Feminismus ist heutzutage ein Erfolgsrezept der Werbung. Vorreiter wie Dove haben Frauen aus der festgefahrenen, oft sexistischen Werberolle gelöst. Waren früher noch viel nackte Haut, anzügliche Headlines und vorwiegend junge, makellose Frauen Gegenstand der Werbung, so nehmen heute immer mehr Frauen mit realen Körpermaßen und realen Makeln einen Platz ein.
Doch welche Unternehmen stehen mit ihren Produkten und ihrer Philosophie tatsächlich hinter einer feministischen Überzeugung? Findet sich die feministische Einstellung einer Marketingkampagne auch tatsächlich im eigenen Haus wieder? Oder nutzen einige Unternehmen "Femvertising" nur, weil es in breiten Teilen der Zielgruppe großen Anklang findet?
Alina T Mooser geht diesen Fragen nach und untersucht in ihrer Publikation mithilfe der dokumentarischen Bildanalyse mehrere Beispiele des Femvertisings. Dabei prüft die Autorin die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Werbebotschaften und fragt nach der Bedeutung der feministischen Werbeinhalte für unsere Gesellschaft.
Aus dem Inhalt:
- Femvertising;
- Feminismus;
- Sexismus;
- Werbung;
- Marketing
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Alice Schwarzer en vogue? Feminismus im 21. Jahrhundert
2 Sex Sells versus Femvertising — die Begrifflichkeiten
2.1 Der Begriff Feminismus
2.2 Der Begriff Sexismus
2.3 Der Begriff #Femvertising
3 Die dokumentarische Methodik der Bildanalyse nach Ralf Bohnsack
3.1 Die formulierende Interpretation
3.2 Die reflektierende Interpretation
3.3 Begründung der Methodik
4 Erfolgsrezept #Femvertising
4.1 Beispiel Unilever
4.2 Beispiel Special K
4.3 Ehrliches #Femvertising am Beispiel von „Dear Daddy“
5 #Femvertising — ein nicht immer glaubwürdiger Verdienst an die Gesellschaft
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Dove Werbeanzeige.
Abb. 2: Dove Werbeanzeige (bearbeitet).
Abb. 3: Axe Werbeanzeige.
Abb. 4: Axe Werbeanzeige (bearbeitet).
Abb. 5: Working Mother Best Companies, Unilever.
Abb. 6: Special K Werbeanzeige.
Abb. 7: Special K Werbeanzeige (bearbeitet).
Abb. 8: Google Autovervollständigung
1 Alice Schwarzer en vogue? Feminismus im 21. Jahrhundert
Feminismus ist keine Gleichberechtigung. Feminismus ist tot. Feminismus ist schlecht. Feminismus ist der Versuch, hässliche Frauen in die Gesellschaft zu integrieren. Diese Sätze erscheinen, wenn man Google die Autovervollständigung von „Feminismus ist“ überlässt. (Abb.9) Die Ergebnisse der „weltgrößten Suchmaschine [sind] ein Blick in die Seele der Nutzer“ (Biermann, 2013). Ein Algorithmus von Google misst die Häufigkeit privater Suchanfragen und offenbart damit die relevantesten Fragen, Gedanken und Wünsche seiner NutzerInnen. Der Feminismus genießt im 21. Jahrhundert offenkundig keinen allzu positiven Ruf. Meinungsspaltend in jeglichen gesellschaftlichen Schichten und ausschlaggebend für unzählige Diskussionen und Debatten, beweist er, dass der Kampf um Gleichberechtigung und ein adäquates Rollenbild der Frau auch im Jahr 2017 noch immer zu keinem akzeptablen Ziel gelangt ist. Das Ideal, dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer genießen dürfen, lebt noch immer fort und gilt für Länder wie Saudi Arabien, in denen das Leben der Frauen vollkommen von Männern fremdbestimmt wird, aber auch für westliche Länder wie Deutschland, die beiden Geschlechtern mehr Chancen als jemals zuvor bieten, in der Gleichberechtigung aber nach wie vor „gravierende Unterschiede“ bestehen. (BMFSFJ, 2012) Das Bundesministerium für Familie, Senioren und Frauen setzt sich in Deutschland und international für das weibliche Geschlecht ein, denn die Möglichkeiten sind noch immer ungleich. „[S]ei es bei der Berufswahl, bei der Gründung einer Familie oder beim Aus- und Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Moderne Gleichstellungspolitik setzt […] an diesen Übergängen an“ (BMFSFJ, 2012). Feminismus hat viele Gesichter. Das macht ihn so kontrovers. Oft scheint es, als könnten sich die jungen Frauen, vor allem aus westlichen Ländern nicht so recht mit der Bewegung identifizieren. Sie sind nicht persönlich betroffen und fühlen sich von der Gesellschaft nicht ungerecht behandelt; feministisches Engagement à la Alice Schwarzer mutet für sie altmodisch oder gar überzogen an. Demgegenüber hat sich der Feminismus des 21. Jahrhunderts aber auch bis hin zur Popkultur des Abendlands etabliert. Berühmte Persönlichkeiten und Idole wie Schauspielerin Emma Watson oder Megastar Beyoncé bezeichnen sich als Feministinnen und machen damit die vermeintlich verstaubte Theorie zu einem erstrebenswerten Charakteristikum der eigenen Persönlichkeit. Dieser Umstand ist auch der Werbeindustrie nicht entgangen und so muss sie sich als vermeintlicher Spiegel der Gesellschaft (Bergler, Pörzgen & Harich, 1992, S. 19) neuen, verstärkten, und in diesem Fall schon lange geforderte Belangen