Im Rahmen des Seminars „Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung: Pilger, Touristen, Flüchtlinge und Fremde Erfahrungen“ beschäftigt sich meine Seminararbeit mit dem Identitätsprozess einer speziellen Religionsgemeinschaft in der Diaspora, die unter dem Deckmantel der ‚Takiye’ mit der Arbeitsmigration in den 1960er Jahren nach Deutschland zugezogen ist. Mein Ziel ist es, den Prozess und die Modifikation mit der Andersartigkeit einer Gemeinschaft zu beschreiben, sowie zentrale Motive herauszufiltern.
In dem Buch „Das Fremde“ schreibt Ortfried Schäffter: „Erst wenn Grenzen zu Kontaktflächen werden, wird Fremdheit zu bedeutsamer Erfahrung. So lässt sich festhalten, dass nur dann, wenn wir uns näher gekommen sind, die Fremdheit des anderen überhaupt erst in Erscheinung tritt.“ (Schäffter ,1991)
Beim angebrachten Zitat vom Schäffter, erscheint das Fremde durch die Abgrenzung zum anderen und wird erst beim Überschreiten der eigenen Grenzen zur signifikanten Erfahrung und Erkenntnis. Die Fremdheit in Abgrenzung zum anderen wird durch die subjektive Erfahrung bestimmt, welche somit eine ganze Reihe von Schwierigkeiten einher leiten kann. Darüberhinaus wirft sich bei mir die Frage auf, ob man je mit dem Fremden in Berührung kommen kann, wenn der Rahmen der Eigenidentität immer im Verborgenen blieb. Kann man das Fremde in seiner Andersartigkeit und in seinem Ursprung trotzdem erkennen und akzeptieren?
Ich hoffe, dass es mir im Verlaufe meiner Ausarbeitung gelingt, diese abstrakten Prozesse sowie Schwierigkeiten verständlich auszulegen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Fremde
2.1. Merkmale des Fremden
3. Alevitische Progression in Deutschland
4. Takiye als Parallelismus
Fazit
Literaturverzeichnis ...
1. Einleitung
Im Rahmen des Seminars „ Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung: Pilger, Touristen, Flüchtlinge und Fremde Erfahrungen “ beschäftigt sich meine Seminararbeit mit dem Identitätsprozess einer speziellen Religionsgemeinschaft in der Diaspora, die unter dem Deckmantel der ‚Takiye’ mit der Arbeitsmigration in den 1960er Jahren nach Deutschland zugezogen ist. Mein Ziel ist es den Prozess und die Modifikation mit der Andersartigkeit einer Gemeinschaft zu beschreiben sowie zentrale Motive herauszufiltern.
In dem Buch „Das Fremde“ schreibt Ortfried Schäffter: „Erst wenn Grenzen zu Kontaktflächen werden, wird Fremdheit zu bedeutsamer Erfahrung. So lässt sich festhalten, dass nur dann, wenn wir uns näher gekommen sind, die Fremdheit des anderen überhaupt erst in Erscheinung tritt.“ (Schäffter ,1991, S.12)
Beim angebrachten Zitat vom Schäffter erscheint das Fremde durch die Abgrenzung zum anderen, und wird erst beim Überschreiten der eigenen Grenzen zur signifikanten Erfahrung und Erkenntnis. Die Fremdheit in Abgrenzung zum anderen wird durch die subjektive Erfahrung bestimmt, welches somit eine ganze Reihe von Schwierigkeiten einher leiten kann. Darüberhinaus wirft sich bei mir die Frage auf, ob man je mit dem Fremden in Berührung kommen kann, wenn der Rahmen der Eigenidentität immer im Verborgenen blieb. Kann man das Fremde in seiner Andersartigkeit und in seinem Ursprung trotzdem erkennen und akzeptieren? Ich hoffe, dass es mir gelingt im Verlauf meiner Ausarbeitung, diese abstrakten Prozesse sowie Schwierigkeiten verständlich auszulegen.
