Der Versroman "Lanzelet", der wahrscheinlich im frühen 13. Jahrhundert nach einer nicht erhaltenen französischen Quelle von Ulrich von Zatzikhoven verfaßt wurde, erzählt die Geschichte eines ungebrochenen, positiven Helden. Die Erzählung ist die frühste deutsche Bearbeitung des Lancelot-Stoffes von Chrètien. Es ist anzunehmen, daß Zatzikhoven die Thematik Chrètiens bekannt war, aber es ist unwahrscheinlich, daß er sich darauf bezogen hat. Der Schriftsteller selbst nennt als Quelle für seine Arbeit ein "welsche buoch"
GLIEDERUNG
I. EINLEITUNG
II. FORTUNA - Fügung des Glücks
III. TEIL I: Selbstfindung
1) Jugendgeschichte (Enface)
2) Artuswürdigkeit (Integration)
IV. TEIL II: Behauptung
1) Herrschaftstüchtigkeit
2) Liebesbewährung
V. FAZIT
VI. LITERATURVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
Der Versroman „Lanzelet“, der wahrscheinlich im frühen 13. Jahrhundert nach einer nicht erhaltenen französischen Quelle von Ulrich von Zatzikhoven verfaßt wurde, erzählt die Geschichte eines ungebrochenen, positiven Helden. Die Erzählung ist die frühste deutsche Bearbeitung des Lancelot-Stoffes von Chrètien. Es ist anzunehmen, daß Zatzikhoven die Thematik Chrètiens bekannt war, aber es ist unwahrscheinlich, daß er sich darauf bezogen hat. Der Schriftsteller selbst nennt als Quelle für seine Arbeit ein „welsche buoch“[1].
Ulrich von Zatzikhoven entwarf ein eigenes thematisches Konzept in Lanzelets Namens- und Identitätssuche, seiner Liebesbewährung und Herrschertüchtigkeit.[2] Der Lanzelet hat mit Chrètiens „Karrenritter“ keine Handlungsteile, sondern lediglich ein Motiv gemeinsam: die Entführung der Königin. Anders als dort ist der Held jedoch nicht ihr Ritter und Liebhaber, sondern nur der Protagonist einer Befreiungsaktion mit einer Gruppe von Artusrittern.
Lanzelet ist ein vollkommener Ritter. Er ist körperlich attraktiv, erfolgreich und das Glück ist stets auf seiner Seite. Gefahren und Widerstände dienen nur dazu den Helden als Sieger zu profilieren. Deshalb eignet er sich auch nicht wie Chrètiens Lancelot zur Verkörperung einer glücklosen Liebe. Diese Art von Zwiespalt ist ihm fremd. Lanzelet verkörpert ein Ideal, er ist der Held, der kein trûren kennt und er kennt auch keine Problematik. Er ist von Anfang an der vollkommene und ewig glückhafte Ritter. Alle Ereignisse, Taten wie Minne, gehen über ihn hinweg, ohne ihn zu wandeln, zu steigern oder zu läutern. Stoffbefangen sieht Ulrich von Zatzikhoven das Wesentliche seiner Aufgabe im Außerordentlichen und Unheimlichen.[3]
Lanzelet wird zum Ritter entsprechend seiner Bestimmung. Hindernisse gibt es auf seinem Weg nicht zu bewältigen. Der Held zeigt eine krisenlose Aufstiegs- und Bewährungslinie.
Die Demonstration von manheit - purer Tapferkeit - ist die Essenz der âventiure in Lanzelets Karriere. Aber neben seiner manheit steht noch ein anderer Einfluß als Grund für seinen Erfolg: Fortuna. Die glückhaften Fügungen, die den Held auf seinem Weg begleiten, sein gelücke, heil, und saelde.[4]
II. FORTUNA – Fügung des Glücks
Die Schicksalsbegriffe gelücke, heil und saelde als waltende Macht neben Gott sind gleichbedeutend mit dem lateinischen Gegenbegriff fatum, fortuna[5].
Der Mensch ist dem Schicksal ausgeliefert, die Frage ist, was er daraus macht. Dem Schicksal nicht ausweichen, sondern sich sittlicher Forderung entsprechend verhalten, das macht den „Helden“ aus.
Lanzelets Schicksal ist vorbestimmt. Der Begriff saelde zählt als eine Garantie zu seinem Erfolg, was auch immer passiert. Bereits im Prolog heißt er „der selbe saelige man“[6], weil er in dieser Geschichte mit manheit erreicht, daß ihm Name und Herkunft mitgeteilt werden.[7] Lanzelets s aelde ist abhängig von der tugent, beides begleitet unseren Helden den ganzen Roman hindurch bis an sein glückliches Ende.[8]
Im Mittelalter betrachtete man Fortuna als die Göttin des Schicksals. Fortuna erscheint zum einen als Gottheit mit den Attributen, die ihr im Laufe ihrer jahrhundertelangen Entwicklungsgeschichte zuteil geworden sind. Als solche ist sie nicht nur eine Personifikation des ewigen Wandels, sondern auch die Verleiherin von weltlichen Gütern. Zum anderen bedeutet Fortuna der Besitz von Glücksgütern, ja bezeichnet das Glück überhaupt oder den glücklichen Zustand von Menschen.
