Eine zentrale Herausforderung der finanzökonomischen Forschung stellt die Erklärung der Aktienkursentwicklung dar. Bestehendes Paradigma in der Finanzmarktforschung ist die klassische Kapitalmarkttheorie. Neben der Annahme der Markteffizienz postuliert die Theorie, dass am Markt rationale Investoren existieren und die Aktienkursentwicklung rein zufällig ist. Im Marktgleichgewicht wird die Preisbildung risikoreicher Wertpapiere mit Hilfe von kapitalmarkttheoretischen Modellen erklärt. Eines der bedeutendsten Modelle hierfür ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Laut dem CAPM lassen sich die erwarteten Aktienrenditen anhand nur eines Risikofaktors, dem sogenannten Beta-Faktor bestimmen. Während der letzten Jahrzehnte wurden immer mehr Aktienpreisentwicklungen beobachtet, die sich nicht anhand der klassischen Modelle erklären und erfassen lassen. In der Literatur werden solche Abweichungen als Finanzmarktanomalien bezeichnet. Definiert wird eine Finanzmarktanomalie somit als abweichende Marktentwicklung von einem bestehenden Paradigma. Unvereinbar mit der bestehenden Theorie wurde beispielsweise ein gewisses Trending in der Aktienkursentwicklung oder auch systematisch wiederkehrende Überrenditen im Januar beobachtet.
Die vermehrte Aufdeckung solcher Finanzmarktanomalien führte zur Entwicklung einer neuen Forschungsrichtung. Die Behavioral Finance Theorie versucht diese Anomalien anhand der zusätzlichen Betrachtung sozialer und psychologischer Aspekte zu erklären. Vertreter der Behavioral Finance Theorie widersprechen den Vertretern der klassischen Kapitalmarkttheorie unter anderem hinsichtlich der Annahme, dass alle Marktteilnehmer rational handeln. Limitierte Arbitragemöglichkeiten und Anomalien im menschlichen Verhalten führen zur Verzerrung innerhalb des Entscheidungsfindungsprozesses von Marktteilnehmern, was wiederrum zur Abweichung der Marktpreise von ihren fundamentalen Werten führt.
Ziel dieser Thesis ist es, einen Überblick über die wesentlichen Finanzmarktanomalien zu geben. Beispielhaft sollen hierbei sowohl bestehende empirische Arbeiten als auch unterschiedliche Erklärungsansätze der Anomalien aufgegriffen und analysiert werden. Dazu werden im ersten Teil der Thesis die wesentlichen Grundlagen der klassischen Kaptalmarkttheorie und der Behavioral Finance Theorie erläutert. Anschließend wird im dritten Kapitel ein Überblick über die Anomalien im menschlichen Verhalten gegeben, da diese sogenannten Verhaltensanomalien
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlagen
2.1 Klassische Kapitalmarkttheorie
2.2 Behavioral Finance Theorie
3. Verhaltensanomalien
3.1 Kognitive Aspekte
3.2 Emotionale Aspekte
3.3 Gesellschaftliche Aspekte
4. Kalenderanomalien
4.1 Januar Effekt
4.2 Wochenendeffekt
4.3 Monatswechseleffekt
5. Kennzahlenanomalien
5.1 Value Effekt
5.2 Größen-Effekt
6. Effizienzmarktanomalien
6.1 Closed-End-Fund Puzzle
6.2 Momentum Effekt
6.3 Mittelwertrückkehreffekt
7. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1.1: Beziehung der drei Abstufungen von Informationseffizienz untereinander
Abb. 2.1.2: Effizienzkurve
Abb. 2.1.3: Kapitalmarktlinie
Abb. 2.1.4: Wertpapierlinie
Abb. 2.2.1: Eine hypothetische Wertfunktion
Abb. 2.2.2: Eine hypothetische Gewichtungsfunktion
Abb. 6.1.1: Aktienpreis und NAV des GF
Tabellenverzeichnis
Tabelle 4.1.1: Empirie und Erklärungsansätze des Januar Effekts
Tabelle 4.2.1: Empirie und Erklärungsansätze des Wochenendeffekts
Tabelle 4.3.1: Empirie und Erklärungsansätze des Monatswechseleffekts
Tabelle 5.1.1: Empirie und Erklärungsansätze des Value Effekts
Tabelle 5.2.1: Empirie und Erklärungsansätze des Größen-Effekts
Tabelle 6.1.1: Empirie und Erklärungsansätze des Closed-End-Fund Puzzles
Tabelle 6.2.1: Empirie und Erklärungsansätze des Momentum Effekts
Tabelle 6.3.1: Empirie und Erklärungsansätze des Mittelwertrückkehreffekts
1. Einleitung
Eine zentrale Herausforderung der finanzökonomischen Forschung stellt die Erklä- rung der Aktienkursentwicklung dar. Bestehendes Paradigma in der Finanzmarktfor- schung ist die klassische Kapitalmarkttheorie. Neben der Annahme der Markteffizi- enz postuliert die Theorie, dass am Markt rationale Investoren existieren und die Ak- tienkursentwicklung rein zufällig ist. Im Marktgleichgewicht wird die Preisbildung risi- koreicher Wertpapiere mit Hilfe von kapitalmarkttheoretischen Modellen erklärt. Eines der bedeutendsten Modelle hierfür ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM). Laut dem CAPM lassen sich die erwarteten Aktienrenditen anhand nur eines Risikofak- tors, dem sogenannten Beta-Faktor bestimmen. Während der letzten Jahrzehnte wurden immer mehr Aktienpreisentwicklungen beobachtet, die sich nicht anhand der klassischen Modelle erklären und erfassen lassen. In der Literatur werden solche Abweichungen als Finanzmarktanomalien bezeichnet. Definiert wird eine Finanz- marktanomalie somit als abweichende Marktentwicklung von einem bestehenden Paradigma.1 Unvereinbar mit der bestehenden Theorie wurde beispielsweise ein gewisses Trending in der Aktienkursentwicklung oder auch systematisch wiederkeh- rende Überrenditen im Januar beobachtet.
