Im ersten Teil der Arbeit erfolgen ein grundlegender Überblick der für das Verständnis relevanten Begriffsdefinitionen von Korruption sowie die ökonomische Einordnung ebendieser. Anschließend werden die für den Betrachtungsgegenstand relevanten Klassifikationen und Arten von Korruption abrissartig dargelegt. Daraufhin wird zuerst der in der Literatur immer wieder aufkommende positive Charakter von Korruption auf die Volkswirtschaften ausgearbeitet, um in einem nächsten Schritt mit neueren wissenschaftlichen Arbeiten Belege vorzubringen, die den positiven Charakter kritisch hinterfragen. Danach werden die Erklärungsansätze für die unterschiedliche Verbreitung und die Intensität von Korruption profund erörtert. Abschließend erfolgt eine nähere Betrachtung mit der für die Arbeit relevanten Wachstumstheorie. An dieser Stelle ist eine Auseinandersetzung mit der neoklassischen Wachstumstheorie für die Akkumulation von Sachkapital vonnöten. Für die Untersuchung der Humankapitalakkumulation wird auf das Lucas-Uzawa-Modell zurückgegriffen.
Das zweite Kapitel stellt die erste Komponente des Hauptteils der Arbeit dar. Es
beinhaltet die Ausarbeitung der Korruptionswirkung auf die Akkumulation von Sachkapital. Hierbei werden zunächst die direkten und die indirekten Wirkungskanäle lokalisiert und unter Verwendung von entsprechenden empirischen Arbeiten untersucht. Den ersten direkten Wirkungskanal bilden die Spar- und die Investitionsquote. Folglich soll an dieser Stelle gezeigt werden in welchem Umfang Korruption das Spar- und das Investitionsverhalten einer Volkswirtschaft verändert. Anschließend wird analysiert inwieweit die Produktivität eines Landes mit dem vorhandenen Korruptionsniveau zusammenhängt. Das Hauptaugenmerk richtet sich hierbei auf die Veränderung des technischen Fortschritts. Zum Schluss des zweiten Kapitels wird die Beziehung zwischen der Fertilität innerhalb einer Gesellschaft und dem Aufkommen von Korruption näher betrachtet, wobei dies einen indirekten Wirkungskanal darstellt. Dabei soll aufgezeigt werden wie sich die Korruption über das Einkommen, die Kultur und die Bildung letzten Endes auf die Fertilität auswirkt.
Das dritte Kapitel bildet das letzte Segment des Hauptteils dieser Arbeit. Dort erfolgt eine eingehende Betrachtung der Wirkung von Korruption auf die Akkumulation von Humankapital. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Korruption
2.1 Kritik am positiven Charakter der Korruption
2.2 Formelle und informelle Institutionen und Korruption
2.3 Wachstumstheorie: Sach- und Humankapitalakkumulation
3. Wirkung von Korruption auf die Sachkapitalakkumulation
3.1 Veränderung der Spar- und der Investitionsquote
3.2 Veränderung der Produktivität
3.3 Die (indirekte) Beziehung zwischen Korruption und Fertilität
4. Wirkung von Korruption auf die Humankapitalakkumulation
4.1 Veränderung der Bildungsqualität
4.2 Veränderung der Diskontrate
4.3 Die Analogien von Sach- und Humankapitalakkumulation
5. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Korruption und Sparen
Abbildung 2 Korruption und Produktivität
Abbildung 3 Korruption und Bevölkerungswachstum (Abschreibungen)
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
In der öffentlichen Wahrnehmung ist Korruption ein globales Phänomen, welches seit jeher in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten vorzufinden ist und als etwas Anstößiges gilt. Die Korruption wird meistens definiert als Missbrauch der anvertrauten Macht zur Erlangung eines privaten Vorteils (vgl. Bundeskriminalamt 2017). Die Vereinten Nationen (UN) sehen in der Korruption nicht nur etwas Verwerfliches, sondern eine Gefahr für die Stabilität und die Sicherheit der Gesellschaft. Darüber hinaus fürchtet die UN eine korruptionsbedingte Entdemokratisierung staatlicher Einrichtungen und Werte auf der einen und die verzerrende Wirkung bei Entwicklung und Rechtsstaatlichkeit auf der anderen Seite. Aufgrund dessen trat die „United Nations Convention against Corruption“ als erste völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zur Bekämpfung von Korruption im Jahr 2005 in Kraft. Obgleich die UNCAC bis dato einen Meilenstein in der Korruptionsbekämpfung darstellt, haben von den 183 Staaten, die diesen Vertrag unterzeichneten, lediglich 140 Staaten ebendiesen ratifiziert (vgl. United Nations Office on Drugs and Crime 2017).
Ungeachtet der bestehenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern und den gesellschaftlichen Schichten in der Korruptionsintensität, ist die Korruption allseits ein ökonomisches Phänomen, welches sich außerhalb der Legalität bewegt. Die Abweichungen in der Verbreitung von Korruption können allerdings nicht nur auf die unterschiedlichen Moralvorstellungen von Gesellschaften zurückgeführt werden. Vielmehr ist für das Auftreten und das Ausmaß an Korruption innerhalb einer Gesellschaft eine Vielzahl an Faktoren verantwortlich. Diese haben wiederum eine verzerrende Wirkung auf die Entwicklung eines Landes und vor allen Dingen auf die Akkumulation von Sach- und Humankapital (vgl. Priddat 2011: 61). Infolgedessen erscheint es nicht verwunderlich, dass die Korruption über die Jahre hinweg nichts an ihrer Brisanz verloren hat. Auch in der heutigen Zeit ist sie ein allgegenwärtiger Begleiter in der öffentlichen Wahrnehmung. Der gesellschaftliche Verdruss über die Korruption und ihre Folgen entlädt sich in unzähligen öffentlichen Debatten und zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen. Zudem führt die mediale Viralität zu einem neuen Bewusstsein für das Thema mit der Folge einer globalen Kampfansage gegen die Korruption. Die Tragweite des Themas verdeutlicht eine Schätzung der Weltbank. Hiernach werden jährlich 1,5 Billionen US-Dollar Bestechungsgelder gezahlt. Dies entspricht wiederum 2 % des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (vgl. World Bank Group 2017). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der Wirkung von Korruption auf die Akkumulation von Sach- und Humankapital. Dabei soll dem Leser ein Überblick über die Wirkungskanäle von Korruption aus ökonomischer Perspektive gegeben werden. Hierfür werden einzelne Kanäle ausgewählt und die Akkumulationswirkungen auf das Human- und das Sachkapital mit Wachstumsmodellen ausgearbeitet.