2. Das Fremde
Einer, der großen Schwierigkeiten ist es, das Fremde einem bestimmten Typus zu zuordnen oder genauer abzugrenzen, denn das Fremde ist eine Bezeichnung Außerhalb der Ordnung. Das Fremde ist nicht im Eigenen enthalten, sondern wird in Abgrenzung zum anderen von uns definiert. Wenn wir uns eine Grenzlinie vorstellen, die das Eigene von Fremden trennt, spricht man von der Seite des Eigenen über das Fremde, nie aber von der anderen Seite der Fremdheit über das Fremde. Letztlich definieren wir das Fremde indirekt über das ‚Subjektive-Ich’ und der Eigenwahrnehmung, also nie in direkter Darstellung. Das Thematisieren vom Fremden wird schwer fassbar und schwer verständlich, da es umständlich im indirekten Bezug ersichtlich wird. Aus der Perspektive der Sozialwissenschaften sind uns zwei Dimensionen der Fremdheit von zentraler Bedeutung: die Fremdheit als Nicht-Zugehörigkeit und als Außerordentliches. Bei der Fremdheit als Nichtzugehörigkeit beziehen wir uns auf „Inklusion“ und „Exklusion“, also die Einschließung und Ausschließung jener Art von einer Wir- Gruppen. Das Fremde als Außerordentliches trifft in der Ethnologie ihren Kern und sei ein Stachel im Fleisch der Ethnologie, wie es vom Ethnologen R. Rottenburg erklärt wird (Rottenburg, 2004, S.119). Der Fremde, kann nach unterschiedlicher Untersuchung, eine andere Gestalt annehmen und uns als ein natürliches Individuum in Form eines Nomaden, Ausländers, eines gestressten Studenten, einer besorgten Mutter oder einem Geflüchtetem, begegnen. Die Figur des Fremden kann demnach eine kontrastreiche und unterschiedliche Form annehmen. 2.1 Merkmale des Fremden
Es lassen sich verschiedene Merkmale des Fremden finden, doch im Folgenden werde ich mich auf drei zentrale Merkmale fokussieren, die sich als besonders charakteristisch erwiesen haben.
1. Charakteristische Ebene: Das subjektive-Ich
Das Fremde bestimmt sich in Abgrenzung zum Eigenen, das Fremde ist kein Zustand eines Phänomens, sondern charakteristisches Merkmal zwischen dem Eigenen ‚das Subjektive-Ich’ gegenüber dem Anderen, also dem Fremden. Das Verhältnis zwischen dem Eigenem und Fremden impliziert auch alle anderen Beteiligten in der Umwelt, die in einer besonderen Position zueinander stehen. Die Fremdheit muss ebenfalls einen Raum füllen, um wahrgenommen zu werden. Die Fremdheit lässt sich demnach in seiner Andersartigkeit oder Verschiedenheit erst in der Zuweisung unterscheiden. Das Fremde wird aus einer bestimmten Position erlebt und zugeschrieben, weil sie aus der Perspektive eines Dritten unterschieden wird.
2. Charakteristische Ebene: Auf Augenhöhe
Die Fremdheit lässt sich auf Augenhöhe der Beteiligten finden, keiner steht über dem Anderen. Keiner kann auf beiden Seiten der Linie stehen, die das Fremde und Eigene trennen, denn sie stehen im konkreten Verhältnis zueinander. Das Erlebte und Wahrgenommene des Fremden bezieht oft auf soziale und geteilte Vorstellung, Ordnungssystem und Bestreben, die von jener Fremdheit gefühlt, erlebt oder erwartet werden müssen, da sie als fremd identifiziert werden kann. Dies bedeutet andere Kulturen oder Länder sind nicht einander fremd, solange die Akteure diese Fremdheit nicht erfahren oder erleben.
3. Charakteristische Ebene: Situative Bestimmung
Das Fremde wird situativ bestimmt, so lange sie erfahren und normalisiert wird, im Weiteren umgedeutet und sich adaptiert. Das Adaptierte passt somit in den Rahmen des Normalen und löst sich auf. Der Prozess, der adaptierten Fremdheit, hebt das fundamentalistische sowie die ewige Andersartigkeit auf. 4
Das Fremde erweist sich somit als Etwas unberechenbares, willkürliches, unbestimmtes, welches uns auf der Reise ebenfalls in einer geschlossenen Gesellschaft, antreffen kann. Das Fremde gleicht einem wandelnden Element, das nicht ergreifbar ist und sich entzieht, wie der Sand, der durch die Finger durchsickert und verschwindet.