anpassen. Waren es früher noch viel nackte Haut, anzügliche Headlines und vorwiegend junge, schlanke und makellose Frauen, die oft im wahrsten Sinne des Wortes als Gegenstand der Werbung fungierten, so werden sie heute durch Botschaften und Botschafterinnen starker, unabhängiger Frauen ersetzt. Frauen mit realen Körpermaßen und realen Makeln, freigemacht von gesellschaftlichen Rollenklischees und Vorurteilen. Doch während sich in Fernsehen und Zeitschriften die Werbeinhalte mit frauenbestärkendem Gedankengut füllen, stellt sich unumgänglich die Frage, inwiefern der Bezug zum eigentlichen Produkt — dessen Fehlen bekanntlich schon in sexistischer Werbung keine Seltenheit war — eine Rolle spielt. Welches Unternehmen steht mit seinen Produkten, aber auch in seiner Philosophie tatsächlich hinter einer feministischen Überzeugung? Welches Unternehmen macht sich diese wiederum lediglich zunutze, um ein Phänomen aufzugreifen, das offensichtlich in breiten Teilen der jeweiligen Zielgruppe großen Anklang findet? Wie steht es um die Situation in unternehmensinternen Positionen? Lässt sich die Philosophie, die die Marke augenscheinlich so passioniert vertritt, auch in eigenem Hause wiederfinden? Hat ein Unternehmen in der heutigen Zeit mehr Chancen auf Erfolg, wenn seine Marke dem Sexismus den Kampf ansagt und sich stattdessen pro-weiblichen Botschaften verschreibt? Wie viel Feminismus verträgt die Bewerbung eines Produkts, ohne unglaubwürdig zu werden? Und existiert neben all den Bestrebungen, den Feminismus mithilfe von Werbung in Einklang mit der eigenen Marke zu bringen, auch so etwas, wie die Werbung für das offensichtlich verkaufsfördernde Hilfsmittel an sich — die reine Werbung für Feminismus?
Ziel dieser Arbeit ist es, diesen Fragen anhand von Werbeanzeigen drei verschiedener Marken auf den Grund zu gehen. Hierfür wird die dokumentarische Methode der Bildinterpretation herangezogen, die in Kapitel 3 eine genauere Erläuterung erfährt. Zunächst geht Kapitel 2 aber auf die Begrifflichkeiten ein, die für diese Arbeit hohe Relevanz haben und befasst sich somit mit der Bedeutung von Feminismus, Sexismus und dem Internetneologismus Femvertising. Kapitel 3 stellt wie bereits erwähnt das methodische Vorgehen vor und beschreibt dieses anhand einer Untergliederung in die beiden Arbeitsschritte der formulierenden und der reflektierenden Interpretation. Das Kapitel endet mit der Begründung der angewandten Methode. Kapitel 4 befasst sich mit dem Kernstück dieser Arbeit, dem Feminismus in der Werbung, und zieht dafür Beispiele heran, die die Frage nach ge- oder misslungenem Femvertising stellen. Dabei werden ausgewählte Marken der Unternehmen Unilever und Kellogg´s einer genaueren Betrachtung unterzogen und entsprechende Werbeanzeigen der jeweiligen Marken mittels der dokumentarischen Bildanalyse nach Ralf Bohnsack abgehandelt. Das Kapitel widmet sich zusammenfassend dem kritischen Punkt der Glaubwürdigkeit der Marken in ihren feministischen Bestrebungen und schließt mit einem Exempel, das die Frage nach der Existenz von Femvertising in seiner reinsten Form stellt und den Versuch einer Antwort unternimmt. Im abschließenden fünften Kapitel werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und Ausblick auf die Zukunft feministischer Werbeinhalte, deren Aufrichtigkeit und der Frage nach ihrem Verdienst für die Gesellschaft gegeben.
2 Sex Sells versus Femvertising — die Begrifflichkeiten
Im nachfolgenden Kapitel werden die für diese Arbeit signifikanten Begrifflichkeiten erläutert. Nach einem Exkurs in die Geschichte von Feminismus und Sexismus, schließt der Abschnitt mit der Erläuterung des erst vor zwei Jahren geprägten Begriffs des Femvertising.
2.1 Der Begriff Feminismus
Der Begriff Feminismus lässt sich nicht eindeutig definieren, da schon die Wortherkunft nicht eindeutig ist. Klar ist aber, dass er „kein ausgeformtes, in sich widerspruchsfreies Konzept“ (Schenk, 1983, S. 80) ist, sondern „vielmehr ein Sammelbegriff für verschiedene weltanschauliche Positionen und Strömungen in der Frauenbewegung“ (Schenk, 1983, S. 80). Deshalb sei an dieser Stelle gesagt, dass auch in der vorliegenden Arbeit die ganze Vielfalt des Feminismusbegriffs ohne Anspruch auf Vollständigkeit behandelt wird, denn die verschiedenen Positionen und Strömungen „lassen sich nicht vereinheitlichen, ohne Wesentliches auszublenden“ (Pöge, Franke, Mozygemba, Ritter & Venohr, 2014, S. 19). Viele davon stehen „oft […] unverbunden nebeneinander und beziehen sich häufig nicht aufeinander“ (Pöge, Franke, Mozygemba, Ritter & Venohr, 2014, S. 21). Trotz der unterschiedlichen Theorien, haben sie „das wissenschaftlich-politische Interesse an der Verfasstheit von Geschlechterverhältnissen und die Kritik an allen Formen von Macht und Herrschaft, die Frauen diskriminieren und deklassieren“ (Becker-Schmidt, Knapp, 2007, S. 7).