Im ersten Teil der Arbeit erfolgen ein grundlegender Überblick der für das Verständnis relevanten Begriffsdefinitionen von Korruption sowie die ökonomische Einordnung ebendieser. Anschließend werden die für den Betrachtungsgegenstand relevanten Klassifikationen und Arten von Korruption abrissartig dargelegt. Daraufhin wird zuerst der in der Literatur immer wieder aufkommende positive Charakter von Korruption auf die Volkswirtschaften ausgearbeitet, um in einem nächsten Schritt mit neueren wissenschaftlichen Arbeiten Belege vorzubringen, die den positiven Charakter kritisch hinterfragen. Danach werden die Erklärungsansätze für die unterschied-liche Verbreitung und die Intensität von Korruption profund erörtert. Abschließend erfolgt eine nähere Betrachtung mit der für die Arbeit relevanten Wachstumstheorie. An dieser Stelle ist eine Auseinandersetzung mit der neoklassischen Wachstums-theorie für die Akkumulation von Sachkapital vonnöten. Für die Untersuchung der Humankapitalakkumulation wird auf das Lucas-Uzawa-Modell zurückgegriffen.
Das zweite Kapitel stellt die erste Komponente des Hauptteils der Arbeit dar. Es beinhaltet die Ausarbeitung der Korruptionswirkung auf die Akkumulation von Sachkapital. Hierbei werden zunächst die direkten und die indirekten Wirkungskanäle lokalisiert und unter Verwendung von entsprechenden empirischen Arbeiten untersucht. Den ersten direkten Wirkungskanal bilden die Spar- und die Investitionsquote. Folglich soll an dieser Stelle gezeigt werden in welchem Umfang Korruption das Spar- und das Investitionsverhalten einer Volkswirtschaft verändert. Anschließend wird analysiert inwieweit die Produktivität eines Landes mit dem vorhandenen Korruptionsniveau zusammenhängt. Das Hauptaugenmerk richtet sich hierbei auf die Veränderung des technischen Fortschritts. Zum Schluss des zweiten Kapitels wird die Beziehung zwischen der Fertilität innerhalb einer Gesellschaft und dem Aufkommen von Korruption näher betrachtet, wobei dies einen indirekten Wirkungskanal darstellt. Dabei soll aufgezeigt werden wie sich die Korruption über das Einkommen, die Kultur und die Bildung letzten Endes auf die Fertilität auswirkt.
Das dritte Kapitel bildet das letzte Segment des Hauptteils dieser Arbeit. Dort erfolgt eine eingehende Betrachtung der Wirkung von Korruption auf die Akkumulation von Humankapital. Hierfür werden zunächst mittels des Lucas-Uzawa-Modells die einzelnen Einflussfaktoren ermittelt. Daraufhin wird der Bildungsqualität eine entscheidende Rolle in der Humankapitalakkumulation unterstellt. Ferner wird gezeigt, dass Korruption auch hier eine direkte Einflussgröße darstellt. Anschließend wird untersucht, wie die Zeitpräferenzen und das erwartete Ertragsrisiko der Verbraucher durch Korruption verzerrt werden und es letztlich zu einer Veränderung der Diskontrate kommt. Letzten Endes wird ein Abriss über die Analogien der Wirkung von Korruption auf die Akkumulation von Sach- und Humankapital geboten.
Abschließend erfolgt die Zusammenfassung der Arbeit. Dabei werden die im Laufe der Arbeit gesammelten Ergebnisse kritisch gewürdigt und eine mögliche Zukunftsprognose aufgestellt. Das Ziel dieser Arbeit ist es mögliche Risiken und Perspektiven, die sich durch Korruption für die Sach-und die Humankapitalakkumulation ergeben, mit verschiedenen Ansätzen und Beispielen aufzuzeigen.
2. Korruption
Trotz der negativen Assoziation mit dem Begriff der Korruption stellt sich bei einer objektiveren Betrachtung des Themas die Frage, welche Handlungen als Korruption einzustufen sind und inwiefern eine generelle Stigmatisierung dieser begründet ist. Gibt es unter Umständen Situationen, in denen Korruption eine hinnehmbare Handlungsalternative darstellt oder sogar zu einem in der Summe positiven Ergebnis führt? Für die weitere Betrachtung erscheint es obligat die Ursachen für das Entstehen von Korruption näher zu betrachten und die gesamtwirtschaftlichen Folgen unter Zuhilfenahme ökonomischer Modelle zu analysieren (vgl. Schmidt 2003: 87 f.). Die negativen Assoziationen mit dem Begriff der Korruption werden bereits anhand einer etymologischen Betrachtung sichtbar. Das Wort Korruption leitet sich von dem lateinischen Begriff „corrumpere“ ab und kann mit verderben, rauben, missbrauchen oder zerstören übersetzt werden. Ungeachtet dieser weit verbreiteten, intuitiven Begriffsassoziation besteht bis dato keine allgemeingültige Legaldefinition für den Terminus der Korruption (vgl. Holmes 2015: 1 f.). Die meisten Definitionsversuche gehen aber davon aus, dass bei Korruption der Machtmissbrauch und die persönliche Vorteilsannahme unabdingbare Definitionsmerkmale darstellen. In der Literatur zählt zu den bekanntesten Definitionen die der Antikorruptionsorganisation Transparency International. Hiernach handelt es sich bei Korruption um den Missbrauch der anvertrauten Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Ferner unterscheidet Transparency International zwei Ausprägungsformen der Korruption. Die erste Erscheinungsform ist die „administrative Korruption“, bei der widerrechtlich Einfluss auf das administrative Handeln vorgenommen wird. Die zweite Ausprägung ist die „politische Korruption“, die sich auf die Beeinflussung oder die zielgerichtete Käuflichkeit von politischen Entscheidungen bezieht (vgl. Gaspar 2016: 3 f.; Vehrkamp 2005: 776).