3. Alevitische Progression in Deutschland
‚ Die anderen Türken in Deutschland’
Die historische Verbindung zwischen Deutschland und der Türkei sind nicht nur durch die langjährige Beziehung miteinander verbunden, sondern reichen bis in das 11. Jahrhundert zurück. Das Verhältnis der deutsch-türkischen Beziehung ist seit jener Zeit auch im europäischen Raum von kontrastreichen und unterschiedlichsten Motivationen geprägt. Einerseits ist Deutschland seit den 1960er Jahren durch die Arbeitsmigration und der religiösen Vielfalt befallen, anderseits prägten enge kulturelle und soziale Verbindungen die Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei. Dass durch das Anwerbeabkommen eine Flut von homogener Masse Deutschland erreichte, ist nur eine der bedeutendsten Aspekte dieser Verbindung. Allerdings wurde außer Acht gelassen, dass durch die heterogene Arbeitsmigration die Identität einer esoterischen Religionsgemeinschaft ‚ die Alevitenten’ im verborgenem Licht blieb, die sie zum Eigenschutz unter dem Deckmantel des „Takiye-Prinzips“ mit nach Deutschland zugezogen ist. Nach Sökefeld M. werden drei große Migrationsphasen zusammengefasst, die durch sozio-ökonomische, politische, ethnische-kulturelle sowie religiöse Umständen die Gemeinschaft geformt und geprägt haben. Die erste Phase folgte unmittelbar mit dem Ausbruch der Arbeitsmigration 1961 bis zum Anwerbestopp 1973. Durch die geringe Bereitschaft ihrer ökonomischen und gesellschaftlichen Integration in der Türkei einzubringen, war die Motivation zu Abwanderung ziemlich hoch. 5
In der darauffolgenden zweiten Phase, die von den späten 1970ern bis in die frühen 1980er Jahren sich erstreckt, wurde im Hinblick der Familienzusammenführung Kinder und Angehörige nach Deutschland zusammengebracht. Zudem kamen in den Jahren von 1973 bis 1982 überwiegend politisch motivierte Aleviten nach Deutschland. Diese junge und politisch motivierte Bewegung resultierte aus der Polarisierung zwischen der ‚Linken’ und ‚Rechten’ Partei, die sowohl zählreiche politische Gewalttaten erlebte, als auch die Unterdrückung in der Zuschreibung als ‚Linke Aktivisten’ verspüren mussten. Zahlreiche junge Aleviten verbargen ihre Identität unter ihrer linken politischen Ausrichtung, und flohen nach dem Militärputsch im Jahre 1980 nach Deutschland. Die letzte und abschließende Phase der Migrationsbewegung erstreckte sich im Zeitraum von 1980 bis in die frühen 1990ern, die hinsichtlich der Unruhen zwischen den Kurden und Türken im Osten der Türkei, stattfand. Es waren überwiegend kurdische Aleviten, die in den frühen 90ern aufgrund der Unterdrückung und Verfolgung, Asyl in Deutschland beantragt haben (Sökefeld, 2008, S.19-20). Aleviten sind besonders in Deutschland in den stark industriell fortgeschrittenen Regionen wie Hamburg, Stuttgart, München und Berlin angesiedelt. Laut dem Dachverband „ Alevitische Gemeinde e.V.“ (AABF) leben in Deutschland schätzungsweise ca. 700.000 Aleviten, in einer weiteren Studie namens „ Muslimisches Leben in Deutschland“ wird die Zahl der Aleviten auf ca. 480.000 bis 552.000 geschätzt. (Aksünger, 2013,S.138). Durch die Einreise nach Deutschland, gab es keine gesonderte Registrierung der Aleviten, welches unter den Umständen den Raum für die schätzungsweise Zahl der Aleviten offen ließ. Die Erschwernis wird durch die Spanne der ungleichen Zahlen und Fakten der zwei Studien deutlich ersichtlich. Hinzukommend folgt das Praktizieren des Schweigegebotes, das „ Takiye-Prinzip“, welches die Registrierung zusätzlich erschwert. Letztlich blieben die Aleviten sowohl im Kreise ihrer Bekanntschaft als auch in der Mehrheitsgesellschaft weiterhin unsichtbar.
