Diese Arbeit wird sich mit dem Sprachgebrauch im Hörfunk an einem historischen Beispiel befassen. Als Grundlage dient hierzu eine Reportage über das Team der kanadischen Schwimmerinnen bei den Olympischen Spielen in Berlin aus dem Jahre 1936. Ziel dieser ist es herauszufinden, ob sich die Sprache im Hörfunk bis dato verändert habe. Zu diesem Zweck wird die historische Aufnahme der Schwimmerinnen mit einem aktuellen Interview der Schwimmerin Franziska van Almsick verglichen und schließlich in das Gesamtbild, welches sich aus den Auswertungen aller Seminarteilnehmer „Sprachgebrauch im Hörfunk in historischen Beispielen“ ergibt, eingeordnet. Dabei werden die Sprechgeschwindigkeiten der Sprecher, die Besonderheiten der Artikulation, Merkmale der Wortwahl und die Auffälligkeiten der Syntax analysiert, bevor eine abschließende Bewertung erfolgt.
INHALTSVERNZEICHNIS
Einleitung
Sprechtempo und Artikulation
Auffälligkeiten der Wortwahl
Auffälligkeiten der Syntax
Schluss
Anhang
Transkription der Reportage über die kanadischen Schwimmerinnen 1936
Transkription des Interviews mit Franziska v. Almsick, Schwimm EM 2002
Problematik der Sprechsprache
LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
Diese Ausarbeitung wird sich mit dem Sprachgebrauch im Hörfunk an einem historischen Beispiel befassen. Als Grundlage dient hierzu eine Reportage über das Team der kanadischen Schwimmerinnen bei den Olympischen Spielen in Berlin aus dem Jahre 1936.
Ziel dieser Betrachtung ist es herauszufinden, ob sich die Sprache im Hörfunk bis dato verändert habe. Zu diesem Zweck wird die historische Aufnahme der Schwimmerinnen mit einem aktuellen Interview der Schwimmerin Franziska van Almsick verglichen und schließ-lich in das Gesamtbild, welches sich aus den Auswertungen aller Seminarteilnehmer „Sprach-gebrauch im Hörfunk in historischen Beispielen“ ergibt, eingeordnet.
Dabei werden die Sprechgeschwindigkeiten der Sprecher, die Besonderheiten der Artiku-lation, Merkmale der Wortwahl und die Auffälligkeiten der Syntax analysiert, bevor eine abschließende Bewertung erfolgt.
Vorweg gebe ich nun in Stichpunkten die Vorraussetzungen der beiden Aufnahmen an, um im Folgenden den Überblick über das Material zu erleichtern:
- Historische Aufnahme: drei Sprecher: Reporterin, Trainer Percy Norman (Muttersprache: Englisch), Fräulein Peto (spricht nur einen Satz). Textsorte: (vorstrukturierte) Reportage.
- Aktuelle Aufnahme: zwei Sprecher: Franziska van Almsick, Interviewer. Textsorte: Interview.
Sprechtempo und Artikulation
Als erstes sollen Aspekte des Sprechtempos in der historischen- und der aktuellen Höfunk- aufnahme betrachtet werden. Dazu werden aus den beiden Aufnahmen ein Ausschnitt von einer Minute Länge herausgenommen und die Silben gezählt, die in einer Minute gesprochen werden, woraus sich das Sprechtempo ergibt.
In der historischen Aufnahme kommen eigentlich drei Sprecher vor, doch kommt der dritte Sprecher, der nur einen Satz spricht, in dem einminütigen Ausschnitt nicht zu Wort. In der Transkription (siehe Anhang) findet sich eine Kennzeichnung, wenn eine Minute der jewei-ligen Aufnahme vorbei ist.
Nach Zählung der Silben ergibt sich folgendes Bild: in 60 Sekunden werden in der his-torischen Aufnahme 245 Silben gesprochen. Wird diese Zahl in die Sprechgeschwindig- keitsskala von R. Fährmann[1] eingeordnet, ergibt sich so ein mittelschnelles Sprechtempo. Bei der aktuellen zeigt sich ein ähnliches Ergebnis. Hier werden in einer Minute 261 Silben gesprochen. Das Sprechtempo der aktuellen Aufnahme liegt also etwas höher als in der Historischen, wird aber auf der Skala immer noch dem mittelschnellen Sprechtempo zugeordnet.
Dies wäre so nicht zu erwarten gewesen, da ich vermutete, dass die historische Aufnahme teilweise abgelesen wird. Trotzdem ist das Sprechtempo ungefähr gleich. Also fällt die Reporterin trotz Ablesens nicht in ein auffällig langsameres Sprechtempo, auch wenn im zweiten Teil der Reportage, nachdem das Interview beendet ist, unmerklich langsamer gesprochen wird. An dieser Stelle könnte die vorstrukturierte Rede einsetzen. Allerdings gehört der 2. Teil nicht mehr zu der analysierten Minute.
Bei der Reportage könnte es sich also um eine Mischform aus freiem Vortrag und abgelesenen Parts handeln. Zu dieser Auffassung gelange ich, da das Interview mit dem Trainer der kanadischen Schwimmerinnen als Teil der Reportage bestimmt nicht abgelesen ist. Interviews lassen sich schwer vorher verschriftlichen, da es bei ihnen immer zu spontanen, nicht vorhersehbaren Sprechhandlungen kommt.
Doch legt die Art und Korrektheit der Syntax einen vorher präparierten oder zumindest auswendig gelernten Text nahe. Dazu später unter „Auffälligkeiten der Syntax“ mehr. Diese Argumente sollen genügen, um die These einer Mischung aus vorstrukturierter Rede und spontanen Elementen zu untermauern.
