Ausgangspunkt ist die Zunahme der Alzheimer-Erkrankung (Morbus Alzheimer) innerhalb der älteren Bevölkerung. Gleichzeitig bestehen bei den Ursachen dieser Art der Demenz zahlreiche offene Fragen. Aktuelle Ergebnisse lassen hoffen, dass Patienten, die an einer frühen Form der Demenz vom Alzheimertyp (DAT) leiden, vielleicht bald mit dem Antikörper Aducanumab behandelt werden können.
Es besteht die Chance, dass durch eine solche Antikörperbehandlung die für Alzheimerpatienten typischen Eiweißablagerungen im Gehirn reduziert werden können. Experten gehen derzeit davon aus, dass diese Plaques die Nervenzellen zerstören oder eine Entzündungsreaktion evozieren und damit eine Signalübertragung im menschlichen Gehirn beeinträchtigen.
Vor einer allzu vorzeitigen Euphorie wird aber zunächst noch gewarnt, da noch Ergebnisse größerer Studien abgewartet werden müssen. In dieser Publikation wird zunächst auf die Begrifflichkeiten Demenz und Morbus Alzheimer eingegangen, Bezug zum Antikörper Aducanumab genommen und schließlich der aktuelle Forschungsstand zum Antikörpereinsatz in der Alzheimertherapie analysiert.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
0 Aufgabenbeschreibung
1 Demenz
1.1 Begriff
1.2 Definitionen
1.3 Zugrundeliegende Erkrankungen
2 Morbus Alzheimer
2.1 Geschichtlicher Hintergrund
2.2 Symptome und Warnanzeichen
2.3 Die 5-A-Symptome
2.4 Pathophysiologie
2.5 Baptisten, Tauisten und andere Gruppen
3 Plaquebildung
3.1 Amyloid-Precursor-Protein
3.1.1 α-Sekretase
3.1.2 β-Sekretase
3.1.3 γ-Sekretase
3.2 Beta-Amyloid
3.2.1 Spezifizierung
3.2.2 Biologische Bedeutung
3.2.3 Voraussetzungen für Aβ-Synthese
3.3 Monomere und Oligomere
4 Aducanumab
4.1 Monoklonale Antikörper
4.1.1 Terminologie monoklonaler Antikörper
4.1.2 Herstellung monoklonaler Antikörper
4.1.3 Therapeutische monoklonale Antikörper
4.2 Wirkweise
4.3 Aktueller Forschungsstand
4.3.1 Studien bei PubMed
4.3.2 Studien der Firma Biogen
5 Kritik
6 Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Extrazelluläre Amyloid-Plaques und neurofibrillären Tangles 21
(Jacomy 2017:1)
Abb. 2: Histologisches Präparat mit deutlichen Amyloid-Plaques 22
(DocCheck Pictures 2017:1)
Abb. 3: Beta-Amyloid und Tau-Proteine 24
(Götz 2009:56)
Abb.4: Schnittbereiche der Sekretasen am APP 26
(Theuring 2016:8)
Abb. 5: Nichtamyloidgener und amyloidgener Weg 30
(Del Prete, Checler & Chami 2014:1)
Abb. 6: Faltung des Aβ-Monomer: Von einer α-helikalen Struktur 33
(Alpha-Helix-Monomer) zu einer β-Faltblatt-Struktur (Xu et al. 2005:5403)
Abb. 7: Strukturmodell des Aβ42-Monomers 34
(Harmeier 2008:12 in Anlehnung an Zheng et al. 2007:3047)
Abb. 8: Vom APP zum Plaque 35
(Drolle et al. 2014:7)
Abb. 9: Größenverhältnisse und Aufbau der Aggregate 36
(Serpell 2000:26)
Abb. 10: MAK-Nomenklatur 39
(DocCheck 2018:1)
Abb. 11: Schematische Darstellung der Hybridomtechnik 41
(Heilmann, Messerschmidt & Holzlöhner 2012:167)
Abb. 12: Größenverhältnisse 42
(AbbVie 2018:1)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Search History bei PubMed vom 14.08.2017 44
(Eigene Suche und Darstellung)
Tab. 2: Search History bei PubMed vom 22.01.2018 45
(Eigene Suche und Darstellung)
Abkürzungsverzeichnis
Å Ångström (1 Å = 10−[10] m)
Abb. Abbildung
AD Alzheimer Disease
ADAM A Disintegrin And Metalloproteinase
AICD APP intracellular domain
AK Alzheimer-Krankheit
Anm. Anmerkung
Apo E Apoliprotein E
APH anterior pharynx-defective
APP Amyloid-Precursor-Protein
ARIA Amyloid-related imaging abnorality
AS Aminosäure
ASS Acetylsalicylsäure
BACE β-site of APP cleaving enzyme