Die vermehrte Aufdeckung solcher Finanzmarktanomalien führte zur Entwicklung einer neuen Forschungsrichtung. Die Behavioral Finance Theorie versucht diese Anomalien anhand der zusätzlichen Betrachtung sozialer und psychologischer Aspekte zu erklären. Vertreter der Behavioral Finance Theorie widersprechen den Vertretern der klassischen Kapitalmarkttheorie unter anderem hinsichtlich der Annahme, dass alle Marktteilnehmer rational handeln. Limitierte Arbitragemöglichkeiten und Anomalien im menschlichen Verhalten führen zur Verzerrung innerhalb des Entscheidungsfindungsprozesses von Marktteilnehmern, was wiederrum zur Abweichung der Marktpreise von ihren fundamentalen Werten führt.
Ziel dieser Thesis ist es, einen Überblick über die wesentlichen Finanzmarktanoma- lien zu geben. Beispielhaft sollen hierbei sowohl bestehende empirische Arbeiten als auch unterschiedliche Erklärungsansätze der Anomalien aufgegriffen und analysiert werden. Dazu werden im ersten Teil der Thesis die wesentlichen Grundlagen der klassischen Kaptalmarkttheorie und der Behavioral Finance Theorie erläutert. An- schließend wird im dritten Kapitel ein Überblick über die Anomalien im menschlichen Verhalten gegeben, da diese sogenannten Verhaltensanomalien von den Vertretern der Behavioral Finance Theorie als Grundlage verschiedener Erklärungsmodelle die- nen und somit oft als Erklärungsansätze für die Finanzmarktanomalien herangezo- gen werden. Im Anschluss werden ausgewählte Finanzmarktanomalien, eingeteilt nach Kalender-, Kennzahlen- und Effizienzmarktanomalien, in Kapitel vier bis sechs vorgestellt und erläutert. Hierbei soll sowohl die Aktualität als auch die globale Gül- tigkeit der Anomalien anhand bestehender empirischer Forschungsarbeiten unter- sucht werden. Die unterschiedlichen Erklärungsansätze der Finanzmarktanomalien werden sowohl aus Sicht der Vertreter der klassischen Kapitalmarkttheorie als auch aus Sicht der Behavioral Finance Theorie vorgestellt. Abschließend werden die wich- tigsten Ergebnisse zusammengefasst.
2. Grundlagen
Im Nachfolgenden sollen die Grundlagen der klassischen Kapitalmarkttheorie erläu- tert werden. Neben den grundlegenden Annahmen wird auf die Effizienzmarkhypo- these und die Portfoliotheorie eingegangen. Ausführlicher soll das CAPM erläutert werden, da dieses Modell bei den empirischen Untersuchungen der Finanzmarkt- anomalien den Ausgangspunkt darstellt. Auch die Grundlagen der Behavioral Fi- nance Theorie werden im Nachfolgenden angesprochen. Hierbei liegt der Fokus auf der von Kahnemann und Tversky (1979) entwickelten Prospect Theorie als Alternati- ve zur Erwartungsnutzentheorie.
2.1 Klassische Kapitalmarkttheorie
Die Kontroverse zwischen Wissenschaftlern und Praktikern ist bei kaum einer Frage so groß, wie bei der Ansicht über die Effizienz der Kapitalmärkte. Das Fundament der klassischen Kapitalmarkttheorie ist die Random Walk Hypothese. Mit Hilfe der Random Walk Hypothese erklärte erstmals Louis Bachelier im Jahr 1900 die Aktien- preisentwicklung. Sie besagt, dass der Aktienkurs zum Zeitpunkt t keinerlei Informa- tionen für den Wert einer Aktie zum Zeitpunkt t+1 bereitstellt und eine Prognose der Aktienkursentwicklung somit nicht möglich ist. Laut der Random Walk Hypothese ist der Kursverlauf somit rein zufällig.2 Samuelson (1965) bewies diese These und kam zu dem Schluss, dass Aktienkurse nicht vorhersehbar sein können, da sie sämtliche Informationen und Erwartungen bereits beinhalten.3 Diese Annahme, dass Aktien- kursentwicklungen einem sogenannten Random Walk folgen, ist Grundlage für die fünf Jahre später, von Eugen Fama, veröffentlichte Effizienzmarkttheorie. Nach Fa- ma (1970) ist ein Markt effizient, wenn die Preise zu jeder Zeit die am Markt vorhan- denen und relevanten Informationen widerspiegeln. Somit führen lediglich neue In- formationen über Fundamentaldaten zu Preisänderungen. Mit der Effizienz eines Marktes ist somit die Informationseffizienz gemeint. Abhängig von den Informationen wird die Effizienz des Marktes hierbei in drei Stufen eingeteilt. Märkte sind schwach effizient, wenn die aktuellen Aktienkurse lediglich historische Informationen wider- spiegeln. Auf mittelstark effizienten Märkten sind im Aktienpreis zusätzlich zu den historischen Informationen auch alle öffentlich verfügbaren Informationen mit eingepreist. Auf einem stark effizienten Markt spiegeln die Aktienpreise darüber hinaus auch nicht veröffentlichte Informationen, beispielsweise Insiderinformationen, wider.4 Wie in Abbildung 2.1.1 ersichtlich impliziert ein stark effizienter Markt auch einen mittelstarken und schwach effizienten Markt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1.1: Beziehung der drei Abstufungen von Informationseffizienz unterei- nander
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bruns / Steiner (2000), S. 41