Die bisherigen Begriffsbestimmungen bezogen sich vornehmlich auf die Korruption im öffentlichen Bereich und ließen den privatwirtschaftlichen Sektor außen vor. Die Einbeziehung der privatwirtschaftlichen Korruption erfolgt mit Zuhilfenahme des Prinzipal-Agenten-Ansatzes. Hierbei ist der korrupte Agent nach der Modellannahme des „homo oeconomicus“ immer auf seinen privaten Vorteil bedacht, ungeachtet dessen, ob er sich auf dem privaten oder dem öffentlichen Sektor befindet. Für die Realisierung seines privaten Vorteils setzt sich der Agent über die ihm vom Prinzipal auferlegten und verbindlichen Regeln hinweg. Ein korruptes Verhalten ist auch beim Prinzipal durchaus denkbar, jedoch erweist sich in diesem Fall die Aufdeckung des regelwidrigen Verhaltens als schwierig. Prinzipale befinden sich in der vorteilhaften Position eben diese Regeln weitestgehend selbst bestimmen und implementieren zu können. Die Lokalisierung der Prinzipal-Korruption setzt einen detaillierten Informationsstand über seine zulässigen und unzulässigen Verhaltensweisen voraus. Damit erweist sich die justiziable Aufdeckung und die Ahndung der Prinzipal-Korruption schwieriger als im Fall der Agenten-Korruption. Ein weiterer Teilbereich der Korruption bildet die Netzwerk-Korruption. Sie untersucht die Wechselbeziehung innerhalb sozialer Strukturen, die sich mittels eines pauschalen und asymmetrischen Vorteilstausches charakterisieren lassen. Die Kennzeichnung als „pauschaler und asymmetrischer Vorteilstausch“ lässt bereits erkennen, dass hier nicht zwangsläufig ein Bestechungsgeld gezahlt oder Reziprozität herrschen muss. Obendrein kann sich die Vorteilsgewährung zeitlich versetzt ereignen. Infolgedessen erscheint auch an dieser Stelle die Aufdeckung einer solchen Vorteilsgewährung und –annahme weitgehend aussichtslos (vgl. Arnim 2006: 27-31; Vehrkamp 2005: 777; Stierle 2008: 18).
Neben der Definition erscheint die Klassifikation ebenso obligat für das Auftreten von Korruption. An dieser Stelle bietet sich die Untergliederung der Korruptionsausprägung in die situative, die strukturelle und die systematische Korruption an. Die situative Korruption beschreibt eine ungeplante und nicht vorbereitete Korruptionshandlung. Diese ist durch eine spontane und einmalige Entscheidung gekennzeichnet und hat die Korruptionshandlung als Resultat. Wird die Tat von vornherein geplant und auf eine langandauernde Korruptionsbeziehung ausgerichtet, handelt es sich um strukturelle Korruption, die als Vorstufe der systematischen Korruption dient.
Bekommt die strukturelle Korruption einen politischen Charakter und ist zudem auf nationaler oder internationaler Ebene organisiert, handelt es sich um systematische Korruption. Die Intensität der gesellschaftlichen Bedrohung steigt hierbei zunehmend, beginnend bei der situativen und der strukturellen bis hin zur systematischen Korruption. Hierbei bildet die jeweilige Korruptionsausprägung den Nährboden für die darauffolgende Stufe und kann dadurch zu einem schleichenden Abgleiten in die Illegalität führen (vgl. Litzcke et al. 2012: 9 f.). Für die weiterführende Einordnung der Korruptionsarten wird auf die eingangs geschilderte Definition zurückgegriffen, wonach unter Korruption der Machtmissbrauch einer öffentlichen Stellung verstanden werden kann. Der Missbrauch der Machtstellung erfolgt hierbei entweder durch die Belastungs- oder die Entlastungskorruption. Zusätzlich muss unterschieden werden, ob der Staat als Anbieter oder Nachfrager auftritt. Belastungskorruption liegt vor, wenn ein korrupter Bürokrat für ein staatliches Gut oder eine Dienstleistung zu dem regulären Preis noch einen inoffiziellen Preisaufschlag verlangt. Entlastungskorruption liegt hingegen vor, wenn der Bürokrat einen inoffiziellen Preisnachlass für ein staatliches Gut oder eine Dienstleistung gewährt und den Verkauf des Gutes verschweigt, um das Geld unterschlagen zu können. Tritt der Bürokrat stellvertretend als Nachfrager auf, ist ein konträres Ergebnis zu beobachten (vgl. Pies 2003: 45).
Weiterhin lassen sich die Arten der Korruptionsausprägung untergliedern in Großkorruption, legislative Korruption und bürokratische Korruption. Die „Großkorrup-tion“ umschreibt die Bemühungen der politischen Elite ihre Macht zur Umsetzung einer gezielten Wirtschaftspolitik auszunutzen, die wiederum lediglich ihrem Partikularinteresse dienlich ist. Das Wechselverhältnis der „Großkorruption“ lässt sich modellhaft am deutlichsten mit Zuhilfenahme des „ Prinzipal-Agenten “-Ansatzes beschreiben. Während politische Entscheidungsträger annahmegemäß als Interessenvertreter des Volkes fungieren (Agenten) und demnach ihr Entscheidungskalkül am Interesse und Nutzen der Bevölkerung (Prinzipal) orientieren sollten, ist dies bei „Großkorruption“ gerade nicht der Fall. Die politische Elite unterliegt hierbei einem „trade-off“ zwischen dem Interesse der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und dem Wunsch des Erhalts der eigenen Machtstellung. Die Gefahr der „Großkorruption“ liegt darin, dass sie nur schwer zu identifizieren ist, insbesondere wenn keine Bestechungsgelder gezahlt werden oder eine der Bevölkerungsgruppen von der politischen Entscheidung profitiert. Die extremste Ausprägung der „Großkorruption“ wäre in einer Situation denkbar, in der ein opportunistischer Diktator keine Abgrenzung zwischen seinem eigenen Interesse und dem der Bevölkerung vornimmt. Ferner würde er alle politischen Entscheidungen nur von seinem persönlichen Interesse abhängig machen und dadurch seinen eigenen Nutzen maximieren, während er den der Bevölkerung verringert. Im Fall der „legislativen Korruption“ wird beschrieben, welche Dimension die Suggestion des Wahlverhaltens seitens des Gesetzgebers annehmen kann. Interessengruppen können den Gesetzgeber durch Bestechungen in der Weise beeinflussen, dass dieser Gesetzte erlässt, die eine Veränderung der ökonomischen Rente im Zusammenhang mit den Vermögenswerten zur Folge hat. Zur „legislativen Korruption“ zählt vor allem der Kauf von Wählerstimmen. Dies zum einen durch stimmenmaximierende Politiker, die sich hierdurch ihre Wiederwahl sichern möchten, und zum anderen durch die Entscheidungsträger der Exekutive, die eine Implementierung von für sie vorteilhaften Gesetzen bewirken möchten. Die „bürokratische Korruption“ bezieht sich auf die korrupten Handlungen von Bürokraten entweder gegenüber ihren Vorgesetzten (politische Elite) oder der Bevölkerung. Die bekannteste Ausprägung ist die der „kleinen Korruption“, bei der korrupte Bürokraten von der Bevölkerung ein Bestechungsgeld verlangen, um eine Leistung zu erbringen oder das bürokratische Verfahren zu beschleunigen. In bestimmten Fällen kann eine Bestechungszahlung gegenüber Bürokraten dazu führen, dass eine Leistung erlangt wird, die sonst nicht zur Verfügung steht. Bestechungen in der Judikative, die zum Ziel haben, die Kosten oder die Wahrscheinlichkeit von Strafzahlungen zu reduzieren, gehören ebenfalls dieser Kategorie an. Für die weiteren Ausführungen soll unter dem Begriff der Korruption die strukturelle und die bürokratische Korruption verstanden werden, außer es wird explizit eine Abweichung hiervon genannt (vgl. Jain 2001: 73-75; Rose-Ackerman 1998: 38-42).