Gemessen an der Gesamtauswertung sind abgelesene Texte im Radio in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches. Dies ist zum einen auf den eher literarisch geprägten Stil des Hörfunks, zum anderen auf die Zensur während des Nationalsozialismus zurückzu- führen – frei gesprochene Texte lassen sich eben nur schwer zensieren.
Allerdings sollte dadurch nicht der Eindruck entstehen, dass historische Beiträge eher grund-sätzlich abgelesen seien und aktuelle nicht, was die oben genannten Gesichtspunkte nahe lägen. Verglichen mit der Gesamtauswertung kommen frei gesprochene Sendebeiträge vor 1933 im Verhältnis 4:6 zu abgelesenen vor. 1933-1945 im Verhältnis 10:17 und nach 1945 im Verhältnis 10:9. Die freie Rede war also auch vor 1933 bis nach 1945 nichts Ungewöhn-liches.
Nun zur aktuellen Aufnahme: das Interview mit Franziska van Almsick ist von beiden beteiligten Sprechern frei gesprochen. Für die aktuellen Beiträge hätte ich das für die überwiegende Mehrheit der Aufnahmen angenommen. Überraschenderweise ist dies nicht der Fall. In der Gesamtauswertung lag das Verhältnis von frei gesprochener zu abgelesener Rede 20:26. Die abgelesenen Texte wären demnach selbst heute in der Überzahl. Dies könnte an der Auswahl der Beiträge liegen oder an einer hohen Professionalität der Sprecher, die so korrekt sprechen, dass man es für abgelesen hält - was ich jedoch für unwahrscheinlich halte. Oder es ist eben so, dass die Radiobeiträge auch heute noch oft abgelesen werden.
Eine weitere Frage, die sich stellt ist, ob das Sprechtempo in den Hörfunkaufnahmen variiert. Bei der historischen Aufnahme ist dies der Fall, wenn es auch nicht besonders auffällig variiert. Hier wird nach dem Interview mit dem Trainer Percy Norman etwas langsamer gesprochen, was vermutlich daran liegt, dass die Reporterin nach dem Interview mit ihrer vorstrukturierten Rede fortfährt und abliest. Bei der aktuellen Aufnahme lässt sich kein auffälliger Wechsel im Sprechtempo feststellen.
Die Lautstärke variiert in den beiden Aufnahmen nicht auffällig. Zwar wirkt das Statement von Fräulein Peto etwas lauter, doch geschieht dies wahrscheinlich aus technischen Gründen, z.B. weil die Reporterin das Mikrofon zu nahe an den Mund dieses Sprechers führt.
Auffälligkeiten in der Betonung kommen in beiden Aufnahmen vor. Einzelne Wörter werden dabei betont, so z.B. „Ehrendienst“, „schön“, „außen“, „Shopping“, ect. . Bei der aktuellen Aufnahme z.B. „Niederländern“, „Respekt“, „blind“, „Katzenschlecken“, ect. Weitere betonte Wörter sind in der Transkription unterstrichen. Allerdings lassen sich keine besonderen Auffälligkeiten für eine unterschiedliche Betonung in historischen Aufnahmen, verglichen mit den aktuellen Hörfunkaufnahmen, feststellen. Betont wird vermutlich immer und überall und durch alle Epochen hindurch, weil Betonung ein zwar wichtiger, aber normaler Bestandteil der gesprochenen Sprache ist.
Die Wörter „Shopping“ und „Ehrendienst“ (in den Sätzen 35 und 40) werden aber bestimmt wegen ihrer Ungewöhnlichkeit betont. „Shopping“ war 1936 wahrscheinlich kein gebräuch-liches Fremdwort. Und „Ehrendienst“ passt in den Sprachgebrauch der Nationalsozialisten. Hierbei handelt es sich eventuell um eine Wortneuschöpfung für die Olympischen Spiele. Vielleicht genügte den Nationalsozialisten die Bezeichnung „Hilfsdienst“ oder schlicht „Helfer“ nicht aus und sie suchten eine stärkere Bezeichnung, die aus dem schlichten Helfer einen honorigen „Ehrendienstler“ macht.
Der Redefluss ist in der historischen Aufnahme als stockend einzustufen. Es werden auch an ungewöhnlichen Stellen auffällige Pausen gemacht, was wieder mit der Eigenheit vor-strukturierter Rede zu tun hat. Die Reporterin schaut auf ein Blatt und liest zumindest Stichwörter nach, wodurch diese Pausen erklärbar werden. Im Gegensatz dazu ist die aktuelle Aufnahme flüssig gesprochen. Pausen treten hier vor allem bei gefüllten Pausen oder nach Satzbrüchen auf.
Doch obwohl der Redefluss etwas stockt, ist die historische Aufnahme unterhaltsam und lebendig. Dies liegt an der weiblichen Sprecherin, die ein weites stimmliches Spektrum aufweist, das sie wohl auszunutzen weiß. Die Vielzahl der Betonungen (siehe unterstrichene Wörter in der Transkription) belegen diese These. Im Vergleich dazu betont Franziska van Almsick weniger Wörter. Aber da sie im Gegensatz zu der Reporterin der historischen Aufnahme keine „professionelle Sprecherin“, sondern eine Profi-Schwimmerin ist, dürfte dies nicht weiter verwundern.
[...]
[1] R. Fährmann: Die Deutung des Sprechausdrucks. Bonn 1960. S. 47.
- Arbeit zitieren
- Nils Priewe (Autor:in), 2005, Sprachgebrauch im Hörfunk - ein kurzer Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41499
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