Allgemein sei also gesagt, dass im deutschen Sprachgebrauch der Begriff erst ab dem Jahr 1980 (Gerhard, 1988, S. 302) eine nicht-abwertende oder biologisierende Definition erhielt. Der Feminismus wird beschrieben als eine „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen, beispielsweise der traditionellen Rollenverteilung, und der patriarchalischen Kultur anstrebt“ (Dudena ,2017). In den Jahren zuvor beschrieben beispielsweise Der Große Brockhaus oder Meyers Enzyklopädisches Lexikon den Feminismus noch als „weibisches Wesen bei (homosexuellen) Männern“ (Gerhard, 1988, S. 302) oder als „[…] das Auftreten weiblicher Eigenschaften bei einem männlichen Tier oder bei einem Mann“ (Gerhard, 1988, S. 302). Im angelsächsischen und romanischen Sprachgebrauch findet sich jedoch schon ein früherer Zusammenhang mit dem Begriff und verweist auf die „Zusammenfassung aller Bestrebungen, den Frauen in allen Lebensbereichen, in Staat, Gesellschaft und Kultur, gleichen Einfluß und eine mit den Männern gleichberechtigte Stellung zu verschaffen“ (Gerhard, 1988, S. 302). Es wird unter anderem angenommen, dass das Wort zu Zeiten der Französischen Revolution unter dem Frühsozialisten Charles Fourier entstand. Er galt als Begründer einer feministischen Gesellschaftstheorie und befasste sich mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau. In seinem Werk Le Nouveau monde amoureux erkannte er die weibliche Emanzipation an: „Die Natur hat beide Geschlechter gleichermaßen mit der Fähigkeit zu Wissenschaft und Kunst ausgestattet“ und so dürfe die Gesellschaft nicht die „Dummheit begehen, die Frauen auf Küche und Kochtopf zu beschränken“ (Notz, 2011, S.10). Ebenso heißt es, dass die Frauen in der Französischen Revolution mit ihren Frauenclubs und Frauenzeitschriften, aber auch die Frauenrechtlerin Olymp de Gouges, sowie die Frauen der Denkschule der Saint-Simonisten den Weg des französischen Feminismus ebneten. (Gerhard, 1988, S. 302) Knäpper (1984, S. 67) wiederum verweist auf andere Autoren, die die französische Schriftstellerin George Sand für die Schöpfung des Begriffs verantwortlich machen. So prägte sie den Feminismus offenbar nicht in seiner Theorie, jedoch durch ihre eigene Lebensweise. Auch in den USA stellten die Frauen bereits im Jahr 1848 die Männerdomäne an den Pranger und forderten ihre Rechte ein. In ihrer Declaration of Sentiments belegten sie die männliche Vorherrschaft mit 18 anklagenden Fakten, wie beispielsweise das fehlende Wahlrecht, das fehlende Recht auf Bildung oder das fehlende Recht auf Eigentum und Lohn:
He has never permitted her to exercise her inalienable right to the elective franchise.
He has denied her the facilities for obtaining a thorough education — all colleges being closed against her.
He has taken from her all right in property, even to the wages she earns. (Declaration of Sentiments, 1848) Britische Frauen, die der Antisklavereibewegung angehörten, forderten in der Mitte des 19. Jahrhunderts eigene Rechte, wie Wahl- und Bürgerrechte. In Deutschland dagegen ging die Emanzipierung von Frauen nur stockend voran. Der Feminismusbegriff hatte eine despektierliche Prägung, die allen voran von den GegnerInnen der Bewegung Verwendung fand. Frauenrechtlerinnen distanzierten sich von dem Begriff, um ihre Abneigung gegenüber der freien Liebe oder der „Zigarre rauchenden Emanzipation“ (Gerhard, 1988, S. 303) zu demonstrieren; so waren es lediglich die radikalen Frauen der linken Flügel der Frauenrechtsbewegungen, die sich mit dem Begriff schmückten, „sich besonders kämpferisch für Frauenrechte einsetzten“ (Schenk, 1983, S. 79) und damit „feministische Politik in Deutschland als anstößig oder zumindest des Radikalismus verdächtig“ (Gerhard, 1988, S. 303) gelten ließen. Somit bestand die Notwendigkeit einer neuen Frauenbewegung in Deutschland. Sie knüpfte nach der Zeit des Zweiten Weltkriegs bewusst an die internationalen Ziele des Feminismus an und verstand sich selbst explizit als eine feministische Bewegung, die sich von den bescheidenen und selbstbeschränkten Bewegungen der vergangenen Frauenbewegung freimachte. (Gerhard, 1988, S. 302) Feminismus bedeutet demnach nicht nur „die Loslösung aus der sozialen, politischen und ökonomischen, sondern vor allem auch aus der psychischen Abhängigkeit vom Mann“ (Schenk, 1983, S. 80).