2.1 Kritik am positiven Charakter der Korruption
Die bisherigen Ausführungen haben die negativen Wesenszüge der Korruption in gewissem Umfang durchblicken lassen. Damit sind sie deckungsgleich mit den in der Literatur vorherrschenden Ergebnissen der gegenwärtigen Korruptionsforschung. Dieser Abschnitt untersucht anhand verschiedener Arbeiten den positiven Charakter der Korruption auf die Volkswirtschaft. Daraufhin werden unter Verwendung von aktueller Literatur Belege vorgebracht, die den positiven Charakter kritisch hinterfragen und im Ergebnis widerlegen.
Mit Beginn der 1960er Jahre bemühte sich ein Teilsegment der Korruptionsforschung redlich aufzuzeigen, dass Korruption vor allem in lethargischen und über-regulierten Ländern zu einer Verbesserung der Effizienz führen könne (vgl. Aidt 2009: 3). Einer der bekanntesten Beiträge zu diesem Thema stammt von Nathan Leff (1964) und trug den etwas provokativ gewählten Titel “Economic Development Through Bureaucratic Corruption“. Als Ausgangspunkt einer detaillierten Betrachtung sollte ein Land gewählt werden, in dem die politische Elite vorgibt am wirtschaftlichen Wachstum des Landes interessiert zu sein, während sie in Wahrheit versucht diesen aufzuhalten. Ein solches Gebaren wird vornehmlich in ehemals kolonialisierten Ländern vermutet, in denen es der heimische Mittelstand nicht geschafft hat, die Fesseln der traditionellen Machthalter zu lösen. Der Grund für die Drosselung des Wirtschaftswachstums durch die politische Elite ist der Erhalt des Satus-quo. Dieser stellt sicher, dass der Mittelstand nicht erstarkt und hierdurch die Renten der Elite in Gefahr gebracht werden. In Fällen in denen das optimale Marktergebnis durch eine politische Elite verhindert wird, kann korrumpierendes Verhalten in Form von Bestechungszahlungen effizienzsteigernd wirken (vgl. Leff 1964: 10 f.; Rashid 1981: 458 f.; Huntington 1968: 68 f.). Selbst wenn keine Verzerrung vorliegt, kann Korruption in Verbindung mit einem Verhandlungsprozess zu einem effizienten Ergebnis führen. Der korrupte Beamte verkauft Eigentumsrechte von öffentlichen Ressourcen durch die Vergabe von Lizenzen gegen Zahlung eines Bestechungs-geldes an den privaten Agenten. Wird der öffentliche Auftrag an das private Unternehmen vergeben, welches das höchste Bestechungsgeld zahlt, herrscht weiterhin allokative Effizienz. Denn es ist zu erwarten, dass das Unternehmen mit den gering-sten Kosten die höchste Bestechungszahlung erbringen wird. Für die allokative Effizienz spielt es dabei keine Rolle, ob der Produzentenüberschuss an den Beamten oder den Staat fließt (vgl. Bardhan 1997: 1322).
Ein ebenfalls weit verbreitetes Beispiel für die positive Wirkung der Korruption ist die Zahlung von "speed money". Hierbei werden durch die Zahlung von Bestechungsgeld in der öffentlichen Verwaltung effizientere Bearbeitungsprozesse und Warteschlangen erzeugt. Durch die Zahlung von "speed money" wird daher nicht die materielle Entscheidung des Bürokraten verändert, vielmehr wird eine schnellere Entscheidungsfindung herbeigeführt. Ausschlaggebend für den positiven Charakter von "speed money" ist, dass die Arbeitsanstrengung des Beamten ohne die Bestechung dem im Vertrag vorgeschriebenen Niveau entspricht und das Bestechungsgeld nur eine darüberhinausgehende Leistungssteigerung bewirkt. In einer Situation in der sich die Bearbeitung von Anträgen aufgrund von zu großem Andrang zeitlich verzögert, verfährt der Beamte unabhängig der Dringlichkeit des Falles nach dem „first in first out“ Prinzip. Aufgrund dessen werden vielleicht unwichtige Anträge sofort bearbeitet, während wichtige Anträge weiter warten müssen. Wird dagegen die Zahlung von Bestechungsgeld gestattet, kann davon ausgegangen werden, dass die Höhe der Bestechungszahlung mit der Brisanz des Falles steigt und somit eine effi-ziente Bearbeitungsreihenfolge entsteht. Diese Argumentation entspricht der „greasing the wheels“ Hypothese, die davon ausgeht, das Rad der Bürokratie durch Korruption schmieren zu müssen (vgl. Bardhan 1997: 1323).
Das sich durch die Korruption ergebende Gleichgewicht wird mit dem von Francis Lui (1985) entwickelten „equilibrium queuing model“ anschaulich beschrieben. Hiernach kann die Zahlungsbereitschaft von Bestechungszahlungen einer wartenden Person anhand einer Bestechungsfunktion abgebildet werden, wobei sich diese durch die Opportunitätskosten, gemessen an der Wartezeit der einzelnen wartenden Personen, ergibt. Die Kernaussage des Modells ist, dass mithilfe der Bestechungsstrategien in einem nicht-kooperativen Strategiespiel ein Nash-Gleichgewicht erreicht werden kann. In diesem Gleichgewicht sind die von den Individuen wahrgenommenen Kosten des Wartens in einer Warteschlange am geringsten. Letztlich führt die Bestechungsstrategie zu einem Nash-Gleichgewicht, in dem die Bürokratie zu einem effizienteren Ergebnis gelangt. Das Gleichgewicht ergibt sich jedoch nur unter Berücksichtigung der rigiden Modellrestriktionen. Diese gestatten es nur Personen, die neu zu der Warteschlange kommen, ein Bestechungsgebot abzugeben. Ferner werden die Informationsasymmetrien und das „moral hazard“ Konzept abstrahiert (vgl. Lui 1985: 762, 778). Die in diesem Abschnitt vorgestellten wissenschaftlichen Arbeiten kommen zu dem Ergebnis, dass Korruption als ein notwendiges Übel erachtet werden kann, welches erforderlich ist, um die institutionellen Schwächen einer Volkswirtschaft auszugleichen. Ländern, die aufgrund institutioneller Mängel ein „first-best“-Ergebnis nicht erreichen können, ermöglicht Korruption das Erlangen des „second-best“-Ergebnisses und damit eine Verbesserung im Vergleich zum Status quo (vgl. Vehrkamp 2005: 777).
Dieser vornehmlich in der älteren Literatur oft angepriesene positive Effekt wird in der heutigen Korruptionsforschung mehrheitlich abgelehnt. Die Argumente der Kritiker sollen nachfolgend aufgezeigt werden. Als wesentlicher Grund für die Ablehnung von Korruption als alternative Lösung zum „first best“-Ansatz wird angeführt, dass die Akzeptanz von Korruption in den öffentlichen Sektoren dazu führen kann, dass sich diese innerhalb der Behörden verbreitet. Dies würde langfristig dazu führen, dass auch die zu zahlenden Bestechungsgelder immer weiter steigen. Ferner kann es zu einer Expansion der Bürokratie kommen, in der weitere Interaktionsmaßnahmen zwischen der Bürokratie und den Unternehmen eingeführt werden, um die eigenen Bestechungsgeldzahlungen zu maximieren. Ein solcher Effekt ist vor allem in Transformationsländern zu beobachten. Will ein ausländisches Unternehmen in einem Land investieren, in dem flächendeckende Korruption im öffentlichen Sektor herrscht, muss es jede Behörde und Abteilung bestechen, die in das Geschehen involviert ist. Diese nur schwer einzuschätzenden Bestechungskosten führen zu Verzerrungen in der Investitionsentscheidung von Unternehmen. Ein weiteres Problem besteht in der Notwendigkeit die Korruptionsvereinbarungen geheim halten zu müssen. Das Erfordernis der Geheimhaltung kann dazu führen, dass staatliche Investitionen nicht mehr an Projekte oder Sektoren mit dem höchsten erwarteten Nutzen vergeben werden. Vielmehr wird die Investitionsentscheidung von der Möglichkeit, das Korruptionsbestreben bestmöglich verheimlichen zu können, abhängig gemacht.
Zusätzlich kann es dazu kommen, dass politische Entscheidungsträger Monopole beibehalten, um Markteintritte und Innovationen von Außenstehenden zu verhindern und die Korruptionspraktiken der Elite nicht zu enthüllen. Aufgrund dessen ist es denkbar, dass in solchen Volkswirtschaften die für ein Wachstum erforderlichen Reformen nur unzureichend umgesetzt werden (vgl. Shleifer / Vishny 1993: 615).
Die von Shleifer und Vishny (1993) beschriebenen Auswirkungen der Korruption können anhand der Arbeit von Bigsten und Moene (1996) am Fallbeispiel von Kenia bestätigt werden. Die Autoren begründen in ihrer Arbeit die geringe ökonomische Entwicklung des Landes mit den Korruptionspraktiken der politischen Elite. Diese sichert sich ihren Machterhalt durch die Besetzung der öffentlichen Stellen mit ihnen treu ergebenen Anhängern. Das führt letztlich zu einer Expansion und einer Überbesetzung des öffentlichen Sektors und resultiert in dem von Shleifer / Vishny (1993) beschriebenen Ergebnis. Selbst die Hypothese, nach der eine politische Elite das ineffiziente System aus Verteilungsgründen beibehält, bestätigt sich im Fall von Kenia. Damit ist auch die Behauptung weitestgehend widerlegt, wonach Korruption einen Ausweg aus dem Status quo liefert (vgl. Bigsten / Moene 1996: 195 f.).
Im Hinblick auf das „equilibrium queuing model“ von Lui (1985), welches ein bestechungsgeldabhängiges Nash-Gleichgeweicht propagiert, halten Kritiker entgegen, dass die Modellannahmen viel zu restriktiv sind. Werden nämlich Informations-asymmetrien, „moral hazard“ und strategisches Verhalten berücksichtigt, sind die Ergebnisse des Modells nicht mehr robust. Auch die Annahme, dass Bestechungsgelder in einer Auktion offeriert werden, verstößt gegen das Gebot der Geheimhaltungsnotwendigkeit von Korruptionsaktivitäten (vgl. Tanzi 1998: 1323). Méon und Sekkat (2005) haben in ihrer Arbeit systematisch die „grease the wheels“-Hypothese auf makroökonomischer Ebene untersucht, indem sie die Auswirkungen von Korruption auf Investitionen, Wachstum sowie die Regierungsqualität analysiert haben.
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass nicht nur die „grease the wheels“-Hypothese verworfen werden kann, sondern vielmehr die „sand the wheels“-Hypothese zutrifft (vgl. Méon / Sekkat 2005: 70 f., 91).
Die Frage, ob Korruption letztendlich als Schmierstoff oder Sand für die Räder der Bürokratie gesehen werden kann (sand or grease), wird in der neueren Korruptionsforschung mit überwiegender Mehrheit mit „Sand“ beantwortet. Der Korruption wird dabei höchstens im engeren Sinne eine positive bzw. „schmierende“ Wirkung zugesprochen, um Unternehmen dabei zu helfen, bestimmte Prozesse zu beschleunigen. Im weiteren Sinne wird die Korruption als Entwicklungshindernis gesehen (vgl. Aidt 2009: 19). Zusammenfassend kann daher konkludiert werden, dass die in der älteren Literatur propagierte positive Wirkung von Korruption auf eine Volkswirtschaft, mittels empirischer Untersuchungen der neueren Literatur, nicht bestätigt werden konnte. Korruption führt daher nicht dazu, Verzerrungen zu umgehen oder institutionelle Schwächen auszumerzen. Vielmehr ist die Kausalität in der anderen Richtung zu suchen, in der die Problematik auf die Korruption zurückzuführen ist (vgl. Méon / Sekkat 2005: 91). Damit wurden bei den drei klassifizierten Korruptionsausprägungen (Großkorruption, legislative Korruption und bürokratische Korruption) im Resultat die positiven Stabilisierungs- und Beschleunigungsfunktionen anhand der vorgestellten Arbeiten widerlegt.
