Mein Interesse an den Ansätzen und Konzepten C.G. Jungs wurde vor einigen Jahren durch ein Lesebuch geweckt das einen guten Überblick über sein Werk bot. Insbesondere eines der Basiskonzept der Analytischen Psychologie fand ich interessant, das kollektive Unbewusste. Ein Seminar habe ich daher zum Anlass genommen, mich mit dem geistesgeschichtlichen Ursprung des Konzepts vom kollektiven Unbewussten zu befassen und von C.G. Jung selbst berichtete Fallbeispiele für das Konzept etwas zu beleuchten.
Mein Interesse an den Ansätzen und Konzepten C.G. Jungs gelesen wurde vor einigen Jahren durch ein Lesebuch geweckt das einen guten Überblick über sein Werk bot. Insbesondere eines der Basiskonzept der Analytischen Psychologie fand ich interessant, das kollektive Unbewusste. Dieses Seminar habe ich daher zum Anlass genommen mich mit dem geistesgeschichtlichen Ursprung dieses Konzepts vom kollektiven Unbewussten zu befassen und von C.G. Jung selbst berichtete Fallbeispiele für das Konzept etwas zu beleuchten.
1. Die Idee des kollektiven Unbewussten im geistesgeschichtlichen Kontext
Nach seinem Medizinstudium nahm C.G. Jung am Ende des Jahres 1900 eine Stelle als Assistenzarzt an der Züricher Psychiatrischen Universitätsklinik, die auch „Burghölzli“ genannt wird. Er bekam dort von seinem Vorgesetzten den Auftrag eine Rezension über Sigmund Freuds Buch „Die Traumdeutung“ (1899) zu schreiben. In diesem frühen Hauptwerk der Psychoanalyse zeigt Freud die Möglichkeit einer hermeneutischen Deutung der Träume auf und beschreibt den psychodynamischen Prozess der „Verschiebung“:
Was im Traumgedanken offenbar der wesentliche Inhalt ist braucht im Traum gar nicht vertreten zu sein, der Traum ist anders centriert ... in dem Sapphotraum meines Patienten ist das Auf- und Niedersteigen, Oben- und Untensein zum Mittelpunkt gemacht; Der Traum handelt aber von den Gefahren sexueller Beziehungen zu niedrig stehenden Personen ... (S. Freud, 1900 : 209)
Jung hatte nach lesen des Buches - wie er später bekundete - zwar nicht alles verstanden aber das große Potential darin erkannt. Die Resultate seiner empirischen Assoziationsexperimente mit denen er emotionale „Komplexe“ untersuchte standen aus seiner Auffassung nach im Einklang mit Freuds Theorien wovon er diesen in Kenntnis setze. Im Vorwort seines Buches „Über die Psychologie der Dementia praecox. Ein Versuch “forderte er einerseits eine gerechte Bewertung von Freuds Theorien betonte aber gleichzeitig seine Unabhängigkeit:
Wenn ich z. B Komplexmechanismen des Traumes und der Hystery anerkenne, so will das noch lange nicht heißen daß ich das sexuelle Jugendtrauma die ausschließliche Bedeutung zuerkenne, wie Freud es anscheinend tut; ebensowenig daß ich die Sexualität so in den Vordergrund stelle... (Jung, 1907)
Schon hier deutete sich an, dass Jung dem Sexuellen eine geringere Bedeutung beimaß. Nach Briefkontakt lernten sich Jung und Freud im Jahr 1907 persönlich kennen und schätzten einander. Als Vorsitzender der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung vertrat Jung die Psychoanalyse auf Psychiatrischen Kongressen und galt für Freud als potentieller Nachfolger. Zum Bruch zwischen den beiden kam es 1912/1913 aufgrund einer Reihe von Punkten. Jung hatte seine eigenen Theorien entwickelt und auf Vorlesungen über „Die Theorie der Psychoanalyse“ in den USA und in seinem Buch „Wandlungen und Symbole der Libido“(1912 ) präsentiert.
In diesem Buch zeigte sich auch sein starkes Interesse an Mythen. Aus Jungs Sicht hatte Freud mit dem Ödipus-Komplex einen Archetyp des kollektiven Unbewussten entdeckt. Das alte Mythen und Tragödienstoffe auch für moderne Menschen lebendig seien zeige „... eine Identität menschlicher Elementarkonflikte, die jenseits steht von Zeit und Raum“ (Jung, 1912). Er setze sich das Ziel die relevanten geistesgeschichtlichen Faktoren auszuarbeiten die für unwillkürliche individuelle Phantasieprodukte wichtig sind. Dabei rückte er das `kollektive` Unbewusste in den Fokus:
… neben den offensichtlichen persönlichen Quellen verfügt die schöpferische Phantasie auch über den vergessenen und längst überwucherten primitiven Geist mit seinen eigentümlichen Bildern, die sich in den Mythologien von allen Zeiten und Völkern ausdrücken. Die Gesamtheit dieser Bilder formiert das kollektive Unbewußte, welches in potentia jedem Individuum durch Vererbung mitgegeben ist. (Jung, 1912)
Schon Freud sah die Inhalte des Unbewussten von vornherein durch Kollektive gerahmt und damit als allgemeiner Besitz des Menschen. Dem Begriff des kollektiven Unbewussten lehnte Freud ab. Er befasste sich auch mit der unbewussten transgenerationellen Weitergabe von Erfahrungen und Traditionen innerhalb von Gruppen, der Ort der Ablagerung des „kollektiv“ Verdrängten blieb für ihn aber das Unbewusste des einzelnen Individuums. Auch bei der Entwicklung des Unbewussten legte Freud den Fokus auf die subjektive Erfahrung. Mit seinen Idee wich Jung deutlich von seinem Mentors Freud ab, etwa wenn er ein vererbtes Gruppenunbewusstes postuliert, die an Lamarck erinnernde Vorstellung vom kollektiven Unbewusste als Lagerstätte der Erfahrungen welche die Menschheit bzw. Gruppe im Laufe ihrer Entwicklung gemacht hat (Feichtinger, 2010 : 437) .
Dieser Sichtweise entspricht die Auffassung der Zeit, dass Naturvölker auf einer ursprünglicheren/niedrigeren Stufe stehen was die Bewusstheit und Bewusstseinsfähigkeit angeht. Jung schreibt bezugnehmend auf Nietzsche dass Primitive wie auch Kinder kein gerichtetes vernunftbasiertes sondern mehr phantastisches, imaginatives Denken hätten:
Alle diese Erfahrungen legen uns nahe, eine Parallele zu ziehen zwischen dem phantastisch-mythologischen Denken des Altertums und dem Ähnlichen Denken der Kinder, dem niedrig stehender Menschenrassen und dem des Traumes. Dieser Gedankengang ist uns nicht fremd, sondern wohlbekannt aus der vergleichenden AnatomieNietzsche nimmt in dieser Hinsicht einen weitgehenden, aber bedeutsamen Standpunkt ein: „Im Schlafe und Traume machen wir das ganze Pensum früheren Menschtums durch,“ „Ich meine wie jetzt noch der Mensch im Traume schließt schloß die Menschheit auch im Wachen viele Jahrtausende hindurch. (Jung, 1912: 24 -25)
Die Annahme, dass die Seele eine alte phylogenetische Schicht enthält erinnert dabei an die 1866 aufgestellten Theorie des Biologen Ernst Haeckel nach der die Ontogenese die Phylogenese rekapituliert. Diese von Haeckels vertretene Theorie gilt heute allerdings als veraltet.Jungianer wie Anthony Stevens sehen Jungs aber auch in der Tradition Darwins, mit der Hypothese von den Archetypen habe Jung vorweggenommen was spätere Wissenschaftler in der Biologischen Psychologen und Evolutionären Psychologen unter anderen Bezeichnungen erforscht hätten (Stevens, 2013).
Dabei war Jung weniger an der Biologie interessiert, stattdessen dürfte sein Interesse an Religion das Motiv für die intensive Beschäftigung mit Mythen und vorchristlichen Kulten gewesen sein. Daher kam Jungs Darstellung, dass die alte geistige Schicht mythologische Bilder und eine alte Denkungsart enthält und überlagert ist durch eine jüdisch- christliche Schicht. Nachdem er allerdings die Bedeutung des christlichen Mythos für sein Leben relativiert hatte suchte er nach einer spirituellen Revitalisierung durch Rückgriff auf heidnische Traditionen. Vor einem ausgewählten Publikum hat Jung das Unbewusste dann auch – in einer Art esoterischem Mysterienkult - als göttlich bezeichnet (Noll, 1997).
Analytische Psychologen gehen auch heute vom kollektiven Unbewussten als der universellen Basis der Kultur aus und betrachten Archetypen als latente Dispositionen zu bestimmten Reaktionen. Davon abgegrenzt wird in der heutigen Analytischen Psychologie oft das „kulturelles Unbewusste“, dessen Inhalte wie Sagen und Mythen als kulturspezifisch und erlernt aufgefasst werden (Kast, 2009).
2. Jungs Lieblingsbeispiel: Der „Sonnenphalus-Mann“
Die kollektive Unbewusste und seine Archetypen lassen sich selbst kaum beobachten, wohl aber die archetypischen Bilder die sich etwa in Phantasien und Träumen zeigen. Ein starker Hinweis auf die Existenz der kollektiven Unbewussten war für ihn der Fall eines Psychiatriepatienten am „Burghölzli“ in Zürich. Dieser Patient gab an sobald er in die Sonne blinzelte einen „Sonnenphallus“ zu sehen:
About 1906 I came across a very curious delusion in a paranoid schizophrenic who had been interned for many years. The patient had suffered since his youth and was incurable. He had been educated at a State school and been employed as a clerk in an office. He had no special gifts, and I myself knew nothing of mythology or archaeology in those days, so the situation was not in any way suspect. One day I found the patient standing at the window, wagging his head and blinking into the sun. He told me to do the same, for then I would see something very interesting. When I asked him what he saw, he was astonished that I could see nothing, and said: „Surely you see the sun’s penis—when I move my head to and fro, it moves too, and that is where the wind comes from“ ( Jung, 1936/37).
Jung konnte wie er versicherte zunächst gar nichts mit dem was der Patient von sich gab anfangen. Erst als er vier Jahre später auf eine ähnliche Symbolik in einem Buch von Dieterichs über die Liturgie des Mithraskultes gestoßen sei ihm klar geworden, dass es sich dabei um mythologische Material gehandelt habe. Der Patient hätte das Buch auch nicht gelesen haben können, die einzige Erklärung schien zu sein, dass es universelle Symbole gebe die sowohl in der Religion wie auch in psychotischen Wahnvorstellung auftreten.
Es war fortan Jungs Lieblingsbeispiel wenn er nach Belegen für das kollektive Unbewusste gefragt wurde. Noll (1997) hat allerdings in seinem Buch „The Jung Cult“ aufgezeigt das beim Erzählen dieser Geschichte wichtige Details falsch wiedergegeben wurden. So schilderte Jung den Fallbericht unter anderem in Interviews (vgl. Freeman. 24:00- 27:25) als seine persönliche Erfahrung mit dem Patienten, dabei war es Jungs Student der das Material in Zürich gewann zu einer Zeit als Jung sich in Washington aufhielt. Auch die Darstellung, dass der Patient 1906 nichts von der Mithrasliturgie haben wissen können sei nicht richtig da die Inhalte der Papyri schon 1903 erstmals veröffentlicht wurden und Jungs damit 1910 bereits die 2. Auflage vorlag (Noll, 1997).
3. Das kollektiven Unbewussten in C.G Jungs Träumen
Ein Bericht von Jungs eigener Erfahrungen mit dem kollektiven Unbewussten findet sich in „Erinnerungen, Träume, Gedanken“ (C. G. Jung, 1962: 246- 248), den aus Gesprächen mit Aniela Jaffé entstandenen Memoiren C.G. Jungs. Unter anderem wird darin von einem Traum berichtet den er in Nordafrika geträumt hat. In einer ersten Traumszene begegnet Jung darin an einer mit einem Wassergraben umgebenen Zitadelle einen jungen Fürsten der mit ihm einen Kampf beginnt und seinen Kopf im Verlauf des Kampfes unter Wasser drückt, aber Jung wehrt sich erfolgreich. In der zweiten Szene des Traumes sitzen die beiden in der Zitadelle und ein Buch liegt vor ihnen, Jung bewegt nun den jungen Fürsten mit väterlichem Nachdruck dazu das Buch zu lesen von dem er fühlt, dass es „sein Buch“ ist. Jung deutet den Kampf zwischen Europäer und Araber im Traum als Kampf zwischen seinem bewussten Ich und dem Unbewussten - einem „ethnischen“ Schatten - der ihn „unbewusst“ machen will. Die Szene mit dem Buch deutet er als Versuch des Ich diesen unterdrückten Persönlichkeitsteil bewusster zu machen:
Wenn ich nach Afrika reise, um einen psychischen Ort außerhalb des Europäers zu finden, so will ich unbewußterweise jenen Persönlichkeitsteil in mir auffinden, welcher unter dem Einfluß und dem Druck des Europäerseins unsichtbar geworden ist. Dieser Teil steht in unbewußter Opposition zu mir, weil ich ihn nicht gelten lasse. Er will, seiner Natur entsprechend, mich unbewußt machen (mich unters Wasser drücken), um mich zu töten; ich aber möchte ihn durch Erkenntnis bewußter machen, wodurch man einen gemeinsamen Modus vivendi finden könnte. (C. G. Jung, 1962: 248)
Der Ausgleich mit dem Schatten spielt in der Analytischen Psychologie eine wichtige Rolle. Zur Lebensmitte herum kommt es häufig zu Krisen und Neuorientierungen, die Lebenswende kann zu einer Auseinandersetzung mit abgespaltenen Teile der Persönlichkeit führen die bisher nicht mitleben konnten, verdrängten Anteile die da sie von der Kultur in der jemand lebt nicht gewollt sind unterdrückt werden. In der ersten Lebenshälfte wirkt demnach meist die Anpassung. In der Analytischen Psychologie hängt der Schatten auch mit dem Abwehrmechanismus der Projektion zusammen. Die verdrängten ungelebten Anteile können auf andere Menschen projiziert werden. Zu viel Affekt kann ein Anzeichen dafür sein aber auch Vorurteile und Hass gegenüber anderen. Darüber hinaus ist eine Eigenschaft des Schattens, dass die verdrängten Elemente in einem Augenblick der Unachtsamkeit ausbrechen können. Durch „Schattenarbeit“ hat die Assimilation des Schattens zum Ziel. Die Anerkennung verhindert demnach, dass der Schatten an Macht gewinnt.
[...]
- Quote paper
- Maximilian Villert (Author), 2014, Das "kollektive Unbewusste" nach Carl Gustav Jung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416106
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.