4. Takiye als Parallelismus
Takiye: Das Verbergen der eignen Identität und des Subjektiven-Ichs.
Das Takiye- Prinzip entspricht dem Schweigegebot über das eigene Selbstbild, welches bis auf das letzte Familienmitglied eine Gültigkeit hat, und letztlich das Verschweigen der eigenen Identität gegenüber den Kindern protegiert. Takiye als alt verankerte Tradition, bildet das feste Fundament eines unvollständigen und esoterischen Identitätsprozesses über mehrere Generationen hinweg. In Deutschland setzte sich das Takiye- Prinzip sowie das nicht öffentliche Bekennen zunächst fort, da sie auch hier Missachtung, Bedrohungen sowie Stigmatisierung befürchtet haben. Während religiöse Zuwanderer sich recht schnell organisierten, bevorzugten es die Aleviten ihren eigenen Raum zu schaffen, indem sie alles über das ‚ Subjektive-Ich’ weiterhin geheim hielten. Durch kulturell und religiös bedingten Anlässen fielen die Aleviten aus dem gewohnt bekannten Raster raus, da sie an den religiösen Riten und Praxen nicht teilnahmen. Viel mehr wollten sie die Gesellschaft durch ihr politisches Interesse formen und prägen, indem sie an sozialdemokratischen Organisationen oder linksrevolutionäreren Ausrichtungen antraten. Für die linksrevolutionäre ‚alevtische’ Bewegung spielt die Exilorganisation „ Dev Yol “, bedeutet so viel wie der „ Revolutionärer Weg “ , bis heute eine bedeutende und zentrale Rolle, die die Religion und jegliches klassenunterschiedliches Bewusstsein und Gedankengut als „falsches Bewusstsein“ eliminierten haben. Diverse Beziehungen zwischen Aktivisten und Aleviten gehen bis heute noch auf das Bewusstsein des revolutionären Wegs „ Dev Yol “ zurück. Durch den globalen Paradigmenwechsel der ‚linken’ Politik von der Klassenpolitik bis hin zur Identitätspolitik, die sich in im Laufe der 1980er Jahre ereignete, entstand die sogenannte „Alevitische Bewegung“ (Sökefeld, 2008,).
Das Ziel der wirtschaftlichen Gleichheit für alle Beteiligten, durch Anerkennung von eigenständigen Identitäten sowie das Konzept der sozialistischen Ideen, verloren im Laufe der Zeit ihre Überzeugungskraft. Der Begriff „ Identität “ wurde zunehmend zu einem globalen Schlagwort, welches den Menschen zunehmend zum politischen Handeln mobilisiert hat. Man spricht daher auch vom Wechsel des Paradigmas der Umverteilung zum Paradigma der Anerkennung. Die Kurdenbewegung in der Türkei war diesem Paradigmenwechsel einzuordnen, während parallel in Deutschland das Konzept des Multikulturalismus zunehmend eine Wichtigkeit annahm. Dieses setzte voraus, dass sich Einwandernde nicht gänzlich assimilieren, sondern auch ihre ‚Identität’ und ‚Kultur’ bewahren. Dieser Paradigmenwechsel hat keine besondere politische Einschränkung, denn gleichzeitig wurde in Deutschland auch über Ängste der Verfremdung artikuliert, und die ausschlagegebende Bedeutung der ‚deutschen’ Kultur und Identität unterstrichen. Das Konzept der multikulturellen Perspektive dominierte ausschließlich in den industriellen Großstädten wie Hamburg, Berlin und Frankfurt.
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- Arbeit zitieren
- Eda Kelekci (Autor:in), 2016, Die Aleviten zwischen Anonymität und Emanzipation in der Diaspora. 'Takiye' als Parallelismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415970
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