In der Literatur ist üblicherweise die mittelstarke Effizienz gemeint, wenn von der Ef- fizienzmarkthypothese gesprochen wird.5 Für die Markteffizienz benennt Fama drei hinreichende Bedingungen. Erstens werden Transaktionskosten für den Aktien- handel ausgeschlossen. Zweitens müssen alle Marktteilnehmer kostenlos über alle Informationen verfügen können und drittens bestehen bezüglich der Wirkungsweise von neuen Informationen auf den Aktienkurs homogene Erwartungen aller Marktteil- nehmer.6 Nach zahlreichen empirischen Tests der Informationseffizienz sind sich die Forscher weitestgehend einig, dass die starke Form der Effizienz abgelehnt werden kann. Zu einer Kursreaktion bezüglich neuer Unternehmensinformationen kommt es vermehrt schon vor öffentlicher Bekanntgabe. Somit ist eine Überrendite aufgrund von Insiderinformationen möglich. Der schwachen Informationseffizienz wiederspre- chen empirische Test bezüglich der Random Walk Hypothese, die eine saisonale wiederkehrende Renditeentwicklung aufdeckten. In der Diskussion steht hauptsäch- lich die mittelstarke Effizienz, da der empirische Nachweis schwieriger ist. Bei diesen Tests muss ein Kapitalmarktmodell zu Grunde gelegt werden. Somit wird bei einer Untersuchung sowohl das Modell an sich als auch die mittelstarke Effizienz getestet, was eine Interpretation schwierig macht. Zu beachten ist außerdem, dass die halb- strenge Form der Informationseffizienz nur abgelehnt werden kann, wenn die Ano- malie nach erstmaliger Veröffentlichung noch weiter besteht.7
Auch in den Modellen zur Preisbildung von Aktien stellt die Theorie effizienter Märkte eine grundlegende Annahme dar. Die wichtigsten Modelle bezüglich der Preisbildung am Kapitalmarkt und Kern der klassischen Kapitalmarkttheorie sind die Portfoliotheo- rie, das Capital Asset Pricing Model (CAPM) und die Arbitrage Pricing Theory (APT).
Die Portfoliotheorie, welche 1952 von Markowitz entwickelt wurde, hat ihren Ur- sprung in der Beobachtung, dass Investoren ihr Portfolio diversifizieren.8 Maßgeblich für die Zusammensetzung eines Portfolios sind laut Markowitz die erwartete Rendite und auch das Risiko. Er fand heraus, dass es möglich ist mit Hilfe der Diversifikation die erwartete Rendite zu steigern, indem das Risiko reduziert wird. Es wird ange- nommen, dass Investoren risikoscheu sind und somit nur ein höheres Risiko in Kauf nehmen, wenn die erwartete Rendite überproportional ansteigt. Ziel ist es aus einer Vielzahl verschiedener Portfoliozusammensetzungen oder Rendite-Risiko-Profilen ein effizientes Portfolio zu finden. Ein Portfolio wird als effizient bezeichnet, wenn kein anderes Portfolio existiert, das bei gleicher erwarteter Rendite ein geringeres Risiko aufweist. Ein Portfolio ist außerdem effizient, wenn kein Portfolio existiert, das bei gleichem Risiko eine höhere Rendite zu erwarten lässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1.2: Effizienzkurve
Quelle: Bruns / Steiner (2000), S. 9
Die effizienten Portfolios sind in Abbildung 2.2.2 in Form einer Effizienzkurve darge- stellt. Rendite-Risiko-Kombinationen, welche außerhalb der Effizienzkurve liegen sind nicht effizient, d.h. sie werden durch andere Portfolios dominiert.9 Bei der Port- foliotheorie von Markowitz ist vor allem die Korrelation der Wertpapiere in einem Portfolio bedeutend und weniger die Menge der Anlagen. Ein Investor erreicht eine bessere Diversifikation, wenn er in Wertpapiere aus verschieden Industriezweigen investiert, anstatt in verschiedene Wertpapiere aus dem gleichen Industriezweig.10
Eines der wichtigsten Grundlagen dieser Thesis und auch eines der bedeutendsten Modelle der Preisbildung am Kapitalmarkt ist das CAPM. Dieses Modell wurde in den 1960er-Jahren von Sharpe, Lintner und Mossin entwickelt und baut auf der 1952 entwickelten Portfoliotheorie von Markowitz auf.11 Mit Hilfe der Diversifikation kann nach der Portfoliotheorie ein Teil des Risikos eliminiert werden. Das CAPM beschäf- tigt sich nun mit dem Risiko, welches nach der Diversifikation noch übrig bleibt. Zu- sätzlich zu den getroffenen Annahmen in der Portfoliotheorie wird beim CAPM ange- nommen, dass alle Marktteilnehmer homogene Erwartungen bezüglich des Risikos und der Rendite aller Wertpapiere haben. Zudem hat jeder Marktteilnehmer unbe- legen. Die Hauptaussage des CAPM ist, dass ein zusätzliches Risiko im Marktgleichgewicht durch eine höhere zu erwartende Rendite vergütet werden muss. Durch den Vergleich einer risikolosen Anlageform und einer risikobehafteten Anlageform am Kapitalmarkt lässt sich somit die Frage nach der nötigen zusätzlichen Rendite beantworten. Die Kapitalmarktlinie gibt hierbei Aufschluss. Durch Integration der risikolosen Anlagemöglichkeit entsteht die Kapitalmarktlinie, die in Bezug auf die Effizienz alle weiteren Kombinationen verdrängt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1.3: Kapitalmarktlinie
Quelle: Bruns / Steiner (2000), S. 22
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass sich die erwartet Rendite mit steigen- dem Risiko ( ) erhöht. Das Marktportfolio ergibt sich nun aus dem Schnittpunkt der Effizienzkurve und der Kapitalmarktlinie.12 Die Portfoliozusammensetzung der Markt- teilnehmer unterscheidet sich lediglich hinsichtlich der Gewichtung zwischen risikolo- ser Anlage und dem Marktportfolio. Der Schnittpunkt der Kapitalmarktlinie und der Indifferenzkurven der Marktteilnehmer ergibt anschließend das optimale Portfolio für jeden Anleger.13 Aus der Steigung der Kapitalmarktlinie ergibt sich die Markt- kos eines einzelnen Wertpapiers, wenn der Kapitalmarkt im Gleichgewicht ist. Die Wertpapierlinie beschreibt die Gleichgewichtsbeziehung zwischen dem Risiko und der erwarteten Rendite einzelner Wertpapiere. Formal kann die Wertpapierlinie folgendermaßen dargestellt werden:
Diese Formel ist auch als Standardgleichung des CAPM anzusehen. Hierbei ist die erwartete Rendite des Wertpapiers i, die erwartete Ren- dite des Marktportfolios und die Rendite aus der risikolosen Anlage. Der Beta- Faktor ( beschreibt das Verhältnis der Kovarianz des Wertpapiers und des Markt- portfolios und der Varianz des Marktportfolios. Die Kovarianz des einzelnen Wertpa- piers und dem Marktportfolio beschreibt den Anteil des Risikos des Wertpapiers am gesamten Risiko des Marktportfolios. Das Produkt aus Marktrisikoprämie und Beta- Faktor ergibt die Risikoprämie für ein Wertpapier. In Abbildung 2.2.4 wird die Wert- papierlinie grafisch dargestellt. Hieraus wird ersichtlich, dass im Gleichgewicht alle Wertpapiere auf der Wertpapierlinie liegen. Der Beta-Faktor des effizienten Markt- portfolios beträgt eins.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1.4: Wertpapierlinie Quelle: Bruns / Steiner (2000), S. 27
Das systematische Risiko eines einzelnen Wertpapiers wird somit nur durch den Be- ta-Faktor ausgedrückt. Im CAPM existiert keine Risikoprämie für das unsystematische Risiko da dieses durch die Diversifikation bereits verschwindet.14 Eine Erweiterung des CAPM stellt die Arbitrage Pricing Theorie dar. In Hinblick auf den Umfang der Thesis wird auf eine Erläuterung dieses Modells verzichtet. Zudem wird eine Abweichung vom CAPM in den folgenden empirischen Arbeiten als Nachweis von Finanzmarktanomalien angesehen.
Grundlage der klassischen Theorie und auch Voraussetzung des CAPM ist außer- dem die Annahme, dass alle Marktteilnehmer rational handeln. Ein rational denken- der Mensch verarbeitet neue Informationen immer gemäß dem Gesetz von Bayes. Handlungen rationaler Menschen sind zudem im Einklang mit der Erwartungsnutzen- theorie.15
Trotz der großen Akzeptanz der klassischen Kapitalmarkttheorie existieren vor allem seit den letzten Jahrzehnten immer mehr Zweifel bezüglich der universellen Gültig- keit dieser Theorie. Die Aufdeckung von Finanzmarktanomalien führte zur Kritik an der bestehenden Ansicht bezüglich Kapitalmärkten. Doch vor allem wird die Annah- me des vollkommen rational handelnden Menschen kritisiert. Die Komplexität der Entscheidungssituationen führt laut den Vertretern der Behavioral Finance Theorie zu Anomalien im menschlichen Verhalten. Auf diese Anomalien wird im Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen.
2.2 Behavioral Finance Theorie
Ereignisse, wie beispielsweise die Dot-Com-Blase in den 1990er-Jahren, führten zum Umdenken in der akademischen Forschung. Anstelle der traditionellen Kapital- markttheorie wurde nun auch die menschliche Psychologie in Zusammenhang mit den Vorkommnissen auf den Finanzmärkten betrachtet. Das Forschungsfeld der Be- havioral Finance entwickelte sich.16 Auf der Grundlage der Behavioral Finance Theo- rie wird angenommen, dass sich Investoren von Gefühlen leiten lassen und nicht ausschließlich rational handeln. Zentrale Annahme der Behavioral Finance Theorie ist somit, dass Individuen nicht ausschließlich rational handeln. Dies steht im Wider- spruch zur Erwartungsnutzentheorie, welches das wohl bekannteste Modell in der Entscheidungstheorie ist. Unter dem Axiom der Rationalität beschreibt die Erwar- tungsnutzentheorie als normative Entscheidungstheorie wie Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden. Zentrale Annahmen dieser Theorie sind die Risiko- aversion der Marktakteure und der konkave Verlauf der Nutzenfunktion.17 Kahneman und Tversky (1979) beschäftigten sich mit den empirischen Abweichungen der Er- wartungsnutzentheorie und entwickelten die Prospect Theory als Erweiterung der Erwartungsnutzentheorie, indem Verhaltensanomalien integriert wurden. Mit der Prospect Theory wird somit unter Einbeziehung psychologischer Aspekte, eine rea- listischere Beschreibung der Entscheidungsfindung unter Unsicherheit möglich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2.1: Eine hypothetische Wertfunktion
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kahneman / Tversky (1979), S. 279
Ein Unterschied zwischen der Erwartungsnutzten Theorie und der Prospect Theory ist die Wertfunktion. Im Vergleich zur Nutzenfunktion wird bei der Wertfunktion die relative Bewertung einer Entscheidung dargestellt. Gewinne und Verluste werden gemessen an einem Referenzpunkt relativ bewertet. Wie in Abbildung 2.2.1 ersicht- lich entwickelten sie eine Wertfunktion, die bezugnehmend auf Gewinne konkav und bezugnehmend auf Verluste konvex und steiler verläuft. Somit werden Verluste stär- ker als Gewinne gewichtet, was im Widerspruch zur Annahme eines vollkommen rational handelnden Menschen steht. Gewinnerzielung scheint somit weniger wichtig als die Vermeidung von Verlusten. Subjektiv wird eine Änderung in der Nähe des Referenzpunktes als stärker erachtet. Subjektiv empfinden die Menschen den Unter- schied zwischen einem Gewinn von 100 Euro und einem Gewinn von 200 Euro grö- ßer als den Unterschied zwischen einem Gewinn von 1100 und einem Gewinn von 1200.
Die Gewichtungsfunktion als weiteres Element der Prospect Theory wird in Abb.
2.2.2 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2.2: Eine hypothetische Gewichtungsfunktion
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kahneman / Tversky (1979), S. 283
In dieser Abbildung wird die subjektive Wahrscheinlichkeit anhand der durchgängigen Linie dargestellt und die objektive Wahrscheinlichkeit anhand der gestrichelten Linie. Es wird angenommen, dass Menschen ein sehr unsicheres Ereignis als komplett unwahrscheinlich und ein sehr wahrscheinliches Ereignis als komplett sicher bewerten. Somit spielt die subjektive Einschätzung der Menschen eine wichtige Rolle und führt zur Über- oder Unterschätzung von Wahrscheinlichkeiten.18
Eine Erweiterung der Prospect Theory stellt die Behavioral Portfolio Theory dar. Die Behavioral Portfolio Theory beschreibt die Zusammensetzung von Portfolios auf Grundlage von psychologischen Faktoren. Es wird davon ausgegangen, dass Inves- toren verschiedene mentale Konten für verschiedene Wertpapiere besitzen. Hierbei werden die Kovarianzen ignoriert. Das Portfolio wird betrachtet als eine Pyramide mit unterschiedlichen Schichten, wobei die Schichten unterschiedliche Risikoprofile und Zielvorgaben besitzen. So besitzen Investoren eine untere Schicht in der sich Wert- papiere befinden, die Armut verhindern sollen und eine obere Schicht mit der Mög- lichkeit große Gewinne zu erzielen. Die Nichtbeachtung der Kovarianzen impliziert, dass es möglich ist ein Wertpapier gleichzeitig in verschiedenen Schichten sowohl zu kaufen als auch leer zu verkaufen.19
Im Zusammenhang mit irrationalem Verhalten wird auch von Investor Sentiment ge- sprochen. Investor Sentiment kann aufgefasst werden, als Ansicht bezüglich zu- künftiger Cash Flows und Investitionsrisiken, bei einer fehlenden substanziellen Grundlage.20
Eine der ersten Arbeiten und auch Grundlage für weitere Behavioral Finance Modelle war das Modell von De Long et al. (1990b). Hierbei wird zwischen rationalen Arbitra- geuren und irrationale Investoren (Noise Trader) unterschieden. Das Verhalten der Noise Trader wird bestimmt durch psychologische Eigenschaften.21 Bei existierender Abweichung der Preise vom Marktgleichgewicht bewirkt der Handel durch rationale Arbitrageure die Angleichung der Marktpreise an ihre fundamentalen Werte. Für risi- koscheue Arbitrageure ist ein kurzer Zeithorizont charakteristisch, weshalb neben dem „fundamental risk“ das „noise trader risk“ als zusätzliche Art von Risiko entsteht. Eine pessimistische Erwartungshaltung von Noise Tradern führt zur Senkung von Preisen woraufhin es zur Kaufentscheidung der rationalen Arbitrageure kommen soll- te. Aufgrund des zusätzlichen Risikos besteht nun aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Erwartungshaltung der Noise Trader in naher Zukunft noch pessimistischer wird und die Preise weiter sinken. Unter Beachtung des kurzen Zeithorizonts steigt das Verlustrisiko für die Arbitrageure, weshalb diese weniger aggressiv am Markt auftre- ten. Wegen der fehlenden Gegentransaktion kommt es zur Destabilisierung des Marktes und zur signifikanten Abweichung der Marktpreise von den fundamentalen Werten.22 Widersprüchlich zur klassischen Kapitalmarkttheorie kamen auch Shleifer und Vishny (1997) zu dem Schluss, dass Arbitragetransaktionen vor allem in Extremsituationen risikoreich sind, die Arbitrageure nicht aggressiv genug agieren und es somit zur Beschränkung der vollständigen Arbitragemöglichkeit kommt.23
Nach der Effizienzmarkttheorie kommt es nach Bekanntwerden neuer kursrelevanter Informationen sofort zur Preisanpassung. Der Preis spiegelt dann den fundamental gerechtfertigten Wert wieder. Inkonsistent mit dieser Annahme konnte empirisch so- wohl eine Überreaktion als auch eine Unterreaktion auf neue Nachrichten am Fi- nanzmarkt beobachtet werden. Aufbauend auf der Grundannahme der Irrationalität der Marktakteure und der Beobachtung von Über- und Unterreaktion versuchen die Vertreter der Behavioral Finance die empirische Beobachtung von Finanzmarktano- malien zu erklären.24 Auf diese Erklärungsansätze wird im Verlauf der Arbeit näher eingegangen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Annahme der Irrationalität Grundbaustein der Behavioral Finance Theorie ist. Das irrationale Verhalten der Marktakteure wird durch sogenannte Verhaltensanomalien verursacht und begrün- det, weshalb im nachfolgenden Kapitel einige dieser Anomalien erläutert werden.
3. Verhaltensanomalien
Mit Hilfe von psychologischen Experimenten untersuchten Kahneman und Tversky die Entscheidungsfindung unter Unsicherheit und deckten Verhaltensanomalien auf. Dieses dem Bild des rationalen Entscheiders widersprechende Verhalten wird von den Vertretern der Behavioral Finance Theorie oft als Erklärungsansatz für die Fi- nanzmarktanomalien herangezogen. Unter Beachtung von kognitiven, emotionalen und gesellschaftlichen Aspekten soll im Nachfolgenden auf einige dieser Verhal- tensanomalien eingegangen werden. Aufgrund der Komplexität der Verhaltensano- malien ist eine Zuordnung zu einer bestimmten Kategorie nicht immer eindeutig.
3.1 Kognitive Aspekte
Mit Hilfe von Heurisiken werden komplexe Entscheidungssituationen vereinfacht, was zu systematischen Verzerrungen in der Entscheidungsfindung führen kann. Reale Entscheidungssituationen sind für die Menschen aufgrund ihrer Komplexität nicht vollständig zu erfassen. Für die Komplexitätsreduzierung benutzen Menschen heuristische Prinzipien. Mit Hilfe von Heuristiken versucht der Mensch demnach Informationsinhalte oder die Wahrscheinlichkeit eines auftretenden Events so weit es geht zu vereinfachen. Prinzipiell ist dieses Vorgehen sehr nützlich, kann jedoch auch zu systematischen Verzerrungen führen.25
Beispielsweise orientieren sich Menschen in wichtigen Entscheidungssituationen oft an einem Orientierungspunkt, einem sogenannten Anker. Bei der Verankerungsheu- ristik wird angenommen, dass sich dieser Bezugspunkt mit Hilfe weiterer Informatio- nen dem als tatsächlich angenommenen Wert annähert. Da die angenommene An- näherung allerdings unzureichend ist, führt dieses Vorgehen zu Verzerrungen. Kahneman und Tversky (1974) wiesen diesen zu schwachen Anpassungsprozess in einem Experiment nach und zeigten, dass sogar ein beliebiger Zufallswert als Anker fungieren kann und sich die Personen trotzdem daran orientierten.26 Ein wichtiger Anker kann der Kaufpreis einer Aktie sein. Ein weiterer Anker kann aber auch eine Expertenmeinung bezüglich der Aktienkursentwicklung sein. Ein Anker basierend auf der Meinung von Experten, die auf steigende Aktien setzen, wird tendenziell zu hoch sein.27
Menschen tendieren außerdem dazu neue Informationen nur langsam anzupassen. Somit ist die Reihenfolge der erhaltenen Informationen von Bedeutung. Der sogenannte Priming-Effekt beschreibt die Tatsache, dass zuerst erhaltene Informationen den Entscheidungs- und Wahrnehmungsprozess stärker beeinflussen. So spielt beispielsweise die Reihenfolge der Nachrichten in den Medien über Unternehmen eine entscheidende Rolle für die darauf folgende Reaktion der Investoren am Markt.28 Die Unterreaktion auf neue Nachrichten ist hiermit vereinbar.29
Mit Hilfe der Repräsentativitätsheuristik werden Objekte kategorisiert. So wird die Einschätzung ob ein Objekt repräsentativ für eine bestimmte Objektklasse ist, mit Hilfe der Repräsentativitätsheuristik getroffen. Die Wahrscheinlichkeit für ein unsiche- res Event wird von einer Person, abhängig vom Grad der Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten zwischen Objekt und Objektklasse eingeschätzt.30 Es ist somit möglich, dass Investoren dazu tendieren Aktien mit historisch starkem Wachstum als Wachs- tumsaktien zu klassifizieren. Sie gehen somit davon aus, dass das Wachstum anhält ohne die Wahrscheinlichkeit dafür mit einzubeziehen.31 Um beispielsweise die Wahr- scheinlichkeit ob eine Person einen bestimmten Beruf ausübt zu schätzen, wird die Übereinstimmung der Person mit dem Stereotyp dieses Berufsbildes betrachtet. In Verbindung mit der Repräsentativität entsteht auch die Gamblers Fallacy . Anhand der Wahrscheinlichkeitstheorie ist klar, dass die Wahrscheinlichkeit von rot oder schwarz beim Roulette gleich hoch ist. Menschen tendieren allerdings dazu, die Wahrscheinlichkeiten unterschiedlich wahr zu nehmen. So wird beispielsweise ange- nommen, dass nach mehrmaligem Ausspielen einer roten Zahl die Wahrscheinlich- keit für eine schwarze Zahl in der nächsten Ausspielung steigt. Die wiederholte Aus- spielung der gleichen Farbe empfinden Menschen somit nicht als repräsentativ für einen zufälligen Prozess. Übertragen auf den Finanzmarkt wurde deutlich, dass In- vestoren nach einer langanhaltenden negativen Performance der Aktien in der Ver- gangenheit annehmen, dass die Kurse wieder steigen werden.32
Bei der Informationsbewertung spielt auch die Verfügbarkeit von Informationen eine wichtige Rolle. Stehen viele Informationen über ein bestimmtes Event zur Verfügung kommt es zur Überschätzung der Wahrscheinlichkeit für den Eintritt dieses Events und dies führt zu Verzerrungen in der Informationsbewertung.33 Denn laut der Ver- fügbarkeitsheuristik werden häufig wiederholte Informationen, die aktueller, auffälli- ger und einfacher zugänglich sind überbewertet. Umgekehrt werden somit weniger verfügbare Informationen unterbewertet. Ein Investor, welcher bereits einen Börsen- crash miterlebt hat wird somit die Wahrscheinlichkeit, eines solchen Crashs höher einschätzen als ein Investor, der keinerlei Erfahrungen diesbezüglich hat.34
Zur Vereinfachung der Entscheidungsfindung wird auch das Mental Accounting ge- nutzt. Als Mental Accounting wird das Bilden von verschiedenen fiktiven und geisti- gen Konten angesehen. Der Mensch bucht die vorhandenen unterschiedlichen und subjektiv wahrgenommenen Gegebenheiten auf diese Konten ein und konzentriert sich immer nur auf ein Konto. Hierbei wird die mögliche gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Konten außer Acht gelassen.35 So hängt die Entscheidung ob beispielsweise eine Transaktion durchgeführt wird davon ab, ob ein potenziell nega- tives Ergebnis als Kosten oder als nichtkompensierter Verlust eingeordnet wird.36 Menschen tendieren somit dazu Probleme oft zu separat voneinander zu betrachten. Das heißt Menschen treffen Investitionsentscheidungen ohne dabei das Gesamtport- folio zu betrachten.37
3.2 Emotionale Aspekte
Auch Emotionen können zu irrationalem Verhalten führen. Eine beobachtete Verhal- tensanomalie auf Basis der menschlichen Emotionen ist die Selbstüberschätzung oder Overconfidence. Hierbei werden das eigene Können oder die eigenen Kompe- tenzen überschätzt. Zur Selbstüberschätzung neigen Menschen, die zu optimistisch bezüglich ihren eigenen Fähigkeiten sind. Zu bemerken ist, dass Experten in Situati- onen mit schwieriger Vorhersehbarkeit der Ereignisse, eher zur Selbstüberschätzung neigen.38 Außerdem wurde deutlich, dass Männer vermehrt zur Überschätzung des eigenen Könnens neigen.39 Auch zu viele verfügbare Informationen können zur Selbstüberschätzung führen. Mehr Informationen sind aber nicht gleichbedeutend mit mehr Wissen, denn Investoren fehlt oft die Erfahrung diese Informationen auch rich- tig zu interpretieren. Die Kontrollillusion kann ebenfalls zur Selbstüberschätzung füh- ren. Hierbei tendieren die Menschen dazu zu glauben, eine gewisse Kontrolle über tatsächlich unkontrollierbare Ereignisse zu haben.40 Ein rationaler Lernprozess würde diese Art der Fehleinschätzung über die Zeit korrigieren. Grund für den unzureichen- den Lernprozess könnte die Tatsache sein, dass Menschen gute Resultate aus ihren eigenen Entscheidungen ihrem eigenen Können zuschreiben. Schlechte Resultate hingegen nehmen die Menschen als abhängig von äußeren Faktoren wahr.41
Selbsttäuschung wie bei der Tendenz seine eigenen Fähigkeiten zu überschätzen führt außerdem zur kognitiven Dissonanz.42 Wenn Menschen realisieren, dass ihre Annahmen und daraus resultierenden Handlungen falsch waren, kommt es zu einem inneren Konflikt. Dieser innere Konflikt wird als kognitive Dissonanz bezeichnet. Aus diesem Grund tendieren Menschen dazu, ihre Handlungen so auszurichten, dass dieser Gefühlszustand vermieden wird. Dieses Vorgehen kann nicht als vollkommen rational bezeichnet werden. Auch die Tatsache, dass Fonds mit einer schlechten vergangenen Performance zu lange gehalten werden, kann auf kognitive Dissonanz zurückgeführt werden. Investoren tendieren dazu eine vergangene schlechte Ent- scheidung nicht zu akzeptieren. Da der Verkauf eines schlechten Investments als Beweis einer Fehlentscheidung angesehen wird, kommt es nicht zum Verkauf des Fonds.43 Der Zusammenhang von kognitiver Dissonanz und dem Verkaufsverhalten der Investoren bei schlecht performenden Fonds bestätigten Goetzmann und Peles (1993).44 Weiterhin wurde in einer Studie von Feather (1962) kognitive Dissonanz anhand des Zusammenhangs von Rauchen und Lungenkrebs untersucht. Es konnte bestätigt werden, dass Raucher im Gegensatz zu Nichtrauchern hauptsächlich Informationen berücksichtigen die keinen konkreten Zusammenhang zwischen Lungenkrebs und Rauchen bestätigen können.45
Auch weitere psychologische Eigenschaften führen zur Vernachlässigung von Infor- mationen. Bei der selektiven Wahrnehmung werden Teile von Informationen sowohl bewusst als auch unbewusst ignoriert. Es werden hauptsächlich Informationen wahr- genommen, welche zu den eigenen Erwartungen und Vorstellungen passen. Bei die- ser Filtertechnik werden den eigenen Vorstellungen widersprechenden Informationen vernachlässigt. So führt die selektive Wahrnehmung dazu, dass bei der nachträgli- chen Beurteilung einer eigenen, bereits getroffenen Entscheidung bestimmte Infor- mationen nicht wahrgenommen werden. Informationen, welche zu einer positiven Bewertung der eigenen Entscheidung führen werden stattdessen unbewusst ge- sucht.46
3.3 Gesellschaftliche Aspekte
Die Änderung der eigenen Meinung aufgrund der Beobachtung anderer Menschen wird als Herdenverhalten bezeichnet.47 Herdenverhalten bezeichnet somit die Ten- denz der Menschen sich bei ihren Entscheidungen an dem Verhalten anderer Markt- teilnehmer zu orientieren. Dieses Verhalten trifft auch dann zu, wenn die privaten Informationen von denen der Allgemeinheit abweichen. Es wird angenommen, dass die Handlungen der Allgemeinheit sich an Informationen orientieren, die dem einzel- nen Menschen nicht zugänglich sind. Somit scheint die Imitation des Verhaltens rati- onal zu sein.48 Als Grund für dieses Herdenverhalten wird die intrinsische Tendenz der Menschen zur Konformität angesehen.49 Als Konformität wird die menschliche Tendenz bezeichnet, sich den Meinungen anderer Menschen oder der Allgemeinheit anzupassen.50 Für den Fall, dass die Investmententscheidung der Herde nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt, ist eine Bewegung der Herde in die entgegenge- setzte Richtung wahrscheinlich. Dieses Verhalten kann zur Erhöhung der Volatilität des Marktes führen.51 Diese Massenbewegungen haben somit Einfluss auf das Ge- schehen am Aktienmarkt und leisten einen Beitrag zur Erklärung der Entstehung von Blasen am Aktienmarkt.52
Neben dieser Aufzählung von systematisch irrationalen Verhaltensanomalien existie- ren noch weitere Anomalien des menschlichen Verhaltens. Zudem sollten die Effekte nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die hier getroffene Auswahl soll ledig- lich einen Überblick über diese Anomalien geben und im Nachfolgenden als Grund- lage für einige Modelle der Behavioral Finance Theorie zur Erklärung von Finanz- marktanomalien dienen.
4. Kalenderanomalien
Die sogenannten Kalenderanomalien und die Random Walk Hypothese sind nicht vereinbar, denn die Aktienkursverläufe scheinen nicht zufällig zu sein. Im Nachfol- genden wird auf den Januar Effekt, den Monatswechseleffekt und den Wochenendef- fekt eingegangen, da diese Anomalien große Bedeutung in der akademischen For- schung haben und am meisten empirisch untersucht wurden. Zu Beginn jedes Kapi- tels soll vorerst ein vergleichender Überblick der betrachteten Forschungsarbeiten gegeben werden. Abschließen soll jedes Kapitel mit verschiedenen Ansätzen zur Erklärung der Kalenderanomalien. Typische Methodik zum Nachweis von Saisonali- tät in der Aktienpreisentwicklung sind parametrische und nichtparametrische Tests. Hierbei wird beispielsweise beim Januareffekt untersucht ob der Mittelwert der Janu- arrenditen über dem Mittelwert der restlichen Kalendermonate liegt. Unter der An- nahme einer Normalverteilung der Renditen wird ein parametrischer Test genutzt. Ein nichtparametrischer Test, wie der Kruskal-Wallis-Test, wird genutzt, wenn keine Normalverteilung angenommen wird.53
4.1 Januar Effekt
Auf Grundlage der Effizienzmarkthypothese wird angenommen, dass Aktienkurse einem multiplikativen Random Walk folgen. Die Untersuchung einer Saisonalität in der Aktienpreisentwicklung stellt somit einen indirekten Test dieser Hypothese dar. Der Januar Effekt oder auch Turn-of-the-Year Effekt besagt, dass die Renditen im Monat Januar verglichen mit dem Rest des Jahres überdurchschnittlich hoch sind.
[...]
1 Vgl. Thaler (1987a), S. 198
2 Vgl. Godfrey et al. (1964), S. 2-7
3 Vgl. Samuelson (1965), S. 44
4 Vgl. Fama (1970), S. 383
5 Vgl. Jensen (1978), S. 97
6 Vgl. Fama (1970), S. 387
7 Vgl. Bruns / Steiner (2000), S. 43-46
8 Vgl. Markowitz (1952), S. 77
9 Vgl. Bruns / Steiner (2000), S. 6-9
10 Vgl. Markowitz (1952), S. 89
11 Vgl. Sharpe (1964), S. 427 grenzt die Möglichkeit zu einem risikolosen Zinssatz Kapital aufzunehmen und anzu-
12 Vgl. Bruns / Steiner (2000), S. 21-23
13 Vgl. Sharpe (1964), S. 434-435 risikoprämie. Das CAPM hilft außerdem bei der Ermittlung des Preises und des Risi-
14 Vgl. Bruns / Steiner (2000), S. 23-27
15 Vgl. Barberis / Thaler (2003), S. 1
16 Vgl. Shiller (2003), S. 90
17 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 263-264
18 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 274-284
19 Vgl. Shefrin / Stateman (2000), S. 141-146
20 Vgl. Baker / Wurgler (2007), S. 129
21 Vgl. De Long et al. (1990b), S. 703
22 Vgl. De Long et al. (1990b), S. 705
23 Vgl. Shleifer / Vishny (1997), S. 54
24 Vgl. Barberis et al. (1998), S. 307-310
25 Vgl. Kahneman / Tversky (1974), S. 1124
26 Vgl. Kahneman / Tversky (1974), S. 1128
27 Vgl. Goldberg / von Nitzsch (1999), S. 70
28 Vgl. Goldberg / von Nitzsch (1999), S. 63-66
29 Vgl. Barberis et al. (1998), S. 309
30 Vgl. Kahneman / Tversky (1972), S. 431
31 Vgl. Barberis et al. (1998), S. 308-309
32 Vgl. Goldberg / von Nitzsch (1999), S. 74-75
33 Vgl. Kahneman / Tversky (1974), S. 1127-1128
34 Vgl. Goldberg / von Nitzsch (1999), S. 57
35 Vgl. Goldberg / von Nitzsch (1999), S. 54
36 Vgl. Kahneman / Tversky (1984), S. 341
37 Vgl. Hirshleifer (2001), S. 1543
38 Vgl. Griffin / Tversky (1992), S. 430
39 Vgl. Barber / Odean (2001), S. 289
40 Vgl. Baker / Nofsinger (2002), S. 103
41 Vgl. Hirshleifer (2001), S. 1548-1549
42 Vgl. Hirshleifer (2001), S. 1549
43 Vgl. Shiller (1999), S. 1314
44 Vgl. Goetzmann / Peles (1997), S. 156-157
45 Vgl. Feather (1962), S. 63
46 Vgl. Goldberg / von Nitzsch (1999), S. 59-62
47 Vgl. Bikhchandani / Sharma (2001), S. 281
48 Vgl. Banerjee (1992), S. 797-798
49 Vgl. Bikhchandani / Sharma (2001), S. 280
50 Vgl. Hirshleifer (2001), S. 1552
51 Vgl. Bikhchandani / Sharma (2001), S. 281
52 Vgl. Brudermann et al. (2013), S. 408
53 Vgl. Rozeff / Kinney (1976), S. 381
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- Anonymous,, 2015, Finanzmarktanomalien. Empirie und Erklärungsansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414150
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