die spezifischen Umstände in Stuttgart in den Blick genommen, soweit sie für die Initiative Solidarische Landwirtschaft Stuttgart (SoLaWiS), die mit ihr kooperierende Reyerhof KG in Stuttgart-Möhringen und die nachhaltige Stadtentwicklung bezogen auf Landwirtschaft und Ernährung relevant sind. Quelle der Informationen sind neben statistischen Daten und Literatur auch die sechs Interviews, die die Verfasserin mit je zwei Vertreter*innen der SoLaWiS, der Reyerhof KG und der Stadtverwaltung geführt hat (vgl. Kapitel 1.2.3 und 1.2.4).
3.1.1 Landwirtschaft in Stuttgart
Stuttgart ist nach der Bevölkerungszahl mit rund 610.000 Einwohner*innen[166] die siebtgrößte Stadt[167] Deutschlands. Trotz der nicht besonders großen Fläche des Stadtkreises von 207 Quadratkilometern und der entsprechend hohen Einwohnerdichte von rund 3.000 Einwohner*innen pro Quadratkilometer[168] gibt es einen nennenswerten Anteil von landwirtschaftlichen Flächen[169], nämlich rund 2.500 Hektar[170], was einem Anteil von 12 % der Stadtkreisfläche entspricht. Diese wurden 2016 von rund 190 Landwirtschaftsbetrieben bewirtschaftet.[171]
Die in Kapitel 2.1 beschriebene agrarstrukturelle Entwicklung führte – bei nur leichter Abnahme der landwirtschaftlichen Fläche in den letzten 25 Jahren – auch in Stuttgart dazu, dass die Zahl der Betriebe zwischen 1991 und 2016 auf weniger als die Hälfte schrumpfte, nämlich von 404 auf 191, während sich die durchschnittliche Betriebsgröße verdoppelte, nämlich von 6,6 auf 13,1 Hektar.[172] Diese im landesweiten Vergleich (und auch im bundesweiten Vergleich der Großstädte[173] ) immer noch sehr geringe durchschnittliche Betriebsgröße[174] ist vor allem auf den hohen Anteil an wertschöpfungsintensiven Bewirtschaftungsformen zurückzuführen (Gemüseäcker, Obstanlagen und Rebland).
Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte sind nach Auskunft der Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde der Rückgang von Gemüseanbau und Milcherzeugung, im Gegenzug die Zunahme an pferdehaltenden Betrieben.[175]
Von den im Jahr 2010[176] gezählten 198 landwirtschaftlichen Betrieben in Stuttgart wirtschafteten nur acht Betriebe (4 %) biologisch, allerdings mit einem überproportionalen Flächenanteil (265 von 2.501 Hektar; entspricht 10,6 %). Letzterer geht auf die extensive Flächenbewirtschaftung bio-zertifizierter Streuobstbetriebe und den hohen Dauergrünland-Anteil der häufig viehhaltenden Bio-Betriebe zurück.
Vermutlich sind die Bodenpreise für landwirtschaftliche Grundstücke in Stuttgart bundesweit mit die höchsten, weil sie stark von Baulandpreisen beeinflusst sind: Während im landesweiten Mittel im Jahr 2014 rund 23.000 Euro je Hektar angesetzt wurden, erbrachten die Verkäufe in Stuttgart im Mittel das Sechsfache (140.300 Euro je Hektar)[177].
Die Stadt Stuttgart selbst hat nennenswertes Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen: Insgesamt sind es nach Angaben des Liegenschaftsamtes im Jahr 2017 über 380 Hektar, also mehr als 15 % der landwirtschaftlichen Fläche im Stadtgebiet[178].
Als Ansprechpartnerin für landwirtschaftliche Betriebe steht eine Landwirtschaftskoordinatorin in Teilzeit im Amt für Liegenschaften und Wohnen zur Verfügung. Sie übernimmt überwiegend hoheitliche Aufgaben im Rahmen der Funktion der Stadt als Trägerin öffentlicher Belange und Genehmigungen nach dem Agrarstrukturförderungsgesetz und Überwachung der Pflegepflicht nach dem Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz und bemüht sich um qualifizierte Beratung zu diesen Themen. Die landwirtschaftliche Förderung und die Überwachung weiterer Fachgesetze (z. B. Pflanzenschutz, Düngung) liegen dagegen beim Landratsamt Ludwigsburg.[179] Für freiwillige kommunale Aufgaben im Bereich Landwirtschaft gibt es eine Ansprechpartnerin in der Abteilung Wirtschaftsförderung. Ihre Aufgabe ist es, bei Anfragen landwirtschaftlicher Betriebe diese an die richtigen Ämter zu vermitteln. Darüber hinaus kümmert sie sich beispielsweise um die Aktualisierung der Direktvermarktungsbroschüre der Stadt Stuttgart.[180]
Der 2012 ins Amt gewählte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) berief im März 2015 erstmals einen „Runden Tisch Landwirtschaft“ ein, der seitdem jährlich stattfindet. Die Themen der bisher drei Runden Tische, die von Seiten der Landwirtschaft eingebracht werden, waren überwiegend praktische: Die Sanierung von Feldwegen, Heckenschnitt, Hundekot auf landwirtschaftlichen Flächen, Krähen, Konflikte mit Erholungssuchenden. Ein weiteres wichtiges Thema war die Anwendung des Grünprogramms der Stadt (Ackerrandstreifen, Weinbergmauern). Als agrarstrukturelle Frage wurde das Thema Flächenverlust durch Überbauung angesprochen.[181]
Auffällig ist, dass die Berichterstattung zu den Runden Tischen sehr stark auf den Bauernverband Stuttgart e. V. ausgerichtet ist, einer Untergliederung des Deutschen Bauernverband e. V. Allein 18 Vertreter*innen des Bauernverband Stuttgart e. V. haben am Runden Tisch 2016 teilgenommen.[182] Ob auch die Organisationen der (wenigen) örtlich vertretenen Öko-Landwirte, nämlich der Bioland-Landesverband Baden-Württemberg e. V. und Demeter Baden-Württemberg e.V. eingeladen waren, ist nicht bekannt.
3.1.2 Urbane Ernährungsbewegung in Stuttgart?
Das kollektive innerstädtische Gärtnern in Gemeinschaftsgärten (Urban Gardening)[183] hat sich auch in Stuttgart in den letzten Jahren stark verbreitet, vor allem in den Innenstadtbezirken, in denen es wenig Raum für individuelles Gärtnern gibt.[184] Es gibt seit 2014 sogar eine Anlaufstelle im Stuttgarter Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung und eine eigene kommunale Förderrichtlinie[185] für die schätzungsweise 10-20 Urban Gardening-Initiativen.[186] Dies wohl auch, weil die Stadt diese informellen urbanen Initiativen, die gerne selbständig Flachdächer, ungenutzte Winkel und Brachflächen erschließen, im Blick behalten will.[187]
Daneben gibt es die klassischen Formen der urbanen Lebensmittelerzeugung, individuell in Haus- und Kleingärten[188] und gemeinschaftlich organisiert z. B. in Kinder- oder Schulgärten oder auch in Gemeinschaftsgärten von Initiativen.
Von einer „urbanen Ernährungsbewegung“ in Stuttgart, die sowohl die lokalen Produktionsflächen als auch die lokalen Verpflegungseinrichtungen öffentlicher und privater Trägerorganisationen in größerem Maßstab in den Blick nehmen würde, kann man sicherlich noch nicht sprechen. Einen ersten Anlauf zur Initiierung einer solchen Bewegung hat die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Mai 2017 mit einer öffentlichen Diskussionsrunde mit dem Titel „Ein Ernährungsrat für Stuttgart?“ gemacht, an der auch der frühere Betriebsleiter der Reyerhof KG[189] und der Leiter des Amtes für Umweltschutz der Stadt Stuttgart teilgenommen haben.
Die SoLaWiS-Initiative hat sich bisher nicht in die kommunale Debatte in Stuttgart eingebracht[190], wenngleich die Aktiven der Initiative mit ihrem Erfahrungshintergrund dazu sicher etwas beitragen könnten.
3.1.3 Der Reyerhof
Der Reyerhof liegt mitten im Stuttgarter Stadtteil Möhringen, etwas südlich vom historischen Dorfkern, und ist dort der letzte landwirtschaftliche Betrieb in der Ortslage.
Möhringen liegt an der Südgrenze des Stadtkreises, die hier von der Autobahn A 8 gebildet wird und ist mit drei Straßenbahnlinien an Stuttgarts Stadtmitte bzw. den Stuttgarter Norden angebunden. Mit je einer weiteren Straßenbahnlinie ist Möhringen mit dem Bahnhof Stuttgart-Vaihingen, wo drei S-Bahn-Linien verkehren, und mit der Stadt Ostfildern verbunden. Die Entfernung vom Reyerhof zum Möhringer Bahnhof beträgt rund 850 Meter oder 11 Gehminuten.
Christoph Simpfendörfer, Betriebsleiter des Reyerhofs bis 2016, beschreibt die aktuell praktizierte Landwirtschaft wie folgt:
„Der Reyerhof bewirtschaftet knapp 40 Hektar auf ungefähr 80 Parzellen verteilt. Die Flächen sind von vielen verschiedenen Eigentümern gepachtet. Etwas mehr als die Hälfte ist Ackerland, der Rest Grünland, meist mit Streuobstbäumen. Im Stall stehen 10 Milchkühe, deren Milch im angegliederten Hofladen als Frischmilch verkauft wird und auch zu Joghurt und Quark weiterverarbeitet wird. Auf den Feldern wachsen Weizen, Kartoffeln und vielerlei Gemüse. Mit Hilfe von Foliengewächshäusern gedeihen auch empfindliche Kulturen wie Tomaten, Gurken und Paprika. Im Winter wächst dort dann der Feldsalat. Erdbeeren werden für den Ab-Hof-Verkauf angebaut, teilweise auch zum Selberpflücken zur Verfügung gestellt. Verschiedene Imker haben auf den Flächen des Hofes Bienen stehen.“[191]
Entwicklung des Reyerhofs
Der Reyerhof an der Unteraicher Straße hat eine lange Geschichte, die vermutlich so alt ist wie das über 500 Jahre alte Wohnhaus. Seinen Namen hat er von der früheren Eigentümerfamilie Reyer, den Vorfahren von Dorothea Reyer-Simpfendörfer. Ihre Eltern, Karl und Ursula Reyer hatten den Betrieb 1955 auf die biologisch-dynamische Landwirtschaft umgestellt. Sie suchten eine Alternative zum Chemie-Einsatz in der Landwirtschaft[192] zu einer Zeit, als die Auswüchse der industrialisierten Landwirtschaft noch lange nicht so ausgeprägt waren wie heute. Seitdem ist der Reyerhof Demeter-Betrieb. Die sieben Kinder halfen in der Landwirtschaft mit. Sohn Martin Reyer führte den Reyerhof weiter, während die jüngste Tochter Dorothea Reyer in Berlin lebte und als Erzieherin in einem Kinderheim arbeitete[193]. Als 1984 größere landwirtschaftliche Flächen im Möhringer Gewann Sternhäule an die Daimler AG zur Errichtung von deren Hauptverwaltung verkauft wurden, entschloss sich der Hoferbe Martin Reyer seine landwirtschaftliche Zukunft in einer ländlicheren Region zu suchen. Er übergab den Reyerhof mit 17 Hektar Fläche an seine Schwester Dorothea Reyer und seinen Schwager Christoph Simpfendörfer. Letzterer hatte ein landwirtschaftliches Fachhochschulstudium absolviert.[194] Das Ehepaar Reyer-Simpfendörfer übernahm die Bewirtschaftung des Reyerhofs ab 1986 mit der kleinen Kuhherde und der bestehenden Frischmilch-Kundschaft, aber ohne das Milchkontingent, das Martin Reyer mit nach Heggelbach[195] genommen hatte. Ohne EU-Milchkontigent („Milchquote“)[196] war der Milchverkauf nicht zulässig, der Erwerb eines neuen Kontingents hätte die finanziellen Möglichkeiten der Familie Simpfendörfer überstiegen. Wegen des Kapitalmangels setzten die Simpfendörfers von Anfang an auf kreative Gemeinschaftsinitiativen. Das Milchverkaufsproblem wurde durch das Modell „Rent-a-cow“ gelöst: Die Kühe wurden an die Milch-Kund*innen verkauft, blieben aber im Reyerhof-Stall stehen und wurden von Simpfendörfers versorgt und gemolken. Die Familien der Kund*innen holten nun nicht mehr nur ihre Milch ab, sondern entwickelten häufig ein engeres Verhältnis zu ihrer Kuh, deren Kälbern und damit zur Landwirtschaft überhaupt. Darüber hinaus kamen aus dem Kund*innenkreis rund 100.000 DM an Privatkrediten zum Kauf von Maschinen und Vieh zusammen. Als 1990 der Kauf der Hofstelle und der zugehörigen landwirtschaftlichen Flächen von Martin Reyer anstand, waren die Simpfendörfers wiederum auf gemeinschaftliches Kapital angewiesen: 50 Familien gründeten mit insgesamt 250.000 DM als begrenzt haftende Kommanditistinnen die Reyerhof-Kommanditgesellschaft[197], die mit weiteren Privat-Darlehen den Reyerhof kaufte.[198] Christoph Simpfendörfer trat als voll haftender Komplementär in die KG ein. Das Wohnhaus verblieb im Eigentum von Dorothea Reyer-Simpfendörfer. Der Verkauf an die Reyerhof KG ist für das Jahr 2018 geplant, so dass die Mieteinnahmen, soweit sie die Abschreibungskosten übersteigen, in Zukunft der Reyerhof KG zugutekommen und der Erlös der Alterssicherung des Ehepaars Reyer-Simpfendörfer.