Sie ist in erster Linie als dichterisches Motiv zu sehen, da sie in Geschichtsdichtungen häufiger auftaucht als in erzählenden Quellen. Fortunas Eingriffe gleichen einem Glücksspiel, nach Art eines sich drehenden Rades („das Rad der Fortuna“). Ihr Kennzeichen war das Wechselhafte und die unsichere Bestimmung. Sie brachte zwar erstaunlich häufig ein günstiges Schicksal, doch sie barg stets die Gefahr eines Umschwungs mit sich. Der Begriff der Fortuna an sich war neutral, er konnte sowohl Glück, als auch Unglück verheißen, sie vereinte beides in einem. Fortuna war „zweigesichtig“: glücklich oder unglücklich, mit freundlichem oder unfreundlichem Blick, schön oder häßlich, arm oder reich, lächelnden oder blinden Auges.
Fortunas Walten selbst war keineswegs „blind“, sondern besaß einen Sinn, denn nichts sei dem Zufall überlassen. Das Wirken der Fortuna war Gottes Wirken. Sie symbolisiert übermenschliche Kräfte, sie kennzeichnet das Personenbezogene und persönliche Schicksal des einzelnen.
Die Gründe für das Zurückgreifen der mittelalterlichen Chronisten auf das Bild der Fortuna sind zweierlei: Es widersprach nicht dem göttlichen Wirken, entlastete die göttliche Vorsehung aber von dem Makel des Wechselhaften, und es bot sich besonders dort an, wo der historische Verlauf unerwartet, wo ein eingetretener Wandel, vom menschlichen Verständnis des Heilsplans her gesehen, unerklärlich schien.
Hinter Fortunas Wirken stand stets die Vorsehung. Fortuna wurde als Motiv der Geschichtserklärung herangezogen, entsprach jedoch hier gleichsam der menschlichen Sicht, derer Gottes Ratschlüsse letztlich verborgen waren.
Fortuna implizierte etwas schicksalhaftes, und es betonte nicht minder warnend, die Ungewißheit des Schicksals. Für die mittelalterlichen Menschen war Fortuna gleichsam die menschliche Perzeption göttlichen Wirkens.[9]
Bei Ulrich von Zatzikhovens Lanzelet taucht Fortuna als konstituive Figur auf. Dies geschieht in einer solch eigentümlichen Metamorphose, daß man sie als eigentliche Fortuna nicht wiedererkennt. Sie heißt hier altfranzösisch avanture, mittelhochdeutsch aventiure.
Der Begriff der avanture hat eine doppelte Wurzel: das altfranzösische Wort geht einerseits auf mittellateinische aventura zu advenire, also „das
Ankommen“, „das Herbeikommen“ zurück, andererseits ist semantisch auch evenire, eventus in den Begriff eingegangen.
Das Herbeikommen von etwas versteht sich damit zugleich als ein Zufallen, als ein Ereignis, das sich unvermittelt einstellt. Damit konnte avanture/aventiure zum Inbegriff eines neuen Romantypus werden, des „Aventüren-Romans“, der im 12.Jahrhundert von Chrètien de Troyes geschaffen worden ist und der dadurch charakterisiert ist, daß der Held über einen Weg geführt wird, auf dem ihm Aventüren „zufallen“. Das setzt voraus, daß der Held mit der Absicht vom Hof auszieht, avanture zu erfahren, und das er bereit ist sich dem, was ihm zufällt, zu stellen, d.h. das Zufallen als Aufgabe zu betrachten, die er zu bewältigen hat. Da der auf avanture ausziehende Held in der Regel nicht weiß, was ihn erwartet, ist die Aventüre für ihn das absolut zufällige.[10]
[...]
[1] Verfasserlexikon, Die deutsche Literatur des Mittelalters, 1999, S.66
[2] BUMKE, Joachim: Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, 2000
[3] DE BOOR, Helmut: Geschichte der deutschen Literatur, Die höfische Literatur, 770-1170, Bd. 1, 1953, S.86 f.
[4] MCLELLAND, Nicola: Ulrich von Zatzikhoven`s Lanzelet, 2000, S.200
[5] DE BOOR, Helmut: Die deutsche Literatur, 770-1170, 1949
[6] Prolog ante rem (39)
[7] PESCHEL-RENTSCH, Dietmar: Pferdemänner, 1998
[8] referiert nach MCLELLAND, Nicola: Ulrich von Zatzikhoven`s Lanzelet, 2000
[9] referiert nach: FICHTE, Jörg O.: Providentia - Fatum - Fortuna, Das Mittelalter, Bd.1, 1996
[10] referiert nach: HAUG, Walter: Fortuna, 1995,
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