BAP β-Amyloid-Plaques
bp Base pair
BSG Basigin
bzw. beziehungsweise
C Carbon,
Kohlenstoff
CD147 cluster of differentiation 147
CSF Cerebrospinalflüssigkeit
ER Endoplasmatisches Retikulum
EMM-
extracellular matrix metalloproteinase inducer
PRIN
et al. et alii (und andere) (et alia [Femininum]; et alia [Neutrum])
Δ Delta,
Differenz
DAT Demenz vom Alzheimer-Typ
Da Dalton (Atomare Masseneinheit)
(1 Da = 1u)
Dr. Doktor
DSM Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
(Diagnostischer und Statistischer Leitfaden psychischer
Störungen
ELISA Enzyme-linked Immunosorbent Assay
ELISA Enzyme-linked Immuno Spot
EMA European Medicines Agency
FACS Fluorescence-activated cell sorter
(Flow sorter; Durchflusszytometrie)
ggf. gegebenenfalls
GM German Modifikation
H Hydrogenium,
Wasserstoff
ICD International Statistical Classification of Diseases and Related
Health Problems
(Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und
verwandter Gesundheitsprobleme)
INN International Nonproprietary Names
k Kilo
kDa Kilodalton
kg Kilogramm
LTE Long time examination
M Masse
M. Morbus
-mab monoclonal antibody
mAbs monoclonal antibody
MAK Monoklonaler Antikörper
mg Milligramm
MID Multi-Infarkt-Demenz
MHMM Master in Health and Medical Management
MS Multiple Sklerose
N Nitogenium,
Stickstoff
NCD Neurocognitive Disorder
NCT Nicastrin
NMR nuclear magnetic resonance
Nr. Nummer
NRG1 Neuregulin 1
O Oxigenium,
Sauerstoff
PEN presenilin enhancer
PRIME Priority medicines
Prof. Professor
PSEN Präsenilin
S Sulpur, Sulphur, Sulfur
Schwefel
sAPP sezerniertes Amyloid-Precursor-Protein
SDAT Senile Demenz vom Alzheimer-Typ
SHT Schädel-Hirn-Trauma
SMA Spinale Muskelatrophie
Tab. Tabelle
TACE tumor necrosis factor-α converting enzyme
WHO World Health Organization
(Weltgesundheitsorganisation)
u unified atomic mass unit (Atomare Masseneinheit)
(1u = 1,660539040(20)*10-[27]kg)
USAN United States Adopted Names
z. B. Zum Beispiel
zit. Zitiert
0 Aufgabenbeschreibung
Im berufsbegleitenden Fernstudiengang Master in Health and Medical Management (MHMM) der Friedreich-Alexander-Universität Erlangen (FAU) ist es im dritten Semester Aufgabe, eine thematisch zu einem der beiden Studienmodulen passende Einsendearbeit zu erstellen. Hierzu werden seitens der Hochschule jeweils zwei alternative Themen vorgeschlagen. Für die folgende Einsendearbeit wurde das Modul 5, Thema 2 ÄGegen das Vergessen: Anti-Alzheimer durch Antikörper“ gewählt. Ausgangspunkt ist, dass die Alzheimer-Erkrankung (Morbus Alzheimer) innerhalb der älteren Bevölkerung zunimmt, bei den Ursachen für diese Art der Demenz jedoch zahlreiche offene Fragen bestehen. Aktuelle Ergebnisse lassen hoffen, dass Patienten, die an einer frühen Form der Demenz vom Alzheimertyp (DAT) leiden, vielleicht bald mit dem Antikörper Aducanumab behandelt werden können. Es besteht die Chance, dass durch eine solche Antikörperbehandlung die für Alzheimerpatienten typischen Eiweißablagerungen im Gehirn reduziert werden können. Experten gehen derzeit davon aus, dass diese Plaques die Nervenzellen zerstören oder eine Entzündungsreaktion evozieren und damit eine Signalübertragung im menschlichen Gehirn beeinträchtigen. Vor einer allzu vorzeitigen Euphorie wird aber zunächst noch gewarnt, da noch Ergebnisse größerer Studien abgewartet werden müssen. In dieser Arbeit wird zunächst auf die Begrifflichkeiten Demenz und Morbus Alzheimer eingegangen, Bezug zum Antikörper Aducanumab genommen und schließlich der aktuelle Forschungsstand zum Antikörpereinsatz in der Alzheimertherapie analysiert.