2.1.1 Kritik am heutigen Feminismus
Der heutige Feminismus muss sich viel Feindseligkeit gefallen lassen: Ihm werden „Jahre der männerfeindlichen Hetze, des geschürten Misstrauens, der Warnungen vor Frauenschändern und sexuellem Missbrauch mit Steckbriefen auf Damentoiletten“ (Lau, 2005) bescheinigt, sein Image sei so schlecht wie das der Deutschen Bahn und Feministinnen seien eine ‚Herde hysterischer und irrationaler she-revolutionaries’ (Hark & Kerner, 2007). In einer Geschlechterdebatte der Zeit berichtet die Autorin von einer sogenannten feministischen Selbstdemontage, die aus dem Versuch herrührt, über die Jahre hinweg die „kapitalistischen Ziele privilegierter Alphamänner zu kopieren“ (Lobo, 2016). Dass viele Frauen sich von der Bewegung distanzieren, liegt unter anderem an genau dieser „Imitation männlicher Lebensmodelle“ (Lobo, 2016). Aber auch daran, dass zu viele Frauen die Bewegung zu einer „überwiegend undifferenziert, aggressiven und bevormundenden Bewegung“ (Lobo, 2016) gemacht haben. Lobo kritisiert die Vertreterinnen des Feminismus, die der Bewegung durch ihre Überempfindlichkeit und Kritikunfähigkeit schaden und nennt dabei Beispiele, wie die Boykottierung und Bedrohung von Geschlechterthemen-Veranstaltungen mit unliebsamen Gästen oder die Empörung über einen Wissenschaftler, der im Fernsehen ein T-Shirt mit Pin-Up Motiven trug, die vermeintlich sexistisch waren.
Die feministische Bewegung der vergangenen Jahre hat Züge angenommen, die den Begriff und seine Vertreter spalten:
Geblieben ist bis jetzt ein einengender Begriff von Feminismus […] mit bestimmten extremen oder radikalen Positionen auf der einen Seite oder auf der Feministinnen selbst die Konkurrenz um das richtige Verständnis oder die Politik, die als radikaler Feminismus zu bezeichnen ist. (Gerhard, 1988, S. 304)
Der Feminismus des 21. Jahrhunderts steht vor der Herausforderung, die abwertend klischeehafte Perspektive, mit der auf ihn geblickt wird, abzustreifen. Zu sehr wird er als Lifestyle Bewegung angesehen, statt als politische Verpflichtung: „The willingness to see feminism as a lifestyle choice rather than political commitment reflects the class of nature of the movement“ (Hooks, 1997, S. 26). Hooks (1997, S. 26) plädiert dafür, sich als FeministIn zu bekennen, statt FeministIn zu sein. Die Betonung des Feminismusbegriffs liegt zu sehr auf der eigenen Identität und einem Lifestyle. Wer sich zu der Bewegung bekennt, statt das eigene Sein über sie zu definieren, vermeidet die unmittelbare Verknüpfung einer absolutistischen Einstellung, die keine alternativen politischen Strömungen zulässt. Die wohl maßgebliche Problematik in Hinsicht auf den Feminismus ist der Begriff an sich. Die negative, klischeehafte Besetzung des Begriffs und die öffentlichkeitswirksame Platzierung neuer feministischer Positionen erfordern die Entsorgung des „so genannte[n] alte[n] Feminismus als Schreckgespenst in der Geschichte“ (Hark & Kerner, 2007) und den Entwurf [eines] neuen Feminismus“ (Hark & Kerner, 2007).
2.1.2 Das Ende des Feminismus?
Darüber hinaus wird Feminismus im 21. Jahrhundert aufgrund seiner „stets neu befeuerte[n] Assoziationen von ‚Unattraktivität‘ und ‚Verbissenheit‘“ (Eismann, 2007, S.9) kritisch und „misstrauisch bis hasserfüllt“ (Eismann, 2007, S. 9) beäugt, er wird als ‚„alt‘ und „obsolet“ (Gerhard, 2009, S.121) angesehen und gar dem Tod geweiht: Im Jahr 2003 verkündete The Guardian, der Feminismus und der Kampf für Gleichberechtigung würden laut der Future Foundation Studie von der Öffentlichkeit als veraltetes Konzept angesehen, welches die Herausforderungen des modernen Lebens nicht ansprechen würde. Die Bewegung würde praktisch einstimmig negativ, überholt und „nervtötend“ gesehen. (Ward, 2003) Die befragten Frauen fühlten sich gleichberechtigter als jemals zuvor und waren sich einig, dass die Ungleichheiten, wie beispielsweise die Rolle der Frau im Haushalt oder geringer bezahlte Berufe das Ergebnis individueller Entscheidungen und natürlicher Unterschiede zwischen den Geschlechtern seien. (Ward, 2003) The Guardian prophezeite das nahe Ende des Feminismus, wobei die britische Tageszeitung nicht die erste war, die das tat. Schon in den Jahrzehnten zuvor sagten bereits die Newsweek (1990) ‚the failure of feminism‘, die New York Times (1980) ‚radical days of feminism are gone’ und das Harper's Magazine (1976) das ‚requiem for the women's movement‘ voraus. (Smith, 2003) Die Journalistin Smith betitelte das Ergebnis der Future Foundation Studie, das von der Equal Opportunities Commission (EOC) in Auftrag gegeben worden war, mit dem inzwischen bekannten False Feminist Death Syndrome. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das „Feminismus als überholtes, erbärmliches Auslaufmodell der Geschichte […] porträtier[t], um die Gerechtigkeitsanliegen von Frauen abzuwehren“ (Hark & Kerner, 2007). Smith begründete das Ergebnis der Studie mit dem Fakt, dass die EOC in eine Falle geraten war: „[…] anyone with a grasp of history could have warned them that the results, no matter how unrepresentative, would be used in this way“ (Smith, 2003) — die Voraussage des Todes des Feminismus sei die Konsequenz aus der Angst der Menschen vor ebendiesem. Deshalb seien sie so „versessen“ (Smith, 2003) darauf AnhängerInnen des Feminismus als „Männerhasser mit unrasierten Beinen“ (Smith, 2003) zu verurteilen und sie aus dem schlichten Grund abzuweisen, dass Feminismus eine Bedrohung darstellt — eine noch radikalere Bedrohung, als die Französische Revolution es war, die eine Neuanordnung von Eigentum und politischen Rechten unter Klassenmännern vorschlug, die diese bereits genossen hatten. Doch tatsächlich sind die Menschen sich nach wie vor — wie die Studie dennoch belegte — der Ungleichheit und Diskriminierung bewusst, auch wenn sie die Art Vokabular scheuen, die diese Umstände umschreiben. (Smith, 2003) Ein allgemeiner, wenn auch bezeichnender Beweis für die Bestätigung des False Feminist Death Syndrome ist die Schlagzeile, mit der The Guardian sieben Jahre nach der Veröffentlichung der Future Foundation Studie, im Jahr 2010, einen seiner Artikel betitelte: „Feminism is not finished“ (Cochrane, 2010).
2.1.3 Ziele des Feminismus
Die Ziele des Feminismus in seiner politischen Theorie, sowie in seiner sozialen Bewegung sind die „Emanzipations- Freiheits- und Gleichheitsbestrebungen von Frauen, sowie [dem] Eintreten von Frauen für ihre Rechte“ (Notz, 2011, S. 12). So unterschiedlich der Feminismus in seinen Positionen ist, so verfolgt er doch in all ihnen „[den] Kampf gegen das Patriarchat als Herrschaft der Männer über Frauen, das sowohl historisch wie gegenwärtig die gesellschaftlichen und individuellen Beziehungen der Geschlechter kennzeichnet und prägt“ (Gerhard, 1988, S. 304). Laut Gerhard findet die „Herrschaftssicherung“ (1988, S. 304) auf drei Ebenen statt: In der ersten Ebene durch das Kontrollieren der Sexualität und demnach durch die Unterwerfung der Frau in der Geschlechterbeziehung. In der zweiten Ebene durch die Verfügung der Arbeitskraft der Frau, allen voran in der nicht-vergüteten Hausarbeit und in der dritten Ebene durch die „Ausbeutung von ‚Weiblichkeit‘ als eines über Jahrhunderte geformten Sozialcharakters, des ‚weiblichen Arbeitsvermögens‘ in der sogenannten Beziehungsarbeit“ (Gerhard, 1988, S. 304). Um die „entscheidenen Hebel zur Befreiung der Frau“ (Gerhard, 1988, S. 305) in Gang zu setzten, plädieren FeministInnen demnach dafür, die eigene Sexualität selbst zu bestimmen, die geschlechterspezifische Arbeitsteilung abzuschaffen und die Geschlechterrollen aufzuheben. FeministInnen sehen in ihren Zielen eine elementare Veränderung der Welt: Die Lebensbedingungen für die ‚Hälfte der Menschheit‘ würde dadurch verbessert. Frauen würden von der sozialen Ungleichheit befreit und könnten somit „ihre Träume vom Menschenglück“ verwirklichen. (Gerhard, 1988, S. 305) Der Feminismus im 21. Jahrhundert muss sich die Frage stellen, ob und welche Antworten er heute anzubieten hat für die komplex ineinander verwobenen Herausforderungen einer globalisierten, homogenisierenden und zugleich fragmentierten und segregierenden Welt; einer Welt […], deren vordringlichstes Problem nicht die geglückte Work-Life-Balance westlicher Unternehmerinnen ihrer selbst ist, sondern immer noch Sexismus, Homophobie und Rassismus in ihren vielfältigsten, auch gewaltförmigsten Manifestationen. (Hark & Kerner, 2007)
So stellt auch Lobo fest, dass die Welt im 21. Jahrhundert einen Feminismus braucht, der nicht „unreif[]“ und „paranoid“ ist und „die Frauen letztlich „zusätzlicher männlicher Wut aussetzt“, sondern viel mehr „lösungsorientiert[]“ und „die Geschlechter versöhnend[]“. (Lobo, 2016) In Hinsicht auf das vermeintliche Aussterben des Feminismus, erklärt Smith die Vorhersage als verfrüht, solange Lohngleichheit, erschwingliche Kinderbetreuung, eine faire Aufteilung von Hausarbeit, höhere staatliche Renten und die Bereitschaft, häusliche Gewalt ernst zu nehmen, noch immer nicht vorherrschen. (Smith, 2003). Trotz des viel prophezeiten Todes des Feminismus, wehren sich vor allem junge Frauen gegen die „nach wie vor stereotypen Bilder von Weiblichkeit, gegen strukturelle Barrieren […] und gegen Gewalt“ (Gerhard, 2009). Feminismus ist heute kein abstraktes Konzept, sondern gelebte Alltagskultur, [die] alle Lebensbereiche durchdringt“ (Eismann, 2007, S.9). Er vernetzt dank elektronischer Medien junge Frauen auf der ganzen Welt, die neue „Aktionsformen und kulturelle Praktiken vor allem auch in Kunst- und Musikszenen“ erproben. (Gerhard, 2009, S. 122) Doch damit diese Frauen sich selbst und ihre Freiheit und Selbstbestimmung, die die zahlreichen Generationen vor ihnen so mühsam erkämpften, finden, müssen sie sich zunächst Kritik und die „Distanzierung zu Vorgefundenem, sowie neuartige Politiken und Strategien, aber auch [den] Versuch, die Welt aus der Sicht der anderen zu verstehen, zu teilen und zu verändern“ (Gerhard, 2009, 122) aneignen. Denn „Rechte sind kein Haben oder Besitz, sondern müssen immer wieder erkämpft, verteidigt und an geltenden Standards von Gerechtigkeit neu vermessen werden“ (Gerhard, 2009, S. 125).
2.1.4 Feminismus im 21. Jahrhundert
Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie hielt im Jahr 2013 einen TEDx Talk[1] Vortrag mit dem Titel „We Should All Be Feminists“. Die Rede wurde preisgekrönt und über dreieinhalb Millionen Mal auf YouTube aufgerufen. (TEDx Talks, 2013) Sie beinhaltet die kritische Betrachtung von konstruierter Männlichkeit, ohne dabei aber Männer zu diskreditieren, oder ein Geschlecht gegen das andere aufzubringen — vielmehr geht es um die Erkenntnis, dass sich die Gesellschaft als Ganzes ändern muss, wenn Gleichberechtigung verwirklicht werden soll. Es ist der Versuch einer Definition für Feminismus im 21. Jahrhundert. Adichies Rede wurde als Essay für das gleichnamige Buch „We Should All Be Feminists“ angepasst und zwei Jahre später im Rahmen einer Initiative der schwedischen Frauenlobby und des Albert Bonniers Verlags an jedes 16-jährige Mädchen in Schweden verteilt. Damit hofft das Projekt, einen Anstoß zur Diskussion über Gleichberechtigung und Feminismus zu geben. (Flood, 2015) Beyoncé, die laut Forbes mächtigste Berühmtheit in der Unterhaltungsindustrie (Pomerantze, 2014), bezog Teile der Rede in ihr Lied Flawless mit ein und gab der Rede damit noch größeren Auftrieb. Nun im Jahr 2017 bekennt sich das französische Luxus Modelabel Dior zum Feminismus, in dem eines seiner zentralen Motive der Frühjahr-/Sommerkollektion 2017 ein weißes T-Shirt ist, das großflächig den Titel von Adichies berühmter Rede trägt. Laut der Designerin dient es als Symbol dafür, ‚den Kampf voranzutreiben‘: Teile des Erlöses werden einer gemeinnützigen Organisation gespendet. (Vogue, 2017)
Eines der aktuellsten Beispiele dafür, dass Feminismus noch lange nicht vor dem Aussterben steht, ist die Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten von Amerika. Am 21. Januar 2017, einem Tag nach der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump, versammelten sich Millionen von Menschen zu einem Protestmarsch für Frauen- und Menschenrechte. (Bergermann, 2017) Donald Trump hatte in der Wahlperiode zahlreiche Menschen gegen sich aufgebracht und die Veranstalter des Women´s March begründeten ihre Mission mit den Worten: „The rhetoric of the past election cycle has insulted, demonized, and threatened many of us“ (Women´s March, 2017). Der Marsch wolle seiner neuen Regierung und der Welt gemeinsam mit „Menschen jedes Geschlechts, jeder Herkunft [und] jeden Alters“ (Zeit, 2017) ein deutliches Zeichen setzen, dass Frauenrechte auch Menschenrechte sind. (Women´s March, 2017) Weltweit folgten Millionen von Menschen dem Vorbild des Women's March in Washington und demonstrierten in 673 Märschen gegen Trumps „sexistische und rassistische Äußerungen und seine geplante Politik“ (Zeit, 2017). Der Marsch lief „unter dem Banner weiblicher Emanzipation“ (Schmidt, 2017), verstand sich aber weniger als Anti-Trump-Protest, sondern legte den Fokus darauf, sehr viel proaktiver in Hinblick auf Frauenrechte zu werden. (Jamieson, 2016) Während des Marschs verteilte eine Buchhandlung in Oregon kostenlose Exemplare des Buchs „We Should All Be Feminists“, um damit ihren Beitrag zu dem Neuanfang in den USA zu leisten und die Macht der Frauen zu zelebrieren, große Dinge zu leisten (Broadway Books, 2017), während zahlreiche Prominente das passende Dior T-Shirt trugen. (Vogue, 2017) Die Präsidentschaftswahl der USA scheint die Menschen wachgerüttelt zu haben und so verbreitet sich mit dem enormen Aufschwung der feministischen Bewegung im 21. Jahrhundert ein gewisser „Feminismusstolz“ auf der Welt, den insbesondere das „Manifest“ von Chimamanda Ngozi Adichie und populäre Marken und Persönlichkeiten beeinflusst haben. Feminismus ist im Jahr 2017 weder alt, noch obsolet und mit großer Wahrscheinlichkeit noch lange nicht ausgestorben.
2.2 Der Begriff Sexismus
Einem bestimmtem Geschlecht zuzugehören heißt, einen bestimmten sozialen Ort zugewiesen zu bekommen: oben/unten, in der Familie/ in der Außenwelt, in der Genealogie, in der Arbeitsverteilung und in den kultisch-religiösen Räumen. Nicht nur die soziale Schicht bestimmt darüber, welche Positionen, Funktionen, Lebenschancen Individuen zukommen. Darüber entscheidet auch die Geschlechterzugehörigkeit. (Becker-Schmidt, 1988, S. 195)
Der Duden umschreibt den Sexismusbegriff mit einer „Vorstellung, nach der ein Geschlecht dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die […] Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts“ (Duden, 2017b). Der Begriff wurde in den USA zu Zeiten des Women´s Liberation Movement in Anlehnung an den Rassismusbegriff geprägt, da er wie auch der Rassismus die vermeintliche Überlegenheit einer Personengruppe gegenüber einer anderen impliziert: Sexismus kann als das System und die Praxis der Diskriminierung einer Person aus Gründen des Geschlechts definiert werden. (Tuttle, 1986, S. 292) Der Begriff fand schnell Verbreitung, weil mit ihm unzählige „Einzelerfahrungen von Frauen einen Namen und einen Zusammengang erhielten“ (Hagemann-White, 1983, S. 260). Sexismus bezieht sich auf ungerechte Vorurteile gegenüber Frauen, ihre Stereotypisierung in der Geschlechterrolle, die Definition von Frauen in Bezug auf ihre sexuelle Verfügbarkeit und Attraktivität für Männer und alle bewussten und unbewussten Annahmen, die dazu führen, dass Frauen als nicht vollständig menschlich behandelt werden, während Männer als Norm identifiziert werden. (Tuttle, 1986, S. 292). Dass Frauen und Männer sich fernab der „Geschlechterstereotypen als Individuen begegnen können“ (Metz-Göckel, 1988, S. 992), erfordert die Überwindung des Sexismus. Diese Überwindung inkludiert auch Männer, die sich als Opfer von Sexismus sehen, entweder in persönlichen Beziehungen, oder aber in Hinsicht auf Frauenfördermaßnahmen und -programme. Dieser Sexismus ist aber eher bekannt als umgekehrter Sexismus und sieht sich als Antwort auf den institutionalisierten Sexismus, der alle Frauen unterdrückt (Tuttle, 1986, S. 292). Wie der Rassismus, gründet wie bereits erwähnt der Sexismus gleichermaßen auf der Annahme einer wesentlichen Überlegenheit in spezifischen physischen Erscheinung: Sexistische Haltungen gegenüber Frauen erfordern beispielsweise keine Rechtfertigung, wenn Männer von Natur aus als den Frauen überlegen angesehen werden. (Tuttle, 1988, S. 292) „Für [Sexismus] wie für Rassismus typisch ist etwa, daß ‚die‘ nicht nur für dumm, sondern auch für besonders triebhaft und verführbar gelten: das rechtfertigt aber auch, bei passender Gelegenheit eigene ‚Schweinefantasien‘ an ihnen auszuleben“ (Hagemann-White, 1983, S. 262).
2.2.1 Sexismus in der Werbung
Folgendes Zitat dient als charakterisierende Voranstellung für das nun folgende Kapitel:
Verstand, Durchsetzungsvermögen, Persönlichkeit sind [bei der Frau in der Werbung] wenig gefragt, statt dessen dominiert sie als Schmuckstück und Luxusgegenstand des Mannes, dessen Sozialprestige sie durch Schönheit und Attraktivität erhöht. Davon abgesehen ist sie durch Hilflosigkeit, Naivität und Dummheit gekennzeichnet, und verfestigt damit das Stereotyp der Abhängigkeit der Frau vom Mann. (Schmölzer, 1993, S. 516)
Seit Jahrzehnten gelten bei den Werbern „Frauen als Körperteile, […] unterwürfige Modepuppen oder […] launische Tiere“ (Fröhlich, Holtz-Bacha & Velte, 1995, S. 214) als wirksames Werbemittel. Im Jahr 1974 veröffentlichten die Vereinten Nationen einen Bericht über das Frauenbild und die Situation der Frau in den Medien: „[B]ei allen deprimierenden und negativen Ergebnissen [galt] die [Werbung] als die negativste und die bedenklichste Erscheinung“ (Schmerl, 1983b, S. 317). Aller Regel nach steht im Mittelpunkt der Werbung das Produkt. Zusätzlich Präsentiertes ist „Beiwerk, Blickfang — Funktion und dient der Differenzierung des Produkts“ (Fröhlich, Holtz-Bacha & Velte, 1995, S. 206). Das Bild, das das Produkt in seiner Zielgruppe hervorrufen soll, wird durch seine Umgebung gefestigt und verdeutlicht. Dabei sind laut Bergler, Pörzgen & Harich (1992, S. 16) essentielle Kommunikationsprinzipien in der Werbung ‚Prägnanz‘, ‚Verständlichkeit‘ und ‚Attraktivität: Wer sie erfolgreich einsetzen will, arbeitet folglich mit verallgemeinernden und reduzierenden Elementen, auch in der Darstellung von Menschen. Sie werden auf weniges reduziert, büßen ihre Individualität ein und ziehen daher Vorurteile und Stereotypen nach sich. (Fröhlich, Holtz-Bacha & Velte, 1995, S. 207). Der kanadische Soziologe Erving Goffman analysierte bereits im Jahr 1977 Werbung in Zeitschriften und stellte fest, dass die Interaktion von Männern und Frauen in den Anzeigen stets den gleichen Klischees entsprach: Auf Seiten der Männer herrschte „Dominanz, Expertentum, Initiative und körperliche Überlegenheit“ (Schmerl, 1983a, S. 14), bei den Frauen ließen sich „Unterlegenheit, Unwissenheit, Passivität, Schwäche und körperliche Verfügbarkeit aus dem Zueinander der gezeigten Personen“ (Schmerl, 1983a, S. 14) ablesen. Das weibliche Geschlecht „herabgesetzt, lächerlich gemacht oder […] als eine nicht [ernst] zu nehmende Spezies hingestellt“ (Schmerl, 1983a, S. 18) und „als kulinarische Zutat für […] teure[] oder weniger teure[] Produkte serviert“ (Schmölzer, 1993, S. 516). Schmerl (1983a) teilt dem Sexismus in der Werbung die Rolle eines heimlichen Lehrplans zu. Die Frauendarstellung in der Werbung unterteilt sie in sieben verschiedene „Rezepte“, je nach dem, in welchen Kontext die Frau in der Werbung gesetzt und inwiefern sie in Verbindung mit dem jeweiligen Produkt gebracht wird. So lernen beispielsweise KonsumentInnen, dass 1. Frauen auf Sexualität reduzierbar sind, indem ihre sexuelle Attraktivität mit jedem beliebigen Produkt in Verbindung gebracht werden kann (z.B. Cocktails, Hotelketten etc.). Neben der Kombination von Frau und Produkt, wird die Frau bzw. vermeintlich typische Eigenschaften der Frau 2. mit dem Produkt gleichgesetzt (z.B. dunkelhäutige, leicht bekleidete Frau auf Trinkschokoladenetikett). Ein weiteres Rezept ist 3. die Verbindung zwischen Frauen und Haushalt. Die Bewerbung von Haushaltsprodukten verkörpert das Selbstverständnis, dass Haushaltsaufgaben Angelegenheit der Frau sind. In einem 4. Rezept finden sich in sexistischer Werbung Unarten wieder, die ausschließlich und unverkennbar dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben werden (z.B. das technikunbegabte Dummchen). In ihrem 5. Rezept belegt Schmerl, dass die Werbung Frauen in „rigorose Zwangsjacken“ (Schmerl, 1983aa, S.22) steckt, die drastische Forderungen an das normierte Aussehen der Frau stellen und sich entsprechende Ängste zunutze machen (z.B. nur schlank ist schön). In dem 6. Rezept dient der Emanzipationsbegriff als Vermarktungsstrategie — er wird benutzt, um sich über ebendiesen bzw. über die damit einhergehenden Forderungen zu mokieren, oder aber um ihn als käuflich“ darzustellen. In Schmerls 7. und letztem Rezept macht sich die Werbung zynische Aussagen und Anspielungen über Frauen zunutze, die sich „auf dem Niveau von Herrenwitzen bewegen [und] oft auch faschistoide Tendenzen beinhalten“ (Schmerl, 1983b, S. 319).
Die Charakteristika dieser Rezepte lassen sich vor allem in dem Frauen-Werbebild von Zeitschriften feststellen, wobei Frauen zeitschriften ausgenommen werden. Sie gehen einher mit einer „sexuellen Ausbeutung der Frau mittels Bild und Text“ (Schmerl, 1983b, S. 318). Der Körper der Frau bzw. spezifische Körperteile werden in der Werbung teilweise fotografisch in einer Weise inszeniert, wie sie auch in „erotischer Fotografie“ vorkommen und sind dementsprechend nicht weit entfernt von Soft- und Edelpornofotographie. (Schmerl, 1983b, S. 319). Dieser Fakt kennzeichnet, in welch frauenverachtender Manier Werbung Frauen für ihre Zwecke inszeniert. Schmerz prangert Werber an, die ihre Arbeit oft mit den frauendiskriminierenden gesellschaftlichen Zuständen und den „Medien […] [als] Spiegel der sexistischen Realität in [der] Gesellschaft“ (Scheu, 1977, S. 97) entschuldigen und diese als Grundlage voraussetzen. Fakt ist jedoch, dass die Realität „[ins Überdimensionale] verstärkt und verzerrt [wird], indem sie die genannten anderen Einflüsse an Aufwand, Omnipräsenz, Langzeitwirkung und wirtschaftlicher Macht übertrifft — und sie inhaltlich auf die Spitze treibt“ (Schmerl, 1983a, S. 29).
2.2.2 Positionen gegen Sexismus in der Werbung
Die Entwicklung der Gesellschaft zieht Entwicklung der Werbung nach sich und so verändern sich auch die Rollentypen der Frauen. So herrschte im Jahr 1972 beispielsweise noch überwiegend das Klischee der Hausfrau vor, knapp 15 Jahre später nahm der Anteil der Karrierefrauen in der Werbung deutlich zu. (Fröhlich, Holtz-Bacha & Velte, 1995, S. 210) Auch der Handlungsspielraum der Frau hat sich erweitert: Frauen in der Werbung wurde mit der Zeit eine „selbstbewusstere [und] aktivere Grundhaltung der geschlechtsspezifischen Rollenbilder“ (Fröhlich, Holtz-Bacha & Velte, 1995, S. 211) zugeschrieben und auch darüber hinaus erweiterten sich die vorherrschenden weiblichen Klischees — beschränkten sich aber nach wie vor alle auf „ausschließlich familiäre, freizeitorientierte und teilweise emotionale Funktionen“ (Fröhlich, Holtz-Bacha & Velte, 1995, S. 212). Im Jahr 2007 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarates (Council of Europe) eine Resolution, in der sie das Frauenbild in der Werbung anprangerte: The Image of Women in Advertising drückt klar aus, dass nahezu ausnahmslos Frauen in bestimmten Werbungen als reine Verbraucherware oder als Sexobjekte angesehen werden: „[T]oo often, advertising shows women in situations which are humiliating and degrading, or even violent and offensive to human dignity“ (Bilgehan, 2007, S.113). Auch nach über 50 Jahren beherrscht Sexismus die Werbung nach wie vor und die Werbebranche steht vor einem langen Weg, ihre Einstellung zu ändern und sich von den schädlichen Rollenklischees loszulösen: „[…] much work will be required to change attitudes and demolish stereotypes which do women a disservice in their fight for equality“ (Bilgehan, 2007, S.113).
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[1] TED (Abkürzung für Technology, Entertainment, Design) ist eine gemeinnützige Medienorganisation, die als Innovationskonferenz gegründet wurde und Vorträge mit einer umfassenden Themenbandbreite und einem vielfältigen Spektrum an Sprechenden gemäß dem Motto „ideas Worth spreading“ im Netz kostenlos zur Verfügung stellt
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- Alina T Mooser (Author), 2017, Femvertising. Das neue "Sex Sells" oder ehrlicher Feminismus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414513
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