1. Einleitung
1.1 Thema und Fragestellung
[...]
Nach der Ratifizierung der Römischen Verträge betrat ein offensichtlicher Gegenspieler der Supranationalisierung Europas wieder die weltpolitische Bühne. General Charles de Gaulle, der im Jahre 1958 zum französischen Staatspräsidenten wiedergewählt wurde. De Gaulle war ein Verfechter des europapolitischen Realismus, für den nur „ein Europa der Vaterländer“ im europäischen Einigungsprozess als einzige Zielperspektive durchführbar war.4 Der Amtsantritt Charles de Gaulles führte zu allgemeinen Befürchtungen, dass das Ziel des französischen Staatspräsidenten eine Rückführung in die Intergouvermentalität wäre. Die folgende Arbeit soll dementsprechend der Frage nachgehen, ob die Europapolitik Charles de Gaulles den Integrationsprozess hemmte.
Auf zwei elementare Fragen soll bei der Erläuterung des Themas eingegangen werden. In welchem Verhältnis standen traditionelle machtpolitische Interessen und Integrations-Aspekte innerhalb der Europapolitik de Gaulles? Instrumentalisierte de Gaulle die Europapolitik, um für Frankreich eine günstigere Position in dem globalen Machtgeflecht zu erreichen? Im ersten Teil wird in kurzer und prägnanter Form auf die Europapolitik Charles de Gaulles vor dem Jahre 1958 eingegangen, um die realpolitischen Grundlagen der Großmachtpolitik de Gaulles nachvollziehen zu können. Im zweiten Teil sollen im Speziellen die frühen Etappen der europäischen Integration beleuchtet werden. Hierzu werden die Motive und Ziele des Einigungsprozesses hinzugezogen, sowie im Besonderen die Einstellung de Gaulles zu der europäischen Entwicklung. Im dritten Abschnitt der Arbeit wird fortführend auf die europapolitischen Initiativen Charles de Gaulles eingegangen, die den europäischen Integrationsprozess vehement beeinflussten. Ein Resumee soll die Erläuterung des Themas abrunden.
4 Vgl. Loth, Wilfried/Picht, Robert (Hrsg.): De Gaulle. Deutschland und Europa. Opladen 1991. S. 45.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Thema und Fragestellung
- Literatur und Forschungsstand
- Europapolitik Charles de Gaulles vor 1958
- Europa auf dem Weg in die Integration
- EGKS: Erste europäische Supranationalisierung
- EWG: Tendenz zur weitgehenden europäischen Integration
- EURATOM: Motor der industriellen Integration?
- Charles de Gaulle - Blockierer des europäischen Integrationsprozess?
- Fouchet Plan I und II: Entwurf für ein europäisches Statut
- ,,Politik des leeren Stuhls“: Die Europäische Gemeinschaft am Ende?
- Veto gegen Groß Britannien: De Gaulles Motiv auf europäische Vormachtsstellung
- Resumee
- Literatur- und Quellenverzeichnis
- Nachschlagewerke
- Monographien
- Zeitschriften/Quellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert die Europapolitik Charles de Gaulles in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den europäischen Integrationsprozess. Sie untersucht, ob de Gaulles politisches Handeln den Integrationsprozess hemmte und in welchem Verhältnis traditionelle machtpolitische Interessen zu Integrationsbestrebungen in seiner Europapolitik standen.
- De Gaulles „certain idée de la France“: Nationale Souveränität und Unabhängigkeit als Leitmotive.
- Die Rolle des „Realismus“ in der Außenpolitik de Gaulles und die Suche nach einer Weltmachtposition für Frankreich.
- Die frühen Etappen der europäischen Integration und die Einstellung de Gaulles zu diesen Entwicklungen.
- De Gaulles europapolitische Initiativen und deren Einfluss auf den europäischen Integrationsprozess.
- Die Frage, ob de Gaulle die Europapolitik als Instrument zur Erreichung eines günstigeren Standorts für Frankreich im globalen Machtgefüge einsetzte.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung skizziert die Thematik der Arbeit und stellt die Fragestellung nach der Hemmung des Integrationsprozesses durch de Gaulles Europapolitik in den Vordergrund. Sie erläutert die Relevanz der Frage, inwiefern Machtpolitik und Integrationsbestrebungen in de Gaulles Politik miteinander verzahnt waren und ob er die Europapolitik zur Stärkung Frankreichs im internationalen Kontext instrumentalisierte.
Das erste Kapitel beleuchtet de Gaulles Europapolitik vor 1958 und untersucht die ideellen und machtpolitischen Grundlagen seiner „certain idée de la France“, die seine spätere Europapolitik prägten.
Das zweite Kapitel widmet sich den frühen Etappen der europäischen Integration, insbesondere der Gründung der EGKS, EWG und EURATOM, und setzt de Gaulles Positionierung in Bezug auf diese Entwicklungen dar.
Das dritte Kapitel untersucht die europapolitischen Initiativen Charles de Gaulles, die den europäischen Integrationsprozess maßgeblich beeinflussten. Hierzu zählen der Entwurf für ein europäisches Statut im Fouchet Plan, die „Politik des leeren Stuhls“ und das Veto gegen den Beitritt Großbritanniens.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert sich auf die europäische Integration, Charles de Gaulle, Europapolitik, Machtpolitik, Integration, Supranationalisierung, Intergouvermentalität, „certain idée de la France“, nationale Souveränität, französische Außenpolitik, Weltmachtposition, EGKS, EWG, EURATOM, Fouchet Plan, „Politik des leeren Stuhls“, Veto gegen Groß Britannien.
- Quote paper
- Julia Zeihe (Author), 2005, Charles de Gaulle - Boykott gegen den Europäischen Integrationsprozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41534