1 Demenz
Die vor allem in europäischen, amerikanischen und einigen asiatischen Gesellschaften steigende Lebenserwartung führt zu einer erhöhten Lebenszeitprävalenz dementieller Erkrankungen. Das bedeutet, dass die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit zunimmt, innerhalb einer Lebensspanne an Demenz zu erkranken. Schätzungen gehen dabei davon aus, dass der generelle Anstieg dementieller Erkrankungen dazu führt, dass bis zum Jahr 2050 rund 131,5 Millionen davon betroffen sind, was eine Verdreifachung gegenüber der heutigen Situation darstellten würde. (Statista 2017:1) Davon wird Deutschland aufgrund des demographischen Wandels besonders betroffen werden. Hier, so kann aktuell prognostiziert werden, führt die Äsukzessive Überalterung der Gesellschaft im Zuge von Geburtenrückgang und Steigerung der Lebenserwartung zu einem massiven Anstieg der Demenzzahlen.“ (Statista 2017:1) Die Barmer GEK geht in ihren Schätzungen von einem Anstieg von rund 1,5 % (2010) bis zum Jahr 2060 auf 3,8% aus. (Statista 2017:1) ÄAuch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft prognostiziert einem Anstieg von rund 1,45 Millionen auf rund 2,88 Millionen Erkrankte bis zum Jahr 2060.“(Statista 2017:1)
1.1 Begriff
Der Begriff ÄDemenz“ ([deˈmɛnʦ]), ist lateinischen Ursprungs und basiert auf dem Wort Ädementia“, zu Ädemens“ was so viel wie ‚unvernünftig‘, ohne (=de) Ämens“, (Wikipedia 2017:1), das heißt ‚ohne Verstand, Denkkraft bzw. Besonnenheit seiend‘ meint, also übersetzbar als ÄNachlassen der Verstandeskraft“) (Platzek 2014:224) bedeutet. Unter der Bezeichnung ÄDemenz“ ist folglich ein Symptomkomplex, also ein Syndrom (eine Kombination von verschiedenen Krankheitszeichen (Symptomen) die typischerweise gleichzeitig und gemeinsam auftreten) zu verstehen, die durch den progredienten Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet ist. (DocCheck 2017:1) ÄIn späteren Krankheitsstadien kommt es in der Folge zu einem Verlust der Alltagskompetenz und zu einem Persönlichkeitszerfall.“ (DocCheck 2017:1)
1.2 Definitionen
Die Demenz ist vor allem durch den Abbau und Verlust kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen definiert. Zumeist handelt es sich dabei um progressive / progrediente Verläufe, bei denen es unter anderem zu Beeinträchtigungen der zeitlich und / oder örtlichen Orientierung, der Kommunikationsfähigkeit, der autobiographischen Identität und von Persönlichkeitsmerkmalen kommt. Das schwere Stadium einer dementiellen Erkrankung ist dabei häufig durch eine vollständige Hilflosigkeit und Abhängigkeit von der Umwelt charakterisiert. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko zur Multimorbidität, was additiv die Lebenserwartung verkürzt. Demenzen sind aufgrund dieser Charakteristika als schwere Gesundheits-beeinträchtigungen anzusehen, Ädie in hohem Maße mit Ängsten bezüglich der Erkrankung bei Betroffenen und Angehörigen assoziiert sind.“ (DGPPN & DGN 2016:10) Um sich zunächst dem Demenzbegriff vertraut zu machen, werden nachfolgend die Definitionen der ICD-10 GM und des DSM IV vorgestellt. Die Neufassung des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM; englisch für Ädiagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen“) verwendet den Begriff der Demenz nicht mehr sondern spricht von Neurocognitive Disorders (NCD), neurokognitiven Störungen und schließt weitgehend alle erworbenen Hirnleistungsstörungen ein. (Wikipedia 2017:1)
Gemäß der Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (englisch International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) in der 10. Ausgabe, deutsche Fassung (GM = German Modifikation) also der ICD-10 GM handelt es sich bei Demenz - der ICD-10-Schlüssel reicht von F00 bis F03 - um ein
ÄSyndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebrovaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.