2.2 Formelle und informelle Institutionen und Korruption
Die Verbreitung von Korruption nimmt im internationalen Ländervergleich sehr unterschiedliche Ausprägungen an. Hierfür stehen zahlreiche Erklärungsansätze zur Verfügung. Dabei stützen sich die gängigsten Ansätze auf die unterschiedliche Qualität der formellen und der informellen Institutionen, weshalb sie auch in diesem Kapitel nähere Betrachtung finden.
Unter formellen Institutionen können alle durch den Menschen bewusst gestalteten, rechtlichen und sozialen Institutionen verstanden werden, wobei der Erhalt durch die staatliche Kompetenz sichergestellt wird. Die formellen Regeln und die Institutionen dienen dabei als rechtliche Grundlage und stellen den Ordnungsrahmen einer Gesellschaft dar, der wiederum die ökonomische und die politische Struktur eines Staates bestimmt. Daher stellt die institutionelle Qualität eine der wichtigsten Ursachen für die unterschiedliche Korruptionsausprägung dar. In welchem Umfang eine mangelhafte institutionelle Qualität als Triebfeder der Korruption anzusehen ist soll eine detaillierte Betrachtung liefern. Kanäle, durch die Institutionen auf Korruption wirken und vice versa, sind die Struktur der Bereitstellung eines öffentlichen Gutes und die politische Rechenschaftspflicht. Dabei werden unter politischer Rechenschaftspflicht die Durchsetzung einer Bestrafung bei korrupten Handlungen sowie die Beseitigung von Informationsasymmetrien bei staatlichen Aktivitäten verstanden (vgl. Lederman et al. 2005: 2, 27 f.; Tridico 2004: 5 f.). Politische Entscheidungsträger und deren untergeordnete Bürokraten nutzen institutionelle Schwächen, um ihre Machtposition zu erweitern und damit das Aufdeckungs- und das Bestrafungsrisiko zu minimieren. Sie stehen einem Entscheidungskalkül entgegen, bei dem sie den Nettonutzen der Korruption abwägen müssen mit dem Einkommen aus den Korruptionshandlungen, dem legalen Einkommen, der Stärke von Institutionen, der Moral und den politischen Werten einer Gesellschaft sowie der Wahrscheinlichkeit bei der Korruptionshandlung gefasst und bestraft zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass mit steigender institutioneller Qualität auch die Kosten der Korruption steigen und dadurch das Ausmaß an Korruption sinkt (vgl. Jain 2001: 81- 85; Bannenberg 2003: 127).
Dreher et al. (2005: 17) untersuchten in ihrer Arbeit den Zusammenhang von institutioneller Qualität und dem Ausmaß an Korruption in 18 Ländern der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). Sie kamen zu dem Ergebnis, dass mit steigender institutioneller Qualität die Korruption sinkt. Es bleibt jedoch zu beachten, dass eine bloße Dezentralisierung der Bürokratie alleine nicht ausreicht, um das korrupte Geschäftsgebaren der Bürokraten zu verhindern. Vielmehr kann sich die Lage durch die alleinige Dezentralisierung auch verschlimmern. Die Unternehmen sehen sich in dieser Situation nicht mehr nur einem monopolistischen Behördenapparat gegenüber, sondern einer Vielzahl korrupter und autonom agierender bürokratischer Einheiten. Diese fungieren dann alle als autonome Monopolisten mit dem Bestreben, das an sie gezahlte Bestechungsgeld zu maximieren. Dadurch sinkt allerdings zusätzlich der Umfang an bereitgestellten öffentlichen Leistungen. Zudem steigen für die Wirtschaftsakteure die Transaktionskosten und die Planungsunsicherheit. Eine Verbesserung der Situation durch die Machtbeschränkung von staatlichen Institutionen ist nur dann zu erwarten, wenn die einzelnen Institutionen als Substi-tute, zwischen denen Wettbewerb herrscht, agieren. Durch diesen potenziellen Wettbewerb innerhalb der staatlichen Institutionen bzw. den bürokratischen Stellen wird ihre Monopolstellung beseitigt oder zumindest geschwächt und die Korruption reduziert (vgl. Thum 2004: 8-11; Obinger 2000: 99).
Hofman et al. (2004: 243) untersuchten in einer empirischen Studie die Auswirkungen der Dezentralisierung auf die Korruption. Dabei dienten die ab 2001 in Indonesien umfangreich implementierten Dezentralisierungsmaßnahmen als Datenbasis. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass das insgesamt wahrgenommene Korruptionsniveau nach den Dezentralisierungsmaßnahmen weitestgehend unverändert blieb. Sie erklären das Ergebnis damit, dass es teilweise zu einem Anstieg des wahrgenommenen Korruptionsniveaus in jenen Institutionen kam, die im Zuge der Dezentralisierung an Kompetenzen dazugewonnen haben. Dagegen käme es zu einem Rückgang der Korruptionswahrnehmung bei denjenigen Institutionen, denen Kompetenzen abgesprochen wurden. Die bloße Verschiebung der Kompetenzen zwischen den staatlichen Institutionen führte demnach nur dazu, dass sich die positiven und negativen Effekte in der Summe ausgeglichen hätten. Ein weiterer Aspekt, dem im Zusammenhang mit der institutionellen Qualität eine hohe Bedeutung beigemessen werden kann, ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit von Korruption innerhalb der Institutionen. Nimmt diese zu, steigt auch das Risiko auf beiden Seiten bei der Korruptionshandlung entdeckt und sanktioniert werden zu können. Allerdings führt die Bekämpfung von Korruption, mittels einer vollumfänglichen Überwachung der entsprechenden bürokratischen Stellen, nicht zu einer vollständigen Beseitigung dergleichen. Einer totalen Überwachung wird entgegengehalten, dass die höhere Aufdeckungswahrscheinlichkeit und die damit drohenden Bestrafungskosten nicht zwangsläufig die Korruptionshandlung verhindern. Sie führen aber letztlich dazu, dass Bürokraten aufgrund des höheren Risikos mit zusätzlichen Kosten kalkulieren und diese mit einem höheren Bestechungsgeld ausgleichen. Damit führt zwar eine gestiegene Aufdeckungswahrscheinlichkeit zu einer sinkenden Korruptionszahl, aber die Summe des gezahlten Bestechungsgeldes bleibt unverändert (vgl. Shleifer / Vishny 1993: 603).