Das KG-Modell hat sich für den Reyerhof bewährt: Die Betriebsgewinne sind wegen der Vielzahl der Kommanditist*innen steuerfrei und können vollständig in den Betrieb reinvestiert werden, weil die Kommanditist*innen und Komplementär*innen auf eine Ausschüttung verzichten. Die Anzahl der Kommanditist*innen ist mittlerweile auf rund 60 angewachsen. Auf diese Weise konnten in der Vergangenheit Gebäude errichtet bzw. gekauft und umgebaut sowie Maschinen angeschafft werden. Zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen reichen die Gewinne allerdings angesichts der hohen Bodenpreise nicht aus (vgl. Kapitel 3.1.1), so dass der Reyerhof wie die meisten landwirtschaftlichen Betriebe nach wie vor fast ausschließlich auf Pachtflächen der Stadt Stuttgart und von etwa 80 Privatpersonen angewiesen ist. Insgesamt werden rund 40 Hektar in Streulage bewirtschaftet, davon 22 Hektar Ackerland mit vier bis fünf Hektar Gemüseanbau (ansonsten Getreide und Luzerne-Kleegras), der Rest sind Wiesen, Weiden und Streuobstwiesen mit rund 800 Streuobstbäumen[199].
1991 wurde der Hofladen, der von Dorothea Reyer-Simpfendörfer geführt wurde und wird, als eigenständiger Gewerbebetrieb aus der KG ausgegliedert und zu einem Naturkostladen mit einem großen Anteil eigener und regionaler Produkte auf rund 80 Quadratmeter erweitert. Der Hofladen war und ist ein wichtiges wirtschaftliches Standbein des Reyerhofs, sowohl wegen der Direktvermarktung der hofeigenen Produkte als auch wegen der Umsatzerlöse der gehandelten Waren. Seit jedoch die konventionellen Supermärkte und Discounter verstärkt Bio-Ware anbieten und im Herbst 2014 neben einem schon länger bestehenden ein zweiter Bio-Supermarkt in Möhringen eröffnet hat, gehen die Umsätze im Hofladen zurück. Derzeit ist der Reyerhof auf der Suche nach neuen Perspektiven und einem Nachfolger bzw. einer Nachfolgerin für die Geschäftsführung des Hofladens.[200]
1994 wurde in etwa 800 m Entfernung vom Hof am Ortsrand eine Maschinenhalle errichtet, die mittlerweile auch als Winterstall für die Rinder dient und die seit 2017 zudem einen Kühlraum für die Lagerung von Gemüse und Obst beherbergt.
1999 wurde der Anbindestall in einen Laufstall für rund zehn Kühe umgebaut. Wegen der räumlichen Enge mitten im Ort funktioniert die Milchwirtschaft auf mehreren Etagen: Der Stall im Erdgeschoss, Heu- und Strohlager darüber, Melkstand, Milchkammer und Käseküche im Keller. Alle Kälber werden auf dem Reyerhof aufgezogen. Sie bleiben drei Monate bei ihrer Mutter oder einer Ammenkuh und kommen dann zum Jungvieh. Das Jungvieh hat einen gesonderten Stall mit Weide außerhalb der Ortslage. Die Bullenkälber werden etwa in diesem Alter kastriert und als Ochsen geschlachtet, wenn sie ausgewachsen sind. Die Färsen (Jungkühe) bekommen alle ein erstes Kalb und werden je nach Geburts- und Milchleistung bzw. Einpassung in die Kuhherde für die Folgejahre in die Herde aufgenommen, verkauft oder geschlachtet. Etwa zehn Rinder werden jährlich geschlachtet und über den Hofladen vermarktet. Dass den Kühen aufgrund der Entfernung zu den Weiden und wegen der trennenden Straßen kein Weidegang und kein Auslauf möglich ist, ist der große Nachteil der Lage im Ort. Schon lange besteht der Wunsch, einen Kuhstall außerhalb der Ortslage zu bauen.[201]
Der ehemalige Kälberstall wurde in ein Bistro mit Blick in Hof und Kuhstall umgebaut. Das Bistro wurde im Jahr 2000 von Demeter-Koch Detlef Harrach eröffnet. Seitdem er 2013 die Schulverpflegung an der Michael-Bauer-Schule in Stuttgart-Vaihingen übernahm[202], wird das Bistro eher unregelmäßig bewirtschaftet. Die Räumlichkeiten dienen derzeit unter der Woche dem Eisverkauf (Bauernhof-Eis aus der hofeigenen Milch), im Sommer für nachmittäglichen Café-Betrieb und am Samstagvormittag dem wöchentlichen Frühstücksbuffet. Außerdem finden dort gelegentlich Sitzungen oder Veranstaltungen statt, z. B. Organisationstreffen der SoLaWiS.
Hof und Laden (und potenziell auch das Bistro/Café) bieten zahlreiche Arbeitsplätze. Allein der Hof bietet Arbeit und Bezahlung für über fünf Vollzeitäquivalente inklusive der Betriebsleiter Dreyer und Simpfendörfer. Fünf Mitarbeiter*innen (Voll- und Teilzeit), zwei Aushilfen, zwei Auszubildende und ein*e Praktikant*in (meist ein*e Waldorf-Schüler*in) des Hofes sowie die Buchhalterin für das SoLaWiS-Gemüsekonto sind bei der Reyerhof KG angestellt. Zusätzlich wird eine Stelle für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) angeboten. Die Wochenarbeitszeit für eine volle Stelle beträgt 45 Stunden, die Brutto-Stundenentgelte im Jahr 2017 lagen zwischen rund 12 Euro (Mitarbeiterin) und 15 Euro (Betriebsleiter). Für das Jahr 2018 wurde eine Aufstockung der Betriebsleiter-Entnahme von Dreyer auf 40.000 Euro beschlossen, um ihm eine angemessene Altersvorsorge zu ermöglichen.[203]
Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Reyerhofs
Von Beginn an war Bildungsarbeit ein wichtiges Anliegen auf dem Reyerhof. Begünstigt durch die gute Erreichbarkeit kommen häufig Schulklassen und Kindergartengruppen zu Besuch. Auch Kindergeburtstage rund um das Thema „Milch“ oder „Apfel“ können auf Anfrage auf dem Reyerhof gebucht werden. Christoph Simpfendörfer ist es wichtig, dass es sich beim Reyerhof nicht um einen reinen „Schaubauernhof“ handelt[204]. 250 Meter vom Reyerhof entfernt gibt es das „Erfahrungsfeld“. Dort sind mehrere kleine Äcker angelegt, auf denen die Kinder und Jugendliche ihre eigenen ackerbaulichen Erfahrungen machen können, wie z. B. Möhren ernten. Daneben gibt es ein aus Weiden geflochtenes „grünes Klassenzimmer“, Blühstreifen, Hecken, eine Streuobstwiese mit Bienenstöcken und eine Kompostanlage, so dass auch Lernen über Naturzusammenhänge und Kulturlandschaft möglich ist. Das Ganze wird ergänzt durch eine Kompost-Toilette und einen kleinen Werkzeugschuppen. Angelegt wurde das Ensemble als „Demeter Schau- und Bildungsgarten“ mit Unterstützung von Demeter Baden-Württemberg e. V. Der Verband organisierte zahlreiche Sponsor*innen und tatkräftige Helfer*innen für ein umfangreiches Bildungsprogramm in den Jahren 2014-2016 für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Das Slowfood-Convivum Stuttgart bot dort wöchentlich eine Veranstaltung zu Landwirtschaft und Ernährung an.[205]
Der Reyerhof stellt seit 2003 auch eine Fläche von rund 330 Quadratmeter unmittelbar in der Nähe der Straßenbahnhaltestelle „Rohrer Weg“ für ein „Acker-Labyrinth“ zur Verfügung, das von einer Lehrerin an der Landwirtschaftlichen Schule Stuttgart-Hohenheim mit ihren Schüler*innen angelegt wurde. Es wird bis heute von ihr (mittlerweile im Ruhestand) und zwei weiteren Freiwilligen gepflegt. Weitere Interessierte und Freiwillige können jederzeit dazustoßen. In dem kreisförmigen Labyrinth werden verschiedene Gemüse- und Blumensorten, Heil- und Gewürzkräuter sowie heute selten gewordene Ackerwildkräuter gepflanzt und gesät. Da das Gemüse nicht geerntet wird, kann man dort - anders als in Acker und Gewächshaus - auch die Blüten- und Samenbildung beobachten.[206]
Jedes Jahr beteiligt sich der Reyerhof an der internationalen Aktion „Zukunft säen“, bei der Verbraucher*innen eingeladen sind, gemeinsam mit den Bäuer*innen von Hand ein Getreidefeld einzusäen. Damit soll die Verbundenheit gestärkt und ein Zeichen gegen die Agro-Gentechnik und für die Freiheit des Saatguts von Lizenzen und Patenten gesetzt werden.[207]
Für die Kund*innen des Hofladens und andere Reyerhof-Interessierte gibt es einen monatlichen E-Mail-Newsletter, der aus einer professionell gestalteten Vorlage des Bundesverband Naturkost Naturwaren e.V. mit einem Newspool aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft besteht, die um Themen und Nachrichten des Reyerhofs ergänzt wird.
Der Reyerhof beteiligt sich regelmäßig an der „Wir haben es satt!“-Demonstration, die seit 2011 jedes Jahr im Januar parallel zur „Grünen Woche“[208] im Berlin stattfindet und auf der 20.000 bis 50.000 Teilnehmer*innen für eine Agrarwende bzw. gegen Massentierhaltung, für Saatgutfreiheit etc. demonstrieren. Die Reyerhof-Belegschaft fährt mit einem eigenen Traktor nach Berlin und wirbt auf der SoLaWiS-Vollversammlung und per E-Mail für die Teilnahme.
Reyerhof und SoLaWiS
Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit sowie vielfältige Kontakte zu Organisationen und Einzelpersonen waren also bereits selbstverständlicher Bestandteil des Hoflebens, als die Initiative SoLaWiS im Sommer 2012 auf dem Reyerhof anfragte, ob sich Christoph Simpfendörfers eine Kooperation vorstellen könne. Im Winter 2012/2013 beschlossen beide Seiten, ohne viele Formalitäten „einfach anzufangen“[209]. Einzige Voraussetzung des Reyerhofs: 40 Anteile à 50 Euro pro Monat sollten es mindestens sein.[210] Im April 2013 begann die wöchentliche Versorgung der SoLaWiS-Mitglieder mit Gemüse. Zunächst übernahm die Initiative den wöchentlichen Transport des Gemüses zu den Verteilpunkten in der ganzen Stadt, nach einem halben Jahr übernimmt der Reyerhof die Lieferfahrten. Im Dezember 2013 waren es bereits 114 SoLaWiS-Mitglieder, die mit jeweils einem oder zwei Anteilen zu einem Festbetrag versorgt wurden und übers Jahr für einen Budgetbeitrag von rund 40.000 Euro (vgl. Abb. 2) gesorgt hatten. Das war etwa der Betrag, den der Reyerhof bisher durch Verkäufe an den Großhandel erzielt hatte[211].
Bei der Vollversammlung im November 2014 fand die erste Bieterrunde statt, in der die SoLaWiS-Mitglieder ihren Beitrag zum Budget des Folgejahres erstmals selbst bestimmen konnten. Ein Fortschritt für den Hof: Die SoLaWiS-Mitglieder boten insgesamt einen so hohen Betrag, dass die kalkulierten Betriebsleiter- und Mitarbeiterlöhne des Reyerhofs um jeweils einen Euro pro Arbeitsstunde erhöht werden konnten, und dies bei einer gleichzeitig ansteigenden Zahl von Mitarbeiter*innen.[212] Im Jahr darauf wurden die Löhne nochmals um je einen Euro pro Stunde erhöht.
Im November 2016 verpflichteten sich die mittlerweile 273 Mitglieder, im Jahr 2017 rund 200.000 Euro für die Arbeit des Reyerhofs und damit über die Hälfte des Betriebseinkommens des Reyerhofs aufzubringen. Der Reyerhof liefert dafür wöchentlich je Anteil rund 0,5 kg Kartoffeln, 1,5 kg Gemüse, einen Salatkopf und nach Wunsch 0,5 kg Brot, 1 kg Mehl oder Getreide an die 14 Verteilstellen in und um Stuttgart. Dazu gibt es gelegentlich Erdbeeren, Kräuter, Honig, Apfelsaft, Sauerkraut. Joghurt, Quark oder Käse aus Reyerhof-Milch gibt es nur, wenn es Überschüsse auf dem Reyerhof gibt, die nicht für das Reyerhof-Eis und den Frischmilch- und Käseverkauf des Hofladens benötigt werden. Weitere Produkte des Hofes wie Fleisch und Wurst vermarktet der Reyerhof ausschließlich im Hofladen. Erklärtes Ziel ist es, Abfälle zu vermeiden. Daher landet in den SoLaWiS-Kisten auch Gemüse, dass im Einzelhandel nicht marktfähig wäre. Fällt die Ernte besonders gut aus, gibt es mehr. In den Winter- und Frühlingsmonaten oder bei schlechten Ernteerträgen wird weniger verteilt.
Durch die SoLaWiS wird der Reyerhof auch gefordert: Die SoLaWiS-Mitglieder wünschten sich z. B. mehr Gemüse aus samenfesten Sorten[213] vom Reyerhof, mehr Feingemüse und grundsätzlich eine größere Sortenauswahl. Dem kommt der Reyerhof nach, so gut es geht, und hat dadurch angeregt eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Demeter-Saatzuchtunternehmen Bingenheimer Saatgut AG begonnen, das ausschließlich samenfeste Sorten züchtet und handelt. Um das Lagergemüse für den wöchentlichen Bedarf der SoLaWiS besser lagern zu können, wurde im Jahr 2017 ein neuer Kühlraum in die bestehende Maschinenhalle eingebaut.
Die Betriebsleiter diskutieren mit der SoLaWiS-Initiative Möglichkeiten und Wege zur Umsetzung von deren Vorstellungen. Darüber hinaus organisieren sie wöchentliche und monatliche Möglichkeiten zur unentgeltlichen Mitarbeit der SoLaWiS-Mitglieder auf dem Hof, beispielsweise beim Unkraut jäten, Gemüse ernten oder Sauerkraut einmachen.
Christoph Simpfendörfer hat weitergehende Überlegungen zur SoLaWiS, die bisher nur einen Teil der Reyerhof-Produkte abnimmt und nur einen Teil des Reyerhof-Budgets stellt. Er hat berechnet, dass die Gesamterträge des Betriebes vom Energiegehalt her 140 Menschen vollständig und nachhaltig ernähren könnten. Mit der aktuellen Milch- und Rindfleischerzeugung und einer kleinen (noch nicht realisierten) Legehennen- und Hähnchen-Haltung, die nicht auf Hochleistungsfutter, sondern auf Grünland- und Restefütterung basieren würde, müssten sich jedoch etliche der Nicht-Veganer*innen unter den Mitgliedern umstellen: Rund 500 Gramm Rind- und Hühner-Fleisch und ein einziges Ei pro Woche (plus ein paar Eier für einen Kuchen alle paar Wochen) entsprechen zwar den Empfehlungen der Ernährungswissenschaft, nicht aber den Ernährungsgewohnheiten der Durchschnittsbevölkerung. Simpfendörfer sieht allerdings auch, dass ein einzelner kleiner Betrieb wie der Reyerhof kein ausgewogenes Lebensmittel-Vollsortiment erzeugen kann, und denkt daher an regionale Betriebskooperationen für die Solidarische Landwirtschaft wie die südkoreanische Vereinigung Hansalim (vgl. Kapitel 2.2.2).[214]
Generationenwechsel in Betrieb und Hofladen
Da sich das Ehepaar Simpfendörfer dem Rentenalter nähert und keines ihrer Pflegekinder[215] ihre Aufgaben übernehmen kann oder will, stellt sich wie in anderen bäuerlichen Betrieben auch die Frage der Hof- und der Ladennachfolge. Auf dem Reyerhof ist diese allerdings leichter zu lösen durch den Umstand, dass wenig Eigentum an Grundflächen, Gebäuden und Wirtschaftsgütern übertragen werden muss, denn das Meiste ist bereits im Eigentum der Reyerhof KG. Für Christoph Simpfendörfer ist die Nachfolgefrage durch den Einstieg von Lukas Dreyer im November 2015 gelöst. Nach einem Probejahr trat Dreyer als zweiter Komplementär in die Reyerhof KG ein und übernahm damit Betriebsleiterpflichten für den Hof.
Lukas Dreyer hat bis 2012 eine vierjährige Ausbildung zum biologisch-dynamischen Landwirt und Gärtner unter anderem bei Familie Hartkemeyer auf dem Demeter-Hof Pente bei Bramsche gemacht und anschließend dort gearbeitet. Auf Hof Pente erlebte und gestaltete er den Aufbau der dortigen Solawi ab 2011 mit. Dass auch der Reyerhof in eine Solawi eingebunden ist, war für ihn ausschlaggebend, im November 2015 mit seiner Familie dorthin zu wechseln. Seine Frau Anna-Sophie Dreyer kennt das Landleben gut von Hof Pente. Sie kocht zweimal pro Woche für die gesamte Reyerhof-Belegschaft, kümmert sich um den Sohn und geht ihrem Beruf als Jazz-Bratschistin und Kulturmanagerin nach. Da sie nicht für die Betriebsleitung des Reyerhofs zur Verfügung steht, suchte Lukas Dreyer eine zweite Person mit entsprechender Ausbildung für die Betriebsleitung. Denn das erklärte Ziel ist, auch in Zukunft als Betriebsleiter mit Milchvieh Freizeit zu haben und Urlaub machen zu können. Nachdem die Suche einige Zeit erfolglos blieb, hat sich mittlerweile eine potenzielle Ko-Betriebsleiterin gefunden, ebenfalls mit anthroposophischem Hintergrund. Wenn sich die Zusammenarbeit bewährt, ist ihr Einstieg als Komplementärin geplant.
Christoph Simpfendörfer wurde 2016 zum ersten Generalsekretär von Demeter International gewählt, was mit einer halben bezahlten Stelle verbunden ist. Nach jahrzehntelangem ehrenamtlichen Engagement bei Demeter Baden-Württemberg und Demeter International erhält er jetzt aus dieser Tätigkeit ein zusätzliches Einkommen, steckt entsprechend verstärkt Arbeitszeit in die Verbandsarbeit und ist weniger auf dem Reyerhof präsent.
Lukas Dreyer treibt die Investitionen auf dem Reyerhof voran – in Absprache mit Christoph Simpfendörfer, der SoLaWiS und der KG: Für die nächsten Jahre sind der Bau eines Maschinenschuppens und eines neuen Rinderstalls sowie der Einstieg in die Haltung von Freiland-Legehennen zur Eierproduktion geplant.[216] Die höheren Einnahmen durch die Eier, die über den Hofladen verkauft werden sollen, sollen auch der anteiligen Finanzierung der zweiten Betriebsleiter*innenstelle dienen.
3.1.4 Die SoLaWiS-Initiative
Entstehung
Die Initiative „Solidarische Landwirtschaft Stuttgart“, kurz SoLaWiS, entstand unabhängig vom Reyerhof aus der Stuttgarter Stadtgesellschaft heraus. Der Impuls zur Gründung der Initiative wurde am 05.02.2012 gesetzt durch einen Vortrag der „Regionalgruppe Stuttgart für Solidarische Landwirtschaft“. Der Vortrag fand im Forum 3, einem anthroposophischen Jugend- und Kulturzentrum in Stuttgart-Mitte, statt.[217] Veranstaltungsrahmen für diesen ersten öffentlichen Vortrag zum Thema war das „Stuttgart Open fair“ (SOFa), einer zivilgesellschaftlichen Vernetzungsplattform von entwicklungs- und umweltpolitischen Gruppen, Initiativen für mehr Demokratie sowie Bürger*innen- und Flüchtlingsinitiativen.
Die Vortragenden Katharina Ockert, heute Flüchtlingsbeauftragte des Landkreis Göppingen, Markus Riek, Aktivist der globalisierungskritischen Organisation Attac Deutschland, und Diego Sȧnchez schlugen bei ihrem Vortrag ein Initiativtreffen vor, zu dem rund 30 Interessierte kamen. Im Frühjahr und Sommer 2012 fanden monatlich Treffen zur Ausarbeitung des Solawi-Konzepts statt. Anhand von Kriterien suchte die Initiative passende landwirtschaftliche Betriebe in Stuttgart und schrieb diese an.[218] Mit insgesamt drei landwirtschaftlichen Betrieben wurden Gespräche geführt und im Herbst 2012 beschlossen, einen Versuch mit dem Reyerhof zu starten. Der Betriebsleiter des Reyerhofs Christoph Simpfendörfer war bereits mit der Idee der Solawi vertraut und zu einer Zusammenarbeit bereit, unter der Voraussetzung, dass sich mindestens 40 Personen mit je einem Anteil beteiligten.[219]
Die Initiative beschreibt ihr damaliges Vorgehen:
„Vieles ist noch unklar, die eigentlich vorbereitete Satzung und Vereinsgründung noch nicht so weit durchgearbeitet, dass wir sie beschließen wollten, aber wir wollen nicht verkopft weitertheoretisieren, sondern durch Ausprobieren herausfinden, was uns wichtig ist und was wir voneinander brauchen.“[220]
Im Februar 2013 warben die Mitglieder der Initiative beim „Stuttgart Open fair“ und bei der „Slowfood Messe“ sowie im privaten Umfeld um weitere Teilnehmer*innen und planten bei „Orga-Treffen“ im Zweiwochen-Rhythmus den Start in die Umsetzungsphase. Am 04.04.2013 fuhr die Initiative zum ersten Mal und in der Folge wöchentlich Reyerhof-Gemüse an die zunächst neun Verteilpunkte aus.219
Funktionsweise
Weil die Verbindung zwischen Lebensmittelerzeugung und -verbrauch für Städter*innen in der Regel nur über Zwischenstationen (Handel, Gastronomie) stattfindet und stets mit einer Geldübergabe verbunden ist – also eine starke Entfremdung oder „Entbettung“ in diesem Bereich den Alltag bestimmt – brauchen Außenstehende meist erst eine Weile, bis sie das Prinzip der Solawi (die Mitglieder entrichten Beiträge zu den Betriebskosten statt Kaufpreise für Lebensmittel) verstanden haben.[221]
Die Mitgliedschaft wird erklärt durch die Teilnahme an der Bieterrunde im November bei der jährlichen Vollversammlung, also durch die Abgabe eines Gebots zur anteiligen Deckung des von der Bieterrunde verabschiedeten Jahresbudgets. In der früher implizit, ab 2017 explizit schriftlich abgeschlossenen jährlichen „Kooperationsvereinbarung“ verpflichtet sich jedes Mitglied für das Folgejahr zur Zahlung seines in der Bieterrunde zugesagten monatlichen Beitrages auf das „Gemüsekonto“ des Reyerhofs. Der Reyerhof verpflichtet sich im Gegenzug zur wöchentlichen Bereitstellung der Lebensmittel. Ein unterjähriger Ausstieg eines Mitglieds ist nur mit „Nachfolgeregelung“ möglich, also indem ein neues Mitglied einsteigt.
Seit November 2014 wird bei der jährlichen Vollversammlung, bei der auch neue Mitglieder einsteigen können, eine „Bieterrunde“ veranstaltet. Das feste Anteilsentgelt wurde abgelöst durch einen individuellen Beitrag nach Selbsteinschätzung, der höher oder niedriger als der Richtwert ausfallen kann. Die Gebote werden anonym, nur mit Angabe der Bieternummer schriftlich abgegeben. Erst nach Verabschiedung des Jahresbudgets werden die Gebote mit den Namen der Bietenden verknüpft, um den Zahlungsverkehr abwickeln zu können. Mit dem Beitrag nach Selbsteinschätzung bekam der Begriff der Solidarität seine zweite Dimension neben dem solidarischen Verhalten der Initiative zum Reyerhof: Die finanziell besser gestellten SoLaWiS-Mitglieder können sich solidarisch zeigen mit denjenigen, die weniger bieten können oder wollen. Da die Gebote nicht veröffentlicht werden, muss niemand Diskussionen über die Höhe des eigenen Gebots fürchten. Die Auswertung der Gebote der Bieterrunde 2017 ergibt, dass rund 55 % der Mitglieder sich am Richtbetrag von 57 Euro pro Monat orientiert haben, rund 28 % weniger und rund 17 % mehr geboten haben. Das kleinste Gebot je Anteil lag bei 25 Euro, das größte bei 100 Euro.[222]
Wird in der ersten Bieterrunde das vom Reyerhof und der SoLaWiS-Budget-AG vorgeschlagene Jahresbudget für den Reyerhof nicht erreicht, gibt es eine zweite Bieterrunde, bei der alle gebeten werden, etwas mehr als zuvor zu bieten. Dabei können die Mitglieder auch mehr als einen Anteil pro Person „erwerben“. Bei der Vollversammlung im November 2017 gab es ein starkes Mitgliederwachstum und damit eine deutliche Zunahme der für das Folgejahr nachgefragten Anteile. So konnte das veranschlagte Jahresbudget für 2018 auf mehr Schultern verteilt werden und der Richtwert je Anteil von 62 auf 57 Euro pro Monat gesenkt werden.
Seit der Gründung wuchsen die Mitgliederzahl und das Jahresbudget der Initiative stetig, was die folgende Tabelle wiedergibt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Anstieg der Mitgliederzahlen und des Jahresbudget-Betrags 2013 bis 2017[223]
Wird das Jahresbudget vom Reyerhof nicht aufgebraucht, verbleibt der Überschuss bei der Reyerhof KG für Ausgaben der Folgejahre. Es gibt jedoch keine Gewinnerzielungsabsicht: Das Jahresbudget soll nur die jährlichen Kosten (einschließlich Abschreibungen und Vorsteuern für Investitionen etc.) decken. Reicht der Budgetansatz der SoLaWiS nicht für die veranschlagten Ausgabeposten aus, gibt es keine Nachschusspflicht für die SoLaWiS-Mitglieder.
Jedes SoLaWiS-Mitglied holt seinen Anteil jeden Donnerstag an einem festen Verteilpunkt ab. Die Zuteilung der Lebensmittel erfolgt, indem die Mitglieder ihren Anteil entsprechend einer aktuellen Zuteilungsliste abwiegen. Die Verpackung muss von den Mitgliedern mitgebracht werden. Die Verteilpunkte wurden und werden von einigen SoLaWiS-Mitgliedern in ihren Kellern, Garagen oder Innenhöfen organisiert. Im November 2017 befanden sich zwölf Verteilpunkte im Stadtgebiet von Stuttgart, einer in Böblingen und einer in Esslingen. Entfällt einer der Verteilpunkte wegen Austritt oder Umzugs des jeweiligen Mitglieds, muss ein Ersatz gefunden werden.
Die SoLaWiS bewährte sich als lernende Organisation: Die Gemüse-Anteile erwiesen sich als zu groß und wurden daraufhin ab Juli 2013 halbiert. Es stellte sich heraus, dass die Gemüse-Lieferung, die jeweils einen halben Tag Arbeit für ein bis zwei SoLaWiS-Mitglieder auf ehrenamtlicher Basis bedeutete, nicht dauerhaft von der Initiative gestemmt werden konnte. Daraufhin übernahm ab Oktober 2013 der Reyerhof die Verteilung.[224] Mit wachsender Mitgliederzahl und Kommunikation war die Verwaltung der Initiative nicht mehr ausschließlich ehrenamtlich zu bewältigen. Daraufhin wurde im Dezember 2013 eine Koordinationsstelle mit fünf Stunden pro Woche mit einem Stundenlohn von 10 Euro für Mitgliederverwaltung, Überwachung des Gemüsegeldkontos und Betreuung der zentralen E-Mail-Adresse eingerichtet.[225] In der Vollversammlung im November 2017 wurde eine Verdopplung des Betrages für die Verwaltung im Budget des Folgejahres beschlossen, um den erhöhten organisatorischen Aufwand durch das Mitgliederwachstum auffangen zu können.
Seit Sommer 2013 gibt es die monatlichen Hofeinsätze am ersten Samstag im Monat, die allen SoLaWiS-Mitgliedern und anderen Interessierten auf freiwilliger Basis offenstehen. Bei diesen Hofeinsätzen können die Freiwilligen in direkten Kontakt mit der Reyerhof-Belegschaft, insbesondere mit den Betriebsleitern, und mit den landwirtschaftlichen Arbeitsbedingungen treten.[226] Aktive, die einen besonders engen Draht zur Landwirtschaft bzw. speziell zum Reyerhof wollen, können jeden Mittwochnachmittag auf dem Hof helfen („After-Work-Farming“).
Im Jahr 2016 wurde nach dem Vorbild einer Freiburger Solawi die „Online-Wunschliste“ für die SoLaWiS-Mitglieder eingeführt, auf der die Mitglieder vorab eintragen können, ob sie in einer Woche ganz oder teilweise auf ihren Anteil verzichten, weil sie z. B. im Urlaub sind oder bestimmte Gemüsesorten nicht mögen.[227] Über die „Online-Wunschliste“ können auch zwei verschiedene Sorten Brot à 500 g oder je 1 kg Mehl oder Weizenkörner vorbestellt werden. Die „Online-Wunschliste“ wird von zahlreichen Mitgliedern genutzt.
Kooperationen
Mittlerweile gibt es mehrere Kooperationen mit weiteren kleinen regionalen Betrieben: Die Demeter-Imkerei Summtgart GbR hält 20 Bienenvölker für die SoLaWiS auf Reyerhof-Flächen, deren Honigertrag an die SoLaWiS-Mitglieder geht, und erhält dafür ein eigenes Jahresbudget von der SoLaWiS über rund 12.000 Euro. Die Entscheidung für diese „Investition“ wurde von der Bieterrunde im November 2015 gefällt. Im Jahr 2017 gab es für die SoLaWiS-Mitglieder wegen der schwachen Honigernte im Frühjahr und Sommer 2017 (die Obstblüte war wegen Spätfrösten im April erfroren) nur jeweils ein kleines Glas Honig für den Jahresbetrag von rund 42 Euro an Summtgart. Um das Ertragsrisiko zu mindern, wurde im November 2017 beschlossen, nur die Hälfte der SoLaWiS-Bienenvölker auf Reyerhof-Flächen zu belassen und die andere Hälfte mit auf die Wanderungen der Imkerei zu nehmen. Eine Entscheidung hierzu war nötig, denn die SoLaWiS möchte eigentlich lokal produzierte Ware haben. Die Alternative der konventionellen Imkerei, den Bienenstöcken auch in schlechten Jahren mehr Honig zu entnehmen und die Bienen dafür mit Zucker „abzuspeisen“, widerspräche den Demeter-Kriterien für wesensgemäße Bienenhaltung.
Das Brot für die SoLaWiS wird von der Demeter-Bäckerei der Karl-Schubert-Gemeinschaft in Filderstadt-Bonlanden, die mit Behinderten arbeitet, aus frisch gemahlenem Reyerhof-Weizen gebacken. Das Mehl für die SoLaWiS wird aus Reyerhof-Weizen in zwei Ausmahlungsgraden von einer kleinen Mühle in Kirchheim u. T. gemahlen. Ab 2018 erweitert der Reyerhof seinen Anbau und damit sein Angebot um Roggen.
Steuerung und Informationsfluss
Möglich war und ist diese Flexibilität einer lernenden Organisation durch die hohe Motivation von rund zwanzig bis dreißig aktiven Mitgliedern der Initiative, die sich bei Einzelaufgaben, in Arbeitsgruppen und bei den regelmäßigen „Orga-Treffen“ engagieren, und die Offenheit und Kooperationsbereitschaft der Reyerhof-Betriebsleiter. Der neue Betriebsleiter Lukas Dreyer sieht sich als aktives Mitglied der SoLaWiS-Initiative und nimmt häufig an Orga-Treffen teil. Eine enge persönliche Verknüpfung schafft auch Alina Reinartz, eine SoLaWiS-Aktive, die nach ihrem Architektur-Bachelor zunächst eine zweijährige landwirtschaftliche Ausbildung auf dem Reyerhof absolviert hat und mittlerweile dort angestellt ist.
Fünf SoLaWiS-Aktive, die sich als Koordinationsgruppe[228] verstehen, erledigen überwiegend ehrenamtlich und gelegentlich unterstützt von weiteren Freiwilligen die regelmäßig anfallenden Aufgaben Mitgliederverwaltung, Mitgliederbetreuung, Buchhaltung, Wunschlistenkoordination und Internetseitenaktualisierung. Eine von ihnen, Lena Steinbuch, ist mit fünf Stunden pro Woche bei der Reyerhof KG angestellt, um die wochenaktuelle E-Mail-Verwaltung zu gewährleisten.
Neben dem „Orgateam“, welches sich um die Organisation der für alle offenen Orga-Treffen und der Verteilpunkte kümmert, gibt es die offenen Arbeitsgruppen „Rezepte“, „Website und Kommunikation“ und „Öffentlichkeitsarbeit“. Letztere organisiert Infostände auf Großveranstaltungen und eigene Informationsveranstaltungen der SoLaWiS. Eigentlich ist auch eine „Budget-AG“ angedacht, doch das Interesse der SoLaWiS-Aktiven an den Zahlen des Reyerhofs-Haushalts ist offenbar so gering, dass nur eine Aktive („Budget-Beauftragte“) jährlich mit Lukas Dreyer die Haushaltszahlen prüft und aus der avisierten Differenz von Ausnahmen und Einnahmen das SoLaWiS-Budget für das Folgejahr ableitet. Um Fragen zu beantworten und Transparenz herzustellen, werden vor der jährlichen Vollversammlung für alle SoLaWiS-Mitglieder offene Treffen zu diesem Thema angeboten.
Das Orgateam hat sich im März 2017 zum Moderations- und Organisationsmodell „Soziokratie“[229] fortbilden lassen, um die Orga-Treffen und die Koordination der Initiative effektiver und effizienter zu strukturieren. Seitdem werden die Soziokratie-Techniken nach und nach in die Orga-Treffen eingeführt und erprobt. In Zukunft soll es bei den Orga-Treffen stärker um Förderung und das Leitbild der SoLaWiS gehen und weniger um organisatorische Fragen der Initiative.[230]
Auch das auf der Internetseite präsentierte Leitbild für die SoLaWiS-Initiative (Vision, Mission, Ziele) wurde 2015 von der damals existierenden „Konzepte-AG“ nach Prinzipien der Soziokratie entworfen.[231] Allerdings ist der Leitbildprozess wohl insofern nicht abgeschlossen, als das Leitbild nicht auf einer Vollversammlung diskutiert und verabschiedet wurde.
Unterjährig anstehende Entscheidungen der Initiative werden beim Orga-Treffen gefällt, dessen Protokolle mittlerweile allen SoLaWiS-Mitgliedern über den E-Mail-Verteiler der Initiative zugesandt werden. Das Bedürfnis nach professioneller Struktur des Orgateams kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass die Rollen „Moderation der Orga-Treffen“ und „Protokollierung der Orga-Treffen“ an jeweils eine Person fest vergeben wurden.
Wichtige Entscheidungen, die die gesamte Initiative betreffen, insbesondere die Zusammensetzung der Lebensmittel-Anteile und das Jahresbudget, werden vom Orgateam vorbereitet und auf der Vollversammlung allen Mitgliedern zur Entscheidung vorgeschlagen.
Dem Informationsfluss zu allen Mitgliedern dient der E-Mail-Verteiler „Kistenpost“, in dem der Reyerhof über das Gemüse in der wöchentlichen Lieferung, aber auch über Ereignisse auf dem Reyerhof, insbesondere mit Bezug zu Anbau und Ernte, und für die SoLaWiS relevante Termine informiert. Ein zweiter E-Mail-Verteiler für alle Mitglieder wird von der SoLaWiS-Initiative bedient. Daneben gibt es weitere E-Mail-Verteiler für die einzelnen Arbeitsgruppen und Verteilpunkte.
Im Jahr 2015 wurde der schon zu Beginn geplante gemeinnützige „Förderverein SoLaWiS e. V.“ gegründet. Vereinsziele sind die Erforschung und Verbreitung der Solidarischen Landwirtschaft und die Vernetzung der SoLaWiS-Initiative mit anderen Solawis.[232] Im Mai 2017 gab es rund 230 Vereinsmitglieder, von denen rund 10 % an der Mitgliedervesammlung teilnahmen. Die Höhe des Mitgliedsbeitrags beträgt derzeit 40 Euro. In Zukunft wird erwartet, dass alle Mitglieder der SoLaWiS-Initiative dem Förderverein beitreten. Aus den Vereinseinahmen werden in erster Linie Sachkosten der Initative wie Hosting, Raummieten, Standgebühren, Druck- und Materialkosten sowie der Mitgliedsbeitrag im Solawi-Dachverband beglichen.[233] Da der Verein erst etwa drei Jahre nach Gründung der Initiative gegründet wurde, gibt es einige Unklarheiten in der Abgrenzung zwischen Initiative und Verein, wobei der Initiative eher die operativen und dem Verein eher die ideellen Aufgaben zugeschrieben werden.232 Allerdings ist die Unterscheidung zwischen Initiative und Verein vielleicht mittelfristig obsolet, denn auch personell ist eine Abgrenzung nicht erkennbar.
Zusammensetzung und Motivation der Mitglieder
Eine Erhebung und Auswertung von Alter, Geschlecht, Familienstand, Berufstätigkeit, Einkommensverhältnissen oder Motivation zur Teilnahme der SoLaWiS-Mitglieder gibt es bislang nicht. Bei der Vollversammlung im November 2017, an der rund 500 Personen teilnahmen, ergab der Augenschein das folgende Bild: Es waren deutlich mehr Frauen anwesend (60-70 % der Anwesenden). Der Altersdurchschnitt dürfte bei Ende 30 gelegen haben, es war ein größerer Anteil von Teilnehmer*innen im Studierendenalter (unter 30 Jahre alt) zu sehen und nur wenige Teilnehmer*innen im Alter von über 60 Jahren. Einige Teilnehmer*innen hatten Babies oder Kleinkinder dabei, was auf junge Familien hindeutet. Allerdings könnte es weitere Eltern geben, deren ältere Kindern nicht zu der fünfstündigen Vollversammlung mitgekommen sind.
Die rund 20-30 SoLaWiS-Aktiven sind häufig um die 30 Jahre alt. Eine von ihnen berichtet, dass ihr inzwischen mehrjähriges SoLaWiS-Engagement für einige von ihnen im Studium begonnen habe, wobei sie mittlerweile überwiegend berufstätig sind. Sie betont aber auch, dass auch andere Lebensalter bis ca. 70 Jahre unter den Aktiven vertreten sind, die z. B. SoLaWiS-Infostände bei Veranstaltungen betreuen. Interessanterweise sind etliche ehemalige Architektur-Studierende unter den Aktiven, insbesondere im Orgateam. Insgesamt sind insbesondere unter den Aktiven, aber auch unter den sonstigen Mitgliedern nach Einschätzung der Mitorganisatorin mehr Personen mit Abitur bzw. Studienabschluss („Akademiker*innen“) vertreten als ohne eine solchen Abschluss.[234]
Die (Neu-)Mitglieder entscheiden sich nicht aus Bequemlichkeit für diese Art des Lebensmittelerwerbs – der Einkauf im (Bio-)Supermarkt ist bequemer –, sondern weil sie Wert auf lokale und nachhaltige Erzeugung legen und wieder in Kontakt mit der Landwirtschaft kommen wollen.[235]
In den Interviews mit den Betriebsleitern des Reyerhofs und den SoLaWiS-Aktiven wurde eine Vielzahl von Motiven genannt, die zur Beteiligung an der der SoLaWiS führen. Insgesamt wurden altruistische und gesellschaftliche Motive betont.[236] Wem es nur um gesunde Bio-Lebensmittel gehe, bediene sich mit weniger Aufwand im Einzelhandel oder bestellt eine Abo-Kiste.
Wichtige Motive für die Mitgliedschaft in der SoLaWiS sind:
- Unterstützung regionaler, lokaler, kleinbäuerlicher, ökologischer Landwirtschaft mit fairen Löhnen (mit unterschiedlichen Schwerpunkten)[237]
- Möglichkeit der Mitsprache über Bedingungen und die Ausrichtung der Produktion.[238]
- Wunsch nach saisonalen Lebensmitteln aus lokaler, nachhaltiger Produktion[239]
- Gute Lebensmittel auch für Verbraucher*innen/Mitglieder mit geringem Einkommen (Solidaritätsaspekt)[240]
- Ablehnung von Lebensmittelverschwendung208
- Wunsch nach Austausch, Mitwirkung, Selbstwirksamkeit, Erfahrungen (auch für die Kinder) (Erfahrungs- und Bildungsaspekt)[241]
- Gemeinschaftserlebnisse[242]
- Kompatibilität mit Gesellschaftsutopien (Freiheit von Herrschaft und Privateigentum, Wunsch nach einer anderen Wirtschaftsform)[243]
Obgleich man in der Ablehnung globalisierter Strukturen in der Landwirtschaft ein politisches Bewusstsein vermuten könnte, ist die politische Betätigung der SoLaWiS im Sinne von Aufrufen zur Teilnahme der SoLaWiS-Mitglieder an Demonstrationen, Unterschriftenaktionen etc. unter den Mitgliedern nicht unumstritten. So gab es anfangs kritische Nachfragen einiger Mitglieder, warum über die „Kistenpost“ zur Teilnahme an der „Wir haben es satt!“- Demonstration in Berlin aufgerufen wird, an der die Reyerhof-Belegschaft schon seit mehreren Jahren teilgenommen hatte. Die SoLaWiS-Aktiven entgegneten, dass die von dem „Wir haben es satt!“-Bündnis vertretenen Forderungen deckungsgleich seien mit den Anliegen der SoLaWiS.[244] Die SoLaWiS ist mittlerweile offizielle Unterstützerin des Netzwerks "Wir haben es satt!".[245] Auf der jährlichen Vollversammlung und in der „Kistenpost“ wird zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen.
Insgesamt gibt es nach Einschätzung der SoLaWiS-Aktiven wenig „politisches Sendungsbewusstsein“ bei der Masse der Mitglieder. Die SoLaWiS-Aktiven halten politische Botschaften, die nichts direkt mit Landwirtschaft zu tun haben, bewusst aus den Kommunikationswegen der SoLaWiS heraus, um Auseinandersetzungen und Spaltungen zu vermeiden.[246] Jedoch gehört es zu den erkärten Zielen der SoLaWiS-Initiative, Vorträge und Workshops zu Themen zu veranstalten, die ihrer „Mission“ entsprechen: Agrar- und Lebensmittelsystem, Solidarische Landwirtschaft, Gentechnik, Landgrabbing, Postwachstumsansätze, Commons und Tierhaltung (Geflügel, Bienen).[247] Allerdings sind nur wenige Mitglieder im Sinne dieser „Mission“ aktiv.
3.2 Was gibt der Hof der Stadt?
Die vielfältigen Leistungen des Reyerhofs für die Stadt Stuttgart und ihre Einwohner*innen wurden in der Beschreibung des Betriebs in Kapitel 3.1.3 bereits geschildert. Im Folgenden werden sie nochmals in gebündelter Form übersichtlich dargestellt.
3.2.1 Kulturlandschaft im Stadtgebiet
Der Reyerhof bewirtschaftet rund 40 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in einem Bereich mit intensiver Erholungsnutzung zwischen dichtbebauten Siedlungen. Davon sind knapp 20 Hektar Wiesen und Weiden, meist mit Streuobstbäumen. Die Streuobstflächen und die sonstigen ökologisch bewirtschafteten Grünland- und Ackerflächen haben einen besonders hohen Wert für die Artenvielfalt[248] und durch ihren strukturreichen Charakter auch für die Erholung. Die meisten vom Reyerhof gepachteten Streuobstwiesen gehören der Stadt. Für solche Flächen professionelle und darüber hinaus ökologische Pflege zu finden, mit Beweidung und Bienenhaltung wie im Fall des Reyerhofs, ist ein Glücksfall für die Stadt als Eigentümerin.[249]
Darüber hinaus fördert der Reyerhof aktiv weitere kleine, originelle und für die Bevölkerung nutzbare Strukturelemente wie das „Acker-Labyrinth“ und das „Erfahrungsfeld“[250]. Damit leistet der Reyerhof im Vergleich zu anderen Unternehmen bezogen auf die verfügbare Fläche einen überproportionalen Beitrag zur Erhaltung und Bereicherung der Kulturlandschaft im Stadtgebiet Stuttgart.
3.2.2 Kurze Wege für Nahrungsmittel und Erholung
Durch seine Lage und die ausschließliche Direktvermarktung über SoLaWiS und Hofladen ermöglicht der Reyerhof kurze Wege für Menschen und Produkte und damit die Einsparung von Treibstoffen und Treibhausgasen. Durch die günstige Anbindung an Straßenbahnlinien können Besucher*innen und Kund*innen den Reyerhof energie- und ressourcensparend ohne Auto erreichen.[251]
3.2.3 Bildung für die Stadtbevölkerung
Auf dem Reyerhof findet seit Jahrzehnten Bildung zu Agrar- und Ernährungsthemen insbesondere für Kinder und Jugendliche statt, die sonst als Stadtkinder im Ballungsraum und aus landwirtschaftsfernen Haushalten kaum Gelegenheit hätten zu erfahren, wie Kartoffeln geerntet werden und dass eine Kuh jedes Jahr ein Kalb gebären muss, um Milch zu geben. Auch für Erwachsene gibt es immer wieder Angebote (z. B. den jährlichen „Zukunft-Säen“-Aktionstag) und Informationen (z. B. den Newsletter des Hofladens). In der beruflichen Bildung ist der Reyerhof mit Ausbildungs-, Freiwilligen- und Praktikumsplätzen weit überdurchschnittlich aktiv.
Mit der SoLaWiS hat der Reyerhof eine zusätzliche Dimension für ganzheitliche Bildung erschlossen, die mittlerweile rund 350 Menschen erreicht, die nicht nur regelmäßig über Geschehnisse im Landwirtschaftsjahr informiert werden, sondern auch mindestens einmal im Monat die Gelegenheit haben, sich in Arbeit und Leben auf dem Reyerhof einzubringen.
3.3 Was gibt die Stadt dem Hof?
Strukturelle Merkmale der Großstadt ermöglichen dem Reyerhof eine erfolgreiche Direktvermarktung und eine ausgeprägte Interaktion mit der Stadtbevölkerung über die Bildungsangebote und die SoLaWiS. Andererseits wirken sie sich durch die besondere Knappheit an landwirtschaftlichen Flächen auch hinderlich auf betriebliche Ziele aus.[252]
Der Reyerhof ist durch seine vielfachen Angebote, seine Öffentlichkeitsarbeit und die mediale Berichterstattung in Stuttgart bekannt. Auch in der Stadtpolitik, insbesondere bei der Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, ist der Reyerhof etlichen ein Begriff. In der Stadtverwaltung kennen zumindest die mit Landwirtschaft und Landschaftspflege Befassten den Reyerhof und loben die jahrzehntewährende freundliche und professionelle Zusammenarbeit.[253] Doch führt die partielle Anerkennung seiner ökologischen und sozialen Gemeinwohlleistungen durch Stadtpolitik und -verwaltung bisher nicht zu der von der Reyerhof-Betriebsleitung durchaus gewünschten kommunalen Unterstützung.[254]
3.3.1 Direktvermarktung als Vertriebsweg in Ballungsräumen
Wie für viele andere landwirtschaftliche Betriebe in Stuttgart auch war und ist die Direktvermarktung der eigenen Produkte für den Reyerhof der Vermarktungsweg mit der höchsten Wertschöpfung, im Falle des Reyerhofes über seinen Hofladen und seit knapp viereinhalb Jahren im wachsenden Umfang über die SoLaWiS. Besonders für den Hofladen bzw. den Ab-Hof-Verkauf benötigt man einen Einzugsbereich mit vielen potenziellen Kund*innen in näherer Umgebung. Dies liefert der Stadtteil Stuttgart-Möhringen. Dies haben allerdings mittlerweile auch zwei Biomarkt-Ketten entdeckt und Filialen dort eröffnet, die nun dem Reyerhof-Hofladen Konkurrenz machen.[255]
3.3.2 Potenzial für die Solidarische Landwirtschaft
Auch für eine Solawi ist entscheidend, dass es ausreichend potenzielle Mitglieder in räumlicher Dichte und Nähe gibt. Dies ist in einer Großstadt allein schon wegen der Größe und räumlichen Dichte der Einwohnerschaft gegeben, aber auch, weil der Selbstversorgungsgrad mit Gemüse und anderen landwirtschaftlichen und gärtnerischen Produkten geringer ist als in ländlicheren Regionen, weil es anteilig viel weniger Gartenland gibt.[256] Darüber hinaus gibt es in Großstädten eine größere Zahl von Verbänden, Initiativen und Mitgliedern zivilgesellschaftlicher Bewegungen, die an Nachhaltigkeitsthemen und Lebensstilfragen arbeiten und bereit sind, Neues auszuprobieren. Auch dies dürfte der Gründung einer Solawi entgegenkommen.[257] Einige der Befragten halten es für wahrscheinlich, dass die Bereitschaft der Stuttgarter*innen, sich mit eigenen und stadtgesellschaftlichen Lebensumständen auseinander zu setzen, auch durch die Auseinandersetzung mit dem Großbauprojekt S 21 gewachsen ist.[258] Seit Stuttgart 21 seien die Bürger*innen kritischer auch gegenüber der Stadtpolitik und -verwaltung und engagieren sich häufiger, zumindest bei eigener Betroffenheit.[259]
Für die Zusammenarbeit mit der SoLaWiS ist die städtische Lage des Reyerhofes mit der guten ÖPNV-Anbindung ideal.[260] Für die Produktauslieferung, die mit dem Lieferwagen erfolgt, ist die innerörtliche Lage eher unerheblich.
3.3.3 Flächenknappheit und Entwicklungsrestriktionen
Für den Reyerhof mit seiner innerörtlichen Lage ergibt sich die besondere Situation, dass die Maschinenhalle mit dem Kühlraum und die Gewächshäuser nicht an der Hofstelle, sondern 800 m entfernt am Ortsrand liegen. Direkt an der Hofstelle gibt es keinen Platz für landwirtschaftliche Gebäude und Anlagen. Auch ein neu zu errichtender Kuh- und/oder Rinderstall wäre nur in einiger Entfernung vom Reyerhof zu realisieren, was arbeitsorganisatorischen Aufwand mit sich bringt. Dies ist ein Nachteil der innerörtlichen Lage.
Besonders problematisch für die Landwirtschaft in größeren Städten und Ballungsräumen sind die Flächenknappheit und die baulandgeprägten extrem hohen Flächenpreise. Beides verstärkt sich sukzessiv mit immer neuen Baugebietsausweisungen und dem ständigen Ausbau von Infrastruktur. Zwar profitieren landwirtschaftliche Betriebe in solchen Regionen überproportional finanziell von Landverkäufen. Gleichzeitig wird jedoch die landwirtschaftliche Fläche insgesamt immer kleiner und der Anteil der nur gepachteten Fläche je Betrieb immer höher.[261] Der Neuerwerb landwirtschaftlicher Fläche, sofern überhaupt Angebote existieren, ist für die meisten Betriebe in dieser Situation nicht rentabel. Umso wichtiger ist es für die Betriebe, genügend Flächen pachten zu können, in Realteilungsgebieten wie Stuttgart häufig von einer Vielzahl von Eigentümer*innen.
Die Stadt Stuttgart als vermutlich größte Grundbesitzerin in der Feldflur, die über 15 % der landwirtschaftlichen Fläche in Stuttgart hält, hat in dieser Situation eine besondere Verantwortung im Hinblick auf die gezielte Vergabe der Pachtflächen und die Gestaltung der Pachtverhältnisse. Zu diesem Thema gab es wiederholt Gespräche zwischen der Reyerhof-Betriebsleitung und der Stadtverwaltung und -politik. Auch die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat diese Fragestellung bereits aufgeworfen. Bisher hat die Stadt jedoch kein transparentes Konzept für die Vergabe eigener Pachtflächen[262], das auch ökologische und soziale Nachhaltigkeitskriterien einbeziehen[263] und Vorbildbetrieben wie dem Reyerhof mit seinen in dieser Arbeit aufgeführten Nachhaltigkeitsmerkmalen Vorteile einräumen würde.
Ein solcher Kriterienkatalog als transparente Vergabegrundlage könnte die in der folgenden Tabelle aufgeführten Nachhaltigkeitskriterien – nach Punkten gewichtet – umfassen. Interessierte Betriebe könnten sich dann unter Angabe der bei ihnen gewährleisteten Aspekte auf eine offene Ausschreibung hin um städtische Pachtflächen bewerben. Ziel ist nicht die Gleichgewichtung der drei „Säulen“ Ökologie, Soziales und Ökonomie[264], sondern eine möglichst hohe Punktzahl als Ausdruck einer möglichst hohen Gemeinwohlleistung des jeweiligen Betriebs. Rechtliche Einwände gegen eine solchermaßen qualifizierte Vergabe von Pachtflächen sind nicht zu erkennen, vielmehr würde sie den zahlreich postulierten Nachhaltigkeitsgeboten[265] und Vorbildfunktionen für Städte und Gemeinden entsprechen.
Mögliche Nachhaltigkeitskriterien für die Vergabe kommunaler Pachtflächen[266]
Ökologie
- Bio-Landbau (zertifiziert)
- Vielfalt der Fruchtfolge und Anteil der nicht für die Produktion genutzten Ackerfläche (Brache- und Blühstreifen)
- Nachgewiesener Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Mineraldünger[267]
- Extensive Grünlandbewirtschaftung, insbesondere Heugewinnung und Beweidung
- Kreislaufwirtschaft (Flächengebundene Tierhaltung)
- Aktivitäten in Naturschutz und Landschaftspflege (z. B. LPR-Verträge, Naturschutzmaßnahmen an der Hofstelle)
- Einsatz von regenerativen Energien und Treibstoffen
- Entfernung der Hofstelle von der Pachtfläche (wegen Treibstoffverbrauch der landwirtschaftlichen Maschinen)
Soziales
- Arbeitskräfte je Hektar
- Tierwohl-Standards, z. B. körperliche Unversehrtheit, Platz im Stall, Auslauf, Weidegang, Einstreu, Beschäftigungs-möglichkeiten
- Kooperation mit der Stadtgesellschaft (z. B. SoLaWiS, Selbsternte-Angebote wie „Meine Ernte“)
- Beschäftigung von Behinderten und/oder gering Qualifizierten
- Bildungsangebot bzw. -arbeit für die Öffentlichkeit
- Ausbildungs- und Praktikumsplätze etc.
Ökonomie
- Höhe der durchschnittlichen Entlohnung von Angestellten
- Regionale Ein- und Verkaufsbeziehungen (z. B. %-Anteil der Betriebsmittel aus der Region, Direktvermarktung)
- Arrondierungsinteresse
Abb. 3: Nachhaltigkeitskriterien für die Vergabe kommunaler Pachtflächen
3.4 Neue Perspektiven durch die Solidarische Landwirtschaft
Bei der Stuttgarter Stadtverwaltung ist die SoLaWiS trotz diverser Medienberichte noch nicht wirklich bekannt.[268] Auch die SoLaWiS ist (mit Ausnahme der Anmietung eines Saales für die Vollversammlung einmal im Jahr) ihrerseits noch nicht mit der Stadtverwaltung oder -politik in Kontakt getreten.[269] Sie bringt sich mit Infoständen auf Nachhaltigkeitsmessen oder -märkten und gelegentlichen Vorträgen in die Stadtgesellschaft ein.[270] Im Folgenden sollen Vorschläge entwickelt werden, wie die Stadt Stuttgart das Potenzial der SoLaWiS besser nutzen könnte.
3.4.1 Reyerhof und SoLaWiS
Die Interaktionen und Überschneidungen zwischen der Reyerhof KG und der SoLaWiS-Initiative sind zahlreich und vielfältig (vgl. Kapitel 3.1.3 und 3.1.4). Gemeinsam bewegen sie sich auch nach viereinhalb Jahren der Zusammenarbeit noch auf einem Wachstumspfad, insbesondere was die Mitgliederzahl der Initiative (derzeit rund 340) als auch das dem Reyerhof jährlich zur Verfügung gestellte Budget (derzeit rund 240.000 Euro) betrifft. Auch bei der Gemüseanbaufläche und der Produktvielfalt in den wöchentlichen Lieferungen sind Erweiterungen absehbar.
Feststeht, dass die SoLaWiS dem Reyerhof den Rückgang des Absatzes bei Hofladen und Bistro, den Generationenwechsel der Betriebsleiter, Investitionen, die Anstellung weiterer Mitarbeiterinnen und die geplante Erschließung weiterer Betriebszweige (Hühnerhaltung) erleichtert hat, teilweise auch erst ermöglicht. Die Herausforderung, eine Zukunft für den Hofladen und eventuell Bistro zu gestalten oder alternativ die SoLaWiS so auszubauen, dass sie den Betrieb vollständig tragen kann, besteht weiterhin.
Bemerkenswert in den Äußerungen der befragen Beteiligten ist die Betonung der ausgeprägten Kommunikationsfähigkeit der Reyerhof-Betriebsleiter und des ausgeprägten Vertrauensverhältnisses zwischen den SoLaWiS-Aktiven und der Reyerhof-Belegschaft sowie der Motivation, die die Beteiligten daraus für ihre Arbeit ziehen[271].
3.4.2 SoLaWiS in Stuttgart
Um es mit den Sozialwissenschaftlerinnen Cordula Kropp und Christa Müller zu sagen:
„Planer*innen, Raumwissenschaftler*innen oder Stadtpolitiker*innen kommen nicht mehr an der Tatsache vorbei, dass in der Stadt des 21. Jahrhunderts Gemüse gemeinschaftlich angebaut und verzehrt […] wird. Nicht etwa, weil dies jemand postuliert oder behauptet, sondern weil es real betrieben wird, stetig, kontinuierlich und mit wachsender Ernsthaftigkeit.“[272]
Letztlich sollte die SoLaWiS – auch von der Stadtverwaltung – als das wahrgenommen werden, was sie ist, und mit dem, was sie leisten kann: Als selbstgesteuerte Initiative, die bäuerliche Strukturen unterstützt, entlastet und im Nachhaltigkeitssinn entwicklungsfähig macht und gleichzeitig eine städtische Gemeinschaft über Stadtteile hinweg begründet, die sich intensiv mit Ernährungsfragen auseinandersetzt und sich in diesen Fragen selbst ermächtigt hat:
„Als Produzent*innen aufzutreten, bedeutet für die Beteiligten, die existenziellen Dinge wieder selbst in die Hand zu nehmen, unmittelbar beteiligt zu sein, nicht abhängig, sondern selbst-wirksam und sichtbar.“[273]
Mit beiden Gesichtspunkten – der nachhaltigen Gestaltung der landwirtschaftlichen Flächen in Stuttgart und mit nachhaltiger Ernährung in der Stadt – bietet die SoLaWiS der Stadtverwaltung ein Potenzial, das von den Verantwortlichen bislang noch nicht wahrgenommen wurde. Die SoLaWiS benötigt keine finanzielle Unterstützung und diese wäre, als direkte oder indirekte Subvention eines landwirtschaftlichen Betriebes, möglicherweise förderrechtlich auch nicht unproblematisch. Doch sollte das bei den SoLaWiS-Mitgliedern und beim Reyerhof vorhandene Erfahrungswissen und Engagement für die Stadtgesellschaft stärker als bisher nutzbar gemacht werden
3.4.3 Gründung eines Stuttgarter Ernährungsrats
Das in Stuttgart vorhandene Wissen und neue Ideen zu Landwirtschaft und Ernährung könnten mit der Gründung und Unterstützung eines Ernährungsrates gebündelt werden. Die Idee dazu stammt aus den USA[274]: Ein Ernährungsrat vereint lokales Wissen und Ideen im urbanen Raum zu den Themen lokale und regionale Lebensmittelerzeugung, -logistik, -verarbeitung und -ernährung und erarbeitet eine lokale Ernährungsstrategie für die jeweilige Großstadt, die dann idealerweise von der Stadtverwaltung und anderen Akteur*innen umgesetzt wird.
Für Deutschland sind Ernährungsräte ein neuer Ansatz: Erst seit 2015 gibt es Initiativen zur Gründung von Ernährungsräten, z. B. in Köln, Frankfurt oder Berlin[275]. Ende 2017 waren rund zehn Ernährungsräte in deutschen Großstädten existent oder im Aufbau.
In einem Ernährungsrat sollten insbesondere vertreten sein: Vertreter*innen von Umwelt-, Ernährungs-, Verbraucher-, Landwirtschafts- und Wohlfahrtsverbänden und -initiativen, kirchliche Träger*innen von Verpflegungseinrichtungen, Landwirt*innen, Gemeinderatsmitglieder und feste Ansprechpartner*innen der Stadt- und Kreisverwaltung aus den Bereichen Landwirtschaft, Naturschutz, städtische Verpflegung, Entsorgung und Wirtschaftsförderung. Darüber hinaus sollte der Ernährungsrat allen Interessierten offenstehen.
In einem solchen Ernährungsrat, der sich gleichzeitig aus formellen und informellen urbanen Ansätzen speist, könnten Vorschläge entwickelt werden, wie die landwirtschaftlichen Flächen im Eigentum der Stadt nachhaltig und gemeinwohlorientiert weiterentwickelt werden können.[276] Darüber hinaus sollten die Verpflegungseinrichtungen der Stadt und der Wohlfahrtsorganisationen in den Blick genommen werden: Wie können sie mit ökologisch und regional erzeugten Lebensmitteln beliefert, die Qualität des zubereiteten Essens gesteigert und Lebensmittel- und Verpackungsabfälle weitgehend vermieden werden? Und schließlich könnte der Ernährungsrat auch als Ideengeber und Vernetzungsstelle für weitere zivilgesellschaftliche Initiativen im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich dienen. Wichtig ist eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit des Ernährungsrats mit einer jährlichen Präsentation bzw. einem öffentlichen Netzwerktreffen im Rathaus. Philipp Stierand beschreibt die ernährungskompetente Stadt mit treffenden Worten:
„Die ernährungskompetente Stadt, die ihre Verantwortung wahrnimmt, kann mit der kommunalen Ernährungspolitik Veränderungen jenseits des individuellen Konsums erreichen. Sie schafft neue Gelegenheiten für nachhaltigen Konsum und unterstützt Ansätze für ein alternatives Ernährungssystem. Kommunale Ernährungspolitik kann dabei auf Instrumente zurückgreifen, die vielfach und international erprobt sind.“[277]
4 Zusammenfassung und Ausblick
Die Solidarische Landwirtschaft ist eine Reaktion auf die „Große Transformation“, die mit Beginn der Industrialisierung vor rund 250 Jahren begonnen hat und die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Im Rahmen informeller Initiativen versucht sie, der sozialen „Entbettung“ der Mehrheit der Menschen aus den Zusammenhängen der Nahrungsproduktion, den kapitalistischen Wachstumszwängen der landwirtschaftlichen Betriebe und den Umweltzerstörungen der industrialisierten Landwirtschaft eine solidarische Alternative entgegenzusetzen. Damit bewegt sie sich in einem ideellen Umfeld des „Dritten Weges“ oder „Dritten Sektors“ jenseits von Markt und Staat und hat damit Anknüpfungspunkte zur Anthroposophie sowie den sozialen Bewegungen der Gemeinwohl-Ökonomie bzw. Solidarischen Ökonomie. Die Untersuchung der Initiative Solidarische Landwirtschaft Stuttgart und des mit ihr verbundenen Reyerhofs zeigt eindrucksvoll, dass die Zusammenarbeit einerseits dem Betrieb nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet und andererseits zu einer persönlichen Bereicherung der Beteiligten im Sinne von Lern- und Sinnerfahrungen, Vertrauensaufbau und Gemeinschaftserlebnissen führt.
Die Solidarische Landwirtschaft ist weltweit und in Deutschland kein neues Phänomen (die ältesten Solidarhöfe existieren seit über 30 Jahren), die Bewegung hat hierzulande aber erst in den letzten Jahren durch Gründung eines bundesweiten Netzwerks Dynamik bekommen. Dabei ist sie durchaus auch ein urbanes Phänomen: Durch die hohe Siedlungsdichte gibt es in Städten einen größeren Pool an Menschen ohne Anbindung an eigene Lebensmittelproduktion und mit überdurchschnittlicher Offenheit für politische und soziale Gestaltungsfragen.
Die Solidarische Landwirtschaft weist positive Nachhaltigkeitseffekte in allen drei Dimensionen (Ökologie, Ökonomie und Soziales) auf. Die Kommunen haben das Potenzial der Solawi-Initiativen für die nachhaltige Stadtentwicklung jedoch noch nicht im Fokus, wie die Untersuchung der Initiative Solidarische Landwirtschaft Stuttgart und des mit ihr verbundenen Reyerhofs zeigt.
Die Wahrnehmung und Unterstützung urbaner Ernährungsbewegungen durch die Stadtpolitik und -verwaltung stehen in den meisten Städten, so auch in Stuttgart, noch am Anfang. Die Etablierung eines kommunalen Ernährungsrats, den es bereits in einigen deutschen Großstädten gibt, könnte Fortschritte in Richtung nachhaltiger Stadtentwicklung im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich bringen. Wichtig ist, dass in einem solchen Ernährungsrat informelle und formelle Strukturen aus der Stadtgesellschaft, der Kommunalverwaltung, der Parteien- und der Verbandsszene gleichberechtigt ins Gespräch kommen. In diesem Rahmen können u. a. auch Ziele für die Landwirtschaft auf kommunalen Flächen und für die Versorgung in öffentlichen und verbandlichen Verpflegungseinrichtungen abgestimmt werden. Damit es nicht nur bei Gesprächen bleibt, ist es elementar, dass die Kommunalverwaltung den politischen Auftrag erhält, Konzepte im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich abzustimmen und dann auch umzusetzen.
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[1] Vgl. Kropp/Müller, S. 5.
[2] Vgl. Kropp/Müller, S. 2 f.
[3] Zu transformativen Unternehmen vgl. Pfriem/Antoni-Komar/Lautermann.
[4] Vgl. z. B. die Masterarbeit von Kraiß (2012).
[5] Vgl. z. B. die Diplomarbeit von Bechtel (2014).
[6] Eine Ausnahme bildet die Masterarbeit von Schmidt (2016).
[7] Vgl. die Internetseite des deutschen Netzwerks Solidarische Landwirtschaft /www.solidarische-landwirtschaft.org/solawis-finden/liste/
[8] „induktiv“ = „das Allgemeine aus dem Besonderen ableitend“ Die Deduktion beweist, dass aus logischen Gründen etwas der Fall sein muss.
[9] „deduktiv“= „das Besondere aus dem Allgemeinen ableitend“. Die Induktion zeigt, dass eine empirische Evidenz besteht, dass etwas tatsächlich wirksam ist.
[10] „abduktiv“= „den Einzelfall aus dem Allgemeinen und einem Resultat interpretierend“.
[11] Vgl. Bude, S. 571 f.
[12] Vgl. Hopf, S. 349 f.
[13] Die Grundlagen des narrativen Interviewtyps wurden in den Siebziger Jahren von Fritz Schütze gelegt.
[14] Vgl. Hopf, S. 355 ff.
[15] Vgl. Kruse, S. 168 ff., Meuser/Nagel, S. 72.
[16] Allerdings wird in der Literatur zur qualitativen Forschung auch nicht eindeutig zwischen Interviewtypen und -verfahren unterschieden.
[17] Vgl. Bogner/Littig/Menz, S. 66.
[18] Vgl. Kruse, S. 217 f.
[19] Gläser/Laudel, S. 200 f.
[20] Der Begriff wird in dieser Arbeit einerseits für das Konzept und die Praxis verwendet, also auch für Betriebe, Initiativen und Menschen, die sich an dieser Praxis beteiligen.
[21] Der Begriff „Community Supported Agriculture“ wurde von den US-Amerikaner*innen Robyn van En, Jan VanderTuin und ihrer Gruppe 1986 entwickelt und definiert. Vgl. Henderson/Van En S. xiii ff.
[22] Vgl. www.solidarische-landwirtschaft.org/das-netzwerk/ueber-uns/entstehung/ [16.09.2017]
[23] Vgl. KROPP/MÜLLER, S. 9.
[24] Vgl. Melucci, S. 23 f. und Interview A 8 00:59:31.
[25] Prosument*innen erzeugen und verbrauchen die Produkte jeweils selbst. Im Bereich der Landwirtschaft spricht man auch von Subsistenzwirtschaft.
[26] Beispiel Schlachtbranche: Immer weniger immer größere Schlachtbetriebe (Konzentration), die ausländische Wanderarbeiter*innen unter prekären Bedingungen beschäftigen und zunehmend im Fleischexport engagiert sind (Globalisierung).
[27] Beispiel Discounterisierung: Ablösung des kleinen inhabergeführten Lebensmitteleinzelhandels durch Supermarkt- und Discounter-Konzerne mit internationalen Distributionsketten (Konzentration und Globalisierung).
[28] Der Begriff „regional“ ist im Kontext Lebensmittelerzeugung nicht definiert. Entsprechend findet keine statistische Erfassung der regionalen Lebensmittelvermarktung statt.
[29] 2015 betrug der Bio-Anteil am Lebensmittelumsatz in Deutschland 4,8 %.
Vgl. www.foodwatch.org/de/informieren/bio-lebensmittel/mehr-zum-thema/zahlen-daten-fakten/.
[30] Rund 1.646.000 Betriebe in der BRD im Jahr 1949 (Vgl. Deutscher Bauernverband) und rund 618.000 Betriebe in der der DDR im Jahr 1960 (Vgl. Werkentin, S. 262).
[31] Für 2016 werden 275.400 Betriebe angegeben: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36094/umfrage/landwirtschaft---anzahl-der-betriebe-in-deutschland/ [30.09.2017]
[32] In den Ländern mit Staatssozialismus verlief die Entwicklung bis Anfang der 1990er Jahre anders. Dort spielten unter anderem Enteignungen, Kollektivierungen, eine stärkere staatliche Preisgestaltung für Lebensmittel und ein teilweise hoher Grad an privater Selbstversorgung eine Rolle. Seit der Einführung der Marktwirtschaft in Folge der Auflösung der Sowjetunion sind in diesen Länder ebenfalls die geschilderten Entwicklungen zu beobachten.
[33] Unter landwirtschaftlicher Direktvermarktung wird der Absatz von Produkten, die im eigenen Betrieb erzeugt wurden, an Verbraucher*innen ohne Zwischenhandel bezeichnet; z. B. auf dem Hof (Hofladen oder Verkaufsstand), auf dem Feld (Schnittblumen, Erdbeeren), mit Hilfe von Automaten oder Verkaufsständen z. B. an Straßen, Wochen- oder Bauernmarkt, betriebseigene Abo- und sonstige Liefer-, Abhol- oder Versandsysteme (z. B. Online-Shop) und eben auch Solawi-Modelle.
[34] Zu den geschilderten Entwicklungen vgl. auch McFadden (2013 a) für die USA.
[35] Vgl. Wakamiya, S. 39.
[36] Vgl. Dyttrich, S. 23.
[37] Vgl. Wakamiya, S. 37.
[38] Vgl. Wakamiya, S. 44.
[39] Vgl. Japan Organic Agriculture Association www.joaa.net/english/teikei.htm#ch5 [29.09.2017]
[40] Vgl. Wakamiya, S. 85
[41] Insofern, als den Produkten Preise zugemessen werden (die allerdings nicht marktbestimmt sind), handelt es sich nicht im engen Definitionssinne um eine CSA.
[42] Zahlen von 2015; Vgl. Hansalim, S. 5.
[43] Zahlen von 2014, als Hansalim den „One-World-Award“ erhalten hat. „Hansalim“ bedeutet „Alles Lebendige bewahren“. Vgl. www.one-world-award.de/hansalim-korea.html
[44] Vgl. Hansalim, S. 33.
[45] Hansalim, S. 2.
[46] Übersetzt:“ Schlaraffengärten“ oder „Gärten des Überflusses“.
[47] Vgl. Dyttrich, S. 53. Übersetzt: Regionale Vertragslandwirtschaft.
[48] Dieser Begriff existierte damals noch nicht.
[49] Vgl. Dyttrich, S. 52 f.
[50] Vgl. McFadden (2004 b).
[51] McFaddden (2013 a), S. 123.
[52] Amerik.: Member Owned Cooperative. Vgl. http://www.twcfarm.com/description [29.10.2017]
[53] Vgl. http://www.twcfarm.com/csa-membership [29.10.2017]
[54] Vgl. Kraiß, 2012, S. 60.
[55] Vgl. Bopp, S. 11 ff.
[56] http://buschberghof.de/ [05.11.2017]
[57] In Frankreich gibt es sogar ein Staatssekretariat für soziale und solidarische Ökonomie.
[58] Vgl. Scharrer/Rist, S. 7.
[59] Vgl. McFadden (2004 b).
[60] Angabe des Solidarische Landwirtschaft e. V. unter www.solidarische-landwirtschaft.org/solawis-finden/liste/ [03.12.2017]
[61] Vgl. www.solidarische-landwirtschaft.org/das-netzwerk/ueber-uns/entstehung/ [03.12.2017]
[62] Eigene Darstellung, Zahlen aus Schmidt, D., S. 61 und Solidarische Landwirtschaft e. V.
[63] Vgl. https://urgenci.net/
[64] Vgl. Bietau et al., S. 10 f.
[65] aid, S. 8
[66] Vgl. Interview A 6, 00:20:53.
[67] Zum Begriff der Transformation siehe auch Kap. 2.4.1.
[68] So der Titel von Demirović et al.
[69] Vgl. Elsen, S. 92.
[70] Vgl. Scheuerle, S. 8; S. 14 und Pfriem/Antoni-Komar/Lautermann, S. 18.
[71] Rudolf Steiner (1861–1925) war Philosoph und Esoteriker und wirkte durch Vorträge und Publikationen.
[72] Steiner war der erste Generalsekretär der 1902 gegründeten Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft und veröffentlichte 1904 das Buch „Theosophie“. Die von Steiner 1912 gegründete Anthroposophische Gesellschaft war eine Abspaltung von der Theosophischen Gesellschaft.
[73] Vgl. Steiner, S. 67 ff.
[74] Vgl. Kaminski.
[75] Vgl. Groh, S. 7.
[76] Stränz (2013), S. 269.
[77] CSA North America (CSANA) wurde 1992 als Unterstützungsorganisation für CSAs gegründet. Vgl. McFadden (2004 b).
[78] Vgl. Henderson/Van En S. xiii ff.
[79] Vgl. McFadden (2004 b).
[80] Schätzung von Katharina Kraiß, Solidarische Landwirtschaft e. V. per E-Mail am 05.10.2017. Der Demeter Landesverband-BW nennt 28 Betriebe. www.demeter-bw.de/demeter-bw/sich-beteiligen [01.12.2017]
[81] Vgl. Interview A 6, 00:22:03 und 00:26:15.
[82] Zitiert nach Van Elsen/Kraiß S. 60.
[83] Christian Felber (geb. 1972 in Salzburg) verbringt wie Rudolf Steiner 100 Jahre zuvor einen großen Teil seiner Zeit mit Vortragsreisen. Darüber hinaus ist er Philologe, Publizist und Autor, Hochschuldozent, Mitgründer von Attac Österreich, Initiator des Projekts „Bank für Gemeinwohl“ und Tänzer.
[84] Vgl. Felber, S. 18 f.
[85] Felber, S. 33.
[86] Vgl. Felber, S. 37.
[87] Vgl. Felber, S. 39 ff.
[88] Vgl. Felber S. 206.
[89] Vgl. Felber S. 106 f.
[90] Vgl. Felber, S. 33 ff.
[91] Vgl. Felber R, S. 146.
[92] Vgl. Felber S. 154.
[93] Vgl. www.ecogood.org/de/community/pionier-unternehmen/ [01.10.2017]
[94] Vgl. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss.
[95] Vgl. Bündnis 90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg/CDU-Landesverband Baden-Württemberg, S. 14 f.
[96] Vgl. http://stuttgart.gwoe.net/?page_id=8.
[97] Vgl. www.lust-auf-stadt.de/index.php?article_id=1479 [21.11.2017] und www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/614008 [21.11.2017]
[98] Mündliche Auskunft von Christoph Simpfendörfer am 25.08.2017.
[99] Vgl. Interview A 5, 00:08:56.
[100] Vgl. Kropp/Müller, S. 3.; Vgl. auch Kap. 2.4.
[101] Vgl. Giegold/Embshoff, S. 11 ff.
[102] Vgl. z. B. Elsen, Exner/Kratzwald, Giegold/Embshoff, Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung, Notz.
[103] Laut Elsen (2011 a, S. 16) sind Commons das gemeinsame natürliche und kulturelle Erbe eine (spezifischen) Gemeinschaft, bestehend aus den natürlichen Lebensgrundlagen (natürliche Ressourcen, Landschaften, biologische Vielfalt) und sozialen Organisationsformen (öffentliche Räume, Daseinsvorsorge, Sozialversicherungssysteme, Gesetze) und sowie kulturellen Gemeingütern (Bildungs-, Wissens- und Kommunikationsformen, Sprache, Riten, Traditionen etc.). Commons werden auch als „Allmende“ oder „Gemeingüter“ bezeichnet.
[104] Einen Überblick geben Notz (2012) und Voß (2015).
[105] Vgl. Richter, S. 51.
[106] Vgl. Helfrich/Bollier, 2012, S. 17 ff.
[107] Zitiert nach Notz, S. 120.
[108] Vgl. Exner.
[109] Quilligan, S. 100.
[110] https://solawis.de/vision/ [12.11.2017]
[111] Vgl. https://solawis.de/vision/ [12.11.2017]
[112] Vgl. Interview A 8, 00:59:31.
[113] Vgl. Carlowitz, S. 105.
[114] Vgl. Seybold, S. 9.
[115] Vgl. Seybold, S. 12 ff.
[116] Vgl. Huber, S. 39 ff.
[117] Zur “Bedürfnis-Diskussion” vgl. Rosa-Luxemburg-Stiftung S. 24 ff.
[118] Die Weltbank und die Vereinten Nationen hatten 2003 einen wissenschaftlichen Prozess mit mehr als 400 Wissenschaftler*innen aus 86 Ländern initiiert, der 2008 in den Weltagrarbericht mündete (IAASTD - International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development).
[119] Vgl. WBGU (2011 a).
[120] Vgl. WBGU (2011 b), S. 4.
[121] Vgl. Kropp/Müller, S. 3.
[122] Vgl. Brand, S. 246; 248.
[123] Vgl. Brand, S. 250 f.
[124] Vgl. Kropp/Müller, S. 3.
[125] Vgl. Agenda 21 – Originaldokument in deutscher Übersetzung, Kap. 28.1: www.agenda21-treffpunkt.de/archiv/ag21dok/kap28.htm
[126] Vgl. Maßnahme 28.3 Agenda 21 – Originaldokument in deutscher Übersetzung: www.agenda21-treffpunkt.de/archiv/ag21dok/kap28.htm
[127] Vgl. Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW).
[128] Auf Englisch: Sustainable Development Goals (SDGs)
[129] Vgl. Martens/Obenland, S. 109 ff.
[130] Vgl. Martens/Obenland, S. 40 ff.
[131] Vgl. Kropp/Müller, S. 1.
[132] Vgl. Willinger (2014 a), S. I: „Die Aktivitäten informeller Akteure basieren nicht auf Maßnahmenkatalogen stadtplanerischer Handlungskonzepte, sondern auf den Alltagsbedürfnissen sozialer Gruppen, selbstorganisiert und oft widerständig.“
[133] Vgl. Kap. 2.1.
[134] Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, S. 58.
[135] Vgl. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V., S. 23.
[136] Niggli et al., S. 6 ff.
[137] Niggli et al., S. 7.
[138] Vgl. Bechtel, S. 116, und Schmidt, D., S. 63.
[139] Vgl. ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (2009): S. 49 f.
[140] Die Fahrt mit dem 8-l-Auto zum Bauernhof am Stadtrand, um 2 kg Kartoffeln und 12 Eier zu kaufen, ist nicht effizient und damit nicht nachhaltig. Zur CO2-Effizienz von Liefer- und Abholsystemen vgl. Coley/Howard/Winter.
[141] Die Länge der Klimagas-relevanten Transportwege hängt weniger von der Lage des landwirtschaftlichen Betriebs ab als vielmehr von der Verteilstruktur. Vgl. Interview A 5, 00:22:08.
[142] Vgl. Hermanowski, S. 103 f.
[143] Zahl von 2011, erhoben vom staatlichen Thünen-Institut für Marktanalyse und Agrarhandelspolitik; Vgl. www.bauernverband.de/13-nahrungsmittel-verbrauch-und-preise#.
[144] Vgl. AG Direktvermarktung, Koordination Regierungspräsidium Stuttgart.
[145] Vgl. Kraiß/Meißner, S. 42.
[146] Vgl. Kraiß/Van Elsen (2011), S. 356 f.
[147] Vgl. Kap. 2.2.
[148] Wie im Fall des Reyerhofes einer Bäckerei, einer Imkerei und einer Mühle.
[149] Vgl. Wild, S. 26.
[150] Vgl. Kropp/Müller, S. 12.
[151] Nach einer Befragung im Jahr 2015 ist 2/3 der befragten Verbraucher*innen Tierschutz wichtig.
[152] In der konventionellen Tierhaltung sind Amputationen (Hörner ausbrennen, Schwänze, Zähne und Schnäbel kürzen etc.) an der Tagesordnung, um mehr Tiere auf engem Raum halten zu können.
[153] Vgl. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V., S. 26 f.
[154] Vgl. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, S. 9.
[155] Vgl. Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V., S. 19.
[156] Dies bestätigen auch die geführten Interviews, z. B. Interview A 5, 00:27:22.
[157] Vgl. Kropp/Müller, S. 3. Sie nutzen den Begriff der „Wiedereinbettung“ als Gegenbegriff zu Polanyis „Entbettung“. Vgl. auch Kap. 2.4.1 („Transformation in der Nachhaltigkeitsdebatte“).
[158] Vgl. die Interviews A 5, 00:31:01, 00:32:08; A 7 00:59:38.
[159] Vgl. auch die Ausführungen zum globalen Nachhaltigkeitsziel 2 der Agenda 2030 in Kap. 2.4.1.
[160] Vgl. Kunzmann, S. 2 f.
[161] Vgl. Kropp/Müller, S. 1 und Stierand, S. 9 f.
[162] Vgl. Interviews A 5, 00:07:17; 00:07:55; A 8, 00:16:47.
[163] Vgl. Interview A 5, 00:07:55.
[164] Vgl. Interviews A 7, 00:12:45; A 8, 00:02:54
[165] Vgl. Gerlach et al., S. 3.
[166] Die Anzahl bezieht sich auf die mit Hauptwohnsitz gemeldeten Personen. Vgl. www.stuttgart.de/item/show/55064/1 [15.10.2017]
[167] 2016 dürfte Düsseldorf, das mit Stuttgart um den Platz der sechstgrößten Stadt konkurriert, Stuttgart bei der Einwohnerzahl überholt haben.
[168] Damit liegt Stuttgart, was die Einwohnerdichte betrifft, deutschlandweit auf Platz 6.
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_deutscher_Gemeinden,_nach_der_Bev%C3%B6lkerungsdichte_geordnet [15.10.2017]
[169] Zu den landwirtschaftlichen Flächen gehören rund 60 % Ackerland, 20 % Dauergrünland, 17 % Rebland und 3 % Obstanlagen. Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart, Abteilung Wirtschaftsförderung (2014)
[170] Zahlen von 2016. Vgl. Statistisches Landesamt: www.statistik-bw.de/Landwirtschaft/Bodennutzung/05025033.tab?R=GS111000 [15.10.2017]
[171] Gezählt werden Betriebe, die mindestens 2 Hektar bewirtschaften. Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart (2017 a). Zusätzlich gibt es noch einige Wein-, Obst- und Gartenbaubetriebe mit weniger als 2 Hektar Fläche.
[172] Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart (2017 a).
[173] Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart (2017 b).
[174] Die landesweite durchschnittliche Betriebsgröße betrug 2016 rund 35 Hektar. Vgl. www.statistik-bw.de/Landwirtschaft/Agrarstruktur/Betriebe-LFGK.jsp [15.10.2017]
[175] Vgl. A 10; 00:07:13.
[176] Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart (2017 b). Neuere Zahlen scheint es zum ökologischen Landbau in Stuttgart nicht zu geben.
[177] Vgl. www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2015143 [15.10.2017]
[178] E-Mail der Landwirtschaftsbeauftragen der Stadt Stuttgart vom 15.11.2017.
[179] Vgl. Interview A 9 00:03:31.
[180] Vgl. www.stuttgart.de/wirtschaftsfoerderung/landwirtschaft.
[181] Vgl. www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/625565?
[182] Vgl. www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/598097?
[183] Vgl. Kap. 2.4.3.
[184] Vgl. Steinbuch (2016), S. 62.
[185] Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung.
[186] Vgl. Rothfuß.
[187] Dies vermutet jedenfalls die Leiterin der UNB im Interview A 10 00:52:41.
[188] Allein die Stadt Stuttgart hat über 250 Hektar Gartenland und Kleingärten im Eigentum, die fast vollständig an Privatleute und Vereine verpachtet sein dürften (Auskunft der Stadt Stuttgart vom 15.11.2017).
[189] Vgl. Interview A 5, 00:15:18; 00:15:16:44.
[190] Vgl. Interviews A 7, 00:47:41; A 8, 00:54:04; 00:55:03; 00:55:44; 01:20:01.
[191] Simpfendörfer, S. 88.
[192] Vgl. Simpfendörfer, S. 89.
[193] Vgl. Reyer-Simpfendörfer.
[194] Vgl. Olbrich-Majer.
[195] Martin und Bruni Reyer gründeten 1986 mit dem Erlös aus dem Reyerhof eine neue landwirtschaftliche Existenz am Bodensee: Gemeinsam mit zwei weiteren Familien gründeten sie die Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach bei Herdwangen im Landkreis Sigmaringen. Der anthroposophischen Prägung der Reyers blieben sie treu, indem Heggelbach von Anfang an biologisch-dynamisch bewirtschaftet wurde. Vgl. http://hofgemeinschaft-heggelbach.de/hofgemeinschaft/25-jahre-hofgemeinschaft [30.10.2017].
[196] Die Milchquote war eine EU-Maßnahme zur Regulierung der Milchmenge und war zwischen 1984 und 2015 in Kraft.
[197] REYERHOF Simpfendörfer & Partner KG Naturkost und biol.-dynamische Landwirtschaft KG.
[198] Vgl. Simpfendörfer, S. 89 f.
[199] Vgl. Interview A 6, 01:11:08.
[200] Vgl. Interview A 6, 01:12:53.
[201] Vgl. Interview A 6, 00:59:58.
[202] Vgl. Olbrich-Majer.
[203] Mündliche Informationen auf der Vollversammlung am 05.11.2017.
[204] Vgl. Simpfendörfer, S. 90.
[205] Vgl. http://slowfood-stuttgart.de/der-demeter-schau-und-bildungsgarten-stellt-sich-vor/ [30.10.2017]
[206] Vgl. https://www.reyerhof.de/der-reyerhof/labyrinth/ [11.11.2017]
[207] Vgl. https://www.reyerhof.de/der-reyerhof/zukunft-s%C3%A4en/ [30.10.2017]
[208] Die „Internationale Grüne Woche“ (IGW) findet jährlich als Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau in Berlin statt. Sie ist ein Spiegel der globalisierten und industrialisierten Landwirtschaft, auch wenn sie teilweise - z. B. in der Tierhaltung - für die Besucher*innen idealisierte Bilder erzeugt. Gegen das herrschende Agrarsystem, das von internationalen Saatgut-, Dünger-, Pestizid- und Tierfutter-Konzernen sowie – in Deutschland – vom Deutschen Bauernverband (DBV) dominiert wird, wendet sich seit 2011 die „Wir haben es satt!“-Demonstration.
[209] Vgl. https://solawis.de/wie-alles-begann/ [31.10.2017]
[210] Vgl. Interview A 7, 00:04:05.
[211] Vgl. Olbrich-Majer.
[212] Vgl. Anhang 6, S. XXXIII.
[213] Samenfeste Sorten können anders als Hybrid-Sorten mit stabilem Sortenbild weiter vermehrt werden, das heißt, die nachgezogenen Pflanzen haben die gleichen Eigenschaften und die gleiche Gestalt wie die Mutterpflanze.
[214] Vgl. Keelan, S. 35.
[215] Ein Pflegesohn ist als Mitarbeiter auf dem Reyerhof angestellt.
[216] Mündliche Mitteilung auf der SoLaWiS-Vollversammlung am 05.11.2017.
[217] Vgl. Interviews A 7, 00:04:05 und A 8, 00:47:26.
[218] Vgl. Interview A 7, 00:23:53.
[219] Vgl. Interview A 7, 00:04:05.
[220] Vgl. https://solawis.de/wie-alles-begann/ [31.10.2017]
[221] Vgl. Interviews A 6, 00:16:03 und A 7, 01:01:40.
[222] Angaben der SoLaWiS in der E-Mail vom 22.11.2017; Absender wir@solawis.de
[223] Zahlen nach Auskunft von Lena Steinbuch am 21.11.2017.
[224] Vgl. Interview A 6 00:57:03; A 7, 00:59:38.
[225] Vgl. Interview A 6 00:57:03; A 7, 00:02:00, 00:02:52.
[226] Vgl. Interview A 6, 00:52:37.
[227] Vgl. Interview A 8, 00:27:15.
[228] Mündliche Mitteilung von Lena Steinbuch am 15.11.2017
[229] Soziokratie ist eine Moderations- und Organisationsform, die von der Gleichberechtigung der Beteiligten ausgeht. Entscheidungen werden nicht nach dem Mehrheits-, sondern nach dem Konsentprinzip getroffen, kommen also nur zustande, wenn keine*r der Beteiligten schwerwiegende oder begründete Einwände im Sinne der gemeinsamen Ziele erhebt. Das Konzept wurde von dem niederländischen Reformpädagogen Kees Boeke entwickelt.
[230] Mündliche Mitteilung von Lena Steinbuch am 15.11.2017
[231] Vgl. https://solawis.de/vision/ [03.12.2017]
[232] Vgl. Vereinssatzung http://solawis.de/wp-content/uploads/2017/05/151020_Satzung_Fo-rderverein_Solawis_original.pdf [27.11.2017]
[233] Mündliche Mitteilung von Lena Steinbuch am 15.11.2017
[234] Vgl. Interviews A7, 00:10:46, 00:16:23; A 8, 00:04:38, 00:20:37.
[235] Vgl. Interviews A 6, 00:20:53 und A 7, 00:27:23.
[236] Vgl. Bietau et al. S. 95 ff.: Die dort erhobenen Motive zeigen eine große Ähnlichkeit.
[237] Vgl. Interviews A 5 00:27:22; A 6, 00:46:05; A7, 00:15:49.
[238] Vgl. Interviews A 5, 00:07:17; A 5, 00:07:55; A 8, 00:16:47.
[239] Vgl. Interviews A 6, 00:20:53 und A 7, 00:27:23.
[240] Vgl. Interviews A 6, 00:46:05; A 7 00:15:49.
[241] Vgl. Interview A 8, 00:4:38, 00:07:11.
[242] Vgl. Interviews A5, 00:27:22; A 6, 00:54:45; A7, 00:57:14; A 8 00:16:47.
[243] Vgl. Interview A 8, 00:03:32.
[244] Vgl. Interview A 7, 00:44:19
[245] http://www.wir-haben-es-satt.de/start/home/netzwerk/unterstuetzerinnen/ [12.11.2017]
[246] Vgl. Interview A 7, 00:44:19
[247] Vgl. Interview A 7, 00:44:19 und https://solawis.de/vision/ [12.11.2017]
[248] Vgl. Kap. 2.4.2
[249] Vgl. Interview A 10, 00:35:15.
[250] Vgl. Kap. 3.1.3.
[251] Vgl. Interview A 7, 00:47:41.
[252] Vgl. Interview A 6, 00:59:58.
[253] Vgl. Interviews A6, 01:01:25, 01:01:57; A 9, 00:46:04; 00:48:55; 00:50:30
[254] Vgl. Interviews A 5, 00:13:15, 00:38:10, 00:38:20, 00:39:10; A 6, 01:02:59, 01:05:42, 01:06:56; A 9, 00:51:52; A 10, 00:44:33, 00:48:31.
[255] Vgl. Interview A 5, 00:05:24.
[256] Vgl. Interview A 5, 00:22:08.
[257] Vgl. Interviews A 5, 00:20:24, 00:22.08, A 6, 00:12:46, A 7 00:45:32.
[258] Vgl. Interview A 7, 00:44:19.
[259] Vgl. Interviews A 5, 00:25:45, A 8, 00:49:03 und A 10, 00:19:13.
[260] Vgl. Interview A 7, 00:47:41.
[261] Vgl. Interview A 10, 00:23:22, 00:23:37, 00:25:53.
[262] Vgl. Interview A 6, 00:59:58, 01:02:59.
[263] Vgl. Agrathaer GmbH/Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), S. 4.
[264] Zur Kritik an der „Drei-Säulen-Theorie“ vgl. Kap. 2.4.1.
[265] Vgl. Kap. 2.4.3 und § 2 (4) Bundesnaturschutzgesetz.
[266] Eigene Darstellung.
[267] Düngung und Pestizideinsatz sieht die Leiterin der UNB Stuttgart als Ursachen für Biodiversitätsverluste, vgl. A 10, 00:05:08.
[268] Interviews A 9, 00:34:42; A 10, 00:29:19, 00:31:29.
[269] Vgl. Interviews A 7, 00:47:41, 00:49:46; A 8, 00:55:03.
[270] Vgl. Interview A 7, 00:12:45.
[271] Vgl. Interviews A 7, 00:02:38,
[272] Vgl. Kropp/Müller, S. 6.
[273] Vgl. Kropp/Müller, S. 7.
[274] Englisch: Food Policy Council. Der erste Ernährungsrat wurde 1982 in Knoxville, Tennessee gegründet. Mittlerweile gibt es über 260 Ernährungsräte in den USA. Vgl. http://ernaehrungsraete.de/ernaehrungsrat-idee-ueberblick/
[275] Vgl. Ernährungsrat Berlin. Vgl. auch www.ernaehrungsraete.de
[276] Vgl. Stierand S. 166 ff.
[277] Stierand, S. 198.
- Arbeit zitieren
- Christine Fabricius (Autor:in), 2017, Solidarische Landwirtschaft in der Großstadt. Alternativen für eine nachhaltige Stadtentwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417349
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