(ICD-10 GM 2017:1)
Folgt man der Definition des DSM IV, so sind zur Diagnose Demenz
1.) Eine Gedächtnisbeeinträchtigung sowie
2.) Mindestens eine der folgenden Störungen:
- Aphasie
- Apraxie
- Agnosie oder
- Störung der Exekutivfunktionen
notwendig. Darüber hinaus muss es durch die Erkrankung zu einer
3.) signifikanten Beeinträchtigung der sozialen und / oder beruflichen
Funktionen kommen.
Auch muss es
4.) durch die kognitiven Defizite zu deutlicher Verschlechterung gegenüber dem früheren Leistungsniveau
kommen und das
5.) Auftreten der Defizite nicht ausschließlich während eines Delirs bestehen.
(DSM IV 1994:142-143)
1.3 Zugrundeliegende Erkrankungen
Wie Fieber, Schwindel, Übelkeit oder Schmerz keine eigenständigen Krankheiten sondern Symptome der unterschiedlichsten Erkrankungen darstellen, so handelt es sich auch bei Demenz um einen Syndrom (Komplex mehrerer Symptome) und nicht um eine eigenständige Erkrankung. Die ICD-10 GM listet sie sozusagen aufgrund ihrer Eigenschaft als Äverwandtes Gesundheitsproblem“ (Related Health Problem). Eine abschließend vollständige Aufzählung kann daher auch hier nicht erfolgen. Auf eine tiefergehende Ausführung und Einteilung in beispielsweise echten primären Demenzen versus sekundären Demenzen, Pseudodemenzen, dementielles Syndrom, vaskuläre u. a. Demenzen wird hier aufgrund der Fokussierung auf die Demenz vom Alzheimertyp (DAT) nicht eingegangen. Allgemein werden aber die folgenden Krankheiten als Demenzerkrankungen angesprochen:
- M. Alzheimer
- M. Binswanger
- M. Pick
- Chorea-Huntington
- M. Parkinson
- Lewy-Körper-Demenz
- Multi-Infarkt-Demenz
- und weitere
2 Morbus Alzheimer
Als Alzheimer-Krankheit (AK), in der Fachsprache auch lat. Morbus Alzheimer bzw. engl. Alzheimer Disease (AD) bezeichnet, ist eine auf multifaktoriellen Vererbung basierende neurodegenerative Erkrankung. Über das erstmalige Auftreten bei Patienten finden sich Angaben wie Äüblicherweise zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr“ (DocCheck 2017a:1) als auch, dass sie Äin ihrer häufigsten Form bei Personen über dem 65. Lebensjahr“ (Wikipedia 2017a:1) auftritt. In Zusammenhang mit Demenz wird auch häufig der Terminus ÄDemenz vom Alzheimer-Typ“ (DAT) verwendet. ÄDie Alzheimer-Krankheit beziehungsweise die Alzheimer-Demenz wird oft kurz als Alzheimer bezeichnet.“ (Wikipedia 2017a:1) Während der Erkrankung, die für ungefähr 60% der Demenzen verantwortlich ist und weltweit zu etwa 24 Millionen Demenzerkrankungen führt, kommt es zur progressiven Atrophie der Großhirnrinde (Cortex cerebri). (DocCheck 2017a:1)
2.1 Geschichtlicher Hintergrund
Während eines Vortrages im November 1906 beschrieb Dr. Alois Alzheimer (14.06.1864 in Marktbreit geboren, 19.12.1915 in Breslau verstorben), deutscher Psychiater und Neuropathologe, vor Kollegen den Fall einer Erkrankung, die später als Morbus Alzheimer oder Alzheimer-Krankheit in die Medizingeschichte aufgenommen wurde. Ausgangspunkt war die Patientin Auguste Deter (16.05.1850 in Kassel geboren, 08.04.1906 in Frankfurt am Main verstorben), die Dr. Alzheimer nach ihrer Aufnahme im November 1901 in der Frankfurter Nervenklinik kennenlernte.