Als weitere Einflussfaktoren sind insbesondere das Ausmaß an Regulierung und Steuern innerhalb eines Landes zu nennen, die weiterhin einen Bestandteil der bürokratischen Korruption darstellen. Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben wächst mit der Fülle an vorhandenen gesetzlichen Regelungen und Vorschriften die Einflusssphäre korrupter Bürokraten. Der Staat erweitert durch expansive regulatorische Markteingriffe nicht nur die eigene Machtstellung, sondern zugleich die seiner Bediensteten und somit auch das „rent seeking“. Allerdings sind es oftmals die Unternehmen selbst, die mehr Regulierung verlangen. Sie nutzen die Monopolstellung der Bürokratie gezielt, um die eigene Marktstellung durch Korruption zu schützen oder auszuweiten. Mit der Macht der Bürokraten steigen auch die Möglichkeiten mit denen diese das Interesse des Unternehmens auf illegale Art und Weise verwirklichen können (vgl. Lambsdorff 2005: 16). In einer empirischen Studie von Djankov et al. (2002: 4 f.) wurde in 85 Ländern untersucht, wie viele Verfahren ein Unternehmen durchlaufen muss, bevor es in den geplanten Markt eintreten kann. Im Durchschnitt waren zehn Prozeduren im weltweiten Vergleich nötig. Dabei belegte Kanada mit zwei Prozeduren den besten und die Dominikanische Republik mit 21 Prozeduren den letzten Platz. Im Ergebnis verriet der Ländervergleich, dass eine strengere Markteintrittsregulierung in Form von vielen Verfahren nicht zu einem Qualitätsanstieg der Produkte, besserem Umweltschutz oder stärkerem Wettbewerb, sondern im Wesentlichen zu einem höheren Korruptionsniveau führt.
Ergänzend zu der staatlichen Einflussnahme in Form einer Marktregulierung ist das Ausmaß der Steuerbelastung auf die Wirtschaft zu erwähnen. Wie im Fall der Regulierung stellt die Steuerbelastung ein Machtinstrument des Staates bzw. seiner Bediensteten dar, welches gleichermaßen einen Korruptionsanreiz bietet. Das Bestreben der Individuen die hohe Steuerbelastung zu vermeiden, kann letztlich zu einer Abwärtsspirale führen, in der die höhere Steuerbelastung durch Bestechungszahlungen vermieden wird. Dies trägt wiederum dazu bei, dass die Steuerabgaben nochmals ansteigen und sich dieser Vorgang immer weiter wiederholt. Diese Abwärtsspirale kann letzten Endes zum Abgleiten in den inoffiziellen Sektor führen, da die steuerliche Belastung und die Bestechungszahlung eine Dimension erreichen, die für die Wirtschaftssubjekte nicht mehr tragbar sind (vgl. Rose-Ackerman / Palifka 1999: 18-23; Alesina / Angeletos 2005: 1). Nach Tanzi (1998, 11 f.) sinke die Wahrscheinlichkeit einer Korruptionshandlung, wenn Steuern auf klaren Gesetzen beruhen und es keinen Kontakt zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzbeamten gibt. Dagegen führen eine komplexe Steuergesetzgebung, starker Interaktionsbedarf zwischen Steuerzahlern und Finanzbeamten sowie die fehlende Transparenz zu einem Anstieg der Korruption im Steuersystem. Der kausale Zusammenhang zwischen der Korruption und dem inoffiziellen Sektor kann nicht eindeutig bestimmt werden. Zu hohe Steuern und Regulierungseingriffe können dazu führen, dass die öffentliche Finanzen und damit einhergehend die Versorgung von öffentlichen Gütern nicht mehr sichergestellt werden können. Dadurch erfolgt eine stetige Abwanderung der Wirtschaftstätigkeit in den inoffiziellen Sektor. Inwieweit die Korruption und der inoffizielle Sektor sich bedingen, bleibt noch zu klären.
Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf das in der Arbeit von Johnson et al. (1997) verwendete Modell und seine Annahmen. Die Abwanderung in den inoffiziellen Sektor kann entweder nur zum Teil oder gänzlich erfolgen, wobei das besagte Modell von einer vollständigen Abwanderung ausgeht. Hierbei zahlt der inoffizielle Sektor keine offiziellen Steuern mehr, wodurch ihm der Zugang zu den öffentlichen Gütern nur noch beschränkt zur Verfügung steht. Die Ausschließbarkeit des öffentlichen Gutes bezieht sich nur auf die Rechtseinhaltung und –durchsetzung, nicht aber auf öffentliche Güter, wie etwa die Infrastruktur. Anstelle von Steuern werden im inoffiziellen Sektor Gebühren an private Schutzagenturen gezahlt, um im Gegenzug Schutz vor Diebstahl oder die Durchsetzung von Verträgen und Eigentumsrechten zu erhalten. Die Qualität des Schutzes hängt auch hier maßgeblich von den Einnahmen der privaten Schutzagenturen ab. Die beiden Sektoren dienen hier als Substitute, da die Unternehmen ihre Güter und Dienstleistungen entweder im offiziellen oder im inoffiziellen Sektor anbieten können. Mit der Dimension an Unternehmen, die in den inoffiziellen Sektor abwandern, sinken folglich die Steuereinnahmen des Staates.
Das trägt dazu bei, dass für die Bereitstellung öffentlicher Güter (z.B. Rechtsdurchsetzung) nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen und sich die eingangs erwähnte Abwärtsspirale weiter verstärkt (vgl. Johnson et al. 1997: 161- 164, 205). Die institutionelle Qualität ist damit nicht nur ausschlaggebend für die Dimension der Korruption in einem Land, vielmehr bestimmt sie auch maßgeblich die Abwanderung der Wirtschaftssubjekte in den inoffiziellen Sektor.
Den zweiten Erklärungsansatz für die unterschiedliche Ausdehnung von Korruption liefern die informellen Institutionen. Allgemein können unter dem Begriff der informellen Institutionen eine Reihe von individuellen und gesellschaftlichen Verhaltensnormen, Gebräuchen, religiösen oder moralischen Werten, Traditionen und Ansichten subsumiert werden. Die Entstehung von informellen Institutionen ist meistens das Resultat eines historischen und dynamischen Entwicklungsprozesses einer Gesellschaft und bestimmt das Verhalten der Individuen und der Gesellschaft bei der Erreichung ihrer Ziele. Die Definition offenbart neben der Begriffsbestimmung zusätzlich, dass die Einstufung einer Handlung als Korruption von der Variabilität kultureller Normen abhängt. (vgl. Tridico 2004: 5). Die ökonomische Definition des Kulturbegriffs unterscheidet dabei die empirische und die theoretische Betrachtung. Nach der empirischen Betrachtung handelt es sich bei Kultur um Glauben und Werte von ethnischen, religiösen und sozialen Gruppen, die fast unverändert von Generation zu Generation übermittelt werden. Die theoretische Seite sieht einen Unterschied zwischen den Werten und dem Glauben. Individuen glauben an die Konsequenzen des eigenen Handelns, wobei dieser Glaube durch frühere Generationen oder Erfahrungen verändert werden kann. Zusammenfassend kann hier Kultur als Synonym für informelle Regeln betrachtet werden (vgl. Alesina / Giuliano 2015: 4, 7).
Eine entscheidende Differenzierung der kulturellen Ausprägung ist die zwischen dem Individualismus und dem Kollektivismus. Während beim Individualismus der eigene Erfolg durch die selbst erbrachte Leistung im Fokus steht und sich die Selbstbestimmung nicht durch die Familie oder die Gruppe definiert, ist dies beim Kollektivismus genau konträr. Hier spielt die starke Bindung zur Familie oder einer Gruppe (Kollektiv) eine zentrale Rolle und verstärkt die Anforderung nach Unterordnung, Gehorsam sowie Pflicht- und Opferbereitschaft innerhalb des Kollektivs. Dieser ausgeprägte Gruppenbezug stärkt zwar die Beziehungen innerhalb der Gruppe, jedoch erschwert er die Entstehung von Beziehungen zu anderen Gruppen. Das führt dazu, dass Interaktionen zwischen heterogenen Gruppen immer seltener werden, was letztlich in Misstrauen und Diskriminierung zwischen den Gruppen resultiert (vgl. Karstedt 2004: 388, 400; Alesina / Giuliano 2015: 13). In einem von Karstedt (2004: 404 f.) vorgenommenen Ländervergleich wurde die Korrelation zwischen der individualistischen/ kollektivistischen Einstellung eines Landes und der Korruption untersucht.
In den vornehmlich individualistisch geprägten Industrieländern war mehrheitlich eine geringe Korruptionsausprägung zu beobachten. Dagegen war in den überwiegend kollektivistisch ausgeprägten Ländern Lateinamerikas die Korruption sehr hoch. Allerdings fielen bei dieser Korrelationsbetrachtung zwei Länder besonders ins Auge. Zum einen Singapur, das als kollektivistisch orientiertes Land unter den zehn besten Ländern (Platz 7) des Corruption Perception Index (CPI) zu finden war.
Und zum anderen Italien, das als individualistisches Industrieland den 60. Platz belegte. In Singapur wird die geringe Korruption, trotz der kollektivistischen Ausrichtung, auf die von der Regierung strikt durchgesetzte Strafverfolgung zurückgeführt. In Italien werden regionale Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes als Ursache erachtet. In Städten, in denen sich Institutionen über die Zeit selbst entwickeln konnten (Norditalien) und diktiert wurden (Süditalien), werden institutionelle Regeln eher angenommen und befolgt.
Alesina und Giuliano (2015: 14 f.) sehen die familiäre Bindung als einen weiteren kulturellen Einflussfaktor. Bei starken familiären Bindungen besteht ein Verhaltenskodex, der innerhalb der Familie von allen Mitgliedern akzeptiert und eingehalten wird. Abweichungen von diesem Verhaltenskodex werden außerhalb der familiären Bande akzeptiert. In Kulturen mit stark ausgeprägter familiärer Bindung stellen Familienunternehmen einen großen Anteil an den gesamten Unternehmen dar. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht optimal, da zu starke familiäre Banden zu Nepotismus und somit zu einer im Durchschnitt schlechteren Qualität des Unternehmens führen. Zudem ist bei den Managern dieser Familienunternehmen, die in der Regel Familienangehörige sind, eine starke Risikoaversion zu beobachten. In zahlreichen Studien innerhalb Europas und Lateinamerikas konnte nachgewiesen werden, dass sich familiengeführte Unternehmen im Vergleich zu Nichtfamilienunternehmen schlechter entwickeln. Die Veränderlichkeit der kulturellen Normen ist daher sowohl im historischen als auch im internationalen Vergleich zu lokalisieren. Was aus Sicht einer bestimmten Gesellschaft als korruptes Handeln eingestuft wird, zählt in anderen Gesellschaften als kultureller Brauch. Als Beispiele sind die Gabe und die Annahme von Geschenken oder die Privilegierung und Sorgfalt gegenüber der Familie oder einer ethnischen Gruppe in Form von Nepotismus oder Klientelismus zu nennen. Gerade die starke Bindung zur Familie oder einer Gruppe (Kollektivismus) bestärken die Anforderung nach Unterordnung, Gehorsam sowie Pflicht- und Opferbereitschaft für das Kollektiv (vgl. Karstedt 2004: 388- 394).
Das Ausmaß an Korruption nimmt daher mit der Divergenz zwischen den gesellschaftlichen und den kulturellen Werten und Normen zu. Diese Divergenz wird vor allem dann größer, wenn ein Land eine gesellschaftliche Modernisierung erfährt, während die traditionellen Verhaltensweisen in der Bevölkerung unverändert bleiben. Das hat zur Folge, dass die alten Verhaltensweisen unter Berücksichtigung der neuen Werte als korrupt einzustufen sind, obwohl sie bis dato als legitim erachtet wurden (vgl. Huntington 2002: 254). Die negative Wirkung der kulturellen Determinante ist damit vornehmlich in hierarchisch-elitären Gesellschaften mit kollektivistischer und autoritärer Werteorientierung und einer starken familiären Bande verknüpft. Dies führt letztlich zu einem schwach ausgeprägten, generalisierten Vertrauen in andere, während das Vertrauen innerhalb der Gruppe mit Zuhilfenahme von Korruption steigt. Innerhalb egalitärer Gesellschaften ist eine egalitäre und individualistische Werteorientierung, gepaart mit einer schwachen familiären Bande, vorzufinden. In diesen Gesellschaften ist das generalisierte Vertrauen wesentlich höher, was dazu führt, dass auch das Vertrauen in andere Gruppen und Institutionen steigt und die Korruption sinkt (vgl. Karstedt 2004: 405).
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- Arbeit zitieren
- M.Sc. Economics Jasmin Mak (Autor:in), 2017, Die Wirkung von Korruption auf die Akkumulation von Sach- und Humankapital, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413192
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