Nachdem sich ihr Ehemann nicht mehr anders zu helfen wusste, brachte er seine Ehefrau Auguste Deter 1901 in die Städtische Irrenanstalt in Frankfurt am Main. Zuvor lebten beide im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Seit etwa sechs Monaten vorher hatte sich nach seinen Angaben zufolge Auguste Deter völlig verändert. So konnte sie Äihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen, belästigte Mitbewohner ihres Hauses und beschuldigte ihren Mann, sie mit einer flüchtigen Bekannten zu betrügen.“ (Einecke 2015:1) Aus damaliger Sicht schien die 51jährige Patientin viel zu jung um Symptome zu zeigen, die zu jener Zeit nur im hohen Alter auftraten: Eine Kombination aus Argwohn und Vergesslichkeit.
Auch waren keinerlei familiären Vorbelastungen bekannt, zu denen damals auch Geisteskrankheiten oder Trunksucht zählten. Alois Alzheimer - zu jener Zeit Assistenzarzt - befragte die verwirrte Frau und zeichnete das Gespräch auf. (Einecke 2015:1) ÄDas Protokoll dieser Befragung liegt heute im Original im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte, denn vor 20 Jahren tauchte Deters Krankenakte im Keller der Uniklinik wieder auf.“ (Einecke 2015:1) Auguste Deter verstarb im April 1906 und Alois Alzheimer, inzwischen Laborleiter bei Emil Kraepelin in München, ließ sich das Gehirn der Verstorbenen schicken. Er untersuchte es und veröffentlichte seine Erkenntnisse innerhalb des Vortrags im November 1906. Im folgenden Jahr 1907 erschien sein Beitrag in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin auf den Seiten 146 bis 148.
Nach den ersten Ausführungen Dr. Alzheimers 1906/1907 wurden innerhalb der folgenden fünf Jahre weitere elf ähnliche Fälle in der medizinischen Literatur beschrieben. Einige Beschreibungen verwendeten dabei bereits die Bezeichnung der Alzheimer-Krankheit. (Berchtold & Cotman 1998) Offiziell wird der Psychiater Emil Kraepelin, der die Erkrankung in der achten Ausgabe seines Lehrbuchs der Psychiatrie aus dem Jahre 1910 nach seinen Kollegen Dr. Alois Alzheimer benannte, als Namensgeber angesehen, (Kraepelin 1910 zit. in Hippius & Neundörfer 2003; Graeber et al. 1997) ÄDa die von Alois Alzheimer betreute Patientin relativ jung war, beschrieb er die Erkrankung als präsenile Demenz. Erst später erkannte man, dass dieselben histologischen Veränderungen auch bei älteren Demenz-Patienten auftreten.“ (Wikipedia 2017c:1)Um eine Abgrenzung zum Äechten (präsenilen)“ M. Alzheimer zu vollziehen, findet sich in der Literatur auch die Bezeichnung ÄSenile Demenz vom Alzheimer-Typ (SDAT oder DVAT)“ als Erkrankungsform des älteren Menschen. Die originalen Mikroskop-Präparate von Dr. Alois Alzheimers Arbeit in München wurden 1997 wiederentdeckt und erneut evaluiert. (Graeber et al. 1997) und im Jahre 2012 konnte hierin auch eine Präsenilin-1-Mutation nachgewiesen (Müller, Winter & Graeber 2013) werden.
2.2 Symptome und Warnanzeichen
Leitsymptom der Alzheimer-Erkrankung ist die progrediente Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Aufgrund dieser geht die Fähigkeit die Aktivitäten des täglichen Lebens adäquat auszuführen verloren und es zeigen sich zunehmend auch Auffälligkeiten im Verhalten.
Die Alzheimer's Association in Chicago stellt in einer Übersicht 10 Warnzeichen und Symptome anschaulich zusammen.
Auf diese wird im Folgenden eingegangen:
- Gedächtnisverlust, der das tägliche Leben beeinträchtigt
- Herausforderungen bei Planung und Lösung von Problemen
- Schwierigkeiten, gewohnte Aufgaben zu Hause, in der Arbeit oder in der
Freizeit durchzuführen
- Verwirrung bei Zeit und Ort
- Probleme beim Verstehen von visuellen Eindrücken und räumlichen
Zusammenhängen
- Neue Probleme beim Sprechen oder Schreiben von Wörtern
- Verlegen von Gegenständen und Verlust der Fähigkeit, Schritte
nachzuvollziehen
- Vermindertes oder schlechtes Urteilsvermögen
- Rückzug von Arbeiten oder sozialen Aktivitäten
- Veränderungen der Stimmung und des Charakters
(Alzheimer's Association 2017:1)
Gedächtnisverlust, der das tägliche Leben beeinträchtigt
Ein sporadisches Vergessen von Namen oder Terminen ist - vor allem bei zunehmendem Alter - normal, zumal, wenn man sich später wieder daran erinnert. Bei M. Alzheimer hingegen ist der Gedächtnisverlust eines der häufigsten Anzeichen. Insbesondere werden erst kürzlich erlernte Informationen und / oder wichtige Daten und Ereignisse vergessen. Auch das ständige Wiederholen von Fragen und die zunehmende Notwendigkeit, Gedächtnisstützen beispielsweise in Form von Erinnerungsnotizen zu nutzen Andere Anzeichen beinhalten das Vergessen von wichtigen Daten oder Ereignissen, das ständige Wiederholen von Fragen, die wachsende Notwendigkeit von Gedächtnisstützen (z. B. Erinnerungsnotizen oder elektronische Geräte) oder benötigte Hilfe durch Familienmitglieder bei Tätigkeiten, die bisher eigenständig durchgeführt wurden. (Alzheimer's Association 2017:1)
Herausforderungen bei Planung und Lösung von Problemen Gelegentliche Fehler zu machen ist durchaus normal. Bei Menschen mit einer Alzheimerdemenz erleben diese allerdings eine Veränderung innerhalb dieser Fähigkeiten. Pläne können nicht mehr entwickelt und zielführend umgesetzt werden. Auch die Nutzung von Zahlen, beispielsweise um damit zu rechnen, bereits Schwierigkeiten. Anleitungen können nicht oder nur noch schwer gefolgt werden. So können Probleme auftreten, den ÄAnleitungen eines bekannten Rezepts zu folgen oder den Überblick über die monatlichen Rechnungen zu behalten.“ (Alzheimer's Association 2017:1) Zunehmende Schwierigkeiten bei der Konzentration treten auf und die Ausführung bestimmter Tätigkeiten dauert länger. (Alzheimer's Association 2017:1)
Schwierigkeiten, gewohnte Aufgaben zu Hause, in der Arbeit oder in der Freizeit durchzuführen
Morbus Alzheimer führt im Krankheitsverlauf zu Schwierigkeiten im Rahmen der Alltagskompetenz. Oft treten Probleme bei der Ausführung alltäglicher Tätigkeiten wie dem Auffinden vormals bekannter Orte, Finanzen zu verwalten oder die Regeln eines bekannten Spiels umzusetzen, auf. (Alzheimer's Association 2017:1) Nach und nach führt dies zur Pflegebedürftigkeit, die durch die Notwendigkeit von Hilfe und Unterstützung bei Alltagsproblemen definiert ist. Selbst das Anziehen, Waschen, der Toilettengang etc. können nicht mehr selbst durchgeführt werden.
Verwirrung bei Zeit und Ort
Die Erkrankten verlieren mit Fortschreiten der Alzheimerkrankheit den Bezug zu Daten wie auch der Jahreszeit oder dem Zeitverlauf. Sachverhalte, die sich nicht auf den aktuell gegenwärtigen Moment beziehen, bereiten Schwierigkeiten und werden nicht verstanden. Neben der zeitlichen Orientierung geht die örtliche und später auch die situative und personale Orientierung verloren. (Alzheimer's Association 2017:1)
Probleme beim Verstehen von visuellen Eindrücken und räumlichen Zusammenhängen
Im Verlauf der Erkrankung treten ÄSchwierigkeiten beim Lesen, Einschätzen von Entfernungen und bei der Bestimmung von Farben oder Kontrast“ (Alzheimer's Association 2017:1) auf. Auch das eigene Spiegelbild wird als solches nicht mehr erkannt. Patienten sehen darin häufig eine andere Person.
Neue Probleme beim Sprechen oder Schreiben von Wörtern
Probleme beim Sprechen und Schreiben liegen weniger in Sprechproblemen begründet sondern in Sprachproblemen. Es handelt sich also um eine kognitive Beeinträchtigung bei der die Worte durch das Gehirn nicht mehr gefunden werden. Dies wirkt sich unter anderem dadurch aus, dass Unterhaltungen nicht mehr gefolgt werden können und eine aktive Teilnahme nicht mehr stattfindet. ÄSie können mitten in der Unterhaltung aufhören zu sprechen und nicht wissen, wie sie fortfahren sollen, oder sie wiederholen sich.“ (Alzheimer's Association 2017:1) Gekennzeichnet ist M. Alzheimer auch durch Neologismen: werden bestimmte Worte nicht gefunden, so werden Umschreibungen genutzt. So kann aus der ÄArmbanduhr“ die ÄHand-Uhr“ werden.
Verlegen von Gegenständen und Verlust der Fähigkeit, Schritte nachzuvollziehen
Gegenstände werden verloren oder an ungewöhnlichen Plätzen abgelegt. So finden sich beispielsweise Schuhe in Kühlschrank oder Schlüssel im Backofen. Problematisch ist, dass diese Dinge verlegt werden, die Betroffenen aber nicht mehr die Schritte ihrer Handlungen bzw. ihres Vorgehens nachvollziehen können. (Alzheimer's Association 2017:1) Dies führt dazu, dass andere des Diebstahls bezichtigt oder verdächtigt werden. Misstrauen und Aggressivität können damit einhergehen.
Vermindertes oder schlechtes Urteilsvermögen
Unter der Bezeichnung Ädysexekutives Syndrom“ ist zu verstehen, dass Menschen, die an Morbus Alzheimer leiden, eine Veränderung des Urteilsvermögens bzw. beim Treffen von Entscheidungen erfahren. ÄZum Beispiel zeigen sie ein schlechtes Urteilsvermögen beim Umgang mit Geld, geben große Beträge bei Teleshops aus. Sie achten weniger auf Sauberkeit oder halten sich selbst nicht mehr sauber.“ (Alzheimer's Association 2017:1)
Rückzug von Arbeiten oder sozialen Aktivitäten
Mit Beginn der Alzheimer-Erkrankung erleben die Betroffenen zunehmend Verluste. Dies führt wiederum zu Unsicherheit und dem weiteren Rückzug. So werden beispielsweise den Hobbies nicht mehr nachgegangen, soziale Kontakte werden nicht mehr gepflegt und auch andere Projekte oder sportliche Aktivitäten treten in den Hintergrund.
Veränderungen der Stimmung und des Charakters
Viele der bereits angesprochenen Verluste führen zu Ängsten, die schließlich auch die Stimmung und den Charakter des Menschen mit Demenz verändern.
ÄSie können verwirrt, misstrauisch, depressiv, ängstlich oder unruhig sein. Sie können zu Hause, am Arbeitsplatz, mit Freunden oder an Orten, an denen sie sich außerhalb ihrer gewohnten Umgebung befinden, leicht aus der Fassung geraten.“
(Alzheimer's Association 2017:1)
Bei den angesprochenen Punkten handelt es sich um Anhaltspunkte. Viele ältere Menschen zeigen Veränderungen, die auf eine dementielle Erkrankung und insbesondere auf Morbus Alzheimer - hindeuten. Treten solche auf, sollte durch diagnostische Maßnahmen eine Erkrankung ausgeschlossen oder bestätigt werden. Dies ist umso wichtiger, um dem Betroffenen möglichst früh entsprechende Hilfen zukommen zu lassen. Diese Hilfen beziehen sich dabei wie gezeigt wurde nicht nur auf den physischen und psychischen Bereich sondern beinhalten auch die Sicherstellung wirtschaftlicher Aspekte.
2.3 Die 5-A-Symptome
Die bereits vorgestellten Symptome und Warnzeichen lassen sich kurz in fünf Begriffe einordnen. Diese werden - sie beginnen alle mit dem Anfangsbuchstaben ÄA“ - als Ä5-A-Symptome“ bezeichnet.
Es sind dies:
Amnesie Gedächtnisverlust, Vergesslichkeit
Apraxie Verlust praktischer Fähigkeiten
Agnosie Verlust Menschen und Dinge zu erkennen
Apathie Mangelnde Anteilnahme, Anteilslosigkeit
Aphasie Sensorische Aphasie: Fehlendes Sprachverständnis
Motorische Aphasie: Sprechstörung, unverständliches
Sprechen
(DocCheck 2017a:1)
2.4 Pathophysiologie
Eine genaue Ursache, die zur Alzheimererkrankung führt, ist derzeit (2017) noch nicht identifiziert. Bei Morbus Alzheimer handelt es sich um eine primär degenerative Demenz mit diffusen Atrophien der Hirnrinde. Im späteren Stadium ist auch das Marklager beeinträchtigt. Insbesondere der Temporallappen, der Parietallappen und der Hippocampus sind betroffen. Dabei kann die Schrumpfung des Gehirns bis zu 20% seiner Ausgangsgröße betragen.
Im Mikroskop lassen sich sowohl Veränderungen innerhalb als auch außerhalb der Nervenzellen beobachten:
- Intrazelluläre Aggregate des Tau-Proteins
(Neurofibrilläre Tangles, Alzheimer-Fibrillen
- Extrazelluläre Amyloid-Plaques und Angiopathien (Kongorot-Färbung)
(DocCheck 2017a:1)
ÄInnerhalb der Neurone sind granulovakuoläre Degenerationen nachweisbar, die Transmitterausschüttung von Acetylcholin ist durch Degeneration des Nucleus basalis vermindert.“ (DocCheck 2017a:1) Problematisch dabei ist, dass diese Veränderungen nicht spezifisch für Morbus Alzheimer sind sondern sich auch in Gehirnen von Personen nachweisen lassen, die gesund sind. Die folgende Grafik zeigt die Lage der extrazellulären Amyloid-Plaques und die neurofibrillären Tangles schematisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Extrazelluläre Amyloid-Plaques und neurofibrillären Tangles (Jacomy 2017:1)
Bei der nächsten Abbildung handelt es sich um ein histologisches Präparat eines an der Alzheimer-Krankheit (AK) erkrankten Gehirns. Deutlich zu erkennen sind dabei die runden, dunkler hervortretenden Stellen. Hierbei handelt es sich um extrazelluläre Amyloid-Plaques.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Histologisches Präparat mit deutlichen Amyloid-Plaques (DocCheck Pictures 2017:1)
2.5 Baptisten, Tauisten und andere Gruppen
Innerhalb der aktuellen Science Community ist man sich nicht unbedingt einig, welcher Mechanismus nun der entscheidende Punkt zur Genese der Alzheimererkrankung ist. Generell wird daher von zwei großen Gruppen gesprochen: Den Baptisten und den Tauisten. Da in den Gehirnen der Alzheimerpatienten mit intrazellulären Aggregaten aus Tau-Proteinen, den Äneurofibrilläre Tangles“ oder auch ÄAlzheimer-Fibrillen“ also winzige Eiweißknäuel aus dem so genannten Tau-Protein und andererseits extrazelluläre Amyloid-Plaques, sogenannte β-Amyloid-Plaques (BAP) - es handelt sich um flächige Eiweißablagerungen aus Beta-Amyloid - gefunden werden, gibt es sowohl Vertreter für die eine als auch für die andere Theorie der Genese.
ÄEine Schule schreibt den Beta-Amyloid-Ablagerungen die Schuld am Alzheimer zu, ihre Vertreter nennen sich Baptisten, mit dem griechischem Buchstaben Beta geschrieben. Andere, die so genannten Tauisten hielten die Tau-Protein-Bündel für die krankmachende Struktur.“
(Goldhahn 2001:1)
Da allerdings stets beide Veränderungen beobachtet werden, geht eine dritte Gruppe davon aus, dass beide Veränderungen zu Morbus Alzheimer führen. Und letztlich kann konstatiert werden, dass menschliche Gehirne sowohl β-Amyloid-Plaques als auch τ-Proteine aufweisen, diese jedoch trotzdem nicht an der Alzheimer-Krankheit leiden - was wiederum die vierte Gruppe zu dem Schluss kommen lässt, dass vielleicht das eine oder das andere oder auch beides keine Ursache für die Genese einer Demenz vom Alzheimertyp (DAT) ist sondern vielmehr ein Symptom!
Auch die vorliegende Arbeit wird diese Frage nicht beantworten können. Nachdem die Fragestellung jedoch auf den Einsatz von Aducanumab als Antikörperbehandlung rekurriert, die die für Alzheimerpatienten typischen Eiweißablagerungen im Gehirn reduzieren soll, wird im weiteren Verlauf dem Ansatzpunkt der Baptisten gefolgt.
[...]
- Quote paper
- BA, MSc, MA, MHBA Horst Siegfried Kolb (Author), 2018, Gegen das Vergessen. Anti-Alzheimer durch Antikörper, